Acta Pacis Westphalicae III C 3,1 : Diarium Wartenberg, 1. Teil: 1644-1646 / Joachim Foerster
1645 I 26
1645 I 26
Donnerstag D’Avaux / Servien bei W: Wegen des Pfarrers
zu Neuss haben sie an den Kommandanten
Karl von Rabenhaupt (1602–1675), Frhr. von Sucha, hessischer Oberst (vgl. ADB
XXVII S. 85ff.
, die Landgräfin und nach
Frankreich geschrieben sowie mit den hessischen Gesandten geredet und er-
warten die Antwort. Nochmaliges Ersuchen um Freigabe der Leiche
Bothelhos. Die Schweden wollen vorher nicht verhandeln, weshalb d’Avaux
die geplante Reise nach Osnabrück verschieben mußte. W dankt für
die Bemühungen in der Neusser Sache, die er noch weitter mit mehrerm
eiffer zu urgiren bittet, da die Antworten sich offensichtlich verzögern. In
der anderen Sache kann er nur, wie schon zweimal geschehen, an den Feld-
marschall Geleen schreiben; die Antwort verzögert sich vielleicht, weil die
militärischen Stellen sich nicht im Unrecht glauben oder weil die Schwe-
den sich nicht an Geleen gewandt haben [...]. W wiederholt, der Irrtum
wäre nicht entstanden, wenn die Schweden den Paß in der im Präliminar-
vertrag festgesetzten Form ausgestellt hätten, weshalb sie und andere Ge-
sandte zu erinnern seien, damit behutsamer umzugehen. D’Avaux
stimmt zu, Servien aber führt an, auch mit einem ksl. Paß sei der schwe-
dische Sekretär
vor einigen Monaten im Stift Minden von den Ksl. ange-
griffen worden. W verspricht, nochmals an Geleen zu schreiben, und
äußert sich erfreut, daß nach Auskunft der Mediatoren aus Paris eine gün-
stige Resolution wegen Vorlage der Friedensproposition eingetroffen sei.
Da die allein noch im Weg stehende portugiesische Sache schnell zu erledi-
gen sei, werde d’Avaux die Reise nach Osnabrück zur Beförderung der
Verhandlungen hoffentlich nicht verschieben. Er fürchte nur, daß, gleich hie-
bevor offters verspührt worden, nicht hiernach wiederumb etwas newes
von ihnen, den Franzosen oder Schweden, werde auf die bahn kommen.
Darauf alßbalden der Servient, diese sach mit dem Bodelli, alß ein
haubtpunct, und darahn ihr und aller gesandten authoritet, auch ipsa
praeliminaria hafften thette, müste redressirt sein, dan auff solche weiß sie
selbst in oder vor der statt nicht sicher weren. I. H. G., sie wüsten
mehrers nit hierzu zu sagen, alß beraiz geschehen, daß nemblich der fehler
auß manquement des paßes und dem modo procedendi herrühre, und sich
hiervon das argument auf die gesandten nicht ziehen laße. Subiungirten
demnach, sie vernehmen, daß eine newe difficultet in dem sich ereignen
wolt, daß die Churbayerische und andere churfürstliche, in specie die Chur-
brandenburgische gesandten nicht gebuhrend wolten tractirt oder fur for-
mal gesandten gehalten werden. Und weilen nun die herren churfürsten
ihre bevollmächtigte anderer gestalt anher oder nacher Oßnabruck nit
kommen laßen, auch hieran die fürsten sich spieglen werden, sie die Fran-
zosische aber vor diesem sich erklehrt, ohn die stende nit zu tractiren, so
seye leicht zu mercken, wo es damit hienauß wolle, und warumb eben iezt
und nit zuvor dergleichen movirt worden; seye zu befahren, daß man diß
abermal gar speciose pro remora gebrauchen werde. Worauf der Servi-
ent , der churfürsten vorhaben seye ein lauttere novitet und zuvor nie
gehört worden. I. H. G., sie wolten pitten, er mochte sich in dieser sach
pro iudice so geschwind nit heraußlaßen, dan sie forchten, er werd den
rechten bericht nit haben. Warauf I. H. G. der d’Avaux angesehen
und mit dem kopff und augen auf den Servient gewuncken, worauß sie ab-
nehmen konnen, daß er einer andern mainung alß der Servient sey, wie er
dan auch fast die ganze zeit bey hierüber geführtem discurß geschwiegen
