Acta Pacis Westphalicae III C 3,1 : Diarium Wartenberg, 1. Teil: 1644-1646 / Joachim Foerster
1644 XII 5

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1644 XII 5
Montag Préfontaines

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N. de Préfontaines, Sekretär d’Avaux’.
bei W: Als Vertreter des Kur-
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kollegs
möge W die in der französischen Proposition enthaltene Forderung
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auf Restitution des Kurfürsten von Trier

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Philipp Christoph von Sötern (1567–1652), Bf. von Speyer 1610, Kf. von Trier 1624;
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1635 von den Spaniern bei Einnahme Triers gefangengenommen, dann in ksl. Haft.

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Vgl. zu ihm J. Baur , K. Abmeier .
unterstützen. W weicht
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aus, er werde den genauen Inhalt der französischen Proposition erst heute
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von Nassau erfahren, und fügt auf weiteres Drängen Préfontaines hinzu, es
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seyen diesertwegen underschiedliche consultationes vom gesambten chur-
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fürstlichen collegio vorgangen und conclusa gemacht, darinnen sie sich
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nohtwendig vorhero ersehen müsten. Es were sonst Churtrier von dem
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Pabstlichen nuncio zu Wien nomine sedis apostolicae angenommen

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Nuntius in Wien war 1644–1652 Camillo Melzi (um 1587–1659, Kardinal 1657).
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Bereits 1637 war Sötern offiziell dem damaligen Nuntius Malatesta Baglione überstellt
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worden; vgl. J. Baur II S. 32.
, dahero
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dißhalber erst nacher Rom geschrieben, und große zeit mit hingebracht
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werden müste, welche schädliche moram bey den tractaten I. H. G. nit
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hoffen wolten, daß die herren Franzosische mit behauptung dieses punctens
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wurden gewinnen suchen; sie wollten sonsten, waß gestallt vorgangener
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sachen immer zu thuen, das ihrig gern

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21 contribuiren] am Rande: Churcöllen allein 1644 XII 6
contribuiren.

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W bei Nassau/Volmar

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Vgl. APW III C 2,1 S. 228.
. Diese betonen, sie und die Spanier hielten das
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französische Schriftstück fur keine proposition ad pacem, sondern mehrers
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eine protestation, warmit nur weitterung und zeit gesucht wirdt, nicht zu
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den tractaten zu schreiten. Am 23. November haben die Mediatoren
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gemeint, daß man nach Überwinden der Präliminarstreitigkeiten nun zu
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den Verhandlungen kommen könne, während sie selbst noch skeptisch
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waren, da statt eines entsprechenden klaren Ausdrucks die Franzosen in
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den Vollmachten gesetzt haben wollten: ’Wan man von frieden tractiren
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würde‘. Am 27. November haben die Mediatoren mitgeteilt, die Franzosen
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seien zur Übergabe der Propositionen am 4. Dezember bereit; vorgestern
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haben sie und die Spanier den Mediatoren ihre Bereitschaft nochmals be-
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stätigt
. Gestern haben ihnen die Spanier Informationen mitgeteilt, daß

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die Franzosen nicht de re ipsa proponiren, sondern newe difficultates
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herfurpringen würden, und deshalb vorgeschlagen, die eigenen Propo-
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sitionen
den Mediatoren unter dem Vorbehalt zuzustellen, daß sie nicht
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weitergegeben werden dürften, wenn die Franzosen sich nicht zur Sache
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selbst äußerten. Die Ksl. haben abgelehnt, um sich nicht dem Vorwurf
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der Verhandlungsverzögerung auszusetzen, die Spanier haben den Vor-
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behalt
mündlich vorgebracht und auf ihm beharrt, als nach Einliefe-
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rung
der Propositionen die Mediatoren abends zu ihnen und den Spaniern
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kamen. Die Ksl. haben geäußert, man hätte geglaubt, daß die Mediatoren
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den Franzosen ihre Schrift zurückgegeben und den unglimpff dabey, wie
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schlecht die gegebene parola gehalten, remonstrirt haben wurden. Das
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haben die Mediatoren mit der Begründung abgelehnt, sie könnten sich
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nicht zur Partei machen. W: Bericht über das Gespräch mit Préfon-
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taines
; obwohl der Franzosischer sprach so fundamentaliter nit erfahren,
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entnehme er der Proposition, daß dieselbe vornemblich auf diesen drey
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puncten bestehe: 1. Begerten sie, daß alle stende des reichs ad loca
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tractatuum erscheinen und der handlung mit beywohnen, 2. Churtryer
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vor allem auff freyen fuß gestelt, und endweder in persona, oder durch
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seine deputirte mit bey der handlung sein möchte, 3. daß sie alßdan
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solche conditiones pacis proponiren wolten, welche so schwer nicht sein
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solten. Ad 1. wüsten I. H. G., waß wegen deputation des furstenstandts
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zu den friedenshandlungen sowohl bey negst vorigem reichstag zu Re-
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genspurg alß noch wehrendem deputationsconvent zu Franckfurt vorgan-
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gen , sich wol zuerinnern, der herr Volmari aber, alß der diesen conventibus
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selbst von anfang biß zum ende mit beygewohnet, besser. Der reichs-
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abschied de anno 1641 seye in diesem passu klahr und gebe deßwegen rich-
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tige maß und ordnung, nur daß folgendts selbiger punctus zu besagtem
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Franckfurt in zweifl gezogen, und von theyls fürstlichen auf anstifftung
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des Braunschweig Luneburgischen abgesandtens

