Acta Pacis Westphalicae III A 3,4 : Die Beratungen des Fürstenrates in Osnabrück, 4. Teil: 1646 - 1647 / Maria-Elisabeth Brunert
125. Sitzung des Fürstenrats (sessio publica XXX) Osnabrück 1646 September 17/27

2

Sitzung des Fürstenrats (sessio publica XXX)


3
Osnabrück 1646 September 17/27

21
Diktiert 1646 IX 22/X 2.

4
Braunschweig-Calenberg B I fol. 345–352’ (= Druckvorlage); damit identisch Baden-
5
Durlach A I fol. 356–363, Brandenburg-Kulmbach B IV fol. 343–348’, Braunschweig-
6
Celle A I unfol., Braunschweig-Wolfenbüttel A I fol. 383–390, Braunschweig-Wol-
7
fenbüttel
B I fol. 247–252, Braunschweig-Wolfenbüttel C I fol. 338–346’, Hessen-
8
Kassel A XIII fol. 377’–385, Magdeburg E fol. 418–425’, Magdeburg Ea fol. 442–449’,
9
Pommern A I fol. 441–449’, Sachsen-Altenburg A II 1 fol. 366–373, Sachsen-Gotha A
10
IV fol. 229–232’, Sachsen-Lauenburg B S. 715–729, Sachsen-Weimar A III fol. 444–448’,
11
Grafen von Schwarzburg A I fol. 257–264, Wetterauer Grafen ( Nassau-Dillenburg)
12
C 2 fol. 36–44, Wetterauer Grafen ( Nassau-Saarbrücken) A III 3 fol. 81–90, Württem-
13
berg
A I S. 769–723, Druck: Meiern III, 670–676; vgl. ferner Herzogtum Bayern A I
14
1 unfol., Magdeburg D fol. 273’–278’ (Mitschrift), Österreich A II (XXXV) fol. 106–107
15
sowie (weitgehend identisch) Würzburg A I 1 fol. 178–180, ferner Wetterauer Grafen
16
( Ysenburg) A I unfol. (Notiz).

17
Beratungsvorlagen: Schreiben des RKG von 1646 VIII 31

22
An die rst. Ges. Text, diktiert 1646 IX 12[/22] durch Kurmainz: Meiern III, 663 ff. Inhalt:
23
Bitte um Abstellung der oft vorgebrachten Beschwerden über mangelnde Sicherheit und
24
unzureichenden Unterhalt des RKG noch vor Beginn des Winters oder, falls dies unmöglich,
25
um Zahlung der Rückstände und Genehmigung zur Entlassung des RKG -Personals, dem
26
die Auflösung des Gerichts mit ihren Nachteilen für die Rechtspflege nicht angelastet
27
werden möge. KFR, FRM und SRM hatten am 22. September 1646 nach Beratung Re-
28
und Correlation darüber gehalten; der SRO beriet gleichzeitig mit dem FRO ( APW III
29
A 1/1 Nr. 97, 98; A 6, 880 und Nr. 82).
. „Meinung“ der (Teil-)Kurien in
18
Münster von 1646 IX 22

30
Text: Meiern III, 666 ; obgleich sowohl hier als auch im bay. Protokoll (s. S. 53 Z. 37)
31
als „Meinung“ des FRM bezeichnet, muß es sich um die durch Re- und Correlation (s.
32
vorige Anm.) ermittelte „Meinung“ aller drei (Teil-)Kurien in Münster handeln, die in
33
der Druckvorlage zutreffender conclusum Monasteriense genannt ist (S. 53 Z. 35). Inhalt:
34
Statt Auflösung des RKG 1. Bitte an die ksl. Ges. , durch Vermittlung der frz. und span. Ges.
35
die Sicherheit des RKG zu gewährleisten; 2. Bitte an den Ks. und seine Ges. um Realisie-
36
rung der früheren Beschlüssen zum Unterhalt des RKG (Erhebung einer Judenkopfsteuer;
37
Mahnung der Rst. , bei Solvenz das Kammerzieler zu zahlen) und um Anweisung an den
38
RKG -Pfennigmeister, die durch Vakanzen eingesparten Gelder einzubehalten; 3. Bericht
39
über diese Maßnahmen an das RKG , Mahnung zur Erhaltung des Gerichts und Erläute-
40
rung der Beschlüsse des Regensburger RT 1641 über die Zahlung der Rückstände.
.

19
Zustimmung zum Beschluß der (Teil-)Kurien in Münster über Sicherheit, Unterhalt und Auf-
20
rechterhaltung
des RKG , der den früheren Beschlüssen des Fürstenrats Osnabrück, vor allem

[p. 53] [scan. 169]


1
hinsichtlich der vorgeschlagenen Neutralisierung Speyers und der Erhebung einer Judenkopf-
2
steuer
, entspricht?

3
Eine Umfrage sowie Widerspruch, Protest und Rechtsvorbehalt der herzoglich sächsischen
4
Gesandten namens des Gesamthauses Sachsen wegen des Vorsitzes von Pfalz-Neuburg und
5
dessen Gegenprotest und Rechtsvorbehalt; Erläuterung der Reihenfolge bei den vier Braun-
6
schweiger
Voten; Protest Hessen-Kassels, Hessen-Darmstadts und der Wetterauer Grafen
7
wegen der vorgeschlagenen Judenkopfsteuer.

8
Mehrheitsbeschluß: Übereinstimmung mit den (Teil-)Kurien in Münster, Zusätze über die
9
Verschonung von Reichsständen mit feindlicher Besatzung und die Versorgung der Hinter-
10
bliebenen
des RKG -Personals.

11
(Im Rathaus zu Osnabrück). Vertreten: Österreich (Direktorium), Pfalz-Neuburg, Mag-
12
deburg, Sachsen-Altenburg, Sachsen-Coburg, Sachsen-Weimar, Sachsen-Gotha, Sachsen-
13
Eisenach, Braunschweig-Celle, Braunschweig-Grubenhagen, Braunschweig-Wolfenbüttel,
14
Braunschweig-Calenberg, Mecklenburg-Schwerin (durch Braunschweig-Calenberg), Meck-
15
lenburg-Güstrow (durch Braunschweig-Calenberg), Pommern-Stettin, Pommern-Wolgast,
16
Württemberg (votiert auch für Pfalz-Veldenz), Sachsen-Lauenburg (durch Württemberg),
17
Hessen-Kassel, Hessen-Darmstadt, Anhalt (durch Sachsen-Weimar), Wetterauer Grafen. (Zu
18
den Gesandten siehe die Verweise im Vorläufigen Personenregister.)

