Acta Pacis Westphalicae III A 1,1 : Die Beratungen der kurfürstlichen Kurie, 1. Teil: 1645 - 1647 / Winfried Becker
[49.] Sitzung des Kurfürstenrats Münster 1646 Dezember 31
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Münster 1646 Dezember 31
Kurmainz Rk FrA Fasz. 9 I nr. 34 = Druckvorlage. Vgl. Kurmainz Rp FrA Fasz. 14;
ferner Kurtrier zA ( damit identisch Kurtrier spA p. 1282–1290 ); Kurköln zA I fol.
259–260’ ( damit identisch Kurköln spA II fol. 583–588’ und Kurköln zA Extrakt fol.
28 ); Kurbayern K III fol. 404’–410; Kursachsen Rs I fol. 117–119.
Hinhaltende Erklärung des Kurfürsten von Brandenburg in der pommerschen Frage. Weiterführung
der Verhandlungen über die schwedische Satisfaktion. Frist für Kurbrandenburg zur Annahme
oder Ablehnung des schwedischen Anspruchs auf Vorpommern. Intervention des Kurkollegs beim
Kurfürsten von Brandenburg.
[Im Kurfürstenratszimmer des Bischofshofs]. Vertreten: Kurmainz, Kurtrier, Kurköln, Kur-
bayern , Kursachsen.
Kurmainz proponebat.
samb angesehen, im churfürstlichen collegio zu deliberiren, waß uff die ein-
gelangte Churbrandenburgische resolution
Offenbar angespielt auf die dilatorische Antwort des Kurfürsten von Brandenburg an das Kurkolleg
vom 23. Dezember 1646 ( Druck Meiern III S. 779–780 , vgl. UuA Friedrich Wilhelm
IV 2 S. 478f. ). St. Romain erhielt am 29. Dezember 1646 im Haag eine willfährige Antwort
( Druck Meiern IV S. 225–227 ). Vgl. Odhner S. 177.
den zur satisfaction begehrten hertzogthumbs Pommern zu thun, ob nemb-
lichen zuzuwarten, bis Ihre Churfürstliche Durchlaucht zu Brandenburg
mit dero interessirten herrn gevettern und den Pommerischen landständen
hierüber conferiren und solchem nach sich ferner erclären werden, oder aber
ob solchem unerwart den Schweden gantz Pommern zu uberlaßen und
ihnen die manutenenz nomine imperii zu versprechen seye, zumahln die
Frantzösische herrn plenipotentiarii vor rathsamb erachten theten, daß
man mit der handlung vortfahren solle.
aldieweiln solche Schwedische praetendirte satisfaction wegen der Pomme-
rischen landen schon vorm jahr dießorths und zuvor bey underschiedlichen
reichsconventen vorkommen. Und seye ietzo die rechte zeit, mit Schweden
zu schließen, zumahln sie sich sonsten der in Polen abdanckenden völcker
leichtlich bedienen, neben andern angestelten werbung verstercken und
wann die campagna wider erwartet werden solte, alßdann schwehrlich zum
schlueß zu gelangen sein werde, dahero die Kayßerliche zu ersuchen, ohne
fernere versäumnus zu tractiren und underwegen solchen tractaten der chur-
fürstlichen resolution zu erwarten, nit zweivelend, wann Ihre Churfürst-
liche Durchlaucht den ernst sehen, sich alßdann auch umb soviel ehender
erclären werden.
Die manutenenz betreffend, da hielten sie, daß dießes eine schwehre frag
seye; und
10–11 hetten – tractiren] Zusätzlich in Kurtrier zA, spA, sinngemäß in Kurköln
zA I, spA II, Kursachsen Rs I: undt dabey woll in acht zu nehmen, daß nicht
gleichsamb in poenam ob recusatum consensum Ihrer Churfürstlichen Durchlaucht,
so ungezweiffelt gutte ursachen haben werden, sich deß consens halber zu wey-
geren , die ubrige landen endtzogen werden. Dagegen läßt Kurtrier laut Kurbayern
K III kategorisch verlauten, daß wegen der Beschränkung der schwedischen Forderung auf Vor-
pommern nicht einzusehen ist, warumb Ihr Churfürstliche Durchlaucht den consens
so starckh zu verwaigern.
den zu tractiren. Hielten, wann Franckreich concurriren werde, daß Schwe-
den mit Vorpommern, bevorab weiln die Oder die grentz sein werde, con-
tentiren werden. Und nachdemahln der consens nit allein von den chur-
fürsten , sondern allen andern reichsständen zu haben, so hielten sie davor,
wann die Kayßerliche sich mit Schweden verglichen haben werden, daß
alßdann zeit genug sein werde, hiervon zu reden. Sie wehren hierüber noch
nit bevelcht, erwartteten aber von ihrem Gnedigsten Herrn hierüber dem-
nechsten resolution.
Kurköln . Es wehre bekand, wie schädlich der fernere verzueg der trac-
taten dem heyligen Römischen reich seye, zumahln die campagna widerumb
vor der thür seye und man endlich gar zum aufstoß der tractaten kommen
mögte. Derowegen sie dafürhielten, die Kayßerliche herrn gesanden zu
ersuchen, dießen punctum satisfactionis müglichst zu befürdern. Mann
sehe zwar, daß Brandenburg dem werck lengern anstand geben wolte, es
wehre aber bekand, daß Seine Churfürstliche Durchlaucht hiervon schon
viele jahr nachricht und also zeit genug gehabt, mit ihren vettern hierauß
zu communiciren. Vermeinten, die Kayßerliche hetten hierinnen eventua-
liter zu schließen, yedoch Churbrandenburg etliche wochen zeit zu bestim-
men , in welcher sie sich resolviren und von beyden alternativis eines eligiren
wolten.
