Acta Pacis Westphalicae III C 3,2 : Diarium Wartenberg, 2. Teil: 1647 - 1648 / Joachim Foerster
1648 XI 15

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1648 XI 15
Sonntag W bei Servien. Nachdem Montbas Kurköln der
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guten Meinung Frankreichs versichert hat, will man, um neue Mißver-
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ständnisse
zu vermeiden, Servien unterrichten, daß der französische Ge-
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sandte
in Rom

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Francois du Val, marquis de Fontenay-Mareuil, französischer Gesandter in Rom 1639–
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1644, 1647–1649.
sich der oppositionellen Lütticher Kapitulare annimmt. Der
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Kurfürst sucht in Lüttich nur die Wiederherstellung der Rechtsprechung
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und Erhaltung der Neutralität, deshalb möge Frankreich sich nicht in die
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Auseinandersetzung wegen Verlegung des Lütticher Kapitels mischen, da
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sonst auch andere wie der Kaiser eingreifen könnten. Montbas hat auf
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Unterzeichnung des Friedens durch Kurköln gedrungen, doch sieht der
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Osnabrücker Beschluß, mit dem sich die Schweden und Stände zufrieden-
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geben
, das nicht vor. Der Kurfürst hat in seiner ganzen Regierung nie
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Anlaß zu Zweifeln in sein gegebenes Wort gegeben, aber bei den Friedens-
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verhandlungen
nicht erreichen können, daß die Hessen sich in fide publica
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hetten contentiren laßen, sondern zue mehrern Ihrer Churfürstlichen
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Durchlaucht und dero landen betruck die verscheidene platzen inbehaltten
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wollen. Die Hessen haben, indeme sie von deoccupirung der plätzen nit
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hören wollen, zu erkennen geben, daß sie wedder Ihrer Churfürstlichen
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Durchlaucht wortten noch hand und siegul nit deferiren, derentwegen sie
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dan auch itzo cum reputatione nichts selbst underschrieben, gleichwol einen
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wegk alß den anderen den frieden ihrestheilß haltten und deßen execution
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befürderen, auch den könig derentwegen gnugsamb bey zue Ihrer Maiestet
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vorhabender abordnung versicheren werden. Were es von den reichsstenden
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concludirt und alßo mitt den coronis verglichen, daß alle hetten under-
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schreiben sollen, so würden sie auch ihrestheilß gewüst haben, was zu thuen
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were. Wan man pace iam conclusa et publicata Ihrer Churfürstlichen
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Durchlaucht kein vorthell in einiger sach thuen woltte, so hette man zum
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wenigsten ihr das nachdencken bey anderen nit zu machen, alß wan man

