Acta Pacis Westphalicae III C 3,1 : Diarium Wartenberg, 1. Teil: 1644-1646 / Joachim Foerster
EINLEITUNG

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EINLEITUNG

1. Das Diarium Wartenberg

Unter den kurkölnischen Beständen des Staatsarchivs Düsseldorf hat sich eine Serie von Akten zu den Verhandlungen des Westfälischen Friedens erhalten, die unter dem Namen ‚Diarium Wartenberg‘ zusammengefaßt werden. Es handelt sich dabei um 13 starke Foliobände, von denen nr. 1–7 eine fortlaufende zeitgenössische Paginierung (1–5358)aufweisen. Der Gesamtumfang beträgt 9 993 Seiten

Kurköln VI. nr. 239–251. Die ursprüngliche Ordnung erfolgte durch jahrgangsweise Numerierung der (mit starken Abweichungen im einzelnen) gewöhnlich 24 Seiten umfassen- den Blattlagen, nur für die letzten Monate des Jahres 1647 war der Zusammenhang lediglich durch Kustoden gegeben. Später sind immer etwa 30 Blattlagen zu einem Band zusammen- gefaßt und die Bände jahrgangsweise durchnumeriert worden. Alle Bände weisen heute eine moderne Foliierung auf. Da aber die Literatur durchweg der alten Paginierung folgt, ist diese, soweit vorhanden, beibehalten worden.
. Im ersten Band ist vorn eingebunden ein 21 Seiten umfassendes ‚Ceremonial‘

Das ‚Ceremonial‘ umfaßt die Zeit vom 24.–30. November 1644, überschneidet sich also mit dem Beginn des nachfolgenden ‚Protokoll‘, mit dem erst die fortlaufende Paginierung beginnt, und ist somit als in sich geschlossener selbständiger Aufsatz zu betrachten. Da es bereits durch H. Lahrkamp unter dem Titel ‚Der Einzug des Fürstbischofs Franz Wilhelm von Osnabrück als Gesandter in Münster‘ 1963 publiziert worden ist, wurde auf einen nochmaligen Abdruck verzichtet.
.
Vor dem ‚Ceremonial‘ befindet sich die Überschrift Anno Domini 1644 bey den generalfriedenstractaten zue Münster gehaltenes diarium, anfahend den 24. Novembris, der nach dem ‚Ceremonial‘ beginnende Hauptteil trägt den Titel Protocollum. Dieser enthält in chronologischer Reihenfolge eine protokollartige Niederschrift über die Tätigkeit der kur- kölnischen Gesandtschaft, wobei die Konferenzen mit anderen Gesandten im Vordergrund stehen. Die Seiten sind durchweg halbbrüchig beschrieben und weisen am Rande außer Korrekturen und Zusätzen eine Reihe von Notizen, Anstreichungen und ähnlichen Bearbeitungszeichen auf, die – oft nur flüchtig mit Bleistift geschrieben – heute nicht mehr alle deutbar sind, sich vermutlich aber durchweg auf die Übernahme in Relationen oder ähnliche Formen der Mitteilung beziehen. Der Text selbst ist gewöhnlich fortlaufend geschrieben, doch kommt das Auslassen von Blättern oder Seiten vor. Das ist besonders dann der Fall, wenn die ursprünglich getrennt angefertigte Niederschrift über einen Vorgang nachträglich in das Diarium eingearbeitet worden ist, z. B. durch Streichung der Überschrift und Einfügung eines Überleitungssat- zes auf der vorhergehenden Seite

So z. B. die Eintragung zu 1648 XII 27–28 ( [ S. 1212 ] ). Gelegentlich ist auch Raum freigelassen für eine spätere, nicht mehr erfolgte Eintragung (vgl. S. 932). Sehr selten finden sich auch bruchstückhafte Eintragungen, die offenbar noch nicht die endgültige Fassung darstellen (vgl. [ S. 287 ] ).
. Gelegentlich finden sich auch darauf

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bezügliche Bemerkungen redaktioneller Art am Rande, wie sequitur auff- satz secretarii Ernesti

Vgl. S. 716, ähnlich [ S. 488 ] , 726, 737.
.
Wie dieser Befund bereits zeigt, ist das ‚Diarium Wartenberg‘ nicht das geschlossene Werk eines einzelnen, auch nicht des kurkölnischen Prinzipalge- sandten und Osnabrücker Bischofs Franz Wilhelm von Wartenberg. Somit bedarf die Bezeichnung ‚Diarium Wartenberg‘ einer Erklärung. Zumal Wartenberg eine der markantesten Gestalten des Westfälischen Friedenskon- gresses war, stellt sich vor allem die Frage, wie weit das Diarium überhaupt als authentische Quelle für die Politik dieses Mannes herangezogen werden darf. Formal korrekt wäre die Bezeichnung ‚Tagebuch‘ oder ‚Protokollbuch der kurkölnischen Gesandtschaft‘. Es setzt sich zusammen aus einer Abfolge von Berichten der verschiedenen kurkölnischen Gesandten, verbunden mit die Gesamtgesandtschaft betreffenden Angaben über das Kongreßgeschehen wie Ankunft oder Abreise von Diplomaten, Übermittlung von Nachrichten etc. Wo von Wartenberg die Rede ist, dessen Verhandlungen allerdings den Hauptteil der Berichte ausmachen, wird er immer in der dritten Person als Ihr Hochfürstliche Gnaden bezeichnet, auch dann, wenn es sich um Eintragungen von seiner eigenen Hand handelt

Selten sind Ausnahmen wie S. 5l7,7 und S. [ 861,22 ] , wo Wartenberg versehentlich die erste Person benutzt.
.
Der durchlaufende Text der Niederschrift stammt von Sekretären. Obwohl die Unterscheidung der einzelnen Handschriften mitunter problematisch ist, sind doch zehn oder elf verschiedene Schreiber festzustellen, die oft ohne erkennbaren Grund innerhalb desselben Berichtes wechseln

In diesem Zusammenhang interessant, wenn vielleicht auch nur auf einem Zufall beruhend, ist die Angabe bei F. Bosbach S. 22, wonach das Kanzleipersonal Wartenbergs im Sommer 1647 tatsächlich aus 11 Personen bestand.
. Leider lassen sie sich nur zum geringen Teil identifizieren oder einordnen. Die Frage vereinfacht sich jedoch insofern etwas, als der überwiegende Teil der Eintragungen, schätzungsweise etwas über 60 Prozent, von der Hand eines einzigen Schreibers herrührt, der sich durch die Initialen M.L. bei Abschluß des Jahres 1645 selbst zu erkennen gibt: Es ist der kurkölnische Gesandt- schaftssekretär Matthias Lintz, der im Diarium mehrfach erwähnt und gelegentlich sogar mit einer eigenen diplomatischen Mission betraut wird . Zumindest im Anfang stammt die Niederschrift fast durchgehend von seiner Hand. Später sind andere Schreiber stärker herangezogen worden, wohl in dem Maße, wie Lintz für wichtigere Aufgaben verwandt wurde. Als Hand B ist ferner zu identifizieren Ernst Schnur, der hauptsächlich als Warten- bergs persönlicher Sekretär gearbeitet zu haben scheint, da von ihm offenbar

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ein Großteil der erhaltenen Konzepte von Schreiben Wartenbergs an Kurfürst Ferdinand stamm

Von seiner Hand stammt wohl auch das ’Ceremonial‘; zur Identifizierung Bd. 6 p. 4091, Bd. 10f. 308.
.
Von den übrigen Handschriften läßt sich zumindest noch C ebenfalls häufig in Wartenbergs Korrespondenzen nachweisen

Von ihr z. B. die Niederschrift über die Lengericher Konferenz.
. D könnte mit dem Pader- borner Dompropst von der Reck in Zusammenhang stehen. E scheint ein untergeordneter Schreiber gewesen zu sein, dessen Texte gelegentlich von A und C ergänzt werden

So S. [ 1070,4 ] und [ 1071,5 ] , wo der von E fortlaufend geschriebene Text am Rand mit Zusätzen von C bzw. A versehen ist.
. Die verhältnismäßig selten erscheinende Hand J kommt mehrfach gerade dann vor, wenn es sich um die Beschreibung offizieller Festakte, also nicht im eigentlichen Sinne diplomatisch- vertrauli- che Vorgänge handelt

So S. [ 1094,7–8 ] (staatisches Gastmahl), [ 1108,7 ] (Gastmahl bei Nassau).
.
Es wäre von Interesse zu wissen, wie weit diese Schreiber auf die Formulie- rung der Niederschrift Einfluß genommen haben könnten. Indessen lassen sich hierzu nur ganz allgemeine Überlegungen anstellen. Es ist vereinzelt wohl einmal von einem Diktat Wartenbergs die Rede

Da sich die eigenhändige Anweisung Wartenbergs: hic inseratur quod dictavi Matthiae hoc die (Bd. 4 p. 2553) an einer der seltenen bruchstückhaft überlieferten Textstellen befindet, wird man nicht schließen können, daß Diktat eine Ausnahme war.
, es gibt aber auch Hinweise auf einen ‚Aufsatz‘ des Sekretärs

Vgl. Anm. 4.
. Bei den sich oft über viele Seiten hinziehenden, in Rede und Gegenrede minutiös dem Verhandlungs- verlauf folgenden Protokollen läßt sich nur schwer vorstellen, daß Warten- berg sie ohne jede Unterlage vollständig aus der Erinnerung diktiert haben sollte. Er wird in solchen Fällen entweder einen Sekretär mitgenommen oder sich selbst Notizen gemacht haben. In ersterem Falle mag der Sekretär nach eigenen Unterlagen einen Text erstellt haben, der von Wartenberg durchge- sehen und korrigiert wurde, in letzterem ein Diktat Wartenbergs anhand seiner eigenen Notizen vorliegen. Für die Form des Diktates, bei welcher der Verfasser den Text nicht selbst schriftlich vor Augen hat, könnte die auffällig häufige Inkongruenz im Satzbau, das Auftreten unvollständiger Sätze und ähnlicher sprachlicher Erscheinungen sprechen. Dagegen läßt die eigenhändige Hinzufügung ganzer Passagen durch Wartenberg, wenn deren Einschub nach Diktat natürlich auch nicht ausgeschlossen ist, doch eher an einen von ihm ergänzten Aufsatz des Schreibers denken

Vgl. S. 238 das Gespräch mit Fritze.
. Zumindest den beiden Hauptsekretären wäre eine einigermaßen selbständige Arbeitsweise wohl zuzutrauen. Noch mehr wird man bei Texten, die sich durch Äußerlichkeiten wie Benutzung anderen Papieres als Einlage zu erkennen

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geben, mit selbständigen Aufsätzen zu rechnen haben, sofern es sich nicht um Diktate anderer Kölner Gesandter handelt