Kurbayern . Da es dem ansehen nach eine unmüglichkeid seye, daß, wie der
Kurfürst von Bayern es wünscht, Kurbrandenburg sein Land behält, so werde auß
der noth ein tugend gemacht werden müßen. Hielten also, die Kayßerliche
herrn gesanden zu ersuchen, mit den tractaten zu verfahren und dieselbe
womüglich zu volligem schlueß zu pringen. Es wehre zwar von Churcöllen
erinnert worden, Seiner Churfürstlichen Durchlaucht zu Brandenburg zu
dero endlichen resolution etliche wenige wochen zu geben; wann es den
verstand habe, daß sie sich allein uf die alternativ resolviren, solches
gleichwohl auch den schlueß nit hindern solte, so könden sie sich auch
damit vergleichen. Yedoch wehren die Churbrandenburgische gesanden in
loco zue Oßnabrück, welche schon inzeiten die notturfft derentwegen bey
den Kayßerlichen abgesanden anzupringen wißen würden.
Die manutenenz betreffend, hielten sie davor, wann der Allerhöchste zum
schlueß seine gnad verleihen werde, daß alßdann auch im instrumento pacis
ein gewißer punct oder articul eingeruckt werden müste, crafft deßen ein
yeder demienigen, so abgehandlet, versichert.
Die französischen Gesandten sind auch bereit, jemanden auß ihren mitteln zur
Förderung dieser Verhandlungen nach Osnabrück zu schicken; dahero solche reiß
umb soviel instendiger bey den Kayßerlichen herrn gesanden zu urgiren.
Solte auch der Venetus dahin können vermögt werden, wehre es umb
soviel beßer.
Kursachsen . Wehre nit ohne, daß dießer Schwedischen satisfaction
[…] schon uf vielen conventen und anno 1639 zu Nürnberg gedacht
worden, darauß man vermeinen solte, daß Ihre Churfürstliche Durch-
laucht wohl zeit gehabt, mit dero herrn vettern auß dießem werck zu
communiciren. So ereugen sich auch anietzo die leufften solchergestalt
gefährlich, daß, wo man lenger mit vergleichung der gesuchten satisfac-
tion würde zurückhalten, dem heyligen Römischen reich und allen ständen
desselben ein unwiderpringliches praeiuditium zuwachßen dörffte. Dannen-
hero sie dafürhielten, es seyen zugleich Ihre Churfürstliche Durchlaucht
noch einist zu ersuchen, mit dero endlichen resolution lenger nit zuruckzu-
halten und dabeneben ihro zu remonstriren die große gefahr, die deroselben
und dem gantzen heyligen Römischen reich auß fernerer cunctation zue-
wachßen würde, underdeßen aber und dabenebenst die ksl. Gesandten um
Fortsetzung der Satisfaktionsverhandlungen zu bitten. Bevor diese nach Osnabrück
gehen und dort zum schluß kommen, kann die Resolution des Kurfürsten von Bran-
denburg , der in der Nähe ist, wohl eintreffen.
Haben schon bei den vorigen Beratungen deutlich gemacht, daß man mit den Schweden
so genaw dießer landen halben handlen solle, alß immer zu thun müglich.
Sie wolten auch gantz nit der hoffnung sein, daß die herrn Schwedische
plenipotentiarii die gantze Pommerische landen zu ihrer satisfaction serio
begehren solten.
Wie es aber 3º wegen assistenz oder manutenenz desienigen, so der cron
Schweden vom reich ut feudum concedirt würde, zu halten, darüber hetten
sie noch zur zeit von Ihrem Gnedigsten Herrn kein specialbevelch, haben
aber um Instruktion gebeten. Ihre unvorgreiffliche gedancken gingen dahin,
wann die cron Schweden alß ein status imperii mit auffgenohmmen und
in einer provinz desselben infestiren würde, so mögten die constitutiones
imperii und executionsordnung selbsten geben, waß in dießem werck zu
thun seye; sind aber der kurfürstlichen Resolution
benebenst Churbayern vor rathsamb, daß die herrn Frantzösische pleni-
potentiarii und der Venetus zu ersuchen, benebenst den Kayßerlichen sich
nacher Oßnabrück zu erheben und die Schwedischen gesanden zu einge-
hung pilliger friedensmittel disponiren zu helffen.
Kurmainz . Weiln sie vernehmmen, daß die herrn gesanden der meinung,
sinthemahln Churbrandenburg zeit und weil genug, sich zu resolviren,
gehabt, daß die Kayßerliche herrn gesanden zu ersuchen, die handlung mit
Schweden vortzusetzen, gleichwohl Churbrandenburg ein gewißen ter-
minum zu bestimmen, sich uber die von Schweden gesetzte alternatief zu
resolviren, so conformirten sich auch damit, wie wenigers nit, daß die Kays-
serliche herrn gesanden zu belangen, den Venetum und Frantzösischen
gesanden zur interposition bey den Schwedischen gesanden gleichergestalt
zu ersuchen.
Die assecuration und manutenenz betreffend, sinthemahln die herrn gesan-
den sich darüber noch zurzeit nit instruirt befinden, so könden sie es auch
bis dahin gestelt sein laßen.
ordnen und dieselbe dabey zu ertheilung dero resolution zu ersuchen.