Acta Pacis Westphalicae III C 3,1 : Diarium Wartenberg, 1. Teil: 1644-1646 / Joachim Foerster
1645 III 4

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1645 III 4
Samstag Chambory bei W. Nochmalige Versicherung
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enger Zusammenarbeit mit den Kurfürstlichen und Hoffnung auf deren
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Unterstützung bei Wahrung der Rechte und Präeminenz des Hauses Sa-
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voyen
. Da nach Auskunft Volmars in der Titelfrage Ksl. und Kurfürstliche
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erst Weisungen einholen müssen, das Fehlen eines savoyischen Vertreters in
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Wien aber die Sache erschweren könne und der Gesandte schon vier
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Wochen in Wolbeck warte, schlägt er vor, daß Ksl. und Kurfürstliche ent-
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gegenschicken
und die Entscheidung wegen der ersten Visiten und des Ex-
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zellenztitels
unter einem Vorwand verschoben wird. Chigi sei zu dem in
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Rom üblichen Zeremoniell bereit, auch von den Franzosen, die dem Ge-
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sandten
schriftlich schon den Exzellenztitel gegeben hätten, erwarte man
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keine Schwierigkeiten. W hält zunächst eine Einigung unter den an-
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wesenden
Gesandten für nötig, wobei viel auf die übrigen Kronen an-
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komme
. Verhalten der Franzosen am Tag des bayerischen Einzuges und
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ihre Verweigerung des Exzellenztitels, weshalb man sich ihrer gut ver-
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sichern
müsse. Warauf er, sie hetten sich gegen ihnen in dieser curfürst-
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lichen materi zimblich explicirt, alß daß sie nemblich in instructione hetten,
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sich in allem gegen die churfürstlichen den Kayserlichen gemeß zu ver-
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halten . Und weilen sie nun vernommen, daß die Kayserliche das praedica-
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tum Excellenz den Churbayerischen im Teutschen nit gegeben, sondern
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allein in tertia persona mit ihrem discurß geplieben, so hetten auch, vermög
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ihrer instruction, ein mehrers nit thun konnen. Und alß I. H. G. ihme
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diversitatem linguae, und daß man der Teutschen sprach andere terminos
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habe alß in andern, angedeut, andworttete er, der herr Volmari hab ihm
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eben dergleichen gesagt. Es konten aber die Franzosischen plenipotentiarii
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keine andere sprach alß Italianisch und Franzoß, deren sie sich auch gebrau-
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chen und die andwort in selbiger hinwieder erwartten würden. W:
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[...]. Nachdem man sehe, daß alle alß die Spanisch-, Franzosisch, auch der
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herr nuncius und Venetus ihrer naturlichen sprachen sich gebrauchen thet-
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ten , also würde man auch deßgleichen thun und die Spanier, Franzosen
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und andere mit der Teutschen sprach anreden müßen, und wurden sich
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deßen die Franzosische soviel wenig zu beschwern haben, weiln ohnedaß
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der d’Avaux Teutsch verstehe, lese und red. Chambory erinnert an
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Verhandlungen in Lyon, wo nach vier Monaten Streit in der Sprachenfrage
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Savoyen schließlich Frankreich nachgab

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Gemeint wohl die zum Vertrag von Lyon 1601 I 17 führenden Verhandlungen, in dem
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Savoyen gegen Einräumung von Saluzzo an Frankreich Bresse und Gex abtrat.
. Situation in Savoyen, Uneinig-
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keit
mit den Franzosen wegen der Zitadelle von Turin. In iezig der Fran-
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zosisch ubergebenen proposition hab er gelesen, daß die Franzosen das

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Italianische weesen dem Pabst und Venetianern, auch andern Italianischen
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fursten in die hand geben wolten, woruber sie sich wegen der streittigkeit
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mit Venedig und besorgender disaffection in specie beschweren wurden,
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zuemalen sich auch alle fursten in Italia niemaln dergestallt vergleichen
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wurden. Worauf I. H. G., daß eben diß in Teutschland auch gesucht
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werde. Und scheine nur, daß man ehender weitere confusiones sueche, alß
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auß den sachen zum frieden zu kommen sincere begere, welches er auch
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affirmierte.