Gesondert eingelegt ist z. B. der Bericht über den Besuch bei Longueville 1646 XII 28, vgl. S. [ 660f ] . Auf Diktakte anderer Gesandter wird öfter verwiesen, vgl. S. [ 495 ] , [ 496 ] , [ 530 ] , [ 535 ] , [ 552 ] , [ 553 ] , [ 634 ] , [ 667 ] .
.
So interessante Einblicke in die Entstehung des Diariums im einzelnen und in die Arbeitsweise der kurkölnischen Gesandtschaft sich hieraus auch ergeben mögen, für die politische Aussagekraft des Textes dürfte der Wechsel der Handschriften kaum von Belang sein. Viel wichtiger ist, daß der gesamte auf Wartenberg zurückgehende Text Korrekturen von seiner eige- nen Hand aufweist. Ihre Häufigkeit und ihre Bedeutung wechseln. Gele- gentlich sind am Rande ganze Absätze von Wartenberg hinzugefügt, häufiger sind bloße Korrekturen einzelner Ausdrücke oder auch nur des Stiles. Dabei ist Wartenberg oft recht flüchtig vorgegangen, d. h. er hat die durch seine Eingriffe in den Text notwendig gewordenen syntaktischen Änderungen wie Wechsel von Singular auf Plural oder von Aktiv auf Passiv im weiteren Satzgefüge vernachlässigt. Auch von der Aussagequalität her sind seine Korrekturen gewöhnlich nicht von derart überragender Bedeu- tung , daß ihre besondere Hervorhebung bei der Edition gerechtfertigt erschiene. Allein die Tatsache dieser durchgehenden Korrekturen zeigt aber – und darin liegt ihr Hauptwert –, daß Wartenberg den gesamten Text nach der Niederschrift in der Hand gehabt, ihn geprüft und in der vorliegenden Fassung als authentisch und korrekt anerkannt hat, natürlich mit der Einschränkung auf diejenigen Verhandlungen, an denen er selbst beteiligt war. Mithin handelt es sich nicht um ein relativ selbständiges Produkt wechselnder Schreiber, das nach deren Persönlichkeit zu interpre- tieren wäre, sondern wirklich um ein ‚Diarium Wartenberg‘, den Ausdruck der Willensmeinung des Osnabrücker Fürstbischofs. Daß Wartenberg diesen Aktenbestand, und zwar in dem vorliegenden Exemplar, nun selbst wieder als gültige Darstellung des Handlungsverlaufes bei weiteren Gesprächen benutzt hat, läßt sich zumindest in einem Fall eindeutig beweisen: Zum 10. Januar 1645 berichtet der kaiserliche Gesandte Dr. Isaak Volmar, die Kölner seien dagewesen, und Wartenberg habe auß seinem protocoll weittläuffig verlesen, was er am 5. und 7. Januar mit den Franzosen und Contarini verhandelt habe, dabei aber anderthalb Seiten übersprungen mit dem Bemerken: da ists transponirt . Zwar ist Volmars Verdacht irrig, hier hätten im Protokoll Nachrichten über bayerische Neutralitätsbestrebungen gestanden, tatsächlich findet sich an dieser Stelle aber im Diarium ein etwa anderthalb Seiten langer Passus über frühere kurkölnische Neutralitätsverhandlungen, der an Kurbayern nicht mitgeteilt werden sollte

Vgl. [ S. 46 ] .
. Wartenberg hat also offenbar die Unvorsichtigkeit began-

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gen , das ungekürzte Original mit in die Konferenz zu nehmen, wobei den Kaiserlichen natürlich aufgefallen ist, daß er eine gekürzte Fassung vorge- tragen hat.
Die Frage der Auslassungsvermerke berührt den zweiten Verwendungs- zweck des Diariums: Es wurde regelmäßig zur Berichterstattung an die Kurfürsten von Köln und Bayern übersandt. Davon zeugen in dem vorlie- genden Exemplar Wartenbergs zahlreiche communicatur-Vermerke, die das Datum der Absendung festhalten, doch auch wo solche fehlen, dürfte die regelmäßige Übermittlung nicht unterbrochen worden sein; wahrscheinlich bezieht sich darauf ein Teil der nicht eindeutig zu erklärenden Anstreichun- gen am Rande. Zumindest was Bayern betrifft – für Köln fehlen die entsprechenden Korrespondenzen leider fast völlig –, machen diese Proto- kollauszüge , gewöhnlich ‚continuatio protocolli‘ genannt, einen wichtigen Teil der regelmäßigen Informationen aus, die eigentlichen Korrespondenz- schreiben sind gegenüber diesen Beilagen oft verhältnismäßig kurz

Korrespondenz Wartenbergs mit Kf. Maximilian in München II K. schw. nr. 2228, 2230–2234 (1644 I 3 – 1648 XI 10). Unter den Beilagen findet sich namentlich auch ein Teil der Korrespondenz mit Bischoping und Buschmann vom Januar 1647.
.
Das Gegenstück zu den communicatur- bilden die schon erwähnten omitta- tur -Vermerke. Neben sehr vereinzelten Stellen, die sich ausdrücklich auf Kurköln beziehen, sind sie entweder ganz allgemein gehalten, so daß angesichts des Fehlens der an Kurköln gegangenen Reinschrift nicht mehr festzustellen ist, ob Kurköln darin eingeschlossen war, oder – und das am häufigsten – auf Bayern bezogen. An der schon erwähnten Stelle, wo dies das erste Mal der Fall ist , wird hinzugefügt, gegenüber Köln sei die Auslassung als solche zu kennzeichnen. Das galt, um angesichts der engen Korrespon- denz zwischen Bonn und München Mißverständnisse zu vermeiden, wohl auch für die übrigen Fälle. Sachlich wird man in diesen Stellen selten Ansätze einer eigenen, vor Bayern oder gar Köln geheimzuhaltenden Politik Wartenbergs sehen können. Es handelt sich einmal um gelegentlich aufge- nommene Interna der westfälischen Stifter, häufiger auch um Besprechungen mit den Vertretern Maximilians, worüber eine Doppelberichterstattung nach München unnötig erschien

Vgl. [ S. 682f ] .
, schließlich aber auch um gesprächsweise gefallene Bemerkungen, die vor allem Maximilians immer sehr empfindli- ches Selbstwertgefühl treffen konnten. Für die Bewertung solcher Stellen aufschlußreich ist Wartenbergs Antwort, als am 11. März 1646 die Bayern weisungsgemäß eine Kurfürst Maximilian unpassend erscheinende Äußerung Volmars geahndet wissen wollten: Man erwecke durch derart übertriebene Reaktionen nur Mißtrauen und laufe Gefahr, keine vertraulichen Informa- tionen mehr zu erhalten; notfalls müßten die Kölner auch gegenüber den Bayern in ihren Äußerungen zurückhaltender werden

Vgl. [ S. 418f ] .
. So erscheinen diese

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Stellen eher interessant als Gradmesser für das, was Wartenberg beiden Kurfürsten an offenen Äußerungen zumuten zu können glaubte, wobei die Auswahl gegenüber Maximilian natürlich wesentlich enger war, zu dem er nicht in demselben Vertrauensverhältnis wie zu Ferdinand stand.
Ohnehin dürfen die etwa 150 omittatur-Vermerke – inwieweit auch reine Anstreichungen und ähnliche Zeichen dieselbe Bedeutung haben, muß offen bleiben – nicht den Eindruck erwecken, als handle es sich bei der vorliegen- den Fassung des Diariums um eine vollständige und rückhaltslose Darle- gung der kurkölnischen oder wartenbergischen Politik. Die Aufnahme von persönlichen Eindrücken, Urteilen, Absichten und Plänen Wartenbergs verbot schon der Charakter des offiziellen Tagebuches der Kölner Gesamt- delegation . Aber auch die Probleme seiner drei Stifter Osnabrück, Minden und Verden werden eigentlich nur so weit behandelt, wie es um ihre Erhaltung als katholische Stifter, also ein auch von Kurköln zu betreibendes gemeinkatholisches Anliegen geht. Die Stellung Wartenbergs als Landesherr kommt dabei eher gelegentlich und mehr nebenbei zum Ausdruck. Für die in der Schlußphase des Kongresses bedeutsamen Verhandlungen über die Osnabrücker ‚capitulatio perpetua‘ wird meist auf Sonderprotokolle verwie- sen

Allerdings ist zu beachten, daß Wartenberg aus grundsätzlichen Erwägungen nach außen hin als an diesen Verhandlungen nicht beteiligt gelten wollte. Vgl. [ S. XLIV ]
. Ebensowenig zum Ausdruck kommt das Zusammenspiel der drei ‚Triumvirn‘ Wartenberg, Adami und Leuchselring als der unbeugsamsten Vertreters der katholischen Sache. Seine grundsätzlich von Kurbayern, aber auch von Kurköln unterschiedliche Haltung zum Ulmer Waffenstillstand wird lediglich ansatzweise gestreift und wird aus dem Diarium allein nicht klar ersichtlich. Vollends mit keinem Wort wird eingegangen auf die Isolation, in die er seit Herbst 1647 auch innerhalb der Kölner Delegation immer mehr geriet ; allenfalls lassen gelegentliche Seitenhiebe wie wegen unförmblicher ansagh am 2. Oktober 1648 seine Stimmungslage in etwa erahnen. So gut wie völlig unberücksichtigt bleiben ferner die Aufgaben, die Wartenberg in der Vertretung anderer, nicht zum kölnischen Länderkom- plex gehöriger Reichsstände übernommen hatte.
Auch die Bezeichnung der vorliegenden Quelle als Tagebuch der Kölner Gesandtschaft bedarf einer näheren Eingrenzung. Es handelt sich zunächst um keine Dienstregistratur, wie sie etwa der kaiserliche Gesandte Dr. Volmar geführt hat und in der der gesamte durch seine Hände gegangene Schriftverkehr berücksichtigt ist

Zur Charakterisierung und Abgrenzung vgl. APW III C 2,1 S. XXI ff, über Aussagewert im Verhältnis zu dem völlig anders gestalteten Diarium des päpstlichen Nuntius Fabio Chigi vgl. APW III C 1,1 S. 30ff.
. Weder von den Weisungen des Kurfürsten noch von den an ihn abgegangenen Relationen ist etwas zu erfahren, was natürlich die Beurteilung der einzelnen Verhandlungsschritte sehr erschwert.