19
Österreichisches Direktorium. Praemissis praemittendis, sie würden
20
ohne zweifel vörige woche daß per dictaturam communicirte schreiben,
21
so das Kayserliche cammergericht mense Augusto abgehen laßen, emp-
22
fangen unndt verlesen haben, darinnen sie sowol ihrer securitet als auch
23
alimentation halber so sehr lamentiren, das es wol zu glauben, das ihnen
24
das letzte übern hals komme und sie entlich wol gar voneinandergehen
25
und ein ieder sich und die seinigen, so gut er könne, in privato zu salviren
26
suchen müchte. Nun hette man zu Münster am newligsten montag, [dem
27
14./24. September 1646], davon deliberiren wollen

38
Die (Teil-)Kurien in Münster hatten bereits am Samstag, dem 22. September 1646, über
39
das Schreiben des RKG von 1646 VIII 31 beraten (s. Anm. 2).
, wie dan auch alhier zu
28
raht sey angesaget worden. Weil es aber damahls andere verhinderungen
29
dieses ohrts gegeben, so hette es biß zu anderer zeit undt gelegenheit ver-
30
schoben werden müßen.

36
30–34 Mitlerweil – geschehe] Nach Herzogtum Bayern A I 1 verlas und proponierte der
37
Direktor die „Meinung“ des Fürstenrats Münster.
Mitlerweil sey dort zu Münster die consultation
31
für sich gegangen und ihre meinung herübergeschicket worden, welche er
32
izo verlesen wolte, darauf fürsten und stände sich demselben [!] accommo-
33
diren oder doch sonst in andere wege also bezeigen würden, damit ihnen
34
in etwas hülffe geschehe.

35
(Legebat conclusum Monasteriense des ohngefehrlichen inhalts:)

[p. 54] [scan. 170]


1
Daß 1. in puncto securitatis denen Kayserlichen herrn plenipotentiariis
2
nochmals

14
nochmals steht nicht in der „Meinung“ der (Teil-)Kurien in Münster (s. Meiern III,
666 , erster Absatz, beginnend Man habe). Der FRO hatte zwar schon am 11. Juni 1646
16
beschlossen, daß sich die ksl. Ges. bei allen kriegführenden Parteien für eine gänzliche
17
Verschonung Speyers und des RKG einsetzen möchten (S. 39 Z. 1–5); doch war das noch
18
nicht geschehen ( APW III A 1/1, 659 Z. 33ff.).
einzurahten, sie wolten sowol mit den königlichen Französi-
3
schen alß auch Hispanischen ambassadoren selbst oder durch die herrn
4
mediatores reden und handeln laßen, damit den herrn cameralen entweder
5
durch den verhoffenden friedenschluß oder, im fal es sich damit noch lenger
6
verweilete, durch abführung der guarnison undt ertheilete neutralitet

19
In der „Meinung“ der (Teil-)Kurien in Münster folgt für selbige stadt (Speyer), s. Meiern
III, 666 , erster Absatz, beginnend Man habe.

7
geholffen werde.

8
2. Waß den punctum salarii et alimentorum antreffe, befinde man nochmals
9
kein ander und bequemer mittel als die iüdencapitation und einbringung
10
der restanten

21
Die Reichskurien hatten dem Ks. bereits in ihrem Schreiben von 1646 VI 17 zu diesen
22
Maßnahmen geraten (s. [Nr. 124 Anm. 2] ); eine Antwort erhielten sie nicht ( APW III A 1/1,
23
656 Z. 23ff.).
. Deßwegen [sei] dan sowol an ihr Kayserliche mayestät
11
zu schreiben alß auch dero herrn plenipotentiarii zu ersuchen, immit-
12
tels aber dem cammergerichtspfenningkmeister

24
Der Pfennigmeister des RKG zeigte dem Fiskal die säumigen Rst. an und verwaltete
25
neben dem Kammerzieler die „Neglecten“ (Beträge, die sich aus den Gehaltskürzungen
26
für RKG -Präsident und Assessoren bei Abwesenheit sowie aus den Einsparungen durch
27
Vakanzen ergaben, s. Smend, 398f.; Dick, 80, 102). Die Reichskurien hatten dem Ks. in
28
ihrem Schreiben von 1646 VI 17 empfohlen, vom Pfennigmeister Bericht anzufordern, was
29
mit den Neglecten geschehe ( Meiern III, 545 , zweiter Absatz, beginnend Und demnach
30
diese). 1646/47 amtierte Johann Lindemair als Pfennigmeister, s. das Verzeichnis des RKG
31
mit den säumigen Rst. n von 1646 XI 29 ( ThStA Altes Hausarchiv Klasse I E 6 fol. 55’–
32
72, hier fol. 72) sowie den Auszug aus dem Amtsbuch des RKG -Pfennigmeisters, Speyer
33
[1647] III 14, diktiert Osnabrück 1647 III 16[/26] ( HStA Stuttgart A 90 D Bd. 19
34
fol. 35); die Schreibung seines Namens folgt einer von ihm ausgefertigten Erklärung über
35
die Veranlagung der Stadt Basel, Speyer 1647 III 14 ( HHStA MEA FrA Fasz. 17 [2]
36
unfol.). Lindemair ist vermutlich mit jenem Johann Niclaß Lindenmayr identisch, der sich
37
1643 beim Kurmainzer Erzkanzler um eine Stelle in der lat. Registratur zu Prag beworben
38
hatte, da er sich dort wegen der schlechten Verhältnisse in Deutschland und besonders in
39
den Rheingegenden niederlassen wollte (Supplik [Ausf.], Prag 1643 X 24: HHStA MEA
40
CorrA Fasz. 7b [2] fol. 20–20’, 21’). Vielleicht ist er auch mit dem Pfennigmeister Johann
41
Lindenmann (!) identisch, der in einem Speyerer Kirchenbuch unter dem 12. Februar 1651
42
als Pate genannt ist ( Groh, 166). Weitere Lebensdaten Lindemairs konnten nicht ermittelt
43
werden.
nochmals anzufügen, das
13
er in austheilung des unterhalts die neglecta mortuorum oder unersezte

[p. 55] [scan. 171]


1
cammergerichtsstellen denen anwesenden nicht zurechne, sondern damit
2
zurückhalte.

3
[3.] Schließlich were den herrn cameralen von diesem allen part zu geben
4
und sie dabey zu erinnern, daß sie ihr ambt unndt verrichtungen nicht
5
deseriren, sondern nach wie vor beysammen verpleiben wolten, worbey
6
dan auch dieses zu erleutern, das daß anno 1641 zu Regenspurg extra-
7
ordinarie zu denen sonst gewöhnlichen current- unnd retardatterminen
8
bewilligte dritte theil

19
Zahlung eines dritten Kammerzielers pro Jahr zum Abbau der Rückstände (s. Nr. 122
20
Anm. 67).
für keine newe anlage zu rechnen, sondern nur zu
9
desto erklecklicherer einbringung der restanten angeleget sey, dahero die-
10
iennigen, welche keine restanten mehr schüldig, damit nicht zu belegen,
11
viel weiniger aber deßwegen mit der execution zu graviren weren.