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ihro nit trawen kondte. Durch Ausschreibung der Landtage zur Beibrin-
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gung
der Satisfaktionsgelder hat der Kurfürst schon seinen Willen zur Ein-
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haltung
des Friedens gezeigt, doch sucht Lüttich sich der Zahlung zu ent-
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ziehen
. Da hieraus große Ungelegenheiten für das Stift entstehen können,
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möge Servien seinen Einfluß geltend machen. Servien: Wegen Rom
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nicht informiert. In Lüttich wird Frankreich den Absichten des Hauses
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Bayern nicht zugegen sein, wenn dabei nicht Spanien in Vorteil gerät.
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[...] Auß welchem seinem und nachfolgenden discursu abzunehmen gewe-
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ßen , daß alßlang der fried mitt beeden cronen Spanien und Franckreich nit
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erfolgt, seines des comte Servient guettachten und mainung dahin gehen,
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daß sonderlich im stifft Lüttig etwas die sach noch in unruhe und uneinig-
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keit sollen gehaltten werden. Der subscription halber, was der monsieur
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Montbas anpracht, were 1. darin begründet, weiln Ihre Churfürstliche
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Durchlaucht armirt, 2. deputatos zue dießen tractaten vom churfürstlichen
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collegio benennet worden. W: Der Kurfürst geht in Lüttich gegen nie-
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manden
wegen seiner Sympathien für Frankreich vor, sondern will nur
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Recht und Ordnung aufrechterhalten und hat sich auch zur Zeit der
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spanischen Vormacht nie zur Verletzung der Neutralität bestimmen lassen.
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Die Annahme des Friedens kann er als Bewaffneter eher als durch seine
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Unterschrift durch Abdankungen beweisen, wozu er sich erbietet, falls
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Servien sie auch bei den Hessen durchsetzt. Die Kölner Deputation hat sich
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mit der von den Kronen durchgesetzten Berufung aller Stände zu den Ver-
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handlungen
erledigt, an den Verhandlungsdeputationen der Stände ist Köln
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nie beteiligt gewesen. Und were nit die quaestio nunmehr, ob ein churfürst,
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welcher nit vermög des Oßnabruckischen conclusi darzue gehaltten, under-
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schreiben soltte oder woltte, sondern ob er auch solches cum aliquo fructu
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thuen und salva reputatione ihme zuezumuhten were. Chursachßen oder
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andere würde extra fidem publicam nit gravirt. [...] Ein ander were es,
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wan zue Ihrer Churfürstlichen Durchlaucht reputation erhalttung und dero
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landen besten von dem könig von Franckreich und in deßen nahmen von
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ihme vorpracht würde, hogstgemelte Ihre Churfürstliche Durchlaucht
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soltten das instrumentum pacis underschreiben, so woltten sie auch dafür
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stehen, daß damitt und in fide publica die Hessen Casselische sich soltten
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und würden contentiren laßen, und daß drauff Neuß, Coeßfeld und New-
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hauß ratificata pace deroselben gleich andern plätzen auch soltten restituirt
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werden. Ille: Ihre Churfürstliche Durchlaucht köndten ihre völcker
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woll abdancken, müsten aber den Spanischen nit überlaßen, wie sich dan
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die Lamboysche offentlich verlauhten ließen, daß sie zue den Spanischen
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gehen woltten. Und wan Ihre Churfürstliche Durchlaucht sich zu rechter
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abdanckung ihrer völcker verstehen und dieselbe den Spanischen nit über-
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laßen noch zuespielen woltte, so woltte er guett dafür sein, daß die Heßi-
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sche völcker Ihrer Churfürstlichen Durchlaucht und dero landen keinen
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schaden zuefüegen soltten. I. H. G.: Er were ein so verstendiger und
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großer erfahrenheit halber berühmbter herr und würde alßo bey sich gnug-

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samb erkennen, daß dießes gar ein seltzames zuemuhten were. Ihre Chur-
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fürstliche Durchlaucht soltten abdancken und die Hessen, welche pace
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conclusa noch (wie dan solches per partium enumerationem mit demjeni-
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gen , was täglich noch vorgehet, exaggerirt) solche hostilitates verübt,
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armirt in dero landen stehen laßen. Dergleichen proposita weren keine
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anzeigh von großer bemelter affection gegen Ihre Churfürstliche Durch-
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laucht . Wan aber die Hessische, wie vorgemelt, er zur abdanckung bewegen
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köndte, so würden Ihre Churfürstliche Durchlaucht deme auch, wan er nur
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ein vorschlag darin thette, auch folgen. Von der officierer rhede, in Spa-
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nische dienst zu tretten, were ihro nichts bewust; deßen kondten sie ihnen
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aber woll versicheren, daß Ihre Churfürstliche Durchlaucht noch dero
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bediente mitt den consiliis nit umbgiengen und realimente darin procediren
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würden. Sie würden aber weder officier noch soldaten ihrestheilß zue
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keiner parthey noch seines privathaußweßens anzunehmen zwingen kön-
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nen , sondern geschehen laßen, ob einer in Polen oder nach Venedig oder
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sonst anderstwoh kriegsdienst suchen woltte. Als Servien weiter seine Sorge
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zeigt, daß Spanien aus den Kölner Abdankungen Gewinn ziehen könne,
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verweist W darauf, daß eher Befürchtungen der Gegenseite wegen der mit
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Frankreich im Bündnis stehenden Hessen gerechtfertigt wären als gegen-
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über
Kurköln, das in keinem Bündnis steht. Nochmalige Bitte um Serviens
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Gutachten wegen der Lütticher Satisfaktionszahlungen, damit Frankreich
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nicht bei daraus entstehenden Ungelegenheiten den Vorwurf mangelnder
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Information erheben kann; das Stift gehört zum westfälischen Kreis und
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kann sich in diesem Fall nicht darauf berufen, daß es mit Ausnahme der
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Türkensteuer von Reichsanlagen befreit sein will. Servien: Lüttich war
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im Krieg neutral und braucht keine Kontributionen abzukaufen. W:
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In ähnlicher Lage ist Trier und muß doch zahlen, auch viele andere Stände
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betrachten sich als neutral, Lüttich hat an die Hessen unter Eberstein

