Acta Pacis Westphalicae III A 3,4 : Die Beratungen des Fürstenrates in Osnabrück, 4. Teil: 1646 - 1647 / Maria-Elisabeth Brunert
123. Sitzung des Fürstenrats (sessio publica XXVIII) Osnabrück 1646 Juni 1/11
123
Braunschweig-Calenberg B I fol. 329–336 (= Druckvorlage); damit identisch Baden-
Durlach A I fol. 343–349’, Brandenburg-Kulmbach B IV fol. 329–334’, Braunschweig-
Celle A I unfol., Braunschweig-Wolfenbüttel A I fol. 364–372’, Braunschweig- Wol-
fenbüttel B I fol. 236–240’, Braunschweig-Wolfenbüttel C I fol. 322–329, Hessen-
kassel A XIII fol. 365–371’, Magdeburg E fol. 405–412, Magdeburg Ea fol. 425–433,
Pommern A I fol. 422–431’, Sachsen-Altenburg A II 1 fol. 353–359’, Sachsen-Gotha A
III fol. 499–502’, Sachsen-Lauenburg B S. 691–701, Sachsen-Weimar A III fol. 231–234’,
Grafen von Schwarzburg A I fol. 243–248, Wetterauer Grafen ( Nassau-Dillenburg )
C 2 fol. 20–27’, Wetterauer Grafen ( Nassau-Saarbrücken ) A III 3 fol. 67–73’, Wet-
terauer Grafen ( Ysenburg ) A I unfol. (stark gekürzt), Württemberg A I S. 677–692,
Druck: Meiern III, 533–538; vgl. ferner Herzogtum Bayern A I 1 unfol., Magdeburg
D fol. 263–268 (Mitschrift), Österreich A II (XXXIV) fol. 154’–157’, Würzburg A I 1
fol. 173–174.
Beratungsvorlagen: Schreiben und Memorial des RKG von 1646 V 12
An die rst. Ges. Text, diktiert 1646 V 20: Meiern III, 122 f., mit vier Beilagen (Briefwechsel
zwischen dem RKG und dem Gouverneur Frankenthals): ebenda , 124ff. Inhalt: Sorge vor
frz. Verstoß gegen den eigenen Schutzbrief; Forderung nach Freigabe der in Frankenthal
zurückgehaltenen Waren und einem Generalpaß zur Einfuhr des Eigenbedarfs. Bitte um
Beschleunigung der angekündigten Maßnahmen zum Unterhalt des RKG , besonders der
Judenkopfsteuer. Das Schreiben bezieht sich auf eine vorläufige Antwort, die der KFR
am 25. April 1646 beschlossen hatte ( APW III A 1/1, 582 Z. 28f.) und die am 26. April
ausgefertigt wurde; der Text konnte nicht ermittelt werden. – Zum frz. Schutzbrieffür das
RKG vom 26. Februar 1645 s. [ Nr. 122 Anm. 65 ] , zur span. besetzten Festung Frankenthal
(nordwestlich von Speyer) APW III A 3/2 [ Nr. 94 Anm. 54 ] .
An die rst. Ges. Text, falsch datiert auf III 9/19, diktiert Osnabrück 1646 V 30 durch
Kurmainz: Meiern III, 530 . Inhalt: Bericht über den beiliegenden Befehl des frz. Kg.s an
den Kommandanten von Speyer und die Befürchtung der Kameralen, daß sie unter die
Einwohner Speyers gerechnet werden und damit ihre Privilegien verlieren; wiederholte
Bitte, für die Sicherheit und den Unterhalt des RKG zu sorgen. Beilage: Befehl des frz. Kg.s
an den Kommandanten von Speyer betreffend die Behandlung aller Einwohner Speyers.
Text, Paris 1645 VIII 2, praes. 1646 III 16, diktiert Münster 1646 VI 1: Meiern III, 531 .
des FRM von 1646 VI 2
Text: Meiern III, 532 . Inhalt: Bitte an die ksl. Ges. , 1. mittels der frz. Ges. oder der
Mediatoren eine Beeinträchtigung des frz. Schutzbriefs für das RKG auszuschließen; 2. im
Friedensvertrag Vorkehrungen für einen allgemeinen schadenfreien Truppenabzug zu tref-
fen ; 3. die Judenkopfsteuer in die Wege zu leiten unter Zusage der Rst. , bei Solvenz das
ausstehende Kammerzieler zu zahlen; 4. die span. Ges. wegen der Beschwerde gegen den
Kommandanten Frankenthals einzuschalten. KFR und FRM hatten am 2. Juni 1646 über
die Anliegen des RKG beraten; der SRO beriet gleichzeitig mit dem FRO darüber ( APW
III A 1/1 Nr. 90; 6 Nr. 59).