12
Österreich. Man könne Österreichischer seiten anderer mainung nicht
13
sein, als wie Österreich drüben votiret. Sehe auch nicht, was man für ein
14
beßer mittel ergreiffen könne, als waß drüben geschloßen und vor diesem
15
alhier auch fürkommen

21
Am 11. Juni 1646 (s. Nr. 123).
. Dahero lauffe diese Münsterische mainung zu
16
exequirung des vörigen, und hette derowegen pillig dabey sein bewenden.

17
Pfalz-Neuburg. Die Pfalz Newburgischen

22
Dr. iur. Dietrich Althoven, Dr. iur. Johann Dietrich (Theodor) Caspars, Lic. iur. Reinhard
23
(auch: Reiner) Cloet, Heinrich Christoph von Griesheim, Dr. iur. Simon von Labrique
24
de Lanoy und Fhr. Johann Bertram von Scheidt gen. Weschpfennig. Althoven (gest. 1655)
25
trat spätestens 1630 in den Dienst Pfalz-Neuburgs, wurde 1636 Vizekanzler in Jülich-Berg
26
und führte wichtige diplomatische Missionen (darunter 1643 in Polen) durch ( Leffers,
27
96f.; Jaitner, Konfessionspolitik, 57). Caspars (ca. 1617–1680) wurde 1644 Kommissar des
28
Hofgerichts in Düsseldorf und später dessen Direktor ( Jaitner, Konfessionspolitik, 58ff.;
29
Dethlefs, Friedensstifter, 140f.). Cloet (1638 Hofrat in Jülich-Berg, ca. 1651 pfalz-neu-
30
burgischer GR und Vizekanzler in Jülich-Berg, gest. 1651) trat vordem WFK kaum hervor
31
( Leffers, 98; Lehsten II, 21f.). Griesheim (geb. 1598), ein gelehrter Jurist, 1643–1644 als
32
Ges. Polens in Münster, war seit August 1646 Ges. Pfalz-Neuburgs auf dem WFK; um
33
die Jahreswende 1646/47 weilte er in diplomatischer Mission in Stockholm ( APW II C
34
3, 192 Anm. 2; II A 5, 274 Anm. 2). Labrique de Lanoy (gest. 1656), 1605–1622 Prof. in
35
Ingolstadt, trat 1622 in den Dienst Pfalz-Neuburgs, wurde 1627 GR und Vizekanzler
36
zu Neuburg, führte die Gegenreformation in Sulzbach, Hilpoltstein und Heideck durch,
37
wurde 1628 zum Reichsritter erhoben und war 1637–1645 Landrichter in Burglengen-
38
feld und ab 1649 in Parkstein. 1649–1650 vertrat er Pfalz-Neuburg auf dem Nürnberger
39
Exekutionstag ( Repertorium I, 405; Heydenreuter, Labrique, 230f.; Lehsten II, 49f.).
40
Der Prinzipalges. Scheidt gen. Weschpfennig (1580–1662), GR , Kämmerer und Bergischer
41
Landmarschall, kehrte nach diplomatischen Missionen in Polen und Kurbrandenburg im
42
Sommer 1646 zum WFK zurück; 1647 unterstützte er Pgf. Philipp Wilhelm bei der Aus-
26
handlung des Düsseldorfer Provisionalvergleichs vom 8. April (s. [Nr. 141 Anm. 8] ; ferner
27
APW III A 4/1, 187 Anm. 1; III C 3/1, 402 Z. 2f., 533 Anm. 5; Leffers, 104f.; Schmidt,
28
Philipp Wilhelm, 35f.; Lehsten II, 76f.). Labrique, Althoven und Cloet trafen am 13. Juni
29
1646 in Münster ein; Caspars weilte schon seit 1645 dort ( APW III C 3/1, 533 Anm. 5; II
30
A 5, 456 Anm. 1). Labrique und Griesheim sind für den 13. und 17. September 1646 in
31
Osnabrück bezeugt (Magdeburger Diarium, in: Magdeburg F IV, hier fol. 9’ und 23), so
32
daß sie wahrscheinlich auch zehn Tage später an der FRO -Sitzung teilgenommen haben;
33
nur für Cloet ist die Teilnahme an einer FRO -Sitzung gesichert (s. Nr. 129 Textvariante
34
bei Anm. 76).
hetten zwart, wie sie ver-
18
nehmen, zu Münster schon hierüber votiret, wie sie sich dan uf daßelbe

[p. 56] [scan. 172]


1
wolten bezogen haben. Sehen aber ohnedas auch nicht, wie denen herrn
2
cameralibus tam in puncto securitatis quam salarii anders zu rahten, als
3
wie izo von Österreich angeführet unnd zu Münster geschloßen worden.

4
Magdeburg. Es sey ihme gleichergestalt zu handen kommen daßien-
5
nige schreiben, so das Kayserliche cammergericht sowol ihrer securitet alß
6
dero unterhalts wegen abermahls

35
Das RKG klagte seit Jahren über mangelnde Sicherheit und mangelnden Unterhalt und
36
hatte sich deshalb schon an den Regensburger RT 1640–1641 und den Frankfurter RDT
37
1643–1645 gewandt. Die rst. Ges. auf dem WFK hatten im Juni 1646 über entsprechende
38
Klagen und Berichte des RKG von 1646 V 12 und 19 beraten (s. Nr. 123).
abgehen laßen. Hette auch angemer-
7
cket, wo die meinung zu Münster hinnaußgefallen. Weil er sich nun erin-
8
nere, welchergestalt schon hiebevorn dahin geschloßen worden, daß durch
9
die herrn mediatoren beederseits königlich Französische unndt Spanische
10
herrn plenipotentiarii ersuchet und die stadt Speyer in eine neutralitet
11
gesezet werden möchte

39
S. Anm. 5.
, so zweifele er nicht, es werde sölches ins werck
12
gestellet sein, und würde das Österreichische hochlöbliche directorium
13
berichten, waß für resolutiones an einem und anderm ohrt gefallen, darauf
14
man dan ferner den sachen nachdencken und eines gewißen sich entschlie-
15
ßen könte. Auf den wiedrigen fal und wan es nicht geschehen were, wolte
16
es seltzamb sein, das hier etwas deliberiret und geschloßen, hernach aber
17
nicht exequiret werde; dahero es dann in alle wege pillich und nötig, das
18
es noch ehist geschehe, und stelle er daneben unvorgreiflich dahin, ob
19
nicht izo auch alhier die königliche Französische herrn plenipotentiarii
20
alß gegenwertig

40
Longueville, d’Avaux und Servien waren vom 18. bis 28. September 1646 in Osnabrück
41
( APW [III C 4, 145 Z. 19f.] , [147 Z. 14f.] ; [II B 4 Nr. 172 Anm. 1] , [Nr. 179 Anm. 1] ).
hierunter zu begrüßen.

