Acta Pacis Westphalicae III C 3,1 : Diarium Wartenberg, 1. Teil: 1644-1646 / Joachim Foerster
1645 VI 19

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1645 VI 19
Montag Beratung mit den Kölner Geheimen Räten. Von
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Volmar vorgebrachte Punkte. 1.–2. Die Reichsdeputation dem Franck-
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furtischen concluso gemeß, hieher nach Münster zu verlegen, und, weilen
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sich die Schweden dagegen opponiren, auch nit dienlich sein mocht, alle
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deputatos von Oßnabruck anhero zu ziehen (damit den nit deputatis nit
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ursach gegeben werde, sich immediate desto mehrer an die Schweden zu
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hangen), sich eines ausschußes von solcher reichsdeputation auß etlichen
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chur- und fürstlichen gesandschafften (gleich ohnedem auch vor diesem zu
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Franckfurt guttbefunden) dergestalt zu vergleichen, daß derselbe zu Oßna-
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bruck sich aufhalte, alles so dorten vorgehet hieher referiren, und von der
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volligen deputation alhier beratschlaget werden solle. Beym dritten, ob beyde
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chur- und furstlich collegia in uno conclavi zu halten, sey zwarn ein alter

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streitt, die herrn churfurstlichen aber weren in possessione, absonderlich zu-
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sammenzukommen und die consultationes zu führen, und also unam semis-
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sim totius corporis deputatorum constituirte, da sonsten die vota viritim
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aufgenommen, und ein stättisch- so viel alß churfurstliches gelten würde,
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welches zu verhüetten, man es billich beym alten zu laßen. 4. Beim Frank-
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furter
Beschluß zu belassen, dan novum comitiorum genus, admittendo et
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alios non deputatos, anzustellen, stehe bey den wenigen stenden nit, zu
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einem reichstag aber auch das absehen zu haben, werde uber alle maß große
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verlengerung causiren, und den außwerttigen cronen, die tractatus zu ver-
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schieben und die moram auf diese seitthen zu weisen, ein gewünschtes ding
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sein. Wan man yedoch in processu der handlung sehen würde, wie sich die
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sachen anließen, möchte alßdan davon zu reden sein, ob durantibus trac-
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tatibus (maßen Ihre Kayserliche Mayestät alberait bewilliget) ein reichstag
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ahn einen andern orth außzuschreiben, underdeßen gleichwol mit den frie-
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denstractaten zu verfahren, gleich dan anno 1552

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An den Verhandlungen zu Passau 1552 waren beteiligt gewesen der Kaiser, Kg. Ferdi-
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nand , die Kurfürsten, Braunschweig, Jülich, Pommern, Württemberg, Brandenburg-
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Küstrin , Bayern, Salzburg, Würzburg, Eichstätt; die getroffenen Vereinbarungen galten
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als durch den (1555 in Augsburg stattfindenden) Reichstag zu bestätigende vorläufige
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Abmachungen.
ebenfalß zu Paßaw gutt-
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befunden . 5. Nach Goldener Bulle, Kurverein und Reichssatzungen kann
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die Mehrheit handeln, obwolen man zuweilen eines oder andern ex discre-
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tione vorher erwarttet. Und weilen dan ohnedas sehr gutt were, daß Chur-
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sachsen , alß welcher allezeit gelinde und friedliche consilia bey den vorge-
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wesen reichß- und andern conventibus geführt, und anietzo wegen des
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Prager friedens den catholischen nit würde zuwieder sein, ehestens
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abordnete, da sonst die uncatholische sich ahn Churbrandenburg mehrers
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hencken dörfften, so stunde dahin, ob er nicht darzu durch schreiben anzu-
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langen . Die Gesandten sollen bereits bestimmt sein.

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Mitteilung durch Reck / Merfeldt an die Bayern, die sich in allem anschlie-
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ßen .

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Nachricht von guttem orth: Die Protestanten wegen des suffragii aller
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stende noch nicht einig; die radikaleren sind für Anschluß an die Schweden
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in Osnabrück, wobei man den Katholiken freistelle, wie und wo sie ihr
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anliegen anzupringen für gutt hielten, die gemäßigteren sehen darin den
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letzten Ausweg und schlagen zunächst vor, daß nur die Deputierten die
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Kollegialberatungen besuchen, sich vorher aber mit den Ständen ihres
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Kreises beraten und deren Meinung vorzubringen haben. Hierauf soll schon
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Bamberg instruiert sein, dem die übrigen Deputierten des fränkischen
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Kreises folgen würden. Sonsten laße sich so viel vermercken, daß wan
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darauff bestanden werden solt, daß die reichsdeputirten stend allein für
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sich des suffragii sich anzumaßen, und die andere stend ganz davon auszu-
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schließen , daß nit allein underschiedliche von den deputirten selbst sich
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darzu nit wurden bekennen, sondern auch viele von den uncatholischen zue

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andern bösen und schädlichen resolutionibus dörfften bewegen laßen, da
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sie vorab der mainung, daß man catholischen theylß auff diese weiß die re-
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ligionsgravamina von diesen tractaten ab- und anderstwohin auf die lange
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bahn (warzu sie aber durchauß nit zu verstehen gedachten) zu weisen
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suche. Beigefügt ist eine Sammlung von Argumenten, warum die Friedens-
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verhandlungen
vor die gesamten Stände gehören

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Anlage 102: Rationes und motiven warumb die herren reichsdeputati ordinarii bey
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diesen algemeinen friedenstractaten die deliberationes exclusis statibus non deputatis
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anzutretten und fortzusetzen nicht befüegt oder berechtiget (Druck: J. G. Meiern I
S. 455f ).
. Die Schweden sollen zwar
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anfangs auf Anstellung der ständischen Beratungen in Osnabrück bestanden
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haben, jetzt den Ständen den Ort aber freistellen.