1. Sorge des RKG vor französischen Übergriffen; 2. Sicherstellung seines Unterhalts, insbe-
sondere durch Erhebung einer Judenkopfsteuer; 3. Herausgabe der im spanisch besetzten
Frankenthal vorenthaltenen Waren; 4. allgemeine Vorkehrungen für einen schadenfreien
Truppenabzug nach Abschluß des Friedensvertrags.
Eine Umfrage sowie Rechtsvorbehalt Hessen-Kassels und Hessen-Darmstadts wegen der
Judenkopfsteuer; Protest Württembergs wegen seines RKG -Anschlags.
Beschluß, einstimmig: Übereinstimmung mit dem FRM , wenige Zusätze.
(Im Rathaus zu Osnabrück). Vertreten: Österreich (Direktorium), Bayern, Würzburg,
Magdeburg, Basel, Pfalz-Lautern, Pfalz-Simmern, Pfalz-Zweibrücken, Sachsen- Alten-
burg , Sachsen-Coburg, Sachsen-Weimar, Sachsen-Gotha, Sachsen-Eisenach, Braunschweig-
Celle, Braunschweig-Grubenhagen, Braunschweig-Wolfenbüttel (durch Braunschweig-
Calenberg), Braunschweig-Calenberg, Hessen-Kassel, Hessen-Darmstadt, Baden- Dur-
lach , Pommern-Stettin, Pommern-Wolgast, Mecklenburg-Schwerin, Mecklenburg-Güstrow,
Württemberg (votiert auch für Pfalz-Veldenz), Sachsen-Lauenburg (durch Württemberg),
Anhalt, Wetterauer Grafen. (Zu den Gesandten siehe die Verweise im Vorläufigen Personen-
register .)
Österreichisches Direktorium. Praemissis praemittendis, es würden
dieselbe sich zu erinnern wißen, wasgestalt iüngst bey der dictatur das-
iennige , was das Kayserliche cammergericht wiederholet, communiciret,
imgleichen, was sie weiter besorglich anbringen und die Französische gene-
ralordre beylegen laßen, daraus sie sich besorgen, das die zuvor gehabte
königliche salvaguardia möchte cassiret und sie darüber mit einquartierun-
gen undt dergleichen beschweret werden. Weil nun diese sache zu Münster
schon in deliberation kommen und gleichwol in alle wege zu bedencken,
was für ein remedium zu conservation des Kayserlichen cammergerichts
zu ergreiffen, als würden fürsten und stände, weil ihnen sonder zweifel die
sache aus den dictirten schrifften bekandt sey, mit ihren gedancken sich
vernehmen laßen. Sonst habe das Österreichische directorium herüber-
geschicket , was fürsten und stände zu Münster dißfals für eine meinung
gehabt, welche er izo verlesen wolte.
(Finita lectione:) Dieses sey also dort uf alle puncten für gut gehalten
worden. Stünde fürsten undt ständen anheimb, ob sie darwieder einiges
bedencken haben oder sich demselben conformiren wollen.
Österreich. Weil Österreich schon zu Münster votiret, so wolle man die
abgelesene mainung repetiren und laße es dabey allerdings bewenden.
Bayern. Habe sich in denen ad dictaturam gebrachten sachen ersehen und
befunden, das der herrn cameralium begeren vornemblich uf 4 puncten
bestehe:
1. Betreffend die besorgende cassation der salvaguardi, halte er gleichs-
fals dafür, das ihnen nicht beßer zu helffen, als wan durch die herrn
Kayserlichen und die herrn interponenten die königlichen Französi-
schen herrn plenipotentiarii ersuchet würden, es dahin zu vermitteln,
damit die alte salvaguardia effective conserviret werde. Dieweil sie aber
doch noch besorgen, es möchte durch die königliche generalordre ange-
regte salvaguardia cassiret werden, so were zu benehmung sölches dubii
wol der negste unnd beste weg, wan eine newe salvaguardi ertheilet und
erhalten würde.
2. In puncto salarii sey vorhin zu Franckfurth uf die iüdencapitation
geschloßen
Ks. Ferdinand III. hatte die Vorschläge des Frankfurter RDT , mit der Erhebung einer
Judenkopfsteuer zur Finanzierung des RKG beizutragen, abgelehnt bzw. noch nicht beant-
wortet (s. [ Nr. 122 Anm. 67 ] ).
chen herrn plenipotentiariis dahin einzurahten, damit sölch conclusum ad
effectum gebracht werde.