21
Der salariirung halber sey es nicht mehr als pillich, daß sie für ihren fleiß,
22
mühe unndt arbeit hinwieder ihre ergetzligkeit unndt gebührenden lohn
23
bekommen, weßwegen dann ihre Kayserliche mayestät allerunterthenigst
24
zu erinnern, daß sie die stände durch schreiben umb abstattung etwan
25
der helffte von denen hiebevor gewilligten zielern erinnern undt anmah-

[p. 57] [scan. 173]


1
nen. Daß aber der vorigen assessorum witwen undt weysen ausgeschloßen
2
werden solten

28
Das RKG hatte in seinem Schreiben von 1646 VIII 31 auf die Armut der Hinterbliebe-
29
nen verstorbener Kollegen verwiesen ( Meiern III, 665 , zweiter Absatz, beginnend Alß
30
haben), dabei aber nichts über deren Anteil an den Einkünften des RKG gesagt. Tatsächlich
31
gab es keine entsprechenden Regelungen, doch hatten die Witwen teil an den Kameral-
32
freiheiten (den Privilegien des RKG -Personals und seiner ortsansässigen Angehörigen).
33
Dazu gehörte die Freiheit von Importabgaben bei Eigenbedarf, die das RKG durch die
34
in Frankenthal zurückgehaltenen Waren verletzt glaubte (s. Nr. 123). Das RKG rechnete
35
auch die Befreiung von Kriegslasten dazu und hatte den Geltungsbereich eines entspre-
36
chenden schwed. Schutzbriefs 1632 auf die Witwen ausdehnen können. Die Waisen des
37
RKG -Personals genossen diese Privilegien bislang nicht, weshalb es 1649 zum Rechtsstreit
38
kam ( Hausmann, Kameralfreiheiten, 29, 44, 90, 180f.).
, scheine etwas hart, sintemahl es ia ihre ehemänner unndt
3
vätter einmahl verdienet und dahero ihre erben es pillich zu fordern hetten.
4
Im übrigen wegen der erinnerung an die herrn camerales, daß dieselbe bey
5
ihrer function verpleiben müchten, conformire er sich dem Münsterischen
6
concluso.

7
Österreichisches Direktorium. Zur nachricht könne er nicht verhal-
8
ten, daß ihme von den herrn Churmaynzischen

39
Brömser und Johann Adam Krebs.
weiter nichts alß die
9
abschrifft dieser Münsterischen mainung zukommen, dabey ganz keine
10
eröfnung geschehen, ob daß vörige conclusum ins werck gesetzet und was
11
für eine resolution darauf erfolget. Soviel aus dieser mainung abzunehmen,
12
werde es wol noch nicht geschehen sein. Ob aber etwan von ihr Kayserli-
13
cher mayestät noch keine resolution einkommen

40
S. Anm. 7.
oder woran sonst der
14
mangel, könne er nicht wißen.

15
Daß sonst izo die herrn Französischen, [die] alhier zugegen, dißfals ange-
16
sprochen werden solten, wiße er nicht, ob sich’s auch schicken möchte,
17
dann es scheine, als wann sie noch heute oder morgen wiederumb verreisen
18
würden.

19
Sachsen-Altenburg. Was die beyden in dem Speyrischen schreiben
20
begriffene puncten, nemblich die besoldung unnd befreyung der herrn

[p. 58] [scan. 174]


1
cameralium, betreffe, erinnere man sich Altenburgischen theils gleicher-
2
gestalt, was dißfals alliier unndt zu Münster unterschiedtlich deliberiret
3
und beschloßen worden, daß es also nicht mehr deliberationis, sondern
4
executionis sey, immaßen er sich bloß ufs vörige conclusum beruffe.

5
Waß die witwen betreffe, würde unpillich sein, wann dieselben ganz ausge-
6
schloßen werden und hergegen die izigen herrn adsessores, die doch nicht
7
in voller anzahl beysammen, dennoch die einkommenden ziele volsten-
8
dig genießen solten; dann ihre männer hetten doch auch ia sowol trewe
9
dienste gethan alß die noch lebenden, welches dann mannigen redtlichen
10
man abschrecken dürffte, wann die seinen nach seinem tode nichts meh-
11
rers solten zu gewarten haben. Hielte derowegen dafür, es würde nicht
12
unpillich sein, daß die witwen unnd weysen etwan halb soviel alß die izo
13
noch lebenden bekehmen. Sonst aber insgemein were er nochmals der
14
bestendigen mainung

36
Thumbshirn hatte am 11. Juni 1646 für eine „vollkommene Exemtion“ der Stadt Speyer
37
plädiert (s. Nr. 123, Punkt [1] des sachsen-altenburgischen Votums).
, daß dem Kayserlichen cammergericht beßer nicht
15
geholffen werden könne, als wann es neben der stadt in eine neutralitet
16
gesezet würde.

17
Unnd weil er dabenebenst sehe, daß die herrn Pfalz Newburgischen
18
den vorsiz vor ihnen, denen Sachsischen, genommen, welches aber daß
19

21
57,19–58,4 Was – beruffe] Österreich A II (XXXV): Altenburg hat entlich erindert, das
22
man sehe, das die conclusa darumb nit effectuiert werden, weill man sie in allen dreyen
23
räthen nit re- unnd correferiert unnd darauß einen schluß machet, dahero gebeten, das
24
man dise sachen wolte correferirn.

25
[ Österreichisches Direktorium]. Warauf ich, [Richtersberger], vermeldet, es were
26
ohne zweifel zue Münster beschehen, und könne man so kleine sachen weegen verlen-
27
gerung der zeit an beeden orthen nit re- unnd correferirn. Doch seye billich, daß man
29
die schluß unnd waß darauf außgeförtiget oder sonst verrichtet wirdt, fürsten unnd
30
stenden auch hie per dictaturam communiciere, welches ich denen Churmainzischen
31
gern andeüthen wolle, so auch beschehen. – Dies steht in Österreich A II (XXXV) und
32
(mit geringfügigen Abweichungen) in Würzburg A I 1 am Ende des Protokolls.
hochlöbliche hauß Sachsen dem hause Pfalz niemahls eingereumet noch
20
einreumen könne, so wolle er diesem vorsiz contradiciret und dem chur-
21
und fürstlichen hause Sachsen iura competentia reserviret haben. Dann
22
einmahl sey bekandt, daß das hauß Sachsen schon lengst, und zwart anno
23

33
23 1576] So Sachsen-Altenburg A II 1, Sachsen-Gotha A IV, Sachsen-Weimar A III;
34
Magdeburg E, Magdeburg Ea, Pommern A I aber: 1568; fehlt in der Druckvorlage
35
und allen weiteren Überlieferungen.
1576, seinen schlußsaz übergeben

38
Konnte nicht ermittelt werden. Eine ksl. Entscheidung über den Sessionsstreit stand auch
39
1654 noch aus (s. APW III A 3/3 [Nr. 95 Anm. 41] ).
, daß es also nur auf dem ausspruch
24
bestehe, unndt hette er nochmals zu bitten und fürsten unnd ständen
25
anheimbzustellen, ob sie nicht ihr Kayserliche mayestät umb eröfnung
26
deßelben allerunterthenigst ersuchen wolten.