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Revisite der Bayern, verglichenermaßen bei W zuerst, da 1. die churfursten
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under ein corpus und collegium gehorig, und also sich undereinander vor
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allen verehren sollen; 2. daß man das exempel von den Franzosen habe, in-
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deme der Servient von seinem collega, dem d’Avaux, weiln er spather an-
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kommen , das erste mal besucht und wieder revisitiert worden; 3. I. H. G.
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ihnen Churbayerischen selbst in persona beym hereinkommen endgegen-
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gefahren , sie in ihre gutsch genommen, ihnen auch vor allen andern die
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formal visita gegeben, womit sie zu der ersten revisita wiederumb verob-
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ligirt ; 4. dadurch alle weitterung und der Venetianer disgusto zu verhuet-
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ten ; sonderlich auch 5. weilen solches der herr nuncius selbst, deme es prop-
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ter respectum sedis apostolicae vorhero angedeuttet und daruber communi-
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cirt , gutt befunden, auch exempla, daß dergleichen in Italia offters gesche-
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hen , sich befindet. Krebs proponiert und versichert, sie seien mit W
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und den Kölnern alle verträwliche gute correspondenz [...] zu pflegen be-
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auftragt ; Kf. Ferdinand hat ihnen in Bonn erklärt, dazu seien auch seine
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Vertreter angewiesen. In Anlehnung an den bayerischen Vortrag ant-
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wortet
Landsberg, es sey nit ohn, daß annoch schlechte anzeig zu fort-
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sezung der tractaten und consequenter zum frieden selbst a parte der
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Franzosen. Man müste dannoch hoffen, daß durch Gottes genad verley-
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hung und ietzig ihr der Churbayerischen mitanwesenheit, auch weilen die
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Churbrandenburgische gleichfalß herannaheten, das werck noch werde
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promovirt und erhebt werden konnen. Wavon man in discursu auff
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allerley materi kommen, und wie die herren Churbayerische ratione cere-
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monialium sich hin und wieder bey den gesandten eines und anders erkun-
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digt zue haben vermeldet, ist von I. H. G. ihnen angedeuttet, was sie von
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dem Savoyer heut vormittag vernommen. Und wie es nemblich scheine,
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daß alle schuld wegen underlaßenen praedicati Excellenz gegen den Chur-
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bayerischen von den cronen auf die Kayserliche wolle geschoben werden,
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gestalt dan sie dahero bedacht, etwan morgen mit dem graven von Naßaw
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zue reden und zue sehen, ob er zue endladung dieser invidia und confusion
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zu einem andern muglich zue disponiren, welches den herren Churbayeri-
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schen gar wol eingangen. Auf den andern von den Churbayerischen mo-
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virten punct, weilen so schlechter verlaß annoch zu fortgang der tractaten
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und erlangung des friedens, ob nit endzwischen wegen eines stillstandts der
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waffen anzuebinden, haben I. H. G. vermeldet, was auf Ihrer Churfürst-
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lichen Durchlaucht in Baiern und Cöln mehrmaliges zueschreiben und erin-

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nern sie nit allein offters mit dem nuncio und Veneto deßhalber geredet,
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sondern auch anderer ortthen, in specie bey den Franzosischen selbst, etwas
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andeuttens davon gehabt. Welchergestalt auch, auf ihr vielfaltiges ansuchen
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und begeren beyde, der nuncius und Venetus, nacher Pariß ahn daselbstigen
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nuncium und Venedischen pottschaffter geschrieben, darauf aber, wie ihro
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der herr nuncius noch erst gestern angedeuttet, schlechte vertrostung zu-
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ruckgelangt , auch kein bevelch zu erhalten gewesen. Bey welchem die
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herren Churbayerische vermeldet, daß vom herrn nuncio bey ihnen gegebe-
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ner visita sie eben dergleichen vernommen. Und divertirten demnegst auff
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die zu papier gebrachte replic auf das von den Franzosischen loco proposi-
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tionis eingebenes scriptum, mit vermelden, daß sie demselben mehrers nach-
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gedacht und vermainten, daß die clausul, wo von deputation des churfürst-
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lichen collegii dergestalt gedacht wird ‘conventum, ut nomine totius collegii
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electores duo Coloniensis nimirum et Brandenburgicus eorumve deputati
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hoc munus in se reciperent’, in so weit zu ändern und hinzuzusezen ‘si tamen
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reliquorum dominorum electorum plenipotentiarii ad eundem tractatuum
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locum convenerint, eiusdem essent qualitatis et conditionis’. Wie auch ahn-
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statt der wörtter ‘etiam duorum electorum deputati ad manum sint, quorum
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alter non tam electorem Coloniensem quam integrum electorale collegium
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repraesentat’ folgende zue inseriren ‘et iam duorum electorum deputati ad
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manum sint, qui reliquos absentes electores vi praedictae conventionis
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Ratisbonensis de anno 1636 repraesentant’, mit dem andeutten, daß wan
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andere herren churfursten schickten, die anno 1636 verglichene deputation
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in so weit cessiren thette. Worauf I. H. G., die deputation seye auf
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Churcollen allein nit geschehen, sondern auf Churbrandenburg mit, und
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werde derselb seine gesandten in eodem gradu et qualitate anheroschicken.
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Ihres theylß hetten noch nit vernommen, daß Churcollen der deputation
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sich zue begeben gemeindt, weniger ihro deßhalber instruction zukommen,
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und also hierinnen fur sich nit willigen konten, sonderlich auch, weilen, alß
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diese quaestio beym deputationtag zu Franckfurt movirt, Churbrandenburg
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dieser deputation sich zue begeben nit verstehen wollen. So würde auch 2.
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die von ihnen erinnerte correctur und änderung den Franzosen desto mehr
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zu scrupulirn und zu sagen ursach geben, daß von den churfursten allein
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zwen alhier, und benebenst andere selzam beduncken, daß nur nach der
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Churbayerischen ankunfft die ganze deputation cessiren solt. Drittens seye
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die deputation ratione absentium, die nit schicken würden, angesehen und
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also, wan die Churbayerische schon alhie, das collegium dannoch nit
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ergentzt, sondern die meiste noch abwesend, welche per deputatos Collen
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und Brandenburg repraesentirt wurden. Werde dahero 4. die deputation in
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ihrem vigore auf dissen baiden pleiben müßen, biß alle churfürsten in par-
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ticulari schicken. Müste auch 5. auf allen fall deßhalber mit Churbranden-
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burg oder deßen abgesandten vorhero communicirt werden. 6. Wodurch
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dannoch beyden weder gegeben noch genommen, weilen sowol manente
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deputatione alß darnach Churcollen nach Mainz den vortritt hat, auch