3. Was anlange die zu Franckenthal vorenthaltene früchte, referirete er
kürzlich (wiewol unvernemblich) das factum, wie sölches in den dictirten
schreiben zu finden
Gemäß dem in Anm. 2 genannten Schreiben waren „Früchte“ (Getreide), die das RKG und
(auf besondere Bestellung) ein Prokurator desselben gekauft hatten, nicht vollständig gelie-
fert worden, weil ein Teil in Frankenthal zurückbehalten wurde. Da das RKG und seine
Angehörigen für den Eigenbedarf zur freien Wareneinfuhr berechtigt waren, befürchteten
sie eine Mißachtung ihrer Privilegien. Die Darstellung des ganzen Vorgangs ist dadurch
kompliziert, daß mit verschiedenen Maßeinheiten (Speyrer, Frankenthaler Malter, Frank-
furter Achtel) gerechnet wurde.
recht informiret were, werde er denen herrn cameralibus dieselbe nicht
aufhalten, so laße er ihme auch gefallen, das derselbe durch die herrn
Spanischen
Peñaranda, Bergaigne und Brun (zu ihnen jetzt APW II B 5/1 [ Nr. 1 Anm. 42 ] , 44).
4. Indeme sie sich besorgen, es müchte künfftig beim abzug der guarni-
soun ihnen dasiennige, was sie bishero sorgsamb unnd mit großer mühe
zusammenbehalten, mit gewalt hinweggenommen werden, so würde ein
gut expediens sein, wan man sölches in dem instrumento pacis praecavirte
unnd hinneinrückte. Conformire sich also in effectu und allerdings mit
dem Münsterischen concluso.
Würzburg. Habe nichts sonderliches dabey zu erinnern, dan sonst seines
befindens einige andere mittel nicht zu ersinnen weren, den dingen abzu-
helffen . [1.] Zuforderst weren die herrn Französischen plenipotentiarii wie
auch die Spanischen wegen des commendanten zu Franckenthal durch
die herrn Kayserlichen abgesanten zu ersuchen, damit das Kayserliche
cammergericht mit der geklagten kriegesbeschwerung und vorenthaltung
verschonet werde.
[2.] Die iüdencapitation were schon lengsten zu Franckfurth geschloßen,
und mangele nur daran, das man sie zum effect bringe. Wolten nun die
herrn Kayserlichen sölches auf sich nehmen, so würde den herrn camera-
libus geholffen.
Wegen der restanten laße man es a parte Würzburgk bey der Münsteri-
schen meinung bewenden und conformire sich in dem übrigen mit den
vorsizenden etc.
Magdeburg. Hette auß der dictatur empfangen unndt verlesen, was die
herrn camerales in puncto securitatis et salarii abermahls eingegeben, auch
izo angehöret, wohin der herrn Münsterischen gedancken dißfals gegan-
gen . [1.] Wiewol es nun das ansehen habe, das, wan die alten salvaguardien
in vigore erhalten oder, wie Bayern votiret, newe conferiret und ertheilet
würden, were dem cammergericht dadurch gerahten , so scheine doch
am besten unnd fürträglichsten zu sein, wan die stadt Speyer sambt dem
Kayserlichen cammergericht in würckliche neutralitet
Derowegen [seien] die Kayserlichen plenipotentiarii zu ersuchen,
26–29 sie – mügen] Herzogtum Bayern A I 1: daß sie vermitls der herrn mediatorn solche
neutralitet bei den Franzößischen herrn plenipotentiarien nit allein erhandlen, sondern
auch verfiegen wolten, das an seithen der Kaiserlichen und reichsarmeen die statt Speyr
nachmahls von aller einquartirung und in ander weeg von aller beschwerung befreyet,
also auch disseits die neutralitet observirt werde.
ten nebst den herrn mediatoren dahin cooperiren helffen, damit sölche
neutralitet erlanget und sie dadurch in bestendige sicherheit gesezet wer-
den mügen.
[2.–4.] Ratione salarii, abfolgung der früchte undt was sonst weiter gesu-
chet , conformire er sich mit den herrn Münsterischen und vorstimmenden
und bethe darneben, den Münsterischen aufsaz zu communiciren.
Basel. Wie Würzburgk, und laße ihme das von Magdeburgk fürgeschla-
gene expediens der neutralitet nicht mißfallen, wan das es könte erhoben
werden.
Pfalz-Lautern, -Simmern und -Zweibrücken. [1.] Könte sich
mit den vorhergehenden votis leicht conformiren, und wan die neutralitet
erhoben werden künte, were es wol am besten; doch were in alle wege
dasiennige zu ergreiffen, was am ersten zu practiciren.
[2.] Bey der salariirung müste er nochmahls erinnern
S. das Votum Pfalz-Lauterns, -Simmerns und -Zweibrückens vom 7. Mai 1646 mit dem
Verweis auf das Votum Anhalts (s. Nr. 122, letzte Umfrage). Anhalt wurde vom RKG für
den Fall mit der Reichsacht bedroht, daß es sein überfälliges Kammerzieler nicht zahlte (s.