27
Pfalz-Neuburg. Wiewol sie hierauf nicht instruiret weren, so wolten
28
siedoch wieder die Sachsische protestation reprotestiret unnd ihr fürstli-

[p. 59] [scan. 175]


1
cher durchlaucht

36
Pgf. Wolfgang Wilhelm stand aufgrund ksl. Verleihung vom 5. Juni 1627 das Prädikat
37
durchlaucht zu ( Nebinger, 21).
iura possessorii reserviret haben, mit bitte, sölches ad
2
protocollum zu nehmen.

3
Sachsen-Altenburg. Repetirte priora.

4
Pfalz-Neuburg. Itidem.

5
Sachsen-Coburg Hette auch aus denen dictirten schreiben vernommen,
6
waß die herrn camerales sowol in puncto securitatis als salarii gebeten,
7
unndt erinnere sich gleichergestalt, daß zuvorhin unterschiedtliche con-
8
clusa hier und zu Münster darüber gemachet worden. Laße es demnach
9
nochmahls dabey bewenden und conformirte sich sonst der witwen halben
10
mit Sachsen Altenburg.

11
Und weil er ebenmeßig wahrgenommen, daß die herrn Pfalz Newburgi-
12
schen den vorsiz genommen, so wolle ihr fürstlicher gnaden ratione dero
13
herzogthumbs Coburg er gleichergestalt dero iura protestando reserviret
14
haben.

15
Pfalz-Neuburg. Wiederholten ihre reprotestation etc.

16
Sachsen-Weimar, -Gotha und -Eisenach. Wegen Sachsen Wey-
17
mar, Gotha unnd Eisenach erinnere er sich weiniger nicht, waß nicht
18
allein in dem dictirten schreiben beweglich angeführet, sondern auch am
19
17.[/27.] Iunii iüngsthin alhier beschloßen worden. Dieweil nun die que-
20
rimoniae fast gleiches inhalts, so würde auch wol ebendaßelbe remedium,
21
so damahls gutbefunden worden, zu gebrauchen sein. Unbillig wolle ihme
22
auch bedüncken, die witwen ganz undt gar zu excludiren, sintemahl ia ihre
23
verstorbene männer daß ihrige ia sowol praestiret und ihren lohn verdienet
24
hetten. Alle diesem werck aber würde, wie Sachsen Altenburgk votiret, aus
25
dem grunde geholffen sein, wann das friedensnegotium befördert würde,
26
darumb er dann gebührendes fleißes wolle gebeten haben.

27
Repetire darneben die protestation, contradiction unndt reservation contra
28
Pfaltz Newburg wie Sachsen Altenburg und Coburg, und wiederholte diß
29
sein votum suo loco et ordine wegen Anhalt .

30
Pfalz-Neuburg. Reprotestirete nochmahls etc.

31
Braunschweig-Celle und -Grubenhagen. Hette auch empfangen
32
unndt verlesen, waß das Kayserliche cammergericht beydes, der securitet
33
und des salarii halber, gesuchet. [1.] Ratione securitatis erinnere er sich,
34
waß hiebevorn geschloßen worden, daß nemblich kein ander unndt beßer
35
mittel sey, als wann die Stadt Speyer in eine neutralitet gesezet werde.

[p. 60] [scan. 176]


1
Wann nun nurt die herrn Kayserlichen sich erklehret hetten oder noch
2
erklehreten, so hette man ein gewißes fundament erlanget, mit den herrn
3
Französischen gleichsfals deswegen zu handtlen, und würde vielleicht bey
4
denenselben keine sonderbare difficultet gehabt haben.

5
[2.] Der unterhalt aber bestünde auf zweyen puncten: (1.) wie derselbe ein-
6
zubringen, (2.) wie er auszutheilen. Nachdem nun viel stände in so kundt-
7
bares unvermügen gerahten, so würde der einbringung halber gute mode-
8
ration zu gebrauchen, auch über vermögen unndt etwan die helffte der
9
verwilligten zieler keiner zu beschweren sein. Daß aber die armen witwen
10
und weysen nichts davon participiren solten, daß sey unpillich unndt wie-
11
der Gottes gebott, welcher sonderlich witwen unndt weysen zu versorgen
12
unnd nicht zu betrüben befohlen

31
S. Ex 22,21; Dtn 24,17, 19–21 und 27,19; Jer 22,3; Sach 7,10; Jak 1,27.
, gestalt er dann mit betrübnüß ersehen,
13
daß dieselben gleichsamb das broht für den thüren suchen müsten

32
Das RKG hatte in seinem Schreiben von 1646 VIII 31 berichtet, daß Witwen und Waisen
33
das tägliche Brot, von Haus zu Haus gehend, erbetteln müßten ( Meiern III, 665 , zweiter
34
Absatz, beginnend Alß haben).
, wel-
14
ches dann neben der unbilligkeit auch dem ganzen Römischen Reich ein
15
großer schimpf were. Hielte derowegen dafür, daß der fiscal vor allen din-
16
gen dasiennige, waß witwen unndt weysen zu fordern, einbringen möchte,
17
darzu er auch, weil er unndt das cammergericht die execution in händen
18
hetten, desto ehe

35
desto ehe bedeutet desto eher ( Grimm III, 38 s. v. ehe Punkt 9).
und schleuniger gelangen könte.

19
Unndt dieses wegen Braunschweig Lüneburg etc. Zelle und des fürsten-
20
thumbs Grubenhagen, ebendaßelbe auch wegen des fürstenthumbs
21
Braunschweig-Calenberg, doch suo loco et ordine negst nach Braun-
22
schweig Lüneburgk Wolffenbüttel wiederholend etc.