und nur mit lachenden mund zuegehort. Der Servient aber sagt, er
wiste keine occasion, daß der churfürsten abgeordnete yemaln fur formal-
gesandten gehalten worden. Dem I. H. G. replicirt, man müße einen
underschied zwischen dem, wie es im reich und bey ordinari conventibus,
und außer demselben, wan ahn die frembde potentaten schickungen ge-
schehen , gehalten werd, machen. Zweiffleten auch nit, daß dergleichen
distinction in Franckreich seye, wie dan nit zu glauben, sie auch nie gehort
hetten, daß, wan einem vom konig in seines konigreichs sachen commission
geben, derselb allemal wie hier und ahn andern koniglichen hoffen solte
respectirt und tractirt werden. Als Beispiel einer bayerischen Formalge-
sandtschaft führt er den Empfang eines Grafen Fugger in Rom vor etwa
20 Jahren
an und antwortet auf Serviens Einwurf, ob Bayern damals
schon Kurfürst gewesen sei, habe er solche formal gesandschafft als herzog
gethan, gebuhre ihm die ehr iezo viel mehrerers [...]. So befinde sich auch,
daß vor ein- zweyhundert und mehr jahren churfürstliche gesandten nacher
Rom geschickt, auch von geistlichen churfürsten, und dafur allda gehalten
worden, konte also gar nit fur eine novitet geachtet werden. Wie aber noch
vor wenig jahren die titul und anders mit Savoya, Florenz, auch mit
andern sich geändert und gestiegen, also stehe es in arbitrio eines oder des
andern nit, sondern muste inter pares paritas gehalten werden. Sie die
Franzosische selbst hetten den Venetianischen pottschaffter anfangs auch
nit wie iezt tractirt noch tractiren wollen. Der Servient sagt, Venedig
seye ein groß- und ganz absolute republicq, und hette es mit derselb viele
considerationes. Darauf I. H. G., man wiste der Venediger statum,
potentiam et authoritatem sehr wol, und seye der churfürsten glori soviel
desto größer, dan weilen sie und dero gesandten allemal der republiq und
deren pottschaffter vorgangen und deßen von vielhundert jahren in pos-
sessione weren, so hetten sie auch solches desto mehr zu praetendiren, und
nicht davon abzustehen. Nachdem W hinsichtlich der Hofämter der Kur-
fürsten durch Vergleich mit dem officium stratoris des Kaisers dargelegt
hat, daß solche officia mehr zu ehr alß abbassamento gereichig und eo ipso
desto großer, daß es andern in dergleichen publicis actibus zu thun nit
zugelaßen würde, führt er auf einen neuen Einwand Serviens hin Beispiele
dafür an, daß früher die Kurfürsten und sogar der Herzog von Bayern den
Vorrang vor Venedig tatsächlich besessen hätten. Den Einwand von
d’Avaux, es existiere ein ksl. Dekret zugunsten Venedigs, korrigiert er da-
hin , es sei 1637 ohne Vorwissen der Kurfürsten ergangen, die sich dagegen
verwahrt hätten. Im übrigen solle danach Venedig pro testa coronata be-
handelt werden, doch als letzte in der Reihenfolge, so daß damit der Präze-
denz der Kurfürsten nichts abgehe, zumal der Kaiser befohlen habe, diese
mit Venedig gleich zu behandeln. D’Avaux: Es hetten die herren chur-
fürsten keinen beßern advocaten alß I. H. G. schicken und gebrauchen kon-
nen . Diß weren solche sachen, die wol zu consideriren, davon sie zuvor kei-
nen bericht gehabt. Auf welches I. H. G., eben darumb hetten zuvor
gebetten, daß der herr Servient alß ein außländer von den reichssachen
ohne grundliche information nit so gestracks judicirn wolt. Worauf der
Servient abermal herausgefahren, warumb dan die fursten in persona den
churfürstlichen gesandten vorgingen? Darauf erläutert W am Beispiel
des Mülhausener Konventes und des letzten Reichstages den Unterschied
zwischen Fürstenrat, wo ein Fürst in Person allen Gesandten vorgeht, und
Kurfürstenrat, wo der Gesandte, in Verhinderung des Prinzipalgesandten
auch ein anderer, persönlich anwesenden Kurfürsten nicht weicht.