[ Nr. 122 Anm. 75 ] ).
zwar die salaria wol gönne, doch das auch in die stände, sonderlich dieien-
nige , welche bishero mehr als sie ausgestanden, nicht so sehr von ihnen,
wie sie bishero zum öfftern unnd ohne einigen respect gethan, getrungen
werde, wie dan exempla verhanden weren, das sie wol wegen eines einzigen
quartals einem vornehmen stande des Reichs mit achtsprocessen und deren
execution getröhet hetten.
Sachsen-Altenburg. [1.] Conformire sich in allen vier stücken mit den
herrn Münsterischen, doch mit dem anhang, das man sich eußerist zu
bemühen, wie die stadt Speyer in volkömbliche exemtion zu bringen, damit
sie von keinem theil besezet werde. Die stadt Speyer habe hiebevorn von
den evangelischen fürsten unnd ständen dergleichen intercession begeret
Ein Memorial, in dem um die Befreiung der Stadt Speyer von den damaligen und künftigen
kriegsbedingten Belastungen gebeten wurde, war am 2. Februar 1646 im SRO und FRO
Beratungsgegenstand. Da damals neben dem SRO auch der FRO ausschließlich ev. besetzt
war, konnten die beschlossenen Maßnahmen als Initiativen des CE angesehen werden. Zur
teils schriftlichen, teils mündlichen Interzession von FRO und SRO bei den ksl., schwed.,
frz. und span. Ges. s. APW III A 3/2 [ Nr. 94 Anm. 60 ] , 61 und Nr. 94b; zum Inhalt des
Memorials s. ebenda , 592 Z. 1–6.
die dan auch erfolget. So weren auch die herrn Franzosen nicht ungeneigt
darzu gewesen, wan sie nur versichert weren, das von den Spanischen und
Kayserlichen deßgleichen geschehe unnd die stadt gleichsfals unbesezet
bliebe
Servien hatte bereits vor 1645 V 13 Lampadius gegenüber die Bereitschaft Fkr.s zur Neu-
tralisierung Speyers signalisiert und sie am 9. September 1645 dem Sekretär Mazarins,
seinem Onkel Hugues de Lionne, empfohlen ( APW III A 3/1, 179 Z. 24–29, 187 Anm. 60–
61; zu Lionne, marquis de Fresnes et de Berny, 1611–1671, s. APW II B 5/1, 24 Anm. 38; zu
Lampadius s. jetzt Lehsten II, 51f.; Pahlmann , 18–21). Der FRO hatte sich schon am 14.
September 1645 und am 2. Februar 1646 für die Neutralisierung der Stadt ausgesprochen,
doch kam sie während des WFK wegen des gegenseitigen Mißtrauens der Kriegsparteien
nicht zustande ( APW III A 3/1 Nr. 11; 3/2 Nr. 94; Hausmann , Kameralfreiheiten, 93f.).
würde es von den herrn Franzosen auch wol zu erhalten sein, so würde
beyden aus dem fundament geholffen. Dan obwol die salvaguardia auch
gut were, so möchte sie doch weinig gelten, wan nicht die exemtion von
allen theilen mit darzukehme etc.
[2.] Ratione salarii habe er nichts zu erinnern, ohne was von Pfalz wegen
der schimpflichen achtsprocesse wieder die restirenden stände angereget,
das nemblich die herrn Kayserlichen es dahin vermittelen und die herrn
camerales disponiren wolten, damit sie gemach gehen und fürsten und
stände damit verschonen, sintemahl, wan sie gleich wüsten, das die stände
zu grund verderbet, führen sie doch mit der execution fort, welches gleich-
wol schimpflich unnd eine unfreundtliche sache were etc.
[3.–4.] Wegen der von den Franckenthalischen vorenthaltenen früchte habe
er gleichsfals nichts hinzuzusezen, wie imgleichen wegen der des auszugs
halber tragenden beysorge. Könne es wol in künfftigem instrumento pacis,
oder wen immittels die neutralitet zu erhalten, bey abhandtlung derselbi-
gen praecaviret werden, wiewol am allerbesten were, wan das haubtfrie-
denswerck schleuniger befürdert würde etc.
Sachsen-Coburg. Wie Sachsen Altenburgk.
Sachsen-Weimar, -Gotha und -Eisenach. Conformire sich gleichs-
fals mit den vorsizenden unndt [den] Münsterischen gedancken. [1.] Halte
aber auch für nötig, weil die Französische salvaguardia in Französischer
sprach begriffen unnd also bey der dictatur nicht wol nachgeschrieben wer-
den könne, das dieselbe, auch fürters dergleichen, vom Churmaynzischen
reichsdirectorio in die Lateinische gebracht unndt hernach dictiret werde.