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Caspar Gf. von Eberstein (gest. 1644), Herr zu Neugarten und Massow, hessischer
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Generalleutnant, kommandierte die hessische Armee 1640–1644. Hessische Kontribu-
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tionen für Lüttich waren im Herbst 1641 nach dem Erscheinen der Hessen am
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Niederrhein ausgeschrieben worden.
Kon-
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tributionen
geleistet. Bey dem in dießer materi hinc inde vorfallenem
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discursu hatt der Servient gnungsamb zu erkennen geben, daß er wegen
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einer eingebildten oder nur zum schein vorgeschutzter umbfrage der Spa-
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nier halber der Lüttigischen parthey gewalttig haltte und daß bey ihme
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derntwegen nichts guetts zu hoffen oder zu verrichten, wie er dan gewalttig
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exaggerirt, daß man den Westvalischen craiß in der Spanier devotion brin-
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gen wollen und Ihrer Churfürstlichen Durchlaucht letzte abordnung in
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Holland der cron Franckreich mitt zum nachtheill angesehen, und wiße
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man gar woll, waß Ihrer Churfürstlichen Durchlaucht deputirter gesagtt
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hab. I. H. G.: Er woltte ihro doch offenbaren, was er für einen depu-
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tirten vermaine und was er soltte gerehd haben. Ille: Der deputirte
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hette Ihrer Churfürstlichen Durchlaucht daran wenig dienst gethan.

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I. H. G.: Wehn er dan doch damitt maine? Und wiewoll sie darauff
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urgirt und woll zehenmahl deßen benahmsung und was er gerehd begert,
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haben doch anderst nit haben können, alß daß es zu betauren, daß man so
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gar Spanisch sey. W: Kölner Haltung bei Zession des Elsaß und Aus-
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schluß
Spaniens vom deutschen Frieden. Servien: In Holland were es
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in offenen truck außgangen, was für große dienst mitt dießem circul der
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cron Spanien zuezuspielen im werck were. I. H. G.: Dieß weren lauter
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lügen. Darlegung der gesamten Evakuationsverhandlungen, die schließlich
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am Widerstand Frankreichs und den Protesten Brassets im Haag ge-
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scheitert
sind. Servien: Daß sich der Brasset darin opponirt, daran
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hette er recht gethan, dan einmaln es nur den Spaniern zum besten ange-
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sehen geweßen. I. H. G.: Ob dies, daß der Kayser und Spanien in
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dießem craiß kein occupation mehr haben, keine contributiones ziehen und
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posto haltten sollen, demselben ein dienst seye, ließen sie ihme und einen
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jeden urtheilen. Man hette aber dabey ex altera parte andere intentiones
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gehabtt, welche leyder der effectus und sonderlich bey dießen tractaten
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mitt so großen der catholischen und so viell unschuldiger stiffter schaden
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erwießen. Ille: Es were gar zue grob, daß man sich ex parte Churcölln
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wegen Lüttig bey den Generalstaden beklagt hette, alß wan die Staden uber
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Franckreich richter sein sollen; hingegen, wan die Spanier im stifft Lüttig
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etwas verübt hetten, wüste nit, daß yemaln daruber klagtten eingewendet
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worden. W: Häufige Proteste gegen die Brabanter Goldene Bulle.
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[...] Als W nach nochmaligem Erinnern an die Lütticher Satisfaktions-
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zahlungen
sieht, daß Servien sich dazu nicht äußern will, bittet er um wei-
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teres
Überdenken des französischen Standpunktes mit dem Zusatz, man
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möge den falschen Anschuldigungen gegen Kurköln nicht nachgeben. [...]
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Hessische pressuren.

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Bocholtz

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Vgl. oben [ S. 419 Anm. 2 ] .
bei W. Diskussion über die Spaltung des Lütticher Kapitels,
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wobei Bocholtz ausführlich die gegen Kurköln vorgebrachten Argumente
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anführt, aber nicht klar Stellung bezieht und auf vom Kurfürsten für sich
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erhoffte Gnaden, besonders die Stellung eines Statthalters in Hildesheim,
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anspielt. [...]

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W bei den Mainzern. Bericht über die Lütticher Zahlungsschwierigkeiten.

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