D’Avaux: Es seye wunderlich, daß repraesentans repraesentantem auch die
ehr und praeeminenz haben solt. I. H. G., diß seye also herkommen,
und sich im reich nit würde ändern laßen, auch die Franzosen, alß welche
yederzeit libertatem imperii im mund fuhreten, zu thun nit gedencken
würden. Und sehen sie dergleichen ahn dem Volmari und Brün, welche, ob
sie gleich nur gelehrte und keine standtspersonen weren, dannoch für
Kayser- und konigliche gesandten gehalten würden. Wer auch der repu-
blica zu Venedig verpiethen wolle, daß sie nit noch einen, welcher dem
Contarini ahn herkommen nit gleich, ihme adiungiren möchte. Auf
dieses nahme der d’Avaux den hutt ab, und denselben vor den mund hal-
tend , redete dem Servient in ein ohr, und darauf gegen I. H. G., er muste
bekennen, daß ihnen diese information sehr nutzlich und gutes licht gebe,
und würden sie auch nun andern bericht nacher Pariß thun mußen. In
diesem discursu seind von I. H. G. auch die den dieses beym Savedra, und
beym Rortee den 25. Januar vorkommene motiven introducirt und
gebraucht, auch under andern gedacht worden, daß dafern die churfurst-
lichen gesandten nit wenigst dem Venetianischen gleich gehalten werden
solt[en], sowol in endgegenschickung der gutschen alß dem titul, visiten
und anders, kondten sie versichern, daß endweder keine churfürstlichen ge-
sandten weitters anhero kommen, oder doch (maßen sie in instructione,
auch habender nachricht nach, andere in befelch hetten) diejenige ehr hin-
wiederumb andern, die ihnen bezeigt wurde, zu erweisen, es weren auch
dieselbe, wer sie wolten. Darauf der d’Avaux den Servient angesehen
und gelacht, dieser aber sagt, questa è una gran resolutione. I. H. G.
andwort war, solche resolution müsten die churfursten gegen dieienige
nehmen, die ihr ehr und dignitet bestreitten oder abbassiren, sie umb ihre
libertet pringen, und das ganze reich umbkehren wolten. Und hetten sie
eben diß bey den Spanischen auch bedeuttet, konten ihro aber nicht vor-
stehen laßen, daß die Spanische und Franzosische eben iezt in dießem eins
sein und zusammenhalten wolten, die herren churfürsten dergestalt, sonder-
lich bey diesen belli temporibus et pacis tractatibus, zue disgustiren, da sie
doch sonst in allen sachen discrepiren. Der Servient sagte, was Chur-
bayern anlangte, vermeinten sie nit, daß mans demselben alß einem her-
zogen in Bayern solt oder wolte controvertiren. Worauf I. H. G., wan
nit alß herzogen solte geschehen, warumb nit viel weniger alß churfursten,
der in dignitate viel mehr; oder ob sie Churbayern nicht fur einen chur-
fürsten erkennen wolten. Sagte er von nein, die mainung habe es nit, al-
lein seye es darumb zu thun, daß was sie ihme alß churfursten erwiesen,
solches auch andern geschehen muste, welches ihnen bedencklich. I. H. G.
darauf, ob sie wol die ehr, welche sie einem herzogen bezeigen, einem chur-
fursten verwaigern wolten. Darauf schwiegen beyde und meldeten nur,
wans gleich auch noch Sachsen und Brandenburg wiederfahren solt, konten sie
doch die geistliche zue solche praeeminentz nit recognosciren. Worauf
I. H. G., der Pabst, Kayser, auch die konige in Franckreich vor diesem
krieg hetten die churfursten, geist- und weltliche, yedeßmalß alß churfür-
sten gleich respectirt, und were dergleichen distinction unerhört. Sie Fran-
zosische mochten ahm cardinal Richelieu ein exempel nehmen, wie derselb,
da er nur ein privat cavallier gewesen, von den Franzosen uberall respectirt
werden müßen; auch der cardinal Mazarini noch, und wie durchgehendts
alle cardinäle verehrt würden, also diese distinctio, die sie zu machen inten-
diren , gar unbegrund, und abermal contra libertatem imperii seye. Es
gingen die geistliche churfursten in collegio electorali dem konig in
Boheimb, wan er gegenwertig, vor, und die weltliche nach, darumb aber
seye kein underschied oder praecedentia under ihnen, sondern allein ordo.