Laße sich sonst den Magdeburgischen vorschlag wegen der neutralitet
gefallen. [2.-3.] Repetire auch dasiennige, waß wegen der herrn camera-
len unterhalts unndt hergegen deren ungleichen proceduren gedacht wor-
den .
Braunschweig-Lüneburg. [1.] Es sey pillich, auch unlengst schon
resolviret worden, daß das Kayserliche cammergericht in sicherheit und
neutralitet gesezet und dabey erhalten werde, worzu dan die herrn Franzo-
sen nicht ungeneigt sich erkleret, wan nur von Kayserlich[er], Spanischer
und Churbayerischer seiten desgleichen geschehe
Als Lampadius im September 1645 instruktionsgemäß mit den ksl. und frz. Ges. über eine
Neutralisierung Speyers gesprochen hatte, waren die Franzosen unter der Bedingung dazu
bereit, daß die Ksl. sich ebenfalls dazu erböten ( APW III A 3/1, 179 Z. 25–31). Wie die
Franzosen auf das Interzessionsschreiben des FRO und SRO von 1646 I 23/II 2 reagiert
haben, wurde nicht ermittelt (Text des Schreibens: Meiern II, 766 , s. dazu APW III A 3/2
[ Nr. 94 Anm. 61 ] ).
behalts mit ihrer excellenz herrn grafen von Trautmansdorf oder doch
mit den andern Kayserlichen herrn plenipotentiariis daraus communici-
ret worden
gericht nicht geholffen sey, dan sölchergestalt bliebe doch die stadt in
der steten gefahr, das sie von den Kayserlichen, Spanischen oder Bayeri-
schen völckern
Die ksl., bay. oder span. Truppen stellten 1646 für Speyer, das bis Juli 1650 frz. besetzt blieb,
keine akute Gefahr dar: Die ksl., bay. und schwed. Truppen agierten in Süd-Nord- bzw.
Nord-Süd-Bewegungen im rechtsrheinischen Raum, wobei es nur bei Gießen (am 10. Juni)
zu einem Gefecht kam. Spanien hielt 1646 neben Hammerstein zwar Teile der Unterpfalz
(darunter Frankenthal) besetzt, entfaltete aber keine größeren militärischen Aktivitäten
( Ruppert , 139–144; Maier , 408–412; Hartwich , 8; Oschmann , Exekutionstag, 537;
Immler , Kurfürst, 255, 309–316; APW II A 4, XLVff.; III A 3/3 [ Nr. 105 Anm. 36 ] ).
so ginge auch die salvaguardi allein uf der herrn cameralen persohnen
unnd befreyung von der einquartierung, die contributiones und andere
executiones aber blieben ihnen einen weg als den andern übern halse,
als were das fürstliche hauß Braunschweig Lüneburgk nochmahls in den
gedancken
sicherheit gesezet werden könte, es were dan, das die neutralitet für sie
erhalten würde. Gehe also sein votum dahin, das man uf zulangliche mit-
tel zu gedencken unndt demnach die Kayserlichen herrn plenipotentiarios
zu ersuchen habe, das sie sich umb die neutralitet sowol vor die stadt als
cammergericht bemühen unnd entweder selbst oder per mediatores oder
durch fürsten unndt stände die herrn Franzosen darumb ersuchen wolten,
dan gewiß mit der salvaguardi alleine würde ihnen nicht gar viel gedienet
sein.
[2.–4.] Wegen des salarii unnd übriger puncten conformire er sich mit
den herrn Münsterischen, doch das man mit den unvermögenden ständen
gedult trage undt dieselben nicht so stracks mit der acht oder bann betröhe.
Unndt dieses alles sowoll wegen des fürstenthumbs Braunschweig-
Celle und -Grubenhagen alß wegen -Wolfenbüttel (weil der eine
gesante etwaß unpaß), imgleichen auch wegen -Calenberg .
Hessen-Kassel. [1.] Erinnere sich, was hiebevorn in dieser sachen für-
gangen , wie er dan von ihr fürstlicher gnaden befehl gehabt hette, ihrent-
wegen bey den königlich Franzosischen legatis die neutralitet unnd secu-
rität zu sollicitiren
Hessen-Kassel war vom RKG ersucht worden, sich bei Frk. für das RKG und die Stadt
Speyer zu verwenden. Lgf.in Amalia Elisabeth hatte dies (vor 1646 II 2) schriftlich getan
und zusätzlich ihre Ges. instruiert, sich bei den frz. Ges. für die Sicherheit von RKG und
Stadt einzusetzen ( APW III A 3/2, 595 Z. 6–10).
ungeneigt gewesen, allein von der andern seiten hette es nicht erhalten
werden können etc. Wiße nun zwar nicht, waß die herrn Franzosen izo
gesinnet, zweifele aber nicht, sie würden es gerne endern, wan sie nur von
den andern theilen dergleichen versichert weren etc. (Reliqua circa hunc
passum propter interlocutoria non recte audiri poterant.)