23
(

28
23–27 Welches – explicirete] Nach Österreich A II (XXXV) und Würzburg A I 1
29
erläuterten dies die Gesandten Braunschweig-Lüneburgs und fügten hinzu: wollen also,
30
da zuweihlen einer vor dem andern gemelt wirdt, kheinem praeiudicirn.
Welches er hernach per modum interlocuti, wie nemblich die izige drey
24
regierende herrn, alß herzog Friederichs zu Zelle, deme auch daß fürsten-
25
thumb Grubenhagen zukomme, herzog Augustußen zu Wolffenbüttel und
26
herzog Christian Ludwigs zu Hannover etc. fürstliche gnaden ratione senii
27
aufeinander folgten

36
Nach der Senioratsverfassung im Hause Braunschweig ( Moser, TS XXII, 469ff.) folg-
37
ten -Celle (und -Grubenhagen), -Wolfenbüttel und -Calenberg aufeinander, da die Hg.e
38
Friedrich, August und Christian Ludwig ihrem Alter nach diese Rangfolge einnahmen.
39
Bisweilen irrte sich das FR-Direktorium in der Reihenfolge der Votanten (s. Z. 29f.). Wie
25
hier gesagt und auch die Vollmachten Langenbecks ausweisen, standen Hg. Friedrich zwei
26
Voten zu, für die er seinen Ges. gesondert bevollmächtigt hatte (Vollmachten für die Ver-
27
tretung der Ft.er Lüneburg(-Celle) und Grubenhagen in Osnabrück durch Langenbeck,
28
Celle 1646 IV 8/18, praes. [Osnabrück] 1646 XII 15: HHStA MEA FrA Fasz. 6 [32]
29
unfol.). Nach Ausweis der Protokolle wurde das Grubenhagener Votum allerdings ver-
30
schiedentlich ohne ersichtlichen Grund durch den Ges. Braunschweig-Calenbergs geführt
31
(s. Nr. 129 bei Anm. 89; Nr. 140 bei Anm. 14). Zu Langenbeck s. jetzt Lehsten II, 53.
, mit mehrerm explicirete.)

[p. 61] [scan. 177]


1
Imgleichen repetire er auch dieses sein votum wegen Mecklenburg-
2
Schwerin und -Güstrow etc.

3
Braunschweig-Wolfenbüttel. Weil schon an seiten Braunschweig
4
Lüneburg Zelle und Calenberg dergleichen explication wegen des ordinis
5
votorum geschehen, so bedürffe es deßhalben keiner weitern anführung,
6
unndt zweifelten nicht, es würde solches wol ad protocollum genommen
7
werden.

8
Hetten sonst gleichfalß daß Speyerische schreiben verlesen unndt erwo-
9
gen, unndt weil sie sich weiniger nicht erinnerten, waß hiebevorn schon
10
der neutralitet unndt versicherung halber geschloßen worden, die sache
11
auch izo noch in ebendenselbigen terminis beruhete, so würde es freylich
12
res non tam deliberationis quam executionis unnd demnach nur fürder-
13
lichst in effectum zu bringen sein etc. Wegen des unterhalts were zwar
14
zu wünschen, daß ein jeder daß seinige volkömblich abtragen undt also
15
auch ein ieglicher daß seine volstendig erlangen könte. Dieweil aber daß
16
unvermögen der meisten stände leider bekandt, so wolte, wie der herr Zel-
17
lische votiret, in alle wege pilligmeßige moderation vonnöthen und iziger
18
zeit wol daran gnug sein, wan izo etwan die helffte abgestattet würde. Daß
19
aber die witwen davon nicht participiren solten, weren sie gar nicht der
20
meinung, sondern wie dieselbe vermöge Gottes worts und in allen rechten
21
sehr favorabel, so sey auch ihres ermeßenß denselben billig und für andern
22
zu ihrer befugnüß zu helffen.

23
Bahten dabey umb communication deßen, waß dißfalß im churfürstlichen
24
collegio unndt im stäteraht möchte sein geschloßen worden

32
Der KFR hatte sich am 22. September 1646 bei der Re- und Correlation in Münster dafür
33
ausgesprochen, daß eine rst. Deputation die Ksl. auffordern solle, sich bei Franzosen und
34
Spaniern dafür zu verwenden, daß bei einer Verzögerung des Friedensschlusses Speyer ent-
35
militarisiert und neutralisiert werde. Wegen der (befürworteten) Judenkopfsteuer sollten
36
die Rst. an den Ks. schreiben und ihn bitten, die säumigen Rst. zur Zahlung ihres Kam-
37
merzielers zu ermahnen. Wegen der Verwendung der Neglecten sei an den RKG -Pfennig-
38
meister zu schreiben. Über all diese Maßnahmen sollte das RKG informiert und ermahnt
39
werden, weiterhin seine Arbeit zu verrichten. Auch sollte es unterrichtet werden, wozu das
40
bewilligte dritte Kammerzieler gedacht sei. – Der FRM hatte dem anscheinend zugestimmt,
41
denn das Protokoll der Re- und Correlation verzeichnet keine abweichende Meinung. Der
22
SRM hatte geraten, daß der RKG -Pfennigmeister eine förmliche Rechnung über die ein-
23
gegangenen Gelder einschließlich der Neglecten vorlegen solle. Die Judenkopfsteuer sollte
24
entweder gar nicht erhoben werden oder nur von jenen Rst. n, die mit ihren Zahlungen im
25
Rückstand waren und in deren Territorien Juden lebten (s. APW III A 1/1 Nr. 98). – Der
26
SRO tagte gleichzeitig mit dem FRO , so daß dessen Beratungsergebnis noch nicht vorlag.
.

[p. 62] [scan. 178]


1
Pommern-Stettin und -Wolgast. Es sey notorium und reichskündig,
2
geben es auch die reichsacta mit mehrern, wie nicht allein auf dem new-
3
ligsten reichs- und deputationtage zu Regenspurg unndt Franckfurth

27
Zu den Beratungen und Beschlüssen über die Sicherheit des RKG auf dem Regensburger
28
RT und dem Frankfurter RDT s. [Nr. 123 Anm. 29] und 30; zu jenen über den Unterhalt
29
des RKG auf RT und RDT s. [Nr. 122 Anm. 67] und 68.
,
4
sondern auch bey wehrenden generalfriedenstractaten alhier undt zu Mün-
5
ster von dieser materi vielfeltig sey deliberiret unndt geschloßen worden.
6
[1.] Wann nun nurt daß in puncto securitatis vorgeschlagene expediens der
7
neutralitet oder sonst gnungsahmen assecuration were effectuiret worden,
8
so hoffte er, es würde die sache dadurch schon ihre richtigkeit erlanget
9
haben, wie er dan nochmahls darumb zu bitten hette.

