Acta Pacis Westphalicae II A 4 : Die kaiserlichen Korrespondenzen, Band 4: 1646 / Hubert Salm und Brigitte Wübbeke-Pflüger unter Benutzung der Vorarbeiten von Wilhelm Engels, Manfred Klett
178. Nassau und Volmar an Trauttmansdorff Münster 1646 Juni 12
Münster 1646 Juni 12
Kopie: KHA A 4 nr. 1628/20 unfol. = Druckvorlage; Giessen 207 nr. 140 S. 566–573;
RK FrA Fasz. 52a fol. 220–222; ÖstA Tirol Fasz. 20e S. 1766–1770 – Konzept: RK FrA
Fasz. 92 IX nr. 1264 fol. 180–182.
Visiten bei den Mediatoren: Bedenken zu französischen Vorschlägen; Verhandlungen zwischen
katholischen und protestantischen Reichsständen; Weitergabe der postrema declaratio an die
protestantischen Reichsstände durch die Franzosen; Äußerungen der französischen Gesandten:
Möglichkeiten für einen allgemeinen Waffenstillstand, Abschluß der Satisfaktionsverhandlungen,
Bitte um Trauttmansdorffs Anwesenheit in Münster, offene Probleme: Marburg, Philippsburg,
Geldentschädigung für Vorderösterreich; angebliche Einigung zwischen Spanien und Frankreich
bei weitgehenden spanischen Konzessionen. Reaktion Peñarandas. Weitere Verhandlungsführung.
Verwichenen sambstag, den 9. dieß (weil ich, Volmar, ahm vorgehenden frey-
tag leibsunpäßlichkeit halber nitt außkommen können), haben wir bey dem
Venetianischen pottschaffter, alwo sich auch herr nuncius apostolicus befun-
den , verahnlastermaassen mündtlich eröffnet, waß unserseits auff die letztere
antwort der Frantzößischen plenipotentiarien vor bedencken obhanden, in-
halts wie Ewer Exzellenz aus beyligendem extractu prothocolli zu ersehen.
Und alß unß eodem deroselben schreiben einkommen und darinnen angefügt
worden, daß wir herrn nuncio gelegenlich zue gemuht führen solten, nach-
dem Ewer Exzellenz zu ihrer hinuberkunfft vermerckt, daß die protestirende
albereit etwas nachricht erlangt, von den catholischen geschlossen zu sein,
ihnen mitt vorangemasten session und voto auff reichsversamblungen zu
wihlfahren, daß sie bey sothaner bewandtnus mitt dieser resolution nitt wur-
den inhalten können, so haben wir solches vergangenen sontags auch verrich-
tet und benebens angezeigt, daß wir zwar verhofft, die Frantzosen solten in
materia satisfactionis auff die von unß proponirte media eben mitt deren ver-
traulichkeit , wie von unß beschehen, verfahren sein und ihren zugewandten
weiter nichts, alß waß die generalia betreffen thet, eröffnet haben, so hetten
aber Ewer Exzellenz zu ihrer hinuberkunfft vernemmen müssen, daß unsere
penultima declaratio bereits den protestirenden ad dictaturam communicirt
worden. Hiemitt wurden wir ursach haben, nitt allein dießes, sondern alles,
waß weiter hinc inde passiert, den ständen formaliter zu communiciren.
Herr nuncius hat auff daß erste geantworttet, daß er eben den tag zuvor vom
herrn bischoven zu Oßnabrugg vernommen, waßmaassen die catholische in
die sessionem et votum der uncatholischen bewilligt, also könte er leicht er-
achten , daß es nitt wurde verschwigen plieben sein, müst es derentwegen ahn
sein orth gestelt sein lassen. Bey dem andern hatt er begehrt, wir wolten noch
darmitt einhalten, er wolte nitt underlassen, dessentwegen mitt den Frantzo-
sen zu reden.
Gestern abendts schickten beede mediatores zu mir, Volmarn, und liessen
mich ersuchen, weil der Venetianisch pottschaffter noch nitt außkommen
köndt, ich wolte mich zue ihnen bemuhen. Alß ich nuhn alspaldt erschienen,
haben sie mir vorgehalten, daß sie mitt den Frantzosen über unsere eröffnete
bedencken ad longum gehandlet und sie in einem und andern so schleunig
und wihlfahrig befunden, daß zu verhoffen, es werde mitt ihnen leichtlich zu
einem schluß zu kommen sein, und were darauff auch von einem anstandt
der waaffen discurrirt worden, da dan die Frantzosen sich sehr genaigt darzu
vermercken lassen, weren auch erpietig gewesen, mitt den Schweden davon
zu handlen. Allein hetten sie in bedencken gezogen, weil selbige in dieser
materi hievor sich etwas widrig erzeigt, daß sie anietzt nitt gern bey densel-
ben angesehen sein wolten, alß weren eben sie, Frantzosen, die ersten, so
ihnen solches zumuthen theten.