[2.] Die salaria betreffend, were sölches zwar pillich, doch cum modera-
tione , wie die vorsizenden angeführet.
De modo collectandi Iudaeos habe von ihr fürstlicher gnaden er keinen
befehl, sey res nova
Der FRO hatte bislang noch nicht über eine Judenkopfsteuer beraten. Allerdings hatte
schon der Frankfurter RDT 1644 eine Judenkopfsteuer zur Finanzierung einer Gehaltser-
höhung für das RKG -Personal vorgeschlagen ( [ Nr. 122 Anm. 67 ] ).
Wolle derowegen ihr fürstlicher gnaden iura reserviret haben.
Im übrigen conformire er sich mit den vorsizenden.
Hessen-Darmstadt. Einmahl sey hochnötig, dahin zu sehen, damit das
Kayserliche cammergericht nicht vollents zugrund gehe, und bestehe der
herrn cameralium petitum vornemblich auf zwey puncten, alß 1. uff der
securität und 2. uf dem unterhalt.
Ad 1.: Halte er auch für rahtsamb, das man sich umb die neutralitet zu
bemühen, deswegen er sich dan mit Magdeburg unnd gleichstimmenden
conformire.
Ad 2.: Könne er auch leicht erachten und für billig befinden, das dieienni-
gen stände, so notorie verderbet und denen unmüglich, daß ihrige abzutra-
gen , mit scharffen processen zu verschonen etc. Die iüdencapitation aber
betreffendt, erinnere er sich zwar gar woll, was deswegen zu Franckfurth
fürgangen und was dißfalß per maiora geschloßen werden wollen
Mehrheitsbeschluß des FR auf dem Frankfurter RDT von 1643 VIII 9[/19]: Judenkopf-
steuer von 1 fl. jährlich bis zum nächsten RT mit Zustimmung des Ks.s, der Kf.en und der
deputierten Fürsten und Stände. Von den referierten Gegenargumenten (Z. 1–9) wurden
das erste und vierte von Österreich vorgebracht, das auch wegen der Besteuerung der
Juden durch den Ks. (s. [ Nr. 139 Anm. 20 ] ) dessen ausdrückliche Zustimmung vorbehielt, die
noch ausstand ( Meiern , ACR II, 177*f, 181*; [ Nr. 122 Anm. 67 ] ; zum öst. Votum s. auch
Götte , 117f.).
aber auch, was für feine rationes in contrarium fürkommen, waß es nemb-
lich (1.) für eine inaequalitet sein würde, weil es sölchergestalt nur dieienni-
gen stände treffe, welche lüden unter sich haben, die andern aber frey unnd
lehr außgingen. (2.) Würde es ein selzamb ansehen haben, wan die iustitia,
utpote res sanctissima, unndt deren sacerdotes et ministri per infideles et
infames erhalten werden müsten. (3.) Were es species contributionis, wor-
innen dan, dem evangelischen voto nach
Wahrscheinlich sind die Gravamina Evangelicorum gemeint, die den Ksl. und Schweden am
25., den Kurmainzern am 26. Dezember 1645 übergeben wurden. Punkt VII enthält die
Forderung, daß die Mehrheit in Religions- und Kontributionssachen nicht ausschlaggebend
sein solle (Text: Meiern II, 522 –537, hier 531; zur Überlieferung s. APW III A 3/2 Nr. 59
Anm. 3).
praevaliren könten. (4.) Würde deriennigen fürsten unndt stände, die lüden
unter sich haben, zustendiger iurisdiction eingegriffen, wan vom Reich
immediate dieselbe mit dergleichen anlage beschweret werden solten. Die-
10–12 Dieweil – haben] Österreich A II (XXXIV): Reserviere deßwegen seine vernere
erclerung, sonderlich auch, weill seinem fürsten hierdurch in sein jurisdiction ein eingriff
beschehe; were es ein eingriff, d〈a〉 mediate, were es ein onus. So stehe er noch an, ob
man per maiora des andern underthanen all〈ein〉 belegen könne in communi causa.
sey , alß wolle er ihr fürstlicher gnaden iura bestermaßen reserviret haben.
Baden-Durlach. Ratione securitatis et neutralitatis conformire er sich
mit Magdeburgk, ratione salarii mit den herrn Münsterischen, doch mit
der von Pfalz unnd vorsizenden angehengten moderation, undt würden ihr
fürstliche gnaden nach erlangter restitution
zu bezeigen wißen, ratione capitationis Iudaeorum aber mit Heßen Caßell
unnd Darmbstadt.