10
[2.] In puncto salarii weren zweene mittel fürkommen, alß (1.) ein ordina-
11
rium, daß nemblich jährlich ein alter unndt newer termin richtiggemachet,
12
iedoch aber dieiennige, so notorie unter feindes oder krieges gewalt, eximi-
13
ret unndt verschonet würden

30
Wie schon auf dem RT 1641 empfohlen und im Schreiben der Reichskurien an den Ks.
31
von 1646 VI 17 wiederholt, sollten zwei Kammerzieler pro Jahr gezahlt werden und dazu
32
ein drittes zum Abbau der Rückstände. Die Erhebung einer Judenkopfsteuer sollte als
33
ao., einmalige Maßnahme eine Soforthilfe für das RKG bereitstellen (s. [Nr. 122 Anm. 67] ;
34
[Nr. 124 Anm. 2] ).
. Und von sölchem ordinario hetten auch
14
die witwen unndt weisen billig zu participiren. Waß aber, (2.), daß extra-
15
ordinarium, die vorgeschlagene iüdencapitation, betrifft, da participirten
16
die witwen nicht, weil sölches eine newe anlage unndt sie, die witwen,
17
noch kein ius radicatum

35
Das ius radicatum ist das „eingewurzelte“ Recht (vgl. Diefenbach, 482 s. v. radicitus, ), das
36
die Witwen im vorliegenden Fall nicht hatten: Da die Judenkopfsteuer eine neue und ao.
37
Einnahme des RKG gewesen wäre, hätte bei ihrer Einführung über das Recht der Witwen
38
auf Teilhabe erst entschieden werden müssen.
hetten, wie er dan nochmahls uf die capitation
18
concludirete

39
Wesenbeck hatte sich am 11. Juni 1646 in seinen pommerschen Voten für die Erhebung einer
40
Judenkopfsteuer ausgesprochen (s. Nr. 123, Punkt [2] des Votums von Pommern-Stettin und
41
-Wolgast).
, aldieweil dadurch ein ansehnlich stück geldes aufgebracht
19
und nicht allein die izigen herrn assessores desto leichter begüetiget und
20
beysammenbehalten, sondern auch die vacirenden stellen meistentheils
21
desto ehe ersezet werden könten.

[p. 63] [scan. 179]


1
Württemberg. Gleichwie man an seiten Würtenbergk auch für billig
2
erachte, dem Kayserlichen cammergerichte sowol in puncto securitatis
3
als auch des unterhalts nach aller mögligkeit beyzuspringen, also erin-
4
nere er sich gleichergestalt, was bey vorigen consultationibus dieserwegen
5
fürgangen unndt geschloßen worden. Dieweil nun die vörigen unndt izi-
6
gen conclusa fast übereinstimmen unndt nochmahls dahin gehen, daß kein
7
beßer mittel der versicherung zu finden, alß daß sowol die stadt als cam-
8
mergericht zu Speyer in die neutralitet gesezet werde, so laße er ihme
9
sölches, sowol auch waß des salarii unndt unterhalts wegen gutbefunden
10
worden, auch gefallen, doch mit deme von etslichen appendicirten anhang,
11
daß auch die witwen davon participiren, imgleichen die unvermögenden
12
stände mit scharffen executions- unndt achtsprocessen verschonet werden,
13
wie er dan hiebey sonderlich wegen ihr fürstlicher gnaden zu Würtenberg
14
etc. zu erinnern, daß

33
14 deroselben] In Württemberg A I folgt: in zeitt ihrer destituierten landten und exilii gar
34
nichts, für dißmahl aber.
deroselben mehr nicht alß pro rata derer noch izo in
15
besiz habenden lande abgefordert werden möchte , sintemahl ia der ver-
16
nunfft gemes, daß sie von deneniennigen landen und herschafften nichts
17
geben können, so noch diese stunde andere in händen haben.

18
Halte im übrigen die erinnerung an die herrn camerales, daß sie bey ihren
19
functionibus verpleiben, gleichsfals vor nötig, und wiederhole dieses alles
20

21
auch wegen Pfalz-Veldenz wie imgleichen wegen Sachsen-Lauen- burg, doch beydes andergestalt nicht dan convenienti loco et ordine.
22
Hessen-Kassel. An seiten Heßen Caßell erinnere man sich gleichsfals,
23
waß hiebevorn albereit in dieser sachen fürgangen. Unndt weil das werck
24
fürnemblich auf zweyen puncten bestehe, so sehe er ratione 1., securitatis,
25
noch kein beßer mittel alß die neutralitet unndt befreyung des cammerge-
26
richts unndt der stadt.

27
Wegen deß 2., salarii, sey vor diesem von Heßen Caßel auch schon voti-
28
ret worden

36
Am 11. und 27. Juni 1646 (s. jeweils Punkt [2] der Voten Hessen-Kassels in Nr. 123 und
37
Nr. 124).
, darbey man es nochmahls bewenden laße, unnd zwart mit
29
diesem anhang, daß die witwen auch billig davon participiren solten.

30
Gegen die iudencapitation aber protestire er nochmahls, weil es nicht allein
31
fürsten und ständen an dero iurisdiction über die Juden nachtheilig unndt
32
praeiudicirlich sey, sondern auch daß fürstliche hauß Heßen Caßell seine

[p. 64] [scan. 180]


1
ziele iederzeit richtig eingebracht

25
Hessen-Kassel wird auch im Protokoll des KFR vom 22. September 1646 neben Salz-
26
burg, (dem Hst.) Augsburg, Braunschweig und Frankfurt als ein Rst. genannt, der seine
27
Beiträge für das RKG zahlte ( APW III A 1/1, 657 Z. 22–27). Die Lgft. schuldete nach
28
dem Verzeichnis des RKG mit den säumigen Rst. n von 1646 XI 29 (s. [Nr. 130 Anm. 4] ) für
29
3 Kammerzieler 400 fl. ( ThStA Altes Hausarchiv Klasse I E 6 fol. 59).
, dahero es dergestalt durch diese capi-
2
tation gleichsamb duplici onere würde beschweret und angeleget werden.

3
Hessen-Darmstadt. Wegen Heßen Darmbstadt erinnere er sich auch,
4
was sowol zu Regenspurg unnd Franckfurth als hier unndt zu Münster
5
unterschiedtlich dieserwegen deliberiret worden. Und weil er das izige
6
Münsterische conclusum, soviel sonderlich den 1. punct betrifft, nicht zu
7
verbeßern wüste, so ließe er es dabey allerdings bewenden unndt hielte dar-
8
neben gleichsfalß nicht für undienlich, daß sowol die herrn Kayserlichen
9
alß auch fürsten unndt stände alhie die königlichen Französischen herrn
10
plenipotentiarios bey dero izigen gegenwart hierunter ersuchen müchten.
11
Ihr fürstliche gnaden, sein gnediger fürst unndt herr, wüste, waß für groß
12
trancksahl die guten leute außstehen müsten

30
Eine kurze Schilderung, wie die Kameralen durch die frz. Truppen belastet wurden, enthält
31
das Kurtrierer Votum im KFR am 22. September 1646. Demnach mußten zwar nicht die
32
Assessoren, wohl aber die Advokaten, Prokuratoren und Kammerboten für die Verpflegung
33
von zwei Kompanien aufkommen und sorgten sich deshalb wegen des bevorstehenden
34
Winters ( APW III A 1/1, 657 Z. 3–7).
; hielten derowegen für pil-
13
lich unndt hochnötig, sich derselben cum effectu anzunehmen.

