Acta Pacis Westphalicae III A 3,5 : Die Beratungen des Fürstenrates in Osnabrück, 5. Teil: Mai - Juni 1648 / Maria-Elisabeth Brunert
175. Plenum Osnabrück 1648 Juni 7/17, Mittwoch 10 Uhr
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Osnabrück 1648 Juni 7/17, Mittwoch 10 Uhr
Pfalz-Neuburg (3620) fol. 141–142 (= Druckvorlage); vgl. ferner Bamberg A V fol. 255’–
258 (= Notiz über das Plenum sowie Bericht über die Deputation zu den Kaiserlichen) und
(damit identisch) Bamberg B II fol. 272’–274’, Sachsen-Altenburg A II 2 fol. 308’ (= Notiz
über das Plenum ).
Bericht des Kurmainzer Reichsdirektoriums über die Deputation der reichsständischen Ge-
sandten in Osnabrück an die Kaiserlichen am 17. Juni 1648: Ablehnung der Bitte um Verle-
gung der kaiserlich-französischen Verhandlungen nach Osnabrück; Ablehnung des erbetenen
Einwirkens auf die Spanier wegen ihres Friedensschlusses mit Frankreich, da Frankreich die
Verzögerung verursache; Information über den Stand der kaiserlich-schwedischen Verhand-
lungen .
(Im Rathaus zu Osnabrück). Vertreten: Kurmainz (Reichsdirektorium), im übrigen nicht
ersichtlich.
[Dies] Mercurii, den 17. Iunii anno 1648, Osnabrück: Referirte das Kur-
mainzer Reichsdirektorium in pleno: Es hetten die ordinarii de-
putirte
undt correlation [geschlossen]
Gemäß den Beschlüssen der Rst. in Osnabrück von 1648 VI 6/16 sollten die Deputierten
die Ksl. bitten, mit Servien in Osnabrück zu verhandeln, speziell auch über die drei von
diesem geforderten Punkte (Preisgabe der ksl. Unterstützung Lothringens, Ausschluß des
Burgundischen Reichskreises aus dem Friedensvertrag, Preisgabe der ksl. Unterstützung
für Spanien, s. [ Nr. 169 Anm. 8 ] ). Ferner sollten die Deputierten die Ksl. bitten, die Spanier
zum Friedensschluß mit Frk. zu motivieren. Schließlich sollten sie die Ksl. um die Wie-
deraufnahme der ksl.-schwed., unter rst. Mitwirkung abzuhaltenden Konferenzen bitten,
deren letzte am 23. April 1648 stattgefunden hatte. Jetzt sollten sie unter Beteiligung Ser-
viens oder La Courts abgehalten werden, und die Verhandlungsgegenstände sollten einen
Tag Frk., den anderen Schweden betreffen (s. S. 505 Z. 13–29; zu der letzten ksl.-schwed.
Konferenz am 23. April s. [ Nr. 145 Anm. 3 ] ).
(weiln die herren Kayserliche gesandte graff von Lamberg undt licentiat
Crane gestrigen nachmittag biß in die spate nacht außer der statt gewesen),
zue hinterpringen nit unterlaßen: 1. Daß die handtlung mitt den Frantzo-
sischen gesandten diesorts vorgenohmmen [werden möge]; 2. die herren
Spanische gesandte umb beforderung ihres friedens durch sie, die herren
Keyserliche, anzulangen [seien]; sodan, 3., die conferentz aufs allerforder-
lichst zue reassumieren seye.
Hierauff hetten sich herr Volmari undt Cran zue herrn graffen von Lam-
berg , so sich ubell auffbefunden, verfueget undt nach geflogener unterre-
dung mitt seiner excellentz ihnen, den herren deputirten, negst recapitu-
lierung ihres vortrags diese antwort gegeben:
[1.] Sie erinnerten sich guetermaßen, waß den 13. dieses eben dieser sachen
halber bey ihnen angebracht, auch waß darauff geantwortet worden seye
Am 13. Juni 1648 hatte eine rst. Deputation die Ksl. informiert, daß die Rst. in Osnabrück
Servien bitten wollten, zu (den von diesem geforderten) Verhandlungen über die frz.
Belange in Osnabrück zu bleiben. Die Ksl. hatten eingewendet, daß die Verhandlungen
mit Frk. nicht in Osnabrück stattfinden könnten, weil Lamberg und Krane nicht dazu
bevollmächtigt seien und Volmar nur gemeinsam mit Nassau dazu instruiert sei; Nassau
aber könne krankheitsbedingt nicht nach Osnabrück kommen (s. Nr. 173 bei Anm. 17).
dahin ziehlendt, weiln der herr graff von Lamberg undt licentiat Cran sich
uber das Frantzosische interesse nit instruirt befunden, daß sie sich auß
solchen fundament darüber nit wurden einlaßen konnen, undt obwoll er,
herr Volmari, sich diesorts einbefunden, so kondte er sich dannoch zu
dergleichen handlung allein nit bequemen. Den herrn graffen von Naßaw
hiehin zu vermügen, wurde sich schwerlich practicieren laßen, weiln ihre[r]
excellentz schwacheit am tag. In schrifften mitt derselben zue communicie-
ren , wurde sich auch nit woll thuen laßen, undt dürfften es ihre excellentz
vor einen schimpff auffnehmmen, wan man den locum tractatuum, so
zue Münster ist, verenderen wolte; diese ihre endtschuldigung bestehe nit
in imaginatione, sondern in rei veritate
Servien hielt die Argumentation der Ksl., Volmar sei für Verhandlungen in Osnabrück nicht
ausreichend bevollmächtigt, für einen Vorwand und hatte das auch den rst. Deputierten
am 13. Juni 1648 gesagt (s. [ Nr. 173 Anm. 26 ] ).