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Zumindest vorgesehen war dagegen die Aufnahme des internen Schriftver- kehrs mit den zeitweilig in Osnabrück befindlichen Gesandten und im externen Gebrauch entstandener Schriftstücke wie Memoriale, Propositio- nen usw. Wie weit dieser Plan verwirklicht worden ist, läßt sich indessen nur schwer beurteilen. Erhalten hat sich lediglich ein Heft für die Zeit von Dezember 1644 bis Dezember 1645 mit den (auch nicht vollständig vorhandenen) Nummern 1–169

Kurköln VI nr. 242a.
. Für 1646 und 1647 ist im Diarium zwar jeweils mit einer neuen Numerierung der Beilagen begonnen worden, da diese aber abbricht ( [ 1646 V 7 ] bzw. [ 1647 II 9 ] ) und danach nur noch Lücken zur Einsetzung der Nummern gelassen sind, steht nicht fest, ob für diese Zeit eine Sammlung überhaupt zustande gekommen ist. Gelegentlich seit Früh- jahr 1647, häufig im Jahre 1648 werden Schreiben erwähnt, ohne daß ein Anlagenvermerk beigefügt ist. Ob dahinter eine bewußte Absicht steht oder ob die Vermerke vergessen worden sind, läßt sich nicht entscheiden, zumal im Wechsel damit Schreiben mit denselben Korrespondenten doch wieder einen Anlagenvermerk tragen

Als Beilagen durchweg nicht erwähnt sind z. B. die Schreiben Bischopings seit Mai 1647 (vgl. [ S. 872ff ] ), Ausnahmen aber S. [ 1118 ] , [ 1135f ] .
. Zwar unterschied sich Wartenbergs Hal- tung 1648 deutlich von der in Osnabrück vertretenen Politik Kurkölns, so daß etwa die Unterdrückung der Korrespondenz mit seinem Offizial Bischoping in einer für Kurköln bestimmten Sammlung verständlich erschei- nen könnte, doch entfällt dieses Argument für den in gleicher Weise behandelten Schriftverkehr mit Buschmann

Allerdings könnte die fehlende Numerierung und fehlende Kennzeichnung auch dadurch verursacht worden sein, daß Kf. Maximilian keinen Hinweis auf solche Stücke erhalten sollte.
.
Sieht man von solchen Ansätzen zu einer weitergehenden Sammlung ab, die offenbar nicht konsequent weitergeführt worden sind, so kann man das Diarium Wartenberg im wesentlichen als ein Visitenprotokoll bezeichnen, d. h. es verzeichnet die von Wartenberg und den übrigen Kölner Gesandten mit den Vertretern anderer Mächte hauptsächlich durch Besuche – aber auch durch Schreiben und Boten – vermittelten Kontakte. Das allerdings in ausgedehntestem Maße. Schon die Vorbereitungen und Verabredungen der Zusammenkünfte werden meist genau geschildert, die Wiedergabe der Gespräche selbst erweckt den Eindruck einer fast stenographischen Genauig- keit . Gewöhnlich in der Form von Rede und Gegenrede folgen sich hier die Argumente in aller Weitläufigkeit. Das wirkt mitunter ermüdend, vermit- telt aber auch den Eindruck einer nicht durch nachträgliche Reflexion oder Zusammenfassung gebrochenen Ursprünglichkeit, die durch die Wiedergabe im umständlichen und verwickelten Schriftdeutsch der Zeit vielleicht etwas verwischt wird, aber namentlich in kurzen Kontroversen immer wieder durchbricht. Für Stil und Kolorit der mündlichen Verhandlungen, für Denk- und Argumentationsweise der beteiligten Personen ist also das

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Diarium eine unschätzbare und unerschöpfliche Quelle. Vor allem natürlich für die Person des Osnabrückers selbst. Seine ausgedehnten Kenntnisse in den theologischen Wissenschaften, in Reichsrecht und Reichsgeschichte, seine praktischen Erfahrungen als Diplomat und langjähriger leitender Minister eines Kurfürsten kommen hier ebenso zum Ausdruck wie eine mitunter weitschweifige Pedanterie, schulmeisterliche Belehrungssucht und wenig verbindliche Starrheit im Festhalten einmal eingenommener Positionen. Da aber Wartenberg nun eimal einer der Führer und profiliertesten Köpfe der katholischen Partei war, sind auch diese in seiner Person liegenden Eigenar- ten für den Verlauf der Dinge nicht ohne Interesse.
In gewisser Weise vertrat Wartenberg in Münster auch den Landesherrn. So enthält das Diarium in allerdings geringerem Umfang auch Landessachen wie Verhandlungen mit Mitgliedern des Domkapitels, der Regierung und militärischen Stellen, gelegentlich auch Hinweise auf Wartenbergs Tätigkeit als Osnabrücker Fürstbischof. Wichtiger als solche Bemerkungen, soweit sie über den Rahmen der Friedensverhandlungen hinausgehen, sind die Proto- kolle über Konferenzen, die Wartenberg in das Diarium aufgenommen hat. Es handelt sich hier um die Vorkonferenz des münsterischen Fürstenrates und des Corpus Catholicorum

1645 X 1, vgl. [ S. 292 ] .
(nebst einigen dazugehörenden Deputatio- nen ) sowie, vor allem, um die kurfürstlichen Vorkonferenzen des Jahres 1645. Die entsprechenden Niederschriften sind, nachdem Wartenberg als ursprünglich einziger kurfürstlicher Vertreter in Münster mit den Kaiserli- chen unterhandelt hatte, später aber die Bayern und Mainzer hinzuzog, organisch aus den Visitenprotokollen erwachsen und nehmen erst mit der kurfürstlichen Gesamtkonferenz in Lengerich am 10./11. Juli 1645 äußerlich die Form von Sitzungsprotokollen an, bleiben aber dennoch zunächst Teil des Diariums und werden erst mit der formellen Institutionalisierung des Kurfürstenrates als eigene Serie ausgesondert

Seit 1645 VIII 29, vgl. S. [ 267f ] .
. Dank ihrer ausführlichen Wiedergabe sind sie fast immer die beste Überlieferung für die kurfürstli- chen Konferenzen und wurden bereits entsprechend ausgewertet

In APW [ III A 1,1 ] ; zur Bewertung vgl. ebd. S. [ LXIff ] , zur Überlieferung und Charakterisie- rung der kurkölnischen Kurfürstenratsprotokolle ebd. S. [ LXXXVIIff ] .
. Nimmt man die Angaben über das sonstige Geschehen am Kongreß hinzu, vor allem über Ankunft und Abreise von Gesandten und die damit verbundenen Zeremonialakte, so enthält das Diarium eine derartige Fülle von Informa- tionen , daß es – soweit Wartenberg darin Einblick hatte – als eine der ergiebigsten Quellen für den Friedenskongreß gelten kann.
Allerdings sind hierbei doch wieder Einschränkungen zu machen. Die ungemein genaue und detaillierte Wiedergabe der Gespräche darf nicht zu der Folgerung führen, daß Wartenberg nun auch immer und überall alles wiedergegeben hat, was besprochen worden ist. Auf bewußte Lücken und

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Verschleierungen hat zuerst K. Repgen aufmerksam gemacht

Vgl. K. Repgen , Wartenberg S. 232ff, besonders S. 237f.
. Sie im einzelnen sicher nachzuweisen, ist von der Natur der Sache her schwer, doch muß auch sonst damit gerechnet werden. So finden sich die, wie oben erwähnt, von Volmar vermuteten Sonderverhandlungen zur bayerischen Neutralität zwar nicht im Protokoll, doch verdient die dezidierte Behaup- tung des kaiserlichen Gesandten, er wisse davon aus sicherer Quelle und könne weitere geheime Nachrichten über Wartenbergs Verhalten beschaffen, doch einiges Gewicht

Volmar an Ferdinand III. 1645 I 9 (Druck: APW [ II A 2 S. 140f ] ). Vgl. auch ähnliche Äußerungen Volmars über ein Gespräch Wartenbergs mit d’Avaux 1645 VII 28 (Druck: APW [ III C 2,1 S. 410f ] ), wo als Zwischenträger Pellegrino Carleni, der Bevollmächtigte des Grafen von Egmont, genannt ist.
. Zwar sollte über die immerhin von den beiden Wittelsbacher Kurfürsten damals schon ins Auge gefaßte Möglichkeit einer Neutralität mit Frankreich nicht am Kongreß, sondern unmittelbar in Paris sondiert werden

Über die Verhandlungen zwischen Kurköln und Kurbayern zu dieser Frage vgl. J. Foerster S. 273f.
, so daß hierin Volmars Verdacht weit über das Ziel hinausschießt, denkbar wären aber intensivere Bemühungen um einen Waffenstillstand mit Frankreich, die Wartenberg aufgetragen waren, in der Wiedergabe der Gespräche dieser Wochen jedoch nur verhältnismäßig wenig Berücksichtigung finden

Erwähnungen vor Ankunft der bayerischen Gesandten lediglich [ 1644 XII 27 ] , [ 1645 I 7 ] gegenüber den Mediatoren (vgl. S. [ 33 ] , [ 49 ] ), [ 1645 I 19 ] , [ II 12 ] , [ 13 ] gegenüber den Kaiserlichen (vgl. S. 94ff). Allerdings stand auch Kurköln einem allgemeinen Waffenstillstand in diesen Wochen mit gewissen Reserven gegenüber; im übrigen wünschte man, daß die Anregung offiziell von den Mediatoren vorgebracht werden sollte.
. Auf jeden Fall zeigt die Bemerkung Volmars, daß es in der Umgebung Wartenbergs Personen gab, die gegenüber den Kaiserli- chen nicht verschwiegen waren, und daß der Bischof gut daran tat, wirklich streng vertrauliche Dinge dem offiziellen Diarium nicht anzuvertrauen. Noch einmal zu erinnern wäre in diesem Zusammenhang auch an die Tatsache, daß die omittatur-Vermerke sich selten auf wirklich tiefgreifende Gegensätze zur bayerischen Politik beziehen. Diese waren zweifellos vor- handen , werden aber mehr oder minder ‚dissimuliert‘, wohl nicht nur mit Rücksicht auf das Personal in Münster, sondern auch auf die Regierung in Bonn, wo es eine starke bayerische Partei gab. Zwischen ihr und Wartenberg hielt Kurfürst Ferdinand ungefähr die Mitte, bis er seit Ende 1647 mehr und mehr auf die bayerische Linie einschwenkte und Wartenberg, wenn nicht formell, so doch praktisch kaltgestellt wurde. Auch davon läßt das Diarium nichts erkennen. Äußerlich geht die Berichterstattung über Besprechungen mit den in Münster anwesenden Diplomaten wie vorher weiter, in Wirk- lichkeit wurden alle Entscheidungen in Osnabrück getroffen, ohne daß Wartenberg auf sie einwirken konnte. Wenn er weiter als wirklicher Delegationschef auftritt, dissimuliert Wartenberg im Grunde auch hier. Das Diarium allerdings wird so aus einem kurkölnischen Gesandtschaftsdiarium

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noch mehr als zuvor zu einem Diarium Wartenberg, d. h. es referiert vornehmlich die Aktivitäten des Bischofs von Osnabrück, auch dort, wo diese für die Kölner Politik nicht mehr repräsentativ sind. Eine inhaltliche Würdigung des Diariums hat also zunächst neben der Person Wartenbergs sein Verhältnis zu Kurköln und zu Kurbayern ins Auge zu fassen.

