Acta Pacis Westphalicae III C 3,1 : Diarium Wartenberg, 1. Teil: 1644-1646 / Joachim Foerster
1645 VI 25

18
1645 VI 25
Sonntag [...] Chigi bei W: Contarini zu keinem Kompro-
19
miß
bereit. 1. Schwierig, ihn von dem Platz hinter den Kronen zu verdrän-
20
gen
, während den Kurfürstlichen, wenn sie nicht erscheinen, das ebensowenig
21
zum Präjudiz gereicht wie den Spaniern im Präzedenzstreit mit den Fran-
22
zosen
. 2. In Wien erscheinen die Kurfürstlichen nicht in der ksl. Kapelle bei
23
Anwesenheit des Venezianers. 3. Bei Abreise Contarinis sind die Verhand-
24
lungen
gefährdet. 4. Die Schuld könne dann den Kurfürstlichen gegeben
25
werden. 5. Das Beste sei immer noch, das Entgegenschicken einzustellen,
26
doch bezweifelt er, daß das durchzusetzen sei [...]. W: 1. Contarini
27
konnte den Platz hinter Franzosen und Spaniern nur einnehmen, weil kein
28
Höherer da war. 2. Haslang und Buschmann haben in Wien immer den
29
gebührenden Platz eingenommen, daß nun damaln der Venetus zu Wien nit
30
gewest, oder sonsten außgeplieben, seye eben das argument, so er gegen die
31
herren Churfürsetn vermeintlich anziehe; und wüsten I. H. G. außerdem
32
sonsten wol, daß bey reichsconventibus der Venetianische in der mitten auf
33
einer banck sitze, die churfürstlichen aber ein Staffel höher in denen mit
34
rothem sammet beklaideten stüelen ahn ihrem gehorigen orth und ordnung,
35
auch also im gehen halten. Ad 3. Sey ein bedencklicher punct, man habe
36
aber die nachricht, maßen der Churbrandenburgische vermeldet, daß die
37
Franzosen desto weniger nit underlaßen würden, mit ihme herrn nuncio

[p. 224] [scan. 274]


1
allein zu tractiren und zu negotiiren, auch würden die Schweden zu Oßna-
2
bruck , allwo der Venetus kein mediator, gleichwol fortfahren. Den von
3
Chigi herangezogenen Passus der französischen Vollmacht, die Gesandten
4
sollten coniunctim mit Chigi und Contarini handeln, bezieht W auf die
5
Franzosen und nicht auf die Mediatoren. Beym vierten vermainen die herrn
6
churfürstlichen quod non, sondern weyln, wie notori und der herr nuncius
7
selbst gestehet, den churfursten die praecedenz gebuhret, so kann ihnen,
8
wan sie das ihrige behaubten, von niemanden verüblet werden. Das 5.
9
were wol das beste mittel gewest und noch, wans dahin zu pringen.

10
Worauf der herr nuncius, daß er noch sein eußerist darmit versuchen
11
wolle, zue welchem I. H. G. ihnen besterckt [...]. Vertraulich äußert Chigi,
12
daß I. H. G. der Venetianische die ganze schuld dieses handelß, und daß die
13
churfürstlichen dergestalt sich herfurthetten, beymesse, indeme sie sich der
14
sachen so eiffrig annehmen, und sonst wol die authoritet und mittel hetten,
15
den anwesenden churfürstlichen ein anders zu demonstriren. Auf wel-
16
ches I. H. G., daß ihro hierin vom Veneto und allen andern unrecht gesche-
17
he , zumalen ja leichtlich zu erachten, daß sie kein principalis, sondern
18
gleich wie er vorgebe, daß er instruction und befelch habe, also auch sie
19
und andere churfürstliche abgesandte eben sowol ihrer principalen instruc-
20
tion und befelch nachkommen musten. Es heten I. H. G. in soweit mehrer
21
particularinteresse dabey, alß andere churfürstliche gesandte nit, ausser daß
22
sie alß ein fürst ungern sehen, daß die chur- und fürstliche praeeminentz
23
und digniteten, ja gleichsamb des ganzen Romischen reichs splendor ab
24
exteris von einem da, dem andern dort dergestalt verwirrt und undertrückt
25
werden solt. Es hetten aber hier I. H. G. nur ein votum und gebühre das
26
directorium dem churfürsten von Mainz, und konten sie neben anderen
27
Churcolnischen abgesandten das geringste ohne vorwissen und belieben der
28
anderen churfürstlichen gesandten nicht thun oder vornehmen, der Venedi-
29
ger aber hette soviel dependentz und considerationes nit, sich zue beque-
30
men , zu machen, dan es bey ihm und seiner discretion allein stünde [...].

31
Hinzu Volmar und die Kölner Räte. Volmar: Contarini hat erklärt, bisher
32
habe er die Präzedenzfrage zu umgehen gesucht; nachdem sie jetzt aber
33
aufgeworfen sei, müsse er offen erklären, daß Venedig der Vorrang
34
gebühre, wozu er lange Ausführungen gemacht und ein Buch vorgewiesen
35
hat, nach dem während des Tridentiner Konzils Venedig sich vor Bayern
36
und den Kurfürsten behauptet hat. Er droht mit Abreise, falls sein Recht
37
verletzt wird. Wan dan solches eine sach von grosem auffsehen und nach-
38
dencken , so must er zu der herrn churfurstlichen abgesandten vernünfftiger
39
erwegung nachmalen gestelt sein laßen, ob ihnen nicht das vorgeschlagene
40
mittel, daß nemblich bey des duca di Longevill einholung die herrn chur-
41
furstlichen ihre endgegenschickende personen in eine gutschen mit den
42
Kayserlichen setzen möchten, beliebig. Der herr nuncius hat hierauff
43
wiederumb einen weitlauffigen discurß, der doch mehren theylß in favo-
44
rem Veneti gerichtet gewesen, angefangen, und iezterwehnten mittel noch

[p. 225] [scan. 275]


1
drey andere hinzugesezt und respctive repetieret, alß 1. daß der herrn
2
churfürstlichen abgesandten gutschen immediate auff die Kayserliche fol-
3
gen , und gar den frembden cronen vorgehen mochten, 2. daß der duc de
4
Longeville und Pinneranda gar kein endgegenschickung begehren oder an-
5
nehmen möcht, wie vor diesem auch vorgeschlagen worden, 3. daß yedeß-
6
malß , wan dergleichen einholung zu thun, nur diejenige, so von deß an-
7
kommenden parthey seind, also die Spanische den Spanischen, Franzosische
8
den Franzosischen, und churfürstliche den churfürstlichen die gutschen, wie
9
auch die mediatores, endgegenzuschicken [...]. W und die Kölner: Sie
10
müssen über alles zunächst mit Bayern und Brandenburgern reden, nemme
11
sie wunder das Venetus den authorem, so allem ansehen nach ein Venetus
12
seie, allegiere circa actum in concilio Tridentino, so doch solchen die herrn
13
curfirsten ia in specie das hauß Baiern vill anders und fir sich einfieren
14
contra Venetos. Verabredung einer Konferenz der Ksl. mit den Kur-
15
fürstlichen
. Nach Weggang Chigis sagt Volmar in der weiteren Diskussion,
16
auch Österreich weiche Venedig nicht, der österreichische Vertreter werde
17
bevelcht sein, seiner deputation abzuwartten, und alle andere occasiones zu
18
fliechen.

19
Mitteilung an Bayern und Brandenburger. – Schreiben an die Mainzer

40
Anlage 108 (W an Mainzer Gesandte in Osnabrück 1645 VI 25): fehlt.
.

Dokumente