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Wohl Dr. Heinrich Langenbeck (1603–1669), braunschweig-cellischer Rat; vgl. ADB
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XVII S. 662ff.
sustinirt werden wollen,
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daß der furstenstand wenigers nit die tractatus in forma collegii beschicken
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möchten und solten; seyen aber dabey viele bewegende ursachen, warumb
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solches zumal nit rhatsamb, vorkommen, dahero auff ein guttachten
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geschlossen, und Ihrer Majestät eingeschickt, daß der reichsdeputations-
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convent zu solchem end dort zue Franckfurt continuirt werden möchte,
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auch dieselbe solches allergnädigst placidirt, und daruber der Kayserlichen
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resolution den deputirten stenden zukommen laßen

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Vgl. hierzu W. Becker S. 139.
, daß sie also nit sehen,
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wie von solchem concluso anietzt ein absprung genommen werden kondte.
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Wans aber gleich solte geschehen, und Ihre Majestät in diß der Franzosen
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begeren willigen, würden doch sie die Franzosen, wie sie sich understanden,
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die stende des reichs nit zu beruffen haben, sondern Ihre Kayserliche Maje-

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stät , warzu aber, vermög der reichsconstitutionen große zeit von 5 und 6
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monathen gehoren würden. Beym zweyten punct wegen Churtryer fiel
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I. H. G. ein mehrers nit bey, alß was sie, oben erzehlt, dem Franzosischen
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secretario zur andtwort geben, sonderlich auch, weiln sie keine vollige
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nachricht hetten, warumb und wie Churtryer angehalten und tractirt
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werde. Auf welches der Volmari in die red gefallen und geandworttet,
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daß sie selbsten auch keine rechte information hetten, und subiungirte der
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graff von Naßaw, daß schon vorm jahr dem reichsvicecanzlern graffen
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Kurz, und noch erst vor 2 monathen dem secretario Walderode

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Johann Walderode von Eckhusen (1593–1674), ksl. Geheimer Sekretär, Reichshofrat.
umb die
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nachricht, worauf die sachen beruhen, zugeschrieben, und alleweil ver-
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trostung darauff bekommen, biß dato aber nichts erfolgt seye. So viel
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wusten sie wol, sagt Volmari, daß der churfurst vom Pabstlichen nuncio
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sowol nach Regenspurg alß andere conventus abgeordnete schicken und
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seine sachen, wie auch geschehen, ahn- und vorpringen habe laßen konnen.
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Sonsten den ersten puncten belangend hette man freylich wol auffzuemer-
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cken , und seye es ein kitzliches wesen, die quaestionem zu moviren, ob Ihre
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Kayserliche Majestät ohne zuethun der stende einen frieden schließen
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kondte oder nit; dan solte auf die affirmativam gangen werden, wurde
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solches die chur- und fursten des reichs hochlich offendiren, auff die nega-
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tivam zu schließen, were wasser auf der Franzosen mühl, dahero er nicht
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rhatsamb befunde, dieser frag ieziger zeit sich zu involviren, sondern allein
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das werck dahin zue stellen, daß Ihrer Kayserlichen Majestät die sammet-
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liche stende auf negst vorgewestem reichstag, diese tractaten zu respiciren,
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auf gewisse weiß ubergeben und anvertrawet, auch Ihre Majestät bedacht
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weren, alsobald nach geschlossenem frieden einen reichstag außzuschreiben,
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die innerliche gravamina und der stende sachen in ordnung und richtigkeit
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zu pringen, und alßdan diesen frieden durch einen allgemeinen reichsschluß
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bekrefftigen zue laßen, maßen sie die Kayserlichen plenipotentiarii dem
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Schwedischen bevollmächtigten Salvio

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Johan Adler Salvius (1590–1652), schwedischer Hofkanzler 1634, Reichsrat 1648.
noch erst newlich per tertiam per-
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sonam andeutten laßen, worauff derselbe geandtworttet, wans die mainung
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hette, müsten sie wol alle zuefrieden sein, weilen dadurch genugsamb sie
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versichert weren. Seye sonst freylich, wie I. H. G. hochvernunfftig und wol
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angedeuttet, ein sehr großes praeiuditz, daß die stende des reichs auff der
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Franzosen zuschreiben und beruffen erscheinen solten; sondern muste auf
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allen fall von Ihrer Majestät die convocatio beschehen, darauf aber, ver-
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mög der reichsconstitutionen, auch weitten endsessenheit mehrern theylß
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stende große zeit gehen würde. Vermeinten diesem nach, daß beyde vorbe-
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melte puncten den mediatoribus ahn hand zu geben, und sie zu erinnern,
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bey den Franzosischen plenipotentiariis zue bedeutten, wie hoch sie sich
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interessirt gemacht, indem sie ihr der Franzosischen gegebene parola und
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vertröstung den Kayserlichen und Spanischen underschiedlich angezeigt,