2. Wartenberg, Kurköln und Bayern

Eine der markantesten Gestalten unter den hohen Reichsprälaten des 17. Jahrhunderts, war Franz Wilhelm von Wartenberg eine Person, an der sich schon zu Lebzeiten die Geister schieden. Den einen der in seinen Grundsät- zen unerschütterliche, feste und konsequente Vorkämpfer und Verteidiger der katholischen Lehre, war er den anderen, gerade auch unter seinen Glaubensgenossen, ein lästiger und unbequemer Eiferer, der in starrsinnigem Festhalten an Maximalpositionen das Erreichen des praktisch Möglichen gefährdete. Die Protestanten aber sahen in ihm die Verkörperung all dessen, was ihnen feindlich war, den harten und unerbittlichen Verfolger ihres Glaubens, der auch vor schlimmster Gewaltanwendung nicht zurückschrec- ke

Positive Würdigung besonders in den 1653 verfaßten, 1698 zuerst gedruckten ‚Arcana Pacis Westphalicae‘ Adamis. Vgl. hierzu F. Israel , besonders S. 182f. – Ablehnend besonders im Schlußstadium der Verhandlungen die Äußerungen Bayerns und Volmars. – Zur Beurteilung durch die Protestanten vgl. T. Pfanner , Historia Pacis, besonders S. 479, 554.
. So fehlt sein Name auch in kaum einer Darstellung der deutschen Verhältnisse in der ersten Hälfte des 17. Jahrhunderts. Mehrfach sind seiner Person und seinem Wirken Darstellungen gewidmet worden

Erste biographische Darstellung bei J. L. Walther S. 33–37 mit Auszug aus G. J. Eggs , purpurea docta 6 S. 456ff. Zusammenfassende Übersicht über die Gesamtliteratur bei A. Knoch S. 15ff.
. Der eine Höhepunkt seiner politischen Tätigkeit, der Kampf um die katholische Restauration in Zusammenhang mit dem Restitutionsedikt, ist auch quellen- mäßig seit längerem gut erschlossen

Für 1621–1631 durch H. Forst.
. Für seine Politik auf dem westfäli- schen Friedenskongreß, über die das Diarium näheren Aufschluß geben soll, liegt eine hauptsächlich dieses auswertende Darstellung vor

Vgl. A. Knoch .
. Ebenfalls eingehend gewürdigt ist bereits der letzte Abschnitt seines Lebens als Bischof von Regensburg

Vgl. G. Schwaiger .
. Statt einer ausführlicheren Darstellung seiner äußeren Lebensverhältnisse kann daher hier eine kurze Charakteristik seiner persön- lichen und politischen Stellung genügen.
Entscheidend für Franz Wilhelms kirchliche und politische Karriere war die Beziehung zum Hause Bayern, dem sein Vater Herzog Ferdinand (1550–1608) selbst angehört hatte. Durch ihn stand er in engsten verwandt- schaftlichen Beziehungen zu den wichtigsten regierenden Familien Europas.

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Seine direkten Vettern waren die Kurfürsten von Bayern und Köln, aber auch Kaiser Ferdinand II. Nur um einen Grad weiter verwandt war er mit den Königen von Spanien, Frankreich und Polen, den zahlreichen Nach- kommen des Hauses Jülich-Kleve und den wichtigsten italienischen Fürsten- familien . Indessen war der blutsmäßige Zusammenhang mit der habsbur- gisch -bayerischen Familie und ihren Verzweigungen, auf den Franz Wil- helm sehr stolz war und den er oft und gern hervorhob, in seiner Bedeutung doch sehr eingeschränkt durch die unebenbürtige Herkunft der Mutter Maria Pettenbeck aus einer bayerischen Beamtenfamilie. Zwar hatte Her- zog Wilhelm V. (1548–1626) das Sukzessionsrecht der Nachkommen seines Bruders Ferdinand 1588 anerkannt, aber das war lediglich eine Vorsichts- maßregel , um einen eventuellen Übergang Bayerns an die protestantischen Pfälzer zu verhüten; ausdrücklich war festgesetzt, daß die Grafen von Wartenberg, solange die Wilhelminische Linie bestand, nicht zum Hause Bayern gehörten

Vertrag 1588 IX 23 (Druck: J. J. Moser 12 S. 431f, 14 S. 7, 19 S. 19–23). Zu seiner Bedeutung für die bayerische Sukzessionsordnung zuletzt H. Rall S. 24f.
. Auf diese Abgrenzung hielt insbesondere Kurfürst Maxi- milian mit aller Konsequenz

Vgl. J. Foerster S. 8, 42 mit Anm. 121.
, während Franz Wilhelm neben mangelnder Unterstützung vom Hause Bayern auch darüber klagte, daß er und seine aus rechtmäßiger Ehe stammenden Geschwister schlechter gestellt seien als die illegitimen Nachkommen eines anderen Bruders seines Vaters, des Kölner Kurfürsten Ernst

Vgl. H. Forst nr. 159.
. Ein gewisses Gefühl der Benachteiligung seiner Familie und fehlender Anerkennung seiner Verdienste seitens des Hauses Bayern war bei Franz Wilhelm tief verwurzelt und brach immer wieder durch. Um so empfindlicher war, nachdem er selbst Reichsfürst geworden war, das Gefühl für seine Stellung. Es äußerte sich in einem ausgeprägten Hang zu fürstlicher Repräsentation, den schon Zeitgenossen als übertrieben verspotteten

Vgl. etwa APW [ III C 2,1 S. 220 ] , J. Foerster S. 42.
, zumal er oft nicht mit Wartenbergs wirklichem politischen Gewicht in Einklang stand. Auch seine Vorliebe für die Behandlung von Zeremonialfragen, die sich gerade auf dem Westfälischen Friedenskongreß zeigte, mag damit in Zusammenhang stehen. Jedenfalls scheint ihn das Thema weit über seine zugegebenermaßen große politische Bedeutung hinaus angezogen zu haben. Für Maximilian jedoch blieb Wartenberg ein Diener, nicht ein Mitglied des Hauses Bayern, und je mehr der Bischof seinen Rang zur Schau stellte, um so kühler wurde das persönliche Verhältnis des Kurfürsten zu ihm.
Geboren am 1. März 1593 und schon früh zum geistlichen Stand bestimmt, erhielt Franz Wilhelm seine erste Ausbildung in Ingolstadt und München. Nach weiteren Studien am Collegium Germanicum in Rom seit 1608 trat er 1614 in die Dienste Maximilians und konnte in München – seit 1617 als Präsident des Geistlichen Rates – seine unstreitige administrative und organisatorische Begabung unter Beweis stellen und weiterentwickeln. Die

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Möglichkeit auch zu politischer Tätigkeit eröffnete sich ihm 1621, als durch die Beförderung des kurkölnischen Obersthofmeisters Eitel Friedrich von Hohenzollern-Sigmaringen (1582–1625) zum Kardinal dessen bisherige Stellung frei wurde und Kurfürst Ferdinand ihn nach Bonn rief. Damit trat er in einen Wirkungskreis ein, der bis 1650 bestimmend für ihn geblieben ist: die Vertretung der bayerischen Bistumspolitik am Niederrhein und in Westfalen.
Die ‚Geistliche Sekundogenitur‘ des Hauses Bayern bestand hier schon in der zweiten Generation: 1612 war auf Kurfürst Ernst von Bayern (1554–1612) im Erzstift Köln, in Münster, Lüttich, Hildesheim und Stablo-Malmedy sein Neffe Ferdinand (1577–1650) gefolgt, der jüngere Bruder Maximilians, der 1618 auch noch das Stift Paderborn erhielt. Als einer der bedeutendsten Kölner Kurfürsten der Neuzeit sah Ferdinand innenpolitisch sein Programm vor allem in der Durchsetzung seiner landesfürstlichen Autorität gegenüber den Ständen, einer sehr schwierigen Frage, da deren Stellung gerade in den Stiftern sehr selbständig war, sowie in der Neuord- nung der geistlichen Verwaltung und ernstlichen Durchführung der Triden- tiner Reformbeschlüsse. In der Reichs- und Außenpolitik war er von Anfang an ein eifriger Vertreter der unter bayerischer Führung stehenden katholi- schen Liga, mußte aber Rücksichten nehmen wegen der exponierten Lage seiner Länder, die dem zum guten Teil auf benachbartem Reichsgebiet geführten spanisch-niederländischen Krieg ausgesetzt waren. Das gemeinsa- me kirchliche Interesse führte ihn dabei auf die Seite Spaniens, doch gerade mit dieser Macht gab es auch ständig Mißhelligkeiten, nicht nur in Lüttich, wo Fragen der Landeshoheit hineinspielten, und wegen der Belästigung durch spanische Besatzungstruppen, sondern auch aus grundsätzlichen Bedenken gegen eine habsburgische Hegemonie, wie sie in der Krise um die bayerische oder österreichische Orientierung der Liga auch gegenüber dem Kaiser zum Ausdruck gekommen waren

Zur bayerischen Bistumspolitik in Nordwestdeutschland vgl. zusammenfassend zuletzt M. Weitlauff S. 53ff mit weiteren Literaturangaben, D. Albrecht S. 201f. Charakterbild Ferdinands in E. Ennen , Kurfürst Ferdinand; zur Situation seiner Stifter gegenüber Spanien und den Niederlanden vgl. J. Kessel ; zu seiner Politik seit 1634 vgl. J. Foerster .
.
Es scheint, daß sich zwischen dem Kurfürsten und Wartenberg, der jetzt als Obersthofmeister auch sein leitender Minister und engster Mitarbeiter wurde, schon bald ein festes Vertrauensverhältnis ergab. Beide waren sich in vielem ähnlich, so im deutlichen Überwiegen der administrativen über die politische Begabung und vor allem im Verständnis der kriegerischen Ausein- andersetzungen vom vorwiegend religiösen Standpunkt aus, was ein Einge- hen auf politisch notwendige Kompromisse sehr erschwerte. War Warten- berg dabei dem Kurfürsten durch seine gründliche Ausbildung wohl an fundierten theologischen und juristischen Kenntnissen überlegen, die wir bei Ferdinand, der bereits mit 18 Jahren die Verwaltung des Erzstiftes über-

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nommen hatte, kaum in diesem Maße voraussetzen dürfen, so lieferte sich dieser doch nicht völlig dem Einfluß seines Ministers aus. Er war durchaus willens und fähig, die grundsätzlichen Entscheidungen selbst zu treffen, und wo er auf fremden Rat hörte, wurde die Rolle Wartenbergs eingegrenzt durch die Vorstellungen seines Bruders Maximilian. Diese liefen bei allem energischen Festhalten an den katholischen Interessen doch mehr auf ein vorsichtiges Abwägen der Chancen und Gefahren für Haus und Staat hinaus, wo Wartenberg in unbeirrbarer Konsequenz den streng kirchlichen Standpunkt vertrat. Und wenn es zur Entscheidung kam, beugte Ferdinand sich letzten Endes meist doch der Autorität seines Bruders, dessen überlegene Fähigkeiten er anerkannte. So hat Wartenberg, ohne daß es zu einem förmlichen Bruch kam, in der Schlußphase des Westfälischen Friedenskon- gresses jeden tatsächlichen Einfluß auf die Kölner Politik verloren.
In den Jahren des Erfolges der katholischen Restauration nach 1621 traten diese Gegensätze naturgemäß weniger hervor. Vielmehr war Wartenberg geradezu der Kandidat der bayerischen Partei, als es im Wettstreit mit dem Kaiserhause um die Verteilung der errungenen Gewinne ging

Vgl. D. Albrecht S. 201f.
. Unter diesem Gesichtspunkt läßt sich bereits die am 25. Oktober 1625 erfolgte Postulation Franz Wilhelms zum Bischof von Osnabrück sehen, wo er in der Person des Kardinals Hohenzollern