Pommern-Stettin und -Wolgast. [1.] Die protocolla würden es ge-
ben , wie trewlich seine churfürstliche durchlaucht zu Brandenburg sich
deß Kayserlichen cammergerichts sowol zu Regenspurg als auch zu
Franckfurth angenommen
Wesenbeck hatte sich als Ges. Kf. Friedrich Wilhelms in dessen Eigenschaft als Hg. von Pom-
mern auf dem Regensburger RT am 21. März 1641 dem hgl. bay. Votum angeschlossen,
dem zufolge das RKG nach Erhalt einer ksl. Verschonungserklärung selbst mit Schweden
und Frk. wegen der Einquartierungsfreiheit verhandeln sollte ( Londorp V, 166f.; Haus -
mann , Kameralfreiheiten, 91; zu Wesenbeck s. Bahl , 618f.). Auf dem Frankfurter RDT
sprach er sich am 31. Juli 1643 für eine Anfrage beim RKG aus, was es gemäß der Emp-
fehlung des Regensburger RT für seine Neutralisierung getan habe. Am 5. August 1643
stimmte er wiederum für die Neutralisierung Speyers (und gegen die Verlegung des RKG in
eine weniger gefährdete Reichsstadt) und hielt am 13. Juni 1644 die erneut vorgeschlagene
Verlegung des RKG für nicht durchführbar ( Meiern , ACR II, 162*, 165*, 168).
befunden worden, er auch seinestheils wegen ihr churfürstlicher durch-
laucht iederzeit dahin votiret, wan die neutralitet für die stadt unndt cam-
mergericht zu Speyr erhalten werden künte. Das aber [sei] nachmahls
aus beysorge, ihr Kayserliche mayestät darein nicht willigen möchten, in
suspenso verplieben
Die Beratungen des RDT über eine Verlegung des RKG oder eine Neutralisierung Speyers
(s. vorige Anm.) waren dadurch überholt, daß Speyer seit Ende August/Anfang September
1644 von den Franzosen besetzt war. Das RKG erhielt am 28. August 1644, noch vor der
Besetzung der Stadt, einen frz. Schutzbrief, der die Weiterarbeit des Gerichts ermöglichte
und den Kameralen die Beachtung ihrer Privilegien und Freiheiten versprach (Text, aus-
gestellt im Feldlager vor Philippsburg: Meiern , ACR II, 230).
soviel, das von den meisten nochmahls uf die neutralitet gezielet werde.
Dahero er dan a parte Pommern sich soferne damit conformire, daß, wo
nicht nominetenus die neutralitet (deß verhaßeten nahmens wegen
doch etwan eine exemtion oder befreyung von contribution unnd ein-
quartierung zu suchen.
[2.] Ratione salarii unnd sonderlich der vorgeschlagenen iüdencapitation
stelle er dahin, was etliche darwieder wegen angezogener inaequalitet unnd
sonst eingewendet. Weil es aber ein actus merae facultatis
wie eine sölche anlage dem Reich zu machen verwehret werden könne, wie
er dan disfals die notturfft reservire, wan es weiter für- und in umbfrage
kommen möchte.
Wiederhole im übrigen dasiennige, was von den vorsizenden wegen ge-
bührender moderation unnd bescheidenheit in exigirung des cammerge-
richtlichen unterhalts erinnert, wie dan auch ihr churfürstlicher durch-
laucht deswegen zimblich hart zugesezet und vor zweyen iahren öffentlich
dergleichen patenta im hoflager angeschlagen, ungeachtet er alß gesanter
damahls zu Franckfurth ein groß stück geldes in abschlag erleget unndt
abgestattet
Das RKG hatte am 29. Februar 1644 einen offenen Brief mit einer gestaffelten Strafandro-
hung für den Fall, daß Kurbrandenburg das ausstehende Kammerzieler (etwa 1.800 Rt.)
nicht zahlen sollte, am Rathaus der kfl. Residenzstadt Cölln anschlagen lassen, woraufhin
der Kf. am 3. März 1644 im GR beschloß, daß zum nächsten Termin, der Frühjahrsmesse
in Frankfurt (einem der beiden üblichen Zahlungstermine), etwa ein Drittel der Summe
zu zahlen sei ( Meinardus II, 334f., 337; zu den Zahlungsmodalitäten s. Hausmann ,
Kameralfreiheiten, 85f.; zur Dauer der Frühjahrsmesse im Jahr 1644 – 13. bis 29. März
– s. Brübach , 135). Die Zustellung von RKG -Prozeßbriefen durch öffentlichen Anschlag
war eigentlich für Friedensbrecher vorgesehen und nur für Fälle, in denen die persönli-
che Ladung mit Gefahr verbunden war, gewohnheitsrechtlich anerkannt ( Smend , 363ff.;
Sellert , 226; Dick , 136).
mern remonstration geschehen
Der Kf. von Brandenburg sah sich als Erbe des letzten Hg.s von Pommern (gest. 1637) als
rechtmäßiger Herrscher des Hgt.s an, erhielt seinen Anspruch trotz der schwed. Absichten
auf Pommern aufrecht ( APW III A 3/1 [ Nr. 7 Anm. 16 ] ; 3/3, 296–303) und war prinzipiell
bereit, das pommersche Kammerzieler zu übernehmen, lehnte dies aber wegen der schwed.