Wisten aber außerdem gar nit, warumb sie den Churbrandenburgischen
gesandten nit eben das tractament, was ihro, anthun wolten, weiln eben wie
Churcollen, Churbrandenburg vom gesambten churfürstlichen collegio zu
den friedenstractaten deputirt. Worauf der Servient, diß hetten sie wol
bedacht, es seye aber die ehr, so I. H. G. angethan, alß einem reichsfürsten,
der so viele landen, und sonderlich hierherumb hette, auch von so hohem
hauß descendirte, geschehen. Deßen I. H. G. sich zwar bedanckt, aber dabey
vermeld, sie sehen gar nit, mit was raison durch diß argument die chur-
fursten , sonderlich deputirte des collegii zueruckzusezen. Es würde sich aber
zeigen, daß wan sie diese maximam behaubten solten und die churfursten
nit, wie im reich und sonsten herkommen, tractiren wolten, das friedens-
negotium gewiß schlecht befurdert, weniger auch ihr intention, in beywesen
der stende zu tractiren, erlangen, sondern wol allerhand disgusti darauß
endstehen würden. Diesem nach und zuletzt fragten I. H. G., ob sie nicht
bald ihre proposition eröffnen und damit, daß zu den sachen gethan und
mit der handlung verfahren würde, anlaß geben oder dises einstrewen
wegen der herren churfürsten tractament pro remora abermal gebrauchen
wolten. Worauf nichts geandtworttet, sondern einer den andern ange-
sehen und gleich darauf aufgestanden. Und obwoln I. H. G. nachmaln
gedacht, weilen sie sehen, daß hier nichts zu thun, und darumb auf etlich
tag nach ihrer statt und vestung Wiedenbruck und residenz Reckenberg
begeben, sich aber, wan sie nur durch einen ihrer hinderlaßender hoffoffi-
cier , daß sie ad propositionem schreitten wolten, advertiert, bey der nacht,
wie in 12 stunden geschehen kund, wieder zuruckverfügen wolten, haben
sie es doch ebenfalß mit stillschweigen beandworttet, und zur gutschen
eingesessen.
Nassau bei W. Bericht über das Gespräch mit den Franzosen; während Ws
Reise nach Wiedenbrück soll Landsberg als Verbindungsmann dienen.
Gleiche Mitteilung an Chigi.
zu Neuss haben sie an den Kommandanten
Karl von Rabenhaupt (1602–1675), Frhr. von Sucha, hessischer Oberst (vgl. ADB
XXVII S. 85ff.
Frankreich geschrieben sowie mit den hessischen Gesandten geredet und er-
warten die Antwort. Nochmaliges Ersuchen um Freigabe der Leiche
Bothelhos. Die Schweden wollen vorher nicht verhandeln, weshalb d’Avaux
die geplante Reise nach Osnabrück verschieben mußte. W dankt für
die Bemühungen in der Neusser Sache, die er noch weitter mit mehrerm
eiffer zu urgiren bittet, da die Antworten sich offensichtlich verzögern. In
der anderen Sache kann er nur, wie schon zweimal geschehen, an den Feld-
marschall Geleen schreiben; die Antwort verzögert sich vielleicht, weil die
militärischen Stellen sich nicht im Unrecht glauben oder weil die Schwe-
den sich nicht an Geleen gewandt haben [...]. W wiederholt, der Irrtum
wäre nicht entstanden, wenn die Schweden den Paß in der im Präliminar-
vertrag festgesetzten Form ausgestellt hätten, weshalb sie und andere Ge-
sandte zu erinnern seien, damit behutsamer umzugehen. D’Avaux
stimmt zu, Servien aber führt an, auch mit einem ksl. Paß sei der schwe-
dische Sekretär
griffen worden. W verspricht, nochmals an Geleen zu schreiben, und
äußert sich erfreut, daß nach Auskunft der Mediatoren aus Paris eine gün-
stige Resolution wegen Vorlage der Friedensproposition eingetroffen sei.
Da die allein noch im Weg stehende portugiesische Sache schnell zu erledi-
gen sei, werde d’Avaux die Reise nach Osnabrück zur Beförderung der
Verhandlungen hoffentlich nicht verschieben. Er fürchte nur, daß, gleich hie-
bevor offters verspührt worden, nicht hiernach wiederumb etwas newes
von ihnen, den Franzosen oder Schweden, werde auf die bahn kommen.