Zu ihm zuletzt NDB IV S. 424 mit weiterer Literatur.
seit 1623 schon einen katholischen Vorgänger gehabt hatte. Bei den Bemühungen um das Erzstift Bremen trug allerdings der habsburgische Kandidat den Sieg davon. In scharfem Wettbe- werb mit diesem gewann Franz Wilhelm aber 1629/30 Minden und Verden, nicht auf dem normaleren Weg der Postulation, sondern durch päpstliche Provision. Damit war er jedoch jetzt selbst zum Rang eines Reichsfürsten emporgestiegen, auch wenn er die Regierung in Osnabrück erst 1628, in den beiden anderen Stiftern 1630/32 in die Hand bekam und schon 1633 wieder verlor. In diese kurze Zeitspanne fällt der Höhepunkt von Wartenbergs selbständiger politischer Tätigkeit als Landesherr und kaiserlicher Kommis- sar zur Durchführung des Restitutionsediktes im niedersächsischen Kreis (seit 1629). Vornehmlich in diesen Jahren hat er sich den Ruf erbarmungsloser Härte und unnachsichtiger Konsequenz gegenüber den Protestanten erwor- ben , der ihm seither anhaftete und ihm bei den Friedensverhandlungen nicht unerheblich geschadet hat

Vgl. etwa [ S. 844 ] .
. Ob er in allem gerechtfertigt war, mag dahinge- stellt bleiben. Wartenberg selbst hat sich im Laufe der Verhandlungen mehrfach – und wie es scheint, nicht ganz zu Unrecht – gegen den Vorwurf unnötiger Härte bei der Regierung seiner Stifter verwahrt

Vgl. S. [ 644f ] , [ 603 ] , 708ff, [ 844 ] .
. Vieles mag bei der ohnehin zu unterschiedlichen Interessenlage auf Polemik beruhen. Jedenfalls war es Wartenberg aber nicht gegeben, mit von ihm für nötig erkannten unangenehmen Eingriffen durch entgegenkommende Milde bei

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der Ausführung einigermaßen zu versöhnen. Seine Neigung, die eigene Person in den Vordergrund zu spielen, das schroffe Hervorkehren seiner herrscherlichen Stellung und seine ganze Wesensart haben bei seinen nord- deutschen Untertanen wenig Verständnis gefunden.
Nach dem Zusammenbruch der katholischen Stellung in Nordwestdeutsch- land infolge der Schlacht bei Hessisch-Oldendorf 1633 mußte auch Warten- berg seine Stifter verlassen und vermehrte zunächst den Kreis der in die Reichsstadt Köln geflohenen Ligafürsten. Im folgenden Jahrzehnt hat er wieder hauptsächlich seine Funktion als Obersthofmeister in Bonn wahrge- nommen . 1634/35 führte er die in Zusammenhang mit den Prager Friedens- verhandlungen stehende kurkölnische Delegation nach München und Wien, im Winter 1636/37 begleitete er den Kurfürsten zum Regensburger Kurfür- stentag und vertrat diesen 1639/40 in der Erledigung der laufenden Geschäfte bei dessen zweimaligem längeren Aufenthalt in Lüttich. Auch seine Reise nach Rom 1641 stand in Zusammenhang mit den Bemühungen um die Wahl des bayerischen Prinzen Max Heinrich zum Koadjutor in Köln. Dennoch war seine Stellung dabei anders als vorher. Als vom Kaiser anerkannter Bischof von Osnabrück, Minden und Verden konnte er nicht nur auf Reichs- und Kreistagen selbständig Position beziehen, es bildete sich auch, je mehr der Wechsel des Kriegsglücks eine Lösung der Konflikte durch einen Kompromißfrieden nahelegte, ein durch die jeweils eigene Interessen- lage bestimmter Unterschied zwischen Bayern, Köln und Wartenberg heraus. Kurfürst Maximilian verfügte mit Bayern über ein im Grunde politisch wie kirchlich konsolidiertes Staatswesen, das auch bei einem rechtzeitig geschlos- senen Kompromiß wenig zu befürchten hatte und mit der Pfälzer Kur und der Oberpfalz gleichzeitig die wichtigsten eigenen Kriegsziele zu behaupten hoffen konnte. Etwas schwieriger war die Lage für die gegen Ende des vorigen Jahrhunderts erworbenen geistlichen Außenpositionen des Hauses Bayern in Nordwestdeutschland. Hier bedeuteten protestantische Bewerber zeitweise eine ernstliche Gefahr, vor allem wo sie sich, wie die Hessen, zum Teil in den militärischen Besitz des Landes gesetzt hatten. Sie hieraus wieder zu vertreiben, zumindest den Rest zu behaupten, war daher für Kurfürst Ferdinand ein Hauptanliegen seiner Politik, dem er in den letzten Kriegs- jahren vor allem mit einer ursprünglich offensiv gedachten Kreisdefensions- verfassung zu dienen suchte. Immerhin waren bei einem einigermaßen erträglichen Kompromiß auch seine Stifter, in denen die katholische Restau- ration schon länger gewirkt hatte und deren katholischer Grundcharakter nie verlorengegangen war, nicht allzu sehr gefährdet, wenn auch im einzelnen vielleicht mit schmerzlichen Opfern zu rechnen war. So konnte Ferdinand, obschon zögernd und mit Vorbehalten, sich schließlich doch mit einem Kompromiß abfinden. Und in der Tat sind den Katholiken beim endgültigen Friedensschluß keine Gebiete entzogen worden, in denen sie eine alte konsolidierte Position innehatten.

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Ganz anders die Lage Wartenbergs: Die ihm auf dem Höhepunkt der katholischen Erfolge zugefallenen Stifter Osnabrück, Minden und Verden – gewissermaßen ein Außenposten der bayerischen Position in Nordwest- deutschland , die Kurfürst Ferdinand, der bereits über fünf Stifter verfügte, nicht mehr gut selbst in Anspruch nehmen konnte – bezeichneten mit den Erwerbungen Erzherzog Leopold Wilhelms die äußerste Grenze des katholi- schen Vordringens; sie waren nur zu halten, wenn sich die im Restitutions- edikt ausgedrückte katholische Rechtsauffassung in vollem Umfang behaup- ten ließ. Am günstigsten war die Situation noch in Osnabrück. Hier war Wartenberg vor Erlaß des Restitutionsediktes gewählt worden, er hatte in Kardinal Hohenzollern bereits einen katholischen Vorgänger gehabt und die inneren Verhältnisse des Stiftes hatten auch vorher einen konfessionell gemischten Zustand gehabt. Die wirkliche Landeshoheit über das ganze Stift haben allerdings Franz Wilhelm und sein Vorgänger auch hier nur für kurze Zeit behaupten können. Lediglich kleinere Teile, vor allem das von münsterischem Gebiet umgebene Amt Wiedenbrück, standen seit der Kata- strophe von 1633 je nach Kriegsverlauf zeitweise wieder unter der Kontrolle des Bischofs. So war Wartenberg in bezug auf seine eigenen Stifter eigentlich ein Prätendent, der kaum etwas zu verlieren und zu gewinnen nur dann hatte, wenn der katholische Standpunkt sich voll durchsetzen ließ. Das machte es ihm wesentlich leichter, unter strikter Wahrung des kirchlichen Rechtsstandpunktes bei einer grundsatztreuen Haltung zu verharren, als etwa dem Kurfürsten von Bayern. Unter Wartenbergs Einfluß hatte Ende 1634 auch Kurköln sich für eine völlige Ablehnung der dem Prager Frieden vorausgehenden Pirnaer Notuln entschieden. Während aber Wartenberg, der diesen Standpunkt in München und Wien vertreten sollte, von Maximi- lian geschickt beiseite geschoben wurde, erreichte dieser in direkter Einfluß- nahme auf seinen Bruder, daß Kurköln den im Prager Frieden ausgehandel- ten Kompromiß zwar nicht billigte, aber hinnahm

Vgl. J. Foerster S. 18ff, zur Haltung Wartenbergs K. Repgen , Kurie 1,1 S. 366–376. Bemerkenswert ist, daß dabei Kurköln zunächst die Rechtsgültigkeit des Passauer Vertrages und des Augsburger Religionsfriedens verneinte. Diese Auffassung wird auf Wartenberg zurückgehen, der ähnliche Auffassungen auch 1645 vertrat. Vgl. K. Repgen , Wartenberg S. 231ff.
. Immerhin waren damals Wartenbergs persönliche Interessen hinsichtlich seiner drei Stifter noch durch einen Nebenrezeß gewahrt geblieben

Vgl. J. Foerster S. 53.
. Als aber 1643 die Friedensverhandlungen in Münster und Osnabrück begannen, hatte sich das Kräfteverhältnis völlig verschoben.
Bereits auf dem Regensburger Kurfürstentag 1636 waren Köln und Bran- denburg deputiert worden, um im Namen des Kurkollegs den Kaiser bei den in Aussicht genommenen Friedensverhandlungen mit Frankreich zu unter- stützen (wie Mainz und Brandenburg bei den Verhandlungen mit Schwe-

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den )

Zur Frage der Beteiligung des Kurkollegs an den Friedensverhandlungen und seiner Stellung auf dem Kongreß vgl. insgesamt W. Becker .
. Der Reichstag von Regensburg hatte diese Maßnahme bestätigt. Ein Alleinvertretungsanspruch der Deputierten lag darin nicht. Auch Kurfürst Ferdinand bekannte, daß auf diese Weise lediglich die Präsenz des Kurkol- legs überhaupt sichergestellt sein solle und es anderen Kurfürsten unbenom- men bleibe, einzeln den Kongreß zu beschicken

Vgl. Kurköln an Kurbayern 1644 XI 13, XII 25 ( München II K. schw. 983) zur Abwehr weitergehender brandenburgischer Ansprüche.
. Daß zumindest Bayern von dieser Möglichkeit Gebrauch machen würde, stand schon frühzeitig fest. Auf einer anderen Ebene lag es, wenn auch Franz Wilhelm beabsichtigte, die Interessen seiner Stifter auf dem Friedenskongreß persönlich zu vertreten. Kraft eigenen Rechtes war er nicht Verhandlungsteilnehmer, wenn es ihm natürlich auch freistand, sich mit seinen Anliegen an die Vertreter des Kaisers und der übrigen Mächte zu wenden. So war es ihm sicher nicht unlieb, daß Kurfürst Ferdinand ihn bereits im Mai 1643 ersuchte, als Prinzipalgesandter die Führung der kurkölnischen Delegation zu überneh- men , und ihm damit von vornherein zu einer eindeutigen Position verhalf. Für die Gesandtschaft vorgesehen waren ferner der Kölner Domscholaster und Geheime Rat Graf Berthold von Königsegg, der auch das Kapitel repräsentierte, sowie die in Reichssachen besonders erfahrenen Geheimen Räte Dietrich Adolf von der Reck und Dr. Peter Buschmann, Dompropst bzw. Kanzler von Paderborn

Kurköln an Wartenberg 1643 V 6, 8 ( OSN 97), Wartenberg an Kurköln 1643 V, 4, 7 (OSN 96).
. Indessen dauerte es noch geraume Zeit, ehe der Kongreß wirklich eröffnet werden konnte. Als aber im März/April 1644 die lange erwarteten französischen Gesandten und schließlich auch der päpstliche Nuntius Fabio Chigi als Vermittler eingetroffen waren, brach auch Wartenberg nach Westfalen auf