Besetzung Pommerns ab. Das Verzeichnis des RKG mit den säumigen Rst. n von 1646 XI
29 ( [ Nr. 130 Anm. 4 ] ) nennt für Pommern-Stettin einen Rückstand von 37, für Pommern-
Wolgast von 38 und für Kurbrandenburg von 25 Kammerzielern (= ca. 4140, 4060 und
6750 fl.; s. ThStA Altes Hausarchiv Klasse I E 6 fol. 56, 58’).
sölches noch derzeit nicht in besiz oder genoß habe, sie auch davon nichts
contribuiren oder zu gedachtem des cammergerichts unterhalt conferiren
könten, sondern uf allen fall die cron Schweden deswegen zu belangen sein
würde.
Mecklenburg-Schwerin und -Güstrow. [1.] Das daß Kayserliche
cammergericht alß ein edtles kleinoht des Heyligen Römischen Reichs
conserviret unnd erhalten werde, sölches sey pillich und hochnötig, wie
aber unnd welchergestalt es zu erhalten unnd zu versichern, halte er mit
Magdeburg dafür, das es nicht beßer als durch eine neutralitet oder exemp-
tion geschehen könne.
[2.-4.] Wegen der salariirung unnd übriger puncten conformire er sich mit
den herrn Münsterischen, achte es auch dafür, daß wegen etlicher weiniger
ziele die ohnedes außgemergelten stände mit schimpflichen achtsprocessen
unnd executionen nicht zu übereylen.
Soviel die capitation der Iuden anlange, halte er mit Pommern dafür, das
es ein actus merae facultatis sey unnd demnach gesambten ständen des
Reichs, dergleichen anzulegen, freystehe.
Württemberg. [1.] Gleichwie dem Kayserlichen cammergericht seine
ruhe unnd sicherheit wol zu günnen, also würde dieselbe per exemtionem
am fügligsten unnd ehisten können erlanget werden.
[2.–4.] In den übrigen dreyen puncten conformire er sich mit den vorsi-
zenden , wie auch mit der wegen bescheidentlicher exaction des unterhalts
gethanen erinnerung.
Wiederhole danebenst seine vorige protestation
fürstliche gnaden bishero kaum ein drittell ihres landes behalten unndt
innengehabt, sie auch zu einem mehrern an dem unterhalt des Kayserlichen
cammergerichts unnd andern anlagen sich nicht verstehen könten.
denz -Lauterecken
Das Veldenzer Votum wurde gelegentlich, wie auch hier, nach der Residenz Lauterecken
genannt. Zu den Gründen s. [ Nr. 129 Anm. 105 ] .
so ihme dismahl sein votum ufgetragen hette.
Anhalt. Wie Pfalz Lautern.
Wetterauer Grafen. [1.] Conformirten sich mit der Münsterischen mai-
nung und wiederholeten in specie, soviel die stadt Speyr betrifft, die vota,
welche pro obtinenda neutralitate gefallen.
[2.] In puncto des unterhalts unnd der deswegen wieder die stände erho-
benen process repetirten sie ihr voriges votum , dan es hette theils ihrer
herrn principaln noch vor weinig wochen gar hart deswegen zugesezet und
in sie getrungen werden wollen. Ratione capitationis Iudaeorum hetten sie,
wie schon newligst angedeutet, keine instruction. Etliche gräfliche heu-
ser weren starck dabey interessiret
dißfals ihr votum suspendiren müsten.
Österreichisches Direktorium. Pro concluso: Lauffen also die mai-
nungen dahinnauß, daß man es bey der im fürstenraht zu Münster belieb-
ten mainung allerdings verpleiben laße; doch bey dem 1. punct, der secu-
ritet , hinzuzusetzen für gut erachtet worden, das, wo es möglich, die Kay-
serlichen herrn plenipotentiarii diese securität bey allen kriegenden theilen
dahin zu richten sich unbeschwert bemühen wolten, damit die stadt Speyer
sambt dem cammergericht in eine genzliche verschonung unnd befreyung
aller einquartierung unnd kriegeslasts gesezet werde.
Bey dem 3. punct [der „Meinung“ des Fürstenrats Münster], der salari-
irung , aber were hinzuzurucken, daß dieiennige churfürsten, fürsten unndt
stände, welche soviel oder mehr als das cammergericht selbst erlitten, mit
so geschwinden executionprocessen unndt achtserklehrungen so hart nicht
betrenget werden.