Darauf alßbalden der Servient, diese sach mit dem Bodelli, alß ein
haubtpunct, und darahn ihr und aller gesandten authoritet, auch ipsa
praeliminaria hafften thette, müste redressirt sein, dan auff solche weiß sie
selbst in oder vor der statt nicht sicher weren. I. H. G., sie wüsten
mehrers nit hierzu zu sagen, alß beraiz geschehen, daß nemblich der fehler
auß manquement des paßes und dem modo procedendi herrühre, und sich
hiervon das argument auf die gesandten nicht ziehen laße. Subiungirten
demnach, sie vernehmen, daß eine newe difficultet in dem sich ereignen
wolt, daß die Churbayerische und andere churfürstliche, in specie die Chur-
brandenburgische gesandten nicht gebuhrend wolten tractirt oder fur for-
mal gesandten gehalten werden. Und weilen nun die herren churfürsten
ihre bevollmächtigte anderer gestalt anher oder nacher Oßnabruck nit
kommen laßen, auch hieran die fürsten sich spieglen werden, sie die Fran-
zosische aber vor diesem sich erklehrt, ohn die stende nit zu tractiren, so
seye leicht zu mercken, wo es damit hienauß wolle, und warumb eben iezt
und nit zuvor dergleichen movirt worden; seye zu befahren, daß man diß
abermal gar speciose pro remora gebrauchen werde. Worauf der Servi-
ent , der churfürsten vorhaben seye ein lauttere novitet und zuvor nie
gehört worden. I. H. G., sie wolten pitten, er mochte sich in dieser sach
pro iudice so geschwind nit heraußlaßen, dan sie forchten, er werd den
rechten bericht nit haben. Warauf I. H. G. der d’Avaux angesehen
und mit dem kopff und augen auf den Servient gewuncken, worauß sie ab-
nehmen konnen, daß er einer andern mainung alß der Servient sey, wie er
dan auch fast die ganze zeit bey hierüber geführtem discurß geschwiegen
und nur mit lachenden mund zuegehort. Der Servient aber sagt, er
wiste keine occasion, daß der churfürsten abgeordnete yemaln fur formal-
gesandten gehalten worden. Dem I. H. G. replicirt, man müße einen
underschied zwischen dem, wie es im reich und bey ordinari conventibus,
und außer demselben, wan ahn die frembde potentaten schickungen ge-
schehen , gehalten werd, machen. Zweiffleten auch nit, daß dergleichen
distinction in Franckreich seye, wie dan nit zu glauben, sie auch nie gehort
hetten, daß, wan einem vom konig in seines konigreichs sachen commission
geben, derselb allemal wie hier und ahn andern koniglichen hoffen solte
respectirt und tractirt werden. Als Beispiel einer bayerischen Formalge-
sandtschaft führt er den Empfang eines Grafen Fugger in Rom vor etwa
20 Jahren
schon Kurfürst gewesen sei, habe er solche formal gesandschafft als herzog
gethan, gebuhre ihm die ehr iezo viel mehrerers [...]. So befinde sich auch,
daß vor ein- zweyhundert und mehr jahren churfürstliche gesandten nacher
Rom geschickt, auch von geistlichen churfürsten, und dafur allda gehalten
worden, konte also gar nit fur eine novitet geachtet werden. Wie aber noch
vor wenig jahren die titul und anders mit Savoya, Florenz, auch mit
andern sich geändert und gestiegen, also stehe es in arbitrio eines oder des
andern nit, sondern muste inter pares paritas gehalten werden. Sie die
Franzosische selbst hetten den Venetianischen pottschaffter anfangs auch
nit wie iezt tractirt noch tractiren wollen. Der Servient sagt, Venedig
seye ein groß- und ganz absolute republicq, und hette es mit derselb viele
considerationes. Darauf I. H. G., man wiste der Venediger statum,
potentiam et authoritatem sehr wol, und seye der churfürsten glori soviel
desto größer, dan weilen sie und dero gesandten allemal der republiq und