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W bei Chigi. Vorwurf spanischer Gesinnung des Papstes durch die Fran-
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zosen
[...]. Wegen Zulassung Rákóczys billigt Chigi den ksl.-kurfürstlichen
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Standpunkt und vermeldet, daß es ein der gantzen christenheitt sehr
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gefehrliche sach seye, indehme der Türck durch solche occasion totius
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christianitatis statum et potentiam, und wie selbige durch diesen kriegh
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allerseits mercklich zerfallen, werde penetriren können. Der Titel Altezza
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ist den Franzosen von den Mediatoren wieder abgeschlagen worden, da
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Longueville ihn in Frankreich nicht erhält, er dazu nicht qualifiziert ist
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und nicht als Herzog, sondern als französischer Gesandter kommt; nur als
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solchem wird man ihm entgegenschicken, und in dieser Eigenschaft gebührt
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ihm der Exzellenztitel. Chigi selbst wird sich so lange an die klaren
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Bestimmungen des römischen Zeremoniells halten müssen, bis die Franzosen
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in Rom anderslautende Befehle erwirken; gegenüber W meint er, daß wohl
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auch Ksl. und Kurfürsten nicht nachgeben würden. Auff welches
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I. H. G., daß sie noch von einigen nicht vernohmmen, der es zu thun ge-
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dächte , und seye ihr lieb von des Venetianischen intention zu vernehmmen,
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hielten woll daß man sich dißfalß leichtlich werde vergleichen können, woh
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nur in der praecedentzstreytthigkeitt zwischen den churfürstlichen und
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Venetianischen ein mittel zu treffen. Es hette sie newlich nit wenig conster-
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nirt , alß auß sein herrn nuncii andeuthen der Volmari referirt, daß der
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Venetus dergestalt in extremis verbleibe, unnd so gahr von einigen mittelen
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nicht hören, zugeschweigen annehmmen wolle, und sich auff seine instruc-
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tion , auch possession, und gefehrliche praeiudicia beziehen dörffe, welches
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gahr kein wegk zur accomodation, sondern viellmehr daß contrarium fomen-
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tiren und bezeigen thue. Die Possession bestreiten die Kurfürstlichen, auf
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Instruktionen berufen sie sich auch; das er von keinem medio wollte hören
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oder annehmmen, hetten auch die churfürstliche biß dato keines vorgeschla-
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gen , sonderen sich ebensowoll bey den ihrigen zue manuteniren gedencken
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würden. Käme von Chigi oder den Ksl. ein Vorschlag, stünde zu vernehm-
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men , ob sich der Venedier (dehme billich auch die verandtworttung boni
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publici oblige) in etwas bequehmen wollte, warauff sich dan die churfurst-
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liche villeicht desto ehender (waß immer ohne praeiuditz geschehen kan)

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würden vernehmmen laßen. Ob ihme auch daß anbetrohete wegkraißen zu
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verandtwortten, woltten I. H. G. nicht iudiciren [...]. Wäre er allein,
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könne er beim Einzug Longuevilles in sein Stift reisen, welches aber ietzt
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under so vielen eine andere meinung habe. Chigi: Haslang könne seinen
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Schwiegervater

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Friedrich von Fürstenberg.
besuchen, die Brandenburger könnten zu ihren Osnabrük-
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ker
Kollegen gehen. I. H. G.: Sie geben ihme selbst zu bekennen, ob
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solches absque notabili praeiudicio thuen- oder practizirlich, dahero ge-
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stehen müese, daß es schwer seye, unnd wüsten sie gahr sicher, daß sie es
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ohne außtrucklichen befelch, dehn man aber so baldt nicht haben könne,
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nicht thuen würden. Das Argument, bei Abreise Contarinis könne Frank-
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reich
die päpstliche Vermittlung ablehnen, werde Brandenburg eher zu
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einer noch festeren Haltung veranlassen. Worüber der herr nuncius sich
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zimblich perplex bezeigtt, unnd eine guete weyll in gedancken ohne red
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geseßen, und folgents begehrt, ob I. H. G. leyden möchten, hievon dem
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Veneto bedeutung zu thuen? Warauff sie, daß nicht gehrn sehen
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woltten, alß wan es von ihro herquehme, hettens allein ihme herrn nuncio
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in confidentia, und zue dem ende anzeigen wollen, daß solche des Veneti
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resolution wegkzuziehen villeicht nicht gahr groß, sonderlich von den un-
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catholischen werde apprehendirt oder geachtet werden, unnd also er woll
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zu bedencken haben wehrde, waß nicht allein seiner republicq dergestalt
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die mediation zu verlaßen, sondern auch dem gemeinen wehsen darahn
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gelegen, und darauß entstehen kontte. Der herr nuncius mueste ge-
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stehen , das alles diß wahr, und wie I. H. G. vermeldet, beschaffen, gleich er
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dan auch eben darumb mitt ihme weythers rehdden woltte.

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