Abreise von Bonn 1644 IV 2, vgl. Kurköln an Kurbayern 1644 V 3 ( München II K. schw. 982). In der vom Tag der Abreise datierten kurkölnischen Vollmacht sind außer den oben Genannten auch noch der Geheime Rat Arnold von Landsberg und der münsterische Kanzler Dietrich Hermann von Merfeldt aufgeführt. Diese Vollmacht wurde 1645 IX 20 dem Mainzer Reichsdirektorium eingereicht, obwohl Königsegg nie nach Münster gekommen ist. Bis dahin hatte Wartenberg eine den kaiserlichen Gesandten eingereichte, nachträglich auf 1644 IV 2 rückdatierte Vollmacht gedient, die nur auf ihn lautete. Vgl. S. 221, APW III A 1,1 S. 147f, W. Becker S. 178.
. Da mit der Ankunft anderer kurfürstlicher Delegationen – auch der brandenburgischen – noch nicht so schnell zu rechnen war, konnte der Bischof von Osnabrück sich vorerst mit einigem Recht als den Vertreter des gesamten Kurkollegs betrachten.
Als Vorkämpfer gesamtkurfürstlicher Interessen jedenfalls trat er faktisch auf, als sich sofort bei seiner Ankunft ein Rangstreit mit Contarini entspann

Vgl. W. Becker S. 144ff.
, dem Vertreter Venedigs und Friedensvermittler. Der Kaiser hatte der Republik die Gleichrangigkeit mit den Kronen, insbesondere

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hinsichtlich des Entgegenschickens beim Einzug und des Vortritts bei Besuchen, zugestanden. Da das Kurkolleg in keinem Falle hinter Venedig zurückstehen, der Kaiser durch Gewährung gleicher Ehren den Kurfürsten nicht den Rang souveräner Mächte zubilligen wollte, verliefen die Sondie- rungen , zu denen Wartenberg am 14. und 16. April den Paderborner Dompropst und den münsterischen Kanzler Merfeldt vorausgeschickt hatte, ergebnislos

Vgl. APW [ III C 2,1 S. 107f ] , [ 109–113 ] ; Reck an Wartenberg 1644 IV 14, 17 ( München II K. schw. 982).
. Den ihm zur Vermeidung langer Verwicklungen nahegelegten Einzug ‚all’incognito‘ lehnte Wartenberg ab. Er begab sich auf sein Osna- brücker Amtshaus Reckenberg bei Wiedenbrück. Die notwendigsten Kon- takte vermittelte in den nächsten Monaten von der Reck. Als im Juli 1644 Wartenberg einmal zwecks privater Besprechung mit dem päpstlichen Nuntius Chigi inkognito die Stadt Münster betrat, erntete er sofort einen scharfen Verweis Kurfürst Maximilians, der dadurch die von ihm besonders eifrig verteidigten Vorrechte des Kurkollegs gefährdet sah

Vgl. APW [ III C 1,1 S. 223 (1644 VII 11) ] ; V. Kyball /G. Incisa della Rocchetta 1 S. 168–176; Kurköln an Kurbayern 1644 VII 24 ( München II. K. schw. 983).
. Im August erkrankte Wartenberg ernstlich und ging anschließend zur Erholung nach Paderborn. Da gleichzeitig auch Reck abwesend war, wurde zeitweilig der Kontakt zum Kongreßgeschehen ganz unterbrochen

Vgl. Kurköln an Kurbayern 1644 IX 17, 25 ( München II K. schw. 983).
. Erst nachdem die Kurfürsten dem Kaiser mit völligem Fernbleiben vom Kongreß gedroht hatten, gab dieser nach. Am 8. November langte in Münster ein Schreiben ein, durch das die kaiserlichen Gesandten angewiesen wurden, die Kurfürst- lichen mit Venedig gleich zu behandeln. Daraufhin konnte endlich am 25. November 1644 Franz Wilhelm als Vertreter des Kurfürsten von Köln und des Kurkollegs mit großem Gefolge seinen Einzug in Münster halten. Zur Dokumentation der gebührenden Behandlung durch die Kaiserlichen und die Vertreter der fremden Mächte wurden alle protokollarischen Einzelheiten des Einzuges und der nachfolgenden Visiten in einem ausführli- chen ‚Ceremonial‘ sorgfältig festgehalten

Vgl. oben S. [ XX ] .
.

3. Tätigkeit Wartenbergs auf dem Kongreß und Wiedergabe im Diarium

Mit Wartenbergs Einzug in Münster beginnt sein 13bändiges Diarium, das mit geringfügigen Unterbrechungen Rechenschaft über seine Tätigkeit bis Ende 1648 gibt. Entsprechend der wechselnden Stellung Wartenbergs lassen sich dabei mehrere Abschnitte deutlich unterscheiden: In einer ersten Periode, die bis Herbst 1645 reicht, steht die von Wartenberg beanspruchte Stellung als Vertreter des Kurkollegs im Vordergrund. Dann beginnt seine Rolle als Führer der entscheidenden katholischen Kongreßpartei, die auf die kurkölnischen Stimmen aufbaut und durch Wartenbergs eigene und ihm von

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Dritten übertragene Voten verstärkt wird. Seine dabei mitvertretenen eigenen landesherrlichen Interessen treten später, besonders seit Herbst 1646, immer mehr in den Vordergrund, so daß in den folgenden Monaten Wartenbergs Position als selbständiger Reichsstand dominiert. In einem letzten Zeitabschnitt seit Spätsommer/Herbst 1647 verliert er zunehmend seinen Einfluß auf die Kölner Politik und gerät mit den übrigen unnachgie- bigen Katholiken in die politische Isolation. Dabei greifen die einzelnen Gesichtspunkte zwar vielfältig ineinander über, schwerpunktmäßig aber gibt das Diarium diese Gliederung klar zu erkennen.
So überwiegen in der ersten Zeit nach Wartenbergs Ankunft auf dem Kongreß Fragen zur Stellung des Kurkollegs und die praktische Ausübung des Rechtes auf Unterstützung der Kaiserlichen bei den allgemeinen Frie- densverhandlungen im Sinne der Beschlüsse von 1636 und 1641. Dabei hat Wartenberg den Begriff der ‚Assistenz‘ von Anfang an sehr weitgehend aufgefaßt. Sie beschränkt sich keinesfalls auf die Beratung der Kaiserlichen, vielmehr hat der Bischof von Anfang an selbständig Kontakt zu den Mediatoren und den Vertretern der Kronen aufgenommen, wobei seine Verhandlungen mit den Franzosen umfangmäßig und sachlich am bedeu- tendsten erscheinen. Das liegt zum Teil an den ihm aus Bonn und München erteilten Weisungen, die eine Verständigung mit dieser Macht zwecks späterer Unterstützung in kirchlichen und politischen Fragen suchen ließen, ist aber zunächst keineswegs gegen die Kaiserlichen gerichtet, sofern nicht die betonte Hervorhebung der Bindung Kaiser–Kurfürsten unter entspre- chend geringerer Berücksichtigung der Spanier unterschiedliche Ansätze erkennen läßt

Bereits wenige Wochen nach Wartenbergs Ankunft in Münster hatte Kurfürst Maximilian sich über die engen kaiserlich-spanischen Beziehungen unter Vernachlässigung des kurfürstli- chen Vertreters beschwert; vgl. APW [ II A 2 S. 132f ] , APW [ III C 2,1 S. 259 ] , unten S. [ 60ff ] .
. Sachlich treten dabei zwei Komplexe in den Vordergrund, in denen Wartenberg die Interessen des Kurkollegs zu vertreten hatte: die Admissions- und die Zeremonialfragen. Dabei bestand für erstere weitge- hende Übereinstimmung mit den Kaierlichen, während letztere selbständig durchgefochten werden mußten.
Denn mit Wartenbergs Einzug in Münster waren die Protokollschwierigkei- ten zwar zunächst einmal beiseitegelegt, aber noch keineswegs gelöst. Sie wiederholten sich beim Einzug jeder weiteren kurfürstlichen Delegation, und als der zuerst Gekommene und in diesen Dingen Erfahrenste kämpfte Wartenberg dabei in vorderster Linie

Vgl. hierzu W. Becker S. 170ff.
. Zunächst einmal waren die Kronen nicht ohne weiteres bereit, den übrigen Kurfürstlichen die gleichen Ehren zu geben, die sie Wartenberg, angeblich mit Rücksicht auf seinen hohen reichsfürstlichen Rang, zugestanden hatten. In dieser Grundsatzfrage setzte Wartenberg nach mehrwöchigen Auseinandersetzungen für die Bayern gleiche Rechte hinsichtlich Einbegleitung und Visiten durch, so daß diese am

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22. Februar 1645 ihren Einzug halten konnten. Da aber die Kaiserlichen den für die Vertreter souveräner Mächte gebrauchten Ehrentitel ‚Exzellenz‘ den Bayern verweigerten, ergaben sich neue Schwierigkeiten, die erst im April mit einem Sieg der Kurfürstlichen, allerdings nur für die Prinzipalge- sandten , endeten. Als aber danach Longueville die Gewährung dieses Titels davon abhängig machte, daß man ihn ‚Altezza‘ tituliere, was die Kaiserli- chen ablehnten, gab Wartenberg verhältnismäßig schnell nach, wohl weni- ger aus der Erwägung, so das bisher Erreichte zu sichern, sondern weil die Franzosen ihm persönlich als Reichsfürsten als Gegenleistung dasselbe Prädikat boten

Vgl. S. 217–231.
. Um so unnachgiebiger verhielt er sich dafür gegenüber dem venezianischen Gesandten Contarini, mit dem sich nach Behauptung der grundsätzlichen Gleichrangigkeit der Streit um die Präzedenz fortsetzte. Um wenigstens kein gegenteiliges Präjudiz zuzulassen, zeigte er sich außer- ordentlich erfinderisch im Ersinnen von Auswegen, mit denen sich eine offizielle Feststellung der Rangfolge vermeiden ließ

Bei kirchlichen Anlässen erschien er im bischöflichen Ornat und brauchte sich so nicht unter die übrigen Gesandten einzureihen (vgl. S. [ 94 ] , [ 98 ] ); bei Ankunft der übrigen kurfürstlichen Delegationen fuhr er in Person entgegen, nahm die Neuangekommenen in seinen Wagen und konnte so die Spitze behaupten, wobei allerdings mit der zunehmenden Zahl kurfürstlicher Gesandter der Platz im Wagen knapp wurde (vgl. S. [ 103f ] , 163 , [ 252 ] , [ 257f ] ).
. Als aber beim Einzug Longuevilles alle bisher gebrauchten Mittel versagten, wurde der Streit besonders erbittert und drängte zuletzt in Wartenbergs Diarium fast alles andere in den Hintergrund. Ausführlich sind dafür die Vorschläge und Gegenvorschläge erörtert, mit denen man die Schwierigkeit zu umgehen suchte. Schließlich einigte man sich darauf, daß nur die Franzosen selbst entgegenschickten