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1
und nun iezo nichts darauff ad rem erfolgt seye, und solchem nach starcker
2
auff edirung ihrer proposition, und diesergleichen ambages abzuschneiden,
3
zu tringen. Welches I. H. G., auch der graff von Naßaw sich belieben laßen,
4
und sagte demnach Vollmari, daß sie darauß noch vorher mit den Spani-
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schen communiciren musten. Sonsten weren sie, Spanische, gar ubel zu-
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frieden , daß die mediatores keine andwort auf ihre proposition bey den
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Franzosen urgirt, dahero sie vorhabens weren, deßhalber die mediatores
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starck anzuelangen. Wobey I. H. G. erwehnet, daß man die vorha-
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bende anzeige und erinnerung durch die herren mediatores nicht lang zu
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verschieben, damit auß dem verzug die Franzosen nicht etwa gewunnen
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spiel zue haben, und daß man weitters darauff nichts zu thun gedachte,
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vermainen möchten. Welches den herren Kayserlichen wol eingangen.
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Nassau teilt mit, daß in Osnabrück die Propositionen auch am 4. Dezember
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übergeben worden sind, doch ist der Inhalt noch nicht bekannt.

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[...]. Volmar bei W . Die Mediatoren haben berichtet, die Franzosen seien
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nach Darlegung der ksl. und spanischen Einwände dabei geblieben, daß
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ihre schrifft eine rechte proposition ad pacem seye, und beyde darin begrif-
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fene puncten wegen convocation der reichsstende und befreyhung Chur-
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tryers einzig dahin ziehleten, einen bestendigen frieden, und wie man dabey
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assecurirt sein konte, zue schließen. Die Notwendigkeit der Zuziehung der
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Stände hätten der Kaiser und Sachsen

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Johann Georg I. (1585–1656), Kurfürst von Sachsen 1611.
im Prager Frieden selbst zugegeben,
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wegen Trier sei die Ehre Frankreichs betroffen, da der Kurfürst allein
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wegen seiner Korrespondenz mit Frankreich gefangengesetzt worden sei.
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Den Rest der ksl. Proposition hielten die Franzosen für nit irrationabel,
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während Spanien nur Frankreich von seinen Verbündeten zu trennen suche.
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Die Ksl. haben daraufhin gegenüber den Mediatoren wiederholt, sie hielten
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die französische Schrift für keine echte Friedensproposition. Die Asse-
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kurationsfrage
gehöre an den Schluß der Verhandlungen, die Abmachun-
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gen
könnten anschließend auf einem Reichstag von den Ständen ratifiziert
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werden, zumal man auch die wegen der Minderjährigkeit des Königs gegen
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die französische Vollmacht geäußerten Zweifel so lange zurückgestellt
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habe. Beispiele für die nachträgliche Ratifizierung von durch den Kaiser
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für das Reich geschlossenen Verträgen. Wegen Trier haben die Ksl. darauf
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verwiesen, daß die Freilassung an das Ende der Verhandlungen gehöre, der
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Kaiser seine Reputation nicht weniger als der König von Frankreich
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berührt sehe, er nicht ohne den Papst vorgehen könne, außer der Korre-
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spondenz
mit Frankreich auch andere Punkte hineinspielten, über die allein
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Kaiser und Papst zu urteilen hätten, das Kurkolleg die Suspension Triers
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beschlossen habe und die von den Franzosen herangezogenen Pässe zu den
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Friedensverhandlungen die Delegierten Triers, nicht die Person des Kur-
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fürsten
beträfen. Zum Begehren der Franzosen auf einen Paß nach Wien

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1
zwecks Übermittlung der Trierer Pässe durch eigenen Kurier wollen die
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Ksl. zuerst W hören. Weilen nun solche uberschickung durch eigenen
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currier auß vielen ursachen allerseiz sehr bedencklich vorkommen, haben
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sie sich dahien verglichen, daß die herren Kayserlichen diese paßport
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von den Franzosischen begehren, sich zur selbstuberschickung offeriren,
6
und der gewißheit assecuriren, oder aber daß derentwegen Ihre Kayserliche
7
Majestätt auf ihr der gesanden underthänigsten bericht sich darueber resol-
8
viren mochten, nachmaln eine andere in eadem forma außgefertigt selbsten
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einhändigen zue laßen, krafft deren er sich alßdan zur schickung oder nit
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schickung zu resolviren hette: daß man sich also auch dieses puncts halber
11
nicht auffzuehalten, noch die tractaten zu verschieben, sondern ad rem
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ipsam zue schreitten, maßen sie herrn Kayserliche von den mediatoribus
13
begert, solches den Franzosischen plenipotentiariis hienwieder morgen an-
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zudeuten , und auff eine formalem propositionem pacis starck zu tringen.

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