deren pottschaffter vorgangen und deßen von vielhundert jahren in pos-
sessione weren, so hetten sie auch solches desto mehr zu praetendiren, und
nicht davon abzustehen. Nachdem W hinsichtlich der Hofämter der Kur-
fürsten durch Vergleich mit dem officium stratoris des Kaisers dargelegt
hat, daß solche officia mehr zu ehr alß abbassamento gereichig und eo ipso
desto großer, daß es andern in dergleichen publicis actibus zu thun nit
zugelaßen würde, führt er auf einen neuen Einwand Serviens hin Beispiele
dafür an, daß früher die Kurfürsten und sogar der Herzog von Bayern den
Vorrang vor Venedig tatsächlich besessen hätten. Den Einwand von
d’Avaux, es existiere ein ksl. Dekret zugunsten Venedigs, korrigiert er da-
hin , es sei 1637 ohne Vorwissen der Kurfürsten ergangen, die sich dagegen
verwahrt hätten. Im übrigen solle danach Venedig pro testa coronata be-
handelt werden, doch als letzte in der Reihenfolge, so daß damit der Präze-
denz der Kurfürsten nichts abgehe, zumal der Kaiser befohlen habe, diese
mit Venedig gleich zu behandeln. D’Avaux: Es hetten die herren chur-
fürsten keinen beßern advocaten alß I. H. G. schicken und gebrauchen kon-
nen . Diß weren solche sachen, die wol zu consideriren, davon sie zuvor kei-
nen bericht gehabt. Auf welches I. H. G., eben darumb hetten zuvor
gebetten, daß der herr Servient alß ein außländer von den reichssachen
ohne grundliche information nit so gestracks judicirn wolt. Worauf der
Servient abermal herausgefahren, warumb dan die fursten in persona den
churfürstlichen gesandten vorgingen? Darauf erläutert W am Beispiel
des Mülhausener Konventes und des letzten Reichstages den Unterschied
zwischen Fürstenrat, wo ein Fürst in Person allen Gesandten vorgeht, und
Kurfürstenrat, wo der Gesandte, in Verhinderung des Prinzipalgesandten
auch ein anderer, persönlich anwesenden Kurfürsten nicht weicht.
D’Avaux: Es seye wunderlich, daß repraesentans repraesentantem auch die
ehr und praeeminenz haben solt. I. H. G., diß seye also herkommen,
und sich im reich nit würde ändern laßen, auch die Franzosen, alß welche
yederzeit libertatem imperii im mund fuhreten, zu thun nit gedencken
würden. Und sehen sie dergleichen ahn dem Volmari und Brün, welche, ob
sie gleich nur gelehrte und keine standtspersonen weren, dannoch für
Kayser- und konigliche gesandten gehalten würden. Wer auch der repu-
blica zu Venedig verpiethen wolle, daß sie nit noch einen, welcher dem
Contarini ahn herkommen nit gleich, ihme adiungiren möchte. Auf
dieses nahme der d’Avaux den hutt ab, und denselben vor den mund hal-
tend , redete dem Servient in ein ohr, und darauf gegen I. H. G., er muste
bekennen, daß ihnen diese information sehr nutzlich und gutes licht gebe,
und würden sie auch nun andern bericht nacher Pariß thun mußen. In
diesem discursu seind von I. H. G. auch die den dieses beym Savedra, und
beym Rortee den 25. Januar vorkommene motiven introducirt und
gebraucht, auch under andern gedacht worden, daß dafern die churfurst-
lichen gesandten nit wenigst dem Venetianischen gleich gehalten werden
solt[en], sowol in endgegenschickung der gutschen alß dem titul, visiten
und anders, kondten sie versichern, daß endweder keine churfürstlichen ge-
sandten weitters anhero kommen, oder doch (maßen sie in instructione,
auch habender nachricht nach, andere in befelch hetten) diejenige ehr hin-
wiederumb andern, die ihnen bezeigt wurde, zu erweisen, es weren auch
dieselbe, wer sie wolten. Darauf der d’Avaux den Servient angesehen
und gelacht, dieser aber sagt, questa è una gran resolutione. I. H. G.