Derentwegen sie, mediatores, dafurhielten, wir solten Ewer Exzellenz alß-
paldt schreiben, sie wolten sich belieben lassen, hievon bey den Schweden
einen anwurff, doch unvermeldet, daß es von den Frantzosen herkommen
thet und mitt diesem fürwort zu thun, Ewer Exzellenz weren nuhn zum off-
tern von den mediatorn angelangt worden, daß man doch allerseits auff ein
armistitium, etwa auff zwey, 3 oder 4 monat zu dem ende sich entschliessen
wolte, auff daß man desto sicherer und ungehinderter zu völliger beschlies-
sung der friedensarticul fortschreitten und nitt etwan durch ein- und ander-
seits erfolgende casus weitere difficulteten eingeworffen werden möchten,
hetten demnach Ewer Exzellenz sie, Schwedische, ersuchen wollen, sich hier-
unter vernemmen zu lassen. Wan diese dan sich mitt den Frantzosen ent-
schuldigten , so köndte replicirt werden, daß selbige vielleicht hierzu nitt un-
geneigt , und die mediatores solches mitt ihnen richtigzumachen sich wurden
angelegen sein lassen.
Sodan, weiln obgemeltermassen die Frantzosen sich im haubtwerck viel
schleuniger alß zuvor erzeigten, auch ihnen, mediatorn, ihre intentiones meh-
rers eröffnet, also daß nichts ubrigs sein scheinte, alß allein zu einer mündtli-
chen conferentz zu tretten, so hielten sie sehr gutt und nothwendig zu sein,
weil Ewer Exzellenz vermuhtlich nunmehr mitt den Schweden und protesti-
renden zum schluß möchten kommen sein, daß sie sich alßpaldt widerumb
hieher begeben oder, wan sie aldort noch nitt expedirt, doch interimsweiße
auff ein eintzigen tag ein passata alher thuen möchten. Sie hielten auch für
gutt, daß ich, Volmar, entzwischen daß instrumentum cessionis auffsetzen
wolte.
Sie haben sonst zu keinen sonderen particulariteten sich anlassen wöllen, al-
lein vermeldet, daß die Frantzosen noch auff cassation der Marpurgischen
successionsach und inbehaltung der veste Philipsburg starck verharreten.
Deßgleichen machten sie difficulteten wegen der schulden auff der Vorder-
österreichischen landen, geben vor, daß die praetensiones 30 000 gulden jähr-
lich höher lauffen theten alß die intrada. Ich hab des armistitii halber gefragt,
ob die Frantzosen auch Spania damitt einbegreiffen wolten. Darauff antwor-
tet herr nuncius, davon were nichts gemeldet worden. Der Venetus aber
sagte, die Frantzosen hielten den frieden mitt Spania gleichsamb für geschlos-
sen , dan sie hetten ihnen durch die Holländer antragen lassen, daß der cron
Franckreich poseß Rossiglion und alles, waß sie in Flandern eingenommen,
verpleiben, auch mitt Catalonia ein anstandt auff gleiche jahracht wie mitt
den Staden gemacht werden solte.
Mir komme diese proposition seltzam vor und sagte, daß ich dergleichen nie-
mahln vernommen noch glauben köndt, sondern wüsste, daß die Spanier we-
gen Catalonia nichts dahindenlassen, sondern absolute auff der restitution
verharren wurden, ja daß es auch die Staaden selbst für pillig hielten und
wegen Catalonia und Portugal mitt Spania nitt im krieg pleiben wolten. Die
mediatores aber seindt darauff bestanden, daß die Frantzosen solches einmahl
et assertive angezeigt hetten. Ich hab derentwegen herrn conte Peneranda hie-
von alßpaldt parte geben. Der hatt mir hierauff daßienig geantwortet, waß
beyligender zettul außweißet.
Wir stellen demnach zu Ewer Exzellenz besserm nachgedencken, ob sie deß
armistitii halber mitt den Schweden wenig oder viel ze handlen rahtsamb und
thuenlich finden werden, ob auch die sachen in solchem standt seien, daß
man mitt zurugglassung der Elsäßischen landten und der vestung Preysach zu
einem endtlichen schluß zu eilen und derentwegen Ewer Exzellenz ihre
handlung zu Oßnabruck unterbrechen sollen, sönderlichen, weil aller anzeig
nach eben ein schlechte recompensa für ihre furstliche durchlauchtt, den
herrn ertzhertzogen zu Inspruck, zu verhoffen sein würdt.
Beilage [ 2 ] zu nr. 178
Peñaranda an Volmar (lat.), s. l. 1646 Juni 11. Kopie: KHA A 4 nr. 1628/20 unfol.
In toto discursu, qui a dominis mediatoribus Vestrae Excellentiae insinuatus est circa res
nostras nec ullum verbum veritatis aut fidei reperitur, quin imo relata non solum sunt di-
versa , sed contraria potius iis, quae cum Hollandis tractavimus. Existimo ergo nihil in prae-
senti rerum statu excogitari posse magis damnosum et perniciosum communi causae quam
de isto armistitio loqui aut agere velle. Quis enim non videt haec a Gallis proponi, quia, cum
sciant suas copias non sufficere nec suae iactantiae respondere volunt, hoc armistitio Imperii
vim omnem in Belgium convertere.
Quare Vestram Excellentiam moneo atque hortor per Deum, ut non solum tale suadeat
domino comiti Trautmansdorffio, imo suam excellentiam exoret, ut nunc viriliter omnem
conatum applicet ad maturandum negotium cum Sueco et respiciat haec Gallorum figmenta.
Ego interea curabo, quominus haec notitia mihi prosit ad confundendum istos perpetuos
mendaciae et fraudum inventores.