Vgl. S. [ 188 ] , 217–229.
. Aber schon wenig später kam es anläßlich des Einzuges der Mainzer zu einem Eklat, wobei allerdings der spanisch-französische Präzedenzstreit eine entscheidende Rolle spielte . Und im Wettlauf um die Reihenfolge der ersten Visiten setzte sich der Streit fort.
Gegenüber dem Vorwurf, Wartenberg, der als eigentlicher Motor dieser Zeremonialstreitigkeiten galt, habe durch sein Verhalten die Verhandlungen unnötig erschwert

Vgl. S. [ 224 ] , [ 226 ] f, K. Repgen , Wartenberg S. 215f.
, steht die Tatsache, daß mit ihnen kaum zu unterschät- zende Konsequenzen für die staatsrechtliche Stellung der Kurfürsten und damit für ihr Gewicht bei den Verhandlungen verbunden waren. Wurden hier wenigstens beachtliche Teilerfolge erzielt, so ließ sich in der Admis- sionsfrage das Monopol der Kurfürsten auf alleinige Vertretung des Reiches neben dem Kaiser für die Dauer nicht behaupten. Zunächst freilich übte Wartenberg es insofern aus, als er die das Reich betreffenden Fragen mit den Kaiserlichen vorberiet. Auch als die Bayern hinzukamen, blieb dabei seine Führungsrolle erhalten, wobei er sich gelegentlich auf die höhere rechtliche

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Legitimation Kurköln als Mitglied der kurfürstlichen Deputation stützen konnte

Vgl. S. [ 112 ] , W. Becker S. 186ff.
. Selbst die Ankunft der Brandenburger änderte daran noch nicht viel. Wohl traten jetzt häufiger, bedingt durch den konfessionellen Gegen- satz , Sonderkonferenzen von Kölnern und Bayern hinzu. Daß aber Warten- berg alle diese Besprechungen, sowohl die Konferenzen der Kurfürstlichen allein wie ihre Assistenzberatungen mit den Kaiserlichen, ganz im Rahmen seiner allgemeinen, durch die Beschlüsse von 1636 und 1641 legitimierten Tätigkeit sah, zeigt die Einreihung der darüber gefertigten Niederschriften in das Diarium und ihre formale Gleichbehandlung mit seinen sonstigen Visiten. Diese Form der Repräsentanz des Reiches stand jedoch in Wider- spruch zu der von den Kronen Frankreich und Schweden früh betriebenen, in ihren Propositionen vom 4. Dezember 1644 ausdrücklich geforderten Zulassung aller Reichsstände zu den Verhandlungen. Im Gegensatz zu den Brandenburgern, die dabei protestantische Sonderinteressen vertraten, aber in Übereinstimmung mit Kaiserlichen und Bayern hat Wartenberg hier jeden Einbruchsversuch so lange wie eben möglich zu bekämpfen versucht und in schrittweisem Zurückweichen jede Einzelposition verteidigt. In langen Konferenzen suchte er immer wieder die Franzosen unter Aufbietung aller ihm zur Verfügung stehenden reichsrechtlichen und historischen Kennt- nisse von der Unbegründetheit und Unzweckmäßigkeit ihrer Forderungen zu überzeugen. Da sich die Zuziehung der übrigen Reichsstände in irgendei- ner Form doch nicht umgehen ließ, wollte er sie auf die im April 1645 auch vom Kaiser genehmigte Verlegung der in Frankfurt tagenden Reichsdeputa- tion nach Münster beschränkt wissen, in der die Katholiken eine deutliche Mehrheit hatten. An der Reichsdeputation suchte er dann wenigstens noch für eine Zwischenzeit festzuhalten, bis die von den Kurfürsten am 10./11. Juli 1645 in Lengerich schließlich doch anerkannte Zuziehung aller Reichs- stände Wirklichkeit geworden wäre. Inzwischen, so mochte er hoffen, konnte man mit den Kronen in Verhandlungen über deren Friedensbedin- gungen treten, auf deren Bekanntgabe er seit seiner Ankunft immer wieder gedrängt hatte.
In Wirklichkeit hatte sich mit den jetzt gefaßten Beschlüssen auch seine eigene Stellung grundlegend geändert. Bei der von nun an gültigen Form der Beratung in reichsständischen Gremien, mit der die kurfürstliche Deputa- tion endgültig hinfällig geworden war, vertrat er zunächst nur Kurköln im Kurfürstenrat, wo Kurmainz das Direktorium führte. Äußerlich kommt der Wechsel dadurch zum Ausdruck, daß von nun an die Protokolle – wie übrigens auch für Fürstenrat und Corpus Catholicorum – nicht mehr ein Teil des Diariums sind, sondern in getrennten Protokollreihen vereinigt werden

Vgl. oben S. [ XXVII ] .
. Der mit dem neuen Verhandlungsmodus für Wartenberg verbun- dene Einflußverlust wurde aber dadurch wettgemacht, daß ihm bei den

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reichsständischen Beratungen jetzt nicht nur die Stimmen der übrigen kurkölnischen Stifter zur Verfügung standen, sondern er für Osnabrück, Minden und Verden über seine Stellung als Gesandter hinaus auch kraft eigenen Rechtes am Kongreß teilnahm. Eifrig auf möglichst vollständige Präsenz der Katholiken bedacht, ließ er sich in den folgenden Monaten auch noch Vollmachten von Eichstätt, Augsburg, Regensburg, Chur und Ellwan- gen übertragen und vertrat zeitweise auch Leuchtenberg

Im einzelnen wurden beim kurmainzischen Direktorium eingereicht: 1645 IX 20 außer der kurkölnischen Vollmacht die Vollmachten für Münster, Hildesheim/Paderborn, Lüttich, Stablo/Berchtesgaden, Osnabrück, Minden, Verden, Regensburg – 1645 X 23 Vollmacht für Leuchtenberg, Eichstätt – 1645 XII 4 Vollmacht für Ellwangen – 1645 XII 7 Vollmacht für Augsburg – 1646 II 21 Vollmacht für Chur ( MEA Fasz. 9). Die Vollmachten für die Kölner Nebenstifter und Wartenbergs eigene Stifter sind auf Kapitulare und Räte ausgestellt, die übrigen auf Wartenberg selbst.
. Einschließlich des Erzstiftes dirigierte er also auf dem Höhepunkt seines Einflusses 16 Stimmen von politisch allerdings sehr unterschiedlichem Gewicht. Im Diarium Ausdruck gefunden haben die Sonderbelange dieser Stände weniger, ledig- lich Wartenbergs Stellung als Landesherr in Osnabrück kommt stärker zur Geltung. In den folgenden Monaten stehen mit der endgültigen Konstitu- ierung der reichsständischen Gremien zusammenhängende Fragen im Vor- dergrund , die indessen für die weiteren Verhandlungs- und Rechtspositionen von einschneidender Bedeutung waren: Die Verteilung der Stände auf beide Kongreßorte, wobei die Katholiken vergeblich eine stärkere Konzentration in Osnabrück unter schwedischem Einfluß zu verhindern suchten, die Zulassung von Mediatstädten zum Kongreß, die Zulassung von Hessen-Kassel und Magdeburg zum Fürstenrat, von denen ersteres mit den Kronen in offenem Bündnis stand, während der protestantische Administrator von Magdeburg von den Katholiken nicht als legitimer Landesherr anerkannt wurde. Mit der Übergabe der kaiserlichen Responsion auf die letzte Proposition der Kronen, am 16. Oktober 1645, und der Ankunft des ersten kaiserlichen Ministers Trauttmansdorff, am 29. November, kamen dann die eigentlichen Sachverhandlungen stärker in Fluß.
Angelpunkt dabei war für Wartenberg die Religionsfrage. Während aber über die Beratung der Differenzen in den Corpora der Religionsparteien, über protestantische Gravamina und katholische Gegengravamina, über Media und Gegenmedia im Diarium verhältnismäßig kurz hinweggegangen wird, steht die Verbindung dieser Frage mit den Satisfaktionsansprüchen der Kronen im Mittelpunkt. Schon früh hatte Wartenberg im Hinblick auf die spätere Erörterung der Religionsfrage bei Frankreich Anlehnung zu finden gesucht. Das entsprach ganz der auch von Kurköln unterstützten bayerischen Politik, die Sicherheiten in der Pfalzfrage suchte und angesichts der ungünstigen militärischen Entwicklung seit Herbst 1644 dringend einen Waffenstillstand wünschte. Wie weit Wartenberg über die zwischen Bonn und München auch erörterte Möglichkeit eines Sonderstillstandes orientiert

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war, muß dahingestellt bleiben

Über die Möglichkeit eines bayerisch-französischen Sonderstillstandes, in den die Kölner Stifter eingeschlossen werden sollten, wurde Kf. Ferdinand im November 1645 durch den nach Münster reisenden bayerischen Gesandten Ernst unterrichtet, doch sollten die Kölner Gesandten einschließlich Wartenberg vorerst nicht informiert werden. Vgl. J. Foerster S. 280f.
. Bei den ihm aufgetragenen Bemühungen in Münster hat er, soweit das Diarium zu erkennen gibt, immer nur korrekt von einem allgemeinen Waffenstillstand, allenfalls unter Ausschluß Spa- niens

Vgl. S. [ 124 ] .
, gesprochen. Auch in der Frage der französischen Satisfaktion war sein Verhalten eher zurückhaltend. So hat er zwar gesucht, den Franzosen in Nebenpunkten, wie Gewährung einer Deputation der münsterischen Stände, gefällig zu sein

Vgl. A. Knoch S. 70–75.
, ihnen aber immer wieder das Übermaß ihrer Forderungen vorgehalten und sie gleichzeitig gemahnt, auch auf Schweden mäßigend einzuwirken. Maßgeblich war dabei der Gedanke, daß man durch einseitige Unterstützung Frankreichs Trauttmansdorff, der bereits in Osnabrück unterhandelte, ganz auf die Seite der Schweden und Protestanten treibe. Den Kaiserlichen allerdings war es bereits zuviel, daß Wartenberg sich überhaupt auf Verhandlungen über die französischen Forderungen einlassen wollte

Vgl. S. 377ff, [ 386 ]
. Dagegen hat Maximilian deutlich seine Mißbilligung von Warten- bergs Haltung zu erkennen gegeben und gewarnt, man möge sich nicht durch unnützen Widerstand Frankreich zum Feinde machen

So Kurbayern an Kurköln 1646 II 7, 14, 28, III 14, 28, IV 4, 18 ( München II K. schw. 986); dem ersten dieser Schreiben fügte Maximilian hinzu, man möge es Wartenberg mitteilen.
. Erst nach weiteren Zugeständnissen Trauttmansdorffs in Osnabrück, und als die kaiserlich-französischen Verhandlungen bereits begannen, lenkte Warten- berg seit März 1646 wieder mehr auf die Seite der Franzosen, von denen er wissen wollte, ob sie gegen Zession des Elsaß die Interessen der Katholiken, namentlich hinsichtlich der Stifter Bremen und Verden, unterstützten würden