andwort war, solche resolution müsten die churfursten gegen dieienige
nehmen, die ihr ehr und dignitet bestreitten oder abbassiren, sie umb ihre
libertet pringen, und das ganze reich umbkehren wolten. Und hetten sie
eben diß bey den Spanischen auch bedeuttet, konten ihro aber nicht vor-
stehen laßen, daß die Spanische und Franzosische eben iezt in dießem eins
sein und zusammenhalten wolten, die herren churfürsten dergestalt, sonder-
lich bey diesen belli temporibus et pacis tractatibus, zue disgustiren, da sie
doch sonst in allen sachen discrepiren. Der Servient sagte, was Chur-
bayern anlangte, vermeinten sie nit, daß mans demselben alß einem her-
zogen in Bayern solt oder wolte controvertiren. Worauf I. H. G., wan
nit alß herzogen solte geschehen, warumb nit viel weniger alß churfursten,
der in dignitate viel mehr; oder ob sie Churbayern nicht fur einen chur-
fürsten erkennen wolten. Sagte er von nein, die mainung habe es nit, al-
lein seye es darumb zu thun, daß was sie ihme alß churfursten erwiesen,
solches auch andern geschehen muste, welches ihnen bedencklich. I. H. G.
darauf, ob sie wol die ehr, welche sie einem herzogen bezeigen, einem chur-
fursten verwaigern wolten. Darauf schwiegen beyde und meldeten nur,
wans gleich auch noch Sachsen und Brandenburg wiederfahren solt, konten sie
doch die geistliche zue solche praeeminentz nit recognosciren. Worauf
I. H. G., der Pabst, Kayser, auch die konige in Franckreich vor diesem
krieg hetten die churfursten, geist- und weltliche, yedeßmalß alß churfür-
sten gleich respectirt, und were dergleichen distinction unerhört. Sie Fran-
zosische mochten ahm cardinal Richelieu ein exempel nehmen, wie derselb,
da er nur ein privat cavallier gewesen, von den Franzosen uberall respectirt
werden müßen; auch der cardinal Mazarini noch, und wie durchgehendts
alle cardinäle verehrt würden, also diese distinctio, die sie zu machen inten-
diren , gar unbegrund, und abermal contra libertatem imperii seye. Es
gingen die geistliche churfursten in collegio electorali dem konig in
Boheimb, wan er gegenwertig, vor, und die weltliche nach, darumb aber
seye kein underschied oder praecedentia under ihnen, sondern allein ordo.
Wisten aber außerdem gar nit, warumb sie den Churbrandenburgischen
gesandten nit eben das tractament, was ihro, anthun wolten, weiln eben wie
Churcollen, Churbrandenburg vom gesambten churfürstlichen collegio zu
den friedenstractaten deputirt. Worauf der Servient, diß hetten sie wol
bedacht, es seye aber die ehr, so I. H. G. angethan, alß einem reichsfürsten,
der so viele landen, und sonderlich hierherumb hette, auch von so hohem
hauß descendirte, geschehen. Deßen I. H. G. sich zwar bedanckt, aber dabey
vermeld, sie sehen gar nit, mit was raison durch diß argument die chur-
fursten , sonderlich deputirte des collegii zueruckzusezen. Es würde sich aber
zeigen, daß wan sie diese maximam behaubten solten und die churfursten
nit, wie im reich und sonsten herkommen, tractiren wolten, das friedens-
negotium gewiß schlecht befurdert, weniger auch ihr intention, in beywesen
der stende zu tractiren, erlangen, sondern wol allerhand disgusti darauß
endstehen würden. Diesem nach und zuletzt fragten I. H. G., ob sie nicht
bald ihre proposition eröffnen und damit, daß zu den sachen gethan und
mit der handlung verfahren würde, anlaß geben oder dises einstrewen
wegen der herren churfürsten tractament pro remora abermal gebrauchen
wolten. Worauf nichts geandtworttet, sondern einer den andern ange-
sehen und gleich darauf aufgestanden. Und obwoln I. H. G. nachmaln
gedacht, weilen sie sehen, daß hier nichts zu thun, und darumb auf etlich
tag nach ihrer statt und vestung Wiedenbruck und residenz Reckenberg
begeben, sich aber, wan sie nur durch einen ihrer hinderlaßender hoffoffi-
cier , daß sie ad propositionem schreitten wolten, advertiert, bey der nacht,
wie in 12 stunden geschehen kund, wieder zuruckverfügen wolten, haben
sie es doch ebenfalß mit stillschweigen beandworttet, und zur gutschen
eingesessen.
Nassau bei W. Bericht über das Gespräch mit den Franzosen; während Ws
Reise nach Wiedenbrück soll Landsberg als Verbindungsmann dienen.
Gleiche Mitteilung an Chigi.