14
Ratione salarii, 2., aber hetten ihr fürstliche gnaden die alten ziele richtig
15
abgetragen, würden auch von den newen weinig restiren

35
Hessen-Darmstadt schuldete nach dem Verzeichnis des RKG von 1646 XI 29 für 5 Kam-
36
merzieler 666 fl., 40 Kreuzer (s. [Nr. 130 Anm. 51] ).
. Wolte dero-
16
wegen unbillig sein, daß man ihre Iüden zu collectiren vermeinete, gestalt
17
er dann dißfals ihre, der Heßen Darmbstätischen, vörige

37
Bezug auf die hessen-darmstädtischen Voten vom 11. und 27. Juni 1646 (s. Nr. 123 bei
38
Anm. 27, Nr. 124 bei Anm. 21): Hessen-Darmstadt lehnte die Erhebung einer Judenkopf-
39
steuer ab.
wie auch das
18
izige Heßen Caßelische votum kürzlich wolle wiederholet haben.

19
Wetterauer Grafen. [1.] Weil von diesen desideriis derer herrn came-
20
ralium in unterschiedenen sessionibus deliberiret worden, so wolle er sich
21
uf die hiebevorn an seiten Wetteraw geführte vota, sonderlich vom 1./11.
22
Iunii, bezogen haben

40
S. Nr. 123, Punkt [1] des Votums der Wetterauer Gf.en.
, daß nemblich ihnen zuvorderst durch eine neu-
23
tralitet zu bestendiger sicherheit zu verhelffen unnd derowegen hierunter
24
keine zeit zu verseumen.

[p. 65] [scan. 181]


1
[2.] Waß aber die salariirung anlange, könne er sich mit den vorsizenden
2
soweit wol vergleichen, das alle mögliche mittel, den unterhalt einzubrin-
3
gen, zu versuchen.

4
Soviel aber die iudencapitation betrifft, weil ihre herrn principaln dabey
5
gleichergestalt interessiret weren , sie, die gesanten, aber doch noch keine
6
specialinstruction überkommen hetten, so müste er sich immittels mit
7
Heßen Caßel und Heßen Darmstadt conformiren. Unnd hielte sonst für
8
billig, die witwen bey der austheilung nicht zu übergehen.

9
Dabey er auch dieses zu erinnern nicht umbhin könte: Weil die herrn
10
camerales wieder ein und ander gräfliches hauß deswegen gleichergestalt
11
mit scharffen mandaten unndt achtsprocessen verfahren, daß sölches fort-
12
hin, sonderlich in ansehung gegenwertigen zustandes und abermahls aus-
13
gestandenen landtverderbs, unterbleiben möchte, gestalt er dann dieserwe-
14
gen daß fürstliche Pommerische unnd Würtenbergische votum repetirete,
15
im übrigen den maioribus sich conformirend.

16
[ Österreichisches Direktorium].

26
16 Conclusum] Österreich A II (XXXV): schluß ihrer mainung; Herzogtum Bayern A
27
I 1: schluß.
Conclusum: Man sey in effectu mit
17
der Münsterischen meinung ganz einig und laße es bey vörigen sowol
18
ratione securitatis alß auch des salarii gemachten conclusis, so

28
18 billig] Österreich A II (XXXV): ohne verzug.
billig zu
19
effectuiren, bewenden, doch daß dieiennigen, so notorie unter feindes
20
gewalt begriffen, mit executions- und andern scharffen processen verscho-
21
net, die witwen unndt weysen auch von participation ihrer gebüernüß

30
gebüernüß ist gleichbedeutend mit Gebühr und bedeutet hier: Witwen und Waisen sollen
31
den Teil an den Einkünften des RKG erhalten, der ihnen zusteht ( Grimm IV, 1899 s. v.
32
gebührnis; Adelung XL, 20386 s. v. Die Gebühr Punkt 2). Abgesehen von der Teilhabe
33
der Witwen an den Kameralfreiheiten gab es beim RKG allerdings keine Hinterbliebe-
34
nenfürsorge
(s. Anm. 15).

22
an deme, waß einkümbt, nicht ausgeschloßen werden

35
Über die Antwort der Reichskurien an das RKG beriet der FRO in der nächsten Sitzung
36
am 14. Oktober 1646 (s. Nr. 126).
.

23
Postquam surrexerant, discurrirete herr Lampadius, daß, obzwart seine
24
gnedige fürsten unnd herrn, die herzoge zu Braunschweig und Lüneburg,
25
keine Iüden unter sich hetten

37
In den welfischen Ft.n war die Zahl der Juden infolge verschiedener hgl. Ausweisungsbe-
38
fehle sehr gering, obgleich zu Beginn des 17. Jh.s vereinzelt Juden wieder aufgenommen
39
worden waren ( Marx, 38–44).
und dahero nicht dabey interessiret weren,

[p. 66] [scan. 182]


1
so sehe er doch nicht, was die iüdencapitation für ein fundament habe,
2
dann die Iüden weren ia unter eines und anders fürsten unndt standes
3
botmeßigkeit ut cives vel subditi geseßen, würden auch von denselben
4
iedesmahls collectiret, dahero durch sölche vorgeschlagene iudencapita-
5
tion nicht allein ein eingriff in derselben stände iurisdiction geschehe,
6
sondern auch dieselbe dergestalt gedoppelt darzu contribuiren müsten

9
Seit dem 13. Jh. hatte der Ks. als Inhaber des Judenregals den mit Abgaben an die kgl. Kam-
10
mer (Judensteuer) verbundenen Judenschutz mehr und mehr an Landesherren und Städte
11
verliehen oder verpfändet, die ihrerseits die Juden besteuerten und sich Steuererhebungs-
12
versuchen durch Ks. und Reich meist erfolgreich widersetzten, um die Zahlungsfähigkeit
13
der Juden durch solche Doppelbesteuerung nicht zu gefährden ( Koehler / Lentze, 457f.; F.
14
Battenberg, Schutzjuden, 1535ff.; J. F. Battenberg, Rahmenbedingungen, 57, 59, 63; F.
15
Battenberg, Zeitalter, 110f., 198). Auch die noch in der Neuzeit erhobene Krönungssteuer
16
und der sogenannte Goldene Opferpfennig brachte dem Ks. wenig ein ( [Nr. 139 Anm. 20] ).
17
– Die entgegengesetzte Position, daß nämlich die Erhebung einer Judenkopfsteuer nicht
18
verwehrt werden könne, hatte Pommern am 11. Juni 1646 im FRO vertreten (s. Nr. 123,
19
Punkt [2] des pommerschen Votums).
.

7
Worauf noch etliche interlocuta pro et contra gefielen, so nicht assequiret
8
werden können.

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