einlaßen, ohne außtrucklichen befelch oder genehmbhaltung ihrer Kayser-
lichen mayestät, mitt bitt, sie vor endtschuldigt zue halten. Hetten daneben
zu erkennen gegeben, daß die herren mediatores
empfinden wurdten, wohebey sie weitleuffig remonstriret, daß dies sachen
sein, die nit allein ihre Kayserliche mayestät, sondern auch die cron Spa-
nien concerniere. Wegen des hertzogen von Lottringen, wegen exclusion
des Burgundischen craiß
Lothringen war für die Sicherheit der Franche-Comté und der Span. Ndl. und daher
für Spanien von Bedeutung. Eine wichtige Rolle spielte im Frühsommer 1648 die Forde-
rung Frk.s nach Schleifung der lothringischen Festungen, wobei Nancy ins Zentrum der
Diskussion rückte ( Mohr , 363; s. auch Anm. 10). Zum span. Interesse am Einschluß des
Burgundischen Reichskreises in den Friedensvertrag s. [ Nr. 169 Anm. 8 ] .
seye Spanien interessirt. Wurde auch eine unerhorete sach sein, dieselbe
cron dergestalt zue condemniren. Do man davorhalten wolte, es wurde
mitt nachsehung dieser dreyer puncten der friedt zwischen beiden cronen
zu erhalten sein, sölches seye vergebens, sonderen es wurde vielmehr die
cron Franckreich anlaß nehmmen, sich mitt Spanien alßdan viel weniger
zue vergleichen. Hetten demnegst gebetten, man wolte die sach nacher
Munster remittieren, undt wurde ohnedem mitt der vorgeschlagener alter-
nation nit vortzuekommen sein .
[3.] Betreffendt die conferentz, dieselbe wolten sie gern antretten, seyen
auch zu solchem endt am verwichenen sambstag, [dem 3./13. Juni 1648],
bey den Schweden gewesen, denen sie ihre resolution in scriptis zuegestel-
let
Gemeint ist der *KEIPO9* 1648 VI 13 (zum Inhalt s. [ Nr. 173 Anm. 7 ] ). Die Schweden hatten sich
erboten, dazu Stellung zu nehmen, sich aber am 15. Juni 1648 mit der Ankündigung ent-
schuldigen lassen, am folgenden Tag zu den Ksl. wegen der Stellungnahme kommen zu
wollen. Sie kamen schließlich erst am 18. Juni 1648 und boten an, im Beisein der Rst.
über den gesamten ksl. Textvorschlag zu verhandeln oder nur die Punkte durchzugehen,
die noch zwischen Ksl. und Schweden strittig waren; Servien könne, das Einverständnis
der Ksl. vorausgesetzt, hinzugezogen werden. Die Ksl. lehnten dies ab und forderten von
den Schweden eine schriftliche Erklärung über den gesamten Textvorschlag als Beratungs-
grundlage (s. Lamberg, Krane und Volmar an Ks. Ferdinand III., Osnabrück 1648 VI 18,
Postscriptum [wird in APW II A 9 ediert]).
nit erfolget, vertrostet worden, also daß die mora nit auf ihrer, sondern der
Schwedischer seiten bestehe.
[2.] Waß sonsten die interposition bey der cron Spanien anlangt, dha kon-
dten sie die reichsstendt versicheren, daß die mora nit ahn Spanien, sondern
Franckreich bestehe, undt hette man hieruber die Stattische gesandten zue
fragen
Die ndl. Ges. hatten ab Herbst 1646 die Vermittlung zwischen Frk. und Spanien übernom-
men . Es war allerdings keine offene Vermittlung, da alle Beteiligten Wert darauf legten,
daß sie so unauffällig und geheim wie möglich geschah ( Repgen , Friedensvermittlung,
48f.; Tischer , Diplomatie, 83f., 358, 401; zur Auseinandersetzung um einen ndl. Schieds-
spruch zur Beilegung der Differenzen s. [ Nr. 151 Anm. 37 ] ). Am 18. Juni 1648 unterbreiteten
die Gst. einen weiteren Kompromißvorschlag, indem sie einen Schiedsspruch und eine Teil-
Restitution Lothringens bei Schleifung Nancys forderten; Servien lehnte dies am 19. Juni ab
( Tischer , Diplomatie, 406; dazu demnächst auch Michael Rohrschneider : Der geschei-
terte Frieden von Münster. Spaniens Ringen mit Frk. auf dem WFK 1643–1649).
dan wurden diese puncta cessiren. Hetten endtlich contestiret, daß ihre
Kayserliche mayestät bey dem Reich guet undt bluet aufgesetzt, undt ver-
hofften , der allmechtiger Gott wurde ihre waffen dergestalt〈en〉 segnen,
damitt sie dem Romischen Reich succurriren mugen. Daß man der stendt
zue Munster vota praeteriren wolte, solches wurde nur ungelegenheit cau-
sieren . Endtlich hette sich her Volmar erbietig gemacht, daß er auff der
stendt guetbefinden morgen auff Münster zu reisen bereit wehre
müsten sie davorhalten, daß der herr graff Servient nur umb die tractaten
zu verwicklen daherkommen seye.