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Churbrandenburg außer seiner letzten stell nichts hocher praetendiren
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konte. Ob aber, wan neben Churbrandenburg auch Churmainz und
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Sachsen zur stell, die negotia alßdan collegialiter und waß gestalt und ort
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hie oder zu Oßnabruck zu fuhren, werde eine andere frag sein, welche, wie
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auch die vorige, beym deputationtag zu Franckfurt movirt, aber, soviel
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man nachricht hat, annoch nit resolvirt, sondern anhero verwiesen werden
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wollen. Und ob sie wol ohne expresse instruction in beyden nichts thun
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würden, so hielten doch beßer, daß der schluß daruber zu besagtem
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Franckfurt gemacht, damit man nit erst hier mit vielem disputiren die zeit
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verliehren möchte, sonderlich hier in conspectu der frembden nationen. Die
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intention aber im concept etwas beßer zu expliciren, mochte zu sezen sein:
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‘et iam duorum electorum deputati ad manum sint, quorum alter uti a
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collegio electorali deputatus reliquos absentes electores repraesentat’.

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Welches ihnen die herren Churbayerische also gefallen laßen. Und
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movirten beynebens ferner, daß fast aller orthen in der schrifft Caesaris
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allein gedacht werde, sine mentione electorum vel imperii. Bey wel-
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chem I. H. G. vermeldet, daß eben dergleichen zwischen den Kayser-
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lichen und ihro, alß die erste schrifft zu papier bracht, ins mittel kommen.
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Weilen aber besorgt worden, es möchten die Franzosische, wan de electori-
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bus hinzugesezt, gleichfalß ratione imperii moviren und da auch dieses spe-
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cificirt , alßdan zu scrupuliren anlaß nehmen, daß außerhalb I. H. G. de im-
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perio niemand zur stell, und ihnen also auß unsern eigenen schifften
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materi zu scrupuliren suppeditirt werden, so seye rhatsamer gehalten,
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beydes außzuelaßen. 2. Seyen auch die tractaten biß hieher von Ihrer
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Majestät allein gefuhrt, und sowol anno 1636 alß 1641 solches also deter-
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minirt , daß das churfürstliche collegium den Kayserlichen, alß corpus
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capiti, assistiren solle. Gestalt es dan also in obacht genommen, daß was
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den Kayserlichen von den mediatoribus vorgepracht oder sonsten von den
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Franzosen ins mittel kommen, sie Kayserliche alle mal sich erklehrt, daß sie
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mit I. H. G., alß Churcolnischen deputirten communiciren müsten, wie ge-
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schehen . 3. Solchen falß würden die Franzosen auch der churfürstlichen
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vollmacht zue sehen begehren, welches aber mit I. H. G. plenipotenz sowol
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die mediatores alß Kayserliche zu verhuettung weitläuffigen disputirens und
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scrupulirens nit fur dienlich befunden. Weilen doch 4. wans zum beschluß
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der tractaten kommen solt, des churfürstlichen collegii ratification und sub-
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scription ohne dem, auch wol auf der Franzosen selbst begeren, würde hin-
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zugethan werden müßen. 5. Würden besorglich die Kayserliche sowol alß
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auch die mediatores ungern sehen, daß ietzt in stylo änderung
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vorgenommen, und dadurch den Franzosen newe materi zu disputiren und
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zeit zu gewinnen ultro ursach gegeben; wobey es dan die herren Churbaye-
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rische bewenden laßen. Uber dieses referirten I. H. G., was bey ihro der
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Savoyische abgeordtnete wegen der gesantschafft vorgebracht. Wobey
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die herren Churbayerische vermeldet, daß sie deßhalber beraiz mit voriger
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post Ihrer Churfürstlichen Durchlaucht, mit anfuhrung der vom Volmari

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1
movirter argumenten zugeschrieben und umb verhaltensbefelch gepetten.
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[...].

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