Vgl. S. [ 432ff ]
. Unter diesem Gesichtspunkt sah er die weiteren Satisfaktionsver- handlungen , die sich mit Unterbrechungen bis zum Herbst hinzogen. Die Franzosen gaben zwar immer gute Vertröstungen, vermieden aber bindende Zusagen. Erst als nach ständiger Erhöhung ihrer Forderungen, die auch Wartenbergs Unwillen erregten, am 13. September 1646 der Vorvertrag über ihre Satisfaktion geschlossen wurde, verpflichteten sie sich offiziell zur Intervention in Osnabrück. Den sehr bedingten Wert ihrer Unterstützung hatte Wartenberg jedoch schon im Sommer erfahren, als sie keinen Schutz gegen Eroberungen durch schwedische Truppen in Westfalen gewährleisten konnten .
Im übrigen wird Wartensbergs Beteiligung bei den Religionsfragen – die zwischen Deputationen der Religionsparteien meist in Osnabrück geführten

[p. XLII] [scan. 42]

Gravaminaverhandlungen und die damit zusammenhängende schwedische Satisfaktion – im Diarium hauptsächlich faßbar durch sein Einwirken auf die in Münster befindlichen Diplomaten. Bereits am 27. Mai 1645 hatte er Contarini in einem ausführlichen Vortrag Belehrungen zum Reichskirchen- recht erteilt

Vgl. S. 182ff.
, am 18. April 1646 suchte er erneut Longueville und Servien die katholische Position nahezubringen

Vgl. S. [ 447ff ] .
. Vor allem ging es ihm immer wieder darum, die Kaiserlichen von weiteren Konzessionen abzuhalten. Er bemühte sich, das von Trauttmansdorff angeführte Wiener Theologengut- achten zu zerpflücken, das die Abtretung geistlicher Güter auf immer zugestand

Vgl. S. [ 428ff ] , [ 438 ] ff, A. Knoch S. 85ff.
, und versuchte den Grafen mit Hinweis auf die Wichtigkeit der französischen Verhandlungen von Osnabrück fernzuhalten

Vgl. S. [ 486ff ] , [ 493 ] und die Äußerungen Chigis S. [ 511 ] , [ 513 ] .
. Als er weitere Konzessionen Trauttmansdorffs nicht hindern konnte, hat er sie als unver- bindlichen Vorschlag der Kaiserlichen interpretiert

Vgl. S. [ 535 ] .
. Erkennbar, wenn auch im Diarium nur leise angedeutet, wird dabei im Sommer 1646 bereits eine gewisse Distanzierung zu Buschmann, dessen enge Zusammenarbeit mit den Kaiserlichen Wartenberg offenbar nicht gern gesehen hat

Vgl. auch S. [ 484 ] , [ 489 ] . Allerdings spielte dabei auch mit, daß durch aktive Beteiligung Buschmanns nicht die auf passives Geschehenlassen gehende offizielle Haltung Kurkölns gefährdet wurde.
.
Seit langem wußte Wartenberg, daß im Rahmen der Gravamina- und Satisfaktionsverhandlungen seine eigenen Stifter gefährdet waren: Verden forderte Schweden nebst Bremen für sich, Minden, Osnabrück und mögli- cherweise ein Teil der Stifter Kurfürst Ferdinands sollten als Kompensation anderer Reichsstände dienen, außerdem waren letztere durch die hessen- kasselischen Satisfaktionsansprüche gefährdet. So hatte der Kampf für die eigenen und die Kölner Interessen in dieser Frage von Anfang an einen guten Teil von Wartenbergs Tätigkeit am Kongreß ausgemacht. In fast ermüdender Eintönigkeit wiederholt das Diarium immer wieder die Argu- mente , die Wartenberg für seinen Rechsstandpunkt geltend machte und Kaiserlichen wie Franzosen einzuhämmern suchte. Aber schon am 26. März 1646 mußte Trauttmansdorff ihm gegenüber eingestehen, daß er Verden neben Bremen bereits den Schweden angeboten hatte

Vgl. S. [ 423f ] .
. Dieser Schritt ließ sich nicht mehr rückgängig machen, so sehr der Bischof auch weiterhin dagegen ankämpfte. Daher traten später die Bemühungen um Minden und Osnabrück in den Vordergrund. Die Frage erreichte ihr entscheidendes Stadium, als nach Abschluß des Vorvertrages mit Frankreich die Verhand- lungen in Osnabrück wiederaufgenommen wurden. Um besser auf sie einwirken zu können, ging Wartenberg von Februar bis April 1647 selbst

[p. XLIII] [scan. 43]

nach Osnabrück und hat in täglichen langen Konferenzen Kaiserliche und Franzosen auf eine gemeinsame Widerstandslinie gegen die schwedisch- protestantischen Forderungen einzuschwören gesucht. Die Intensität seiner Bemühungen hier und in den folgenden Wochen in Münster finden im Diarium schon rein umfangmäßig ihren Niederschlag: Die Niederschrift für die Monate Februar bis Juli 1647 umfaßt 2538 Seiten, das ist mehr als für das gesamte Jahr 1646 und liegt ungefähr um ein Drittel über den Eintragungen für den Rest des Kongresses. Der Sache nach ging es um einen Kampf an mehreren Fronten: einmal gegen die Forderungen der Protestan- ten , wobei das im Dezember 1646 vereinbarte Normaljahr 1624 gegen Minden, aber eigentlich für Osnabrück sprach, weshalb die Gegenseite hier eine Ausnahmeregelung verlangte. Ungünstig war das Normaljahr aber auch hier in bezug auf die Autonomiefrage, da die eigentliche Rekatholisie- rung erst später eingesetzt hatte. Erschwerend kamen noch die Selbständig- keitsbestrebungen der Stadt Osnabrück und der Ritterschaft hinzu

Zu Wartenbergs Argumentation vgl. S. [ 638ff ] , [ 643ff ] . 87 Vgl. S. [ 615f ] , [ 618f ] , [ 678 ] .
. Zum anderen wurden beide Stifter in den Handel um die schwedische Satisfak- tion hineingezogen. Nur kurzzeitig schien es möglich, diese ohne Zustim- mung und Entschädigung Brandenburgs abwickeln zu können. Die mit der Einwilligung in die Zession halb Pommerns verbundenen brandenburgi- schen Äquivalenzansprüche waren zwar unrealistisch überhöht, bildeten aber um so mehr eine Gefahr, als sie Forderungen weiterer Bewerber nach sich zogen. Dagegen war Hilfe bei den Kaiserlichen nur sehr bedingt zu erwarten, die ersatzweise Forderungen auf Abtretungen in Schlesien befürchten mußten. Die Franzosen zeigten sich zwar ihrem Versprechen gemäß zur hilfsweisen Interzession für die bedrängten Katholiken bereit, wollten es aber nicht auf einen wirklichen Bruch mit Schweden ankommen lassen und verlangten zudem, daß die Kaiserlichen ihrerseits die Initiative ergriffen und keine unzeitigen Konzessionen machten. Diesen gegenüber hatte Wartenberg einen um so schwereren Stand, als gerade jetzt in Ulm Sonderverhandlungen geführt wurden, die am 14. März 1647 zu einem Waffenstillstand Bayerns und Kölns mit den Kronen führten. So gaben die Kaiserlichen ihm hinsichtlich seiner Stifter immer wieder gute Vertröstun- gen , aber Trauttmansdorff ließ doch keinen Zweifel daran, daß ohne wirkliche Hilfe, also militärische Unterstützung durch Köln und Bayern sowie Einstellung der Feindseligkeiten seitens Frankreichs, er der Gegenseite entscheidende Zugeständnisse machen müsse und machen werde

Vgl. die Verhandlungen Wartenbergs 1647 II 16, III 25 (S. [ 718ff ] , [ 785ff ] ).
.
Das erste Opfer war Minden. Schon um die Jahreswende war der Einsatz der Franzosen für dieses Stift nicht überzeugend gewesen, wenn sie auch meinten, es schließlich doch noch retten zu können

Vgl. S. [ 684 ] , [ 692f ] .
. Die Entscheidung war

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praktisch gefallen, als die Kaiserlichen es am 20. Februar 1647 Brandenburg unter der Bedingung zusicherten, daß es bei den noch ausstehenden Grava- minaverhandlungen den Protestanten zufallen würde

Vgl. S. [ 736ff ] .
. Gleichzeitig verrin- gerte sich damit in gefährlicher Weise die Masse, die zur Entschädigung all derjenigen zur Verfügung stand, welche glaubten, im Zusammenhang mit der schwedischen Satisfaktion ebenfalls Ansprüche stellen zu können. Ihre Blicke richteten sich jetzt vornehmlich auf Osnabrück. Nachdem zunächst in schnellem Wechsel die verschiedensten Kandidaturen und Projekte für beide Stifter auftauchten, wurde zuletzt Minden Brandenburg zugesprochen und in Osnabrück ein Alternat eingerichtet, wonach auf Wartenberg ein Mit- glied des Hauses Braunschweig folgen und dann ein ständiger Wechsel zwischen katholischen Bischöfen und lüneburgischen Prinzen in der Regie- rung des Stiftes stattfinden sollte

Zu den braunschweigischen Ansprüchen vgl. S. [ 744ff ] .
. Wartenberg hat noch alle möglichen Schritte unternommen, dieses Ergebnis zu ändern – so sollte Brandenburg auf die Grafschaft Schaumburg verwiesen, das Alternat nach Minden übertragen und Osnabrück damit freigemacht werden

Vgl. S. [ 933f ] , [ 939 ] , [ 946 ] .
–, jedoch vergeblich. In seinem die Verhandlungsergebnisse mit Schweden zusammenfassenden Friedensprojekt vom 3. Juni 1647, dem Proiectum Trauttmansdorffianum, hatte der kaiserliche Minister die entscheidenden Bestimmungen über Osna- brück bereits fixiert

Die Bewilligung des Osnabrücker Alternates war 1647 V 27 erfolgt, vgl. S. [ 882 ] .
. In den noch ausstehenden langwierigen Verhandlun- gen über eine ständige Wahlkapitulation für Osnabrück hat Wartenberg später wohl noch seinen Einfluß geltend gemacht, als Verhandlungspartner aber das Kapitel auftreten lassen, da er durch keinen positiven Akt seinen Konsens geben wollte

Zum Beginn der Verhandlungen vgl. S. [ 923f ] , [ 935 ] , [ 941 ] , [ 945 ] f, [ 951 ] , [ 958 ] . Seit Januar 1648 wurden die Verhandlungen in Osnabrück weitergeführt, worüber hauptsächlich die Korre- spondenz Wartenbergs mit Bischoping Auskunft gibt. Vgl. A. Knoch S. 169ff, 208ff, 235ff.
.
Die Einigung über Osnabrück war bereits unter dem Druck schwedischer Truppen erfolgt, die unter Ausnutzung der durch die Kölner Neutralität veränderten militärischen Lage in Westfalen im Sommer 1647 die letzten bisher noch von Wartenberg beherrschten Teile des Stiftes eroberten. Der Bischof hatte die Annahme der Neutralität abgelehnt und glaubte die Osnabrücker Besitzungen durch den Hamburger Präliminarvertrag von 1641 genügend geschützt. Doch die unter Berufung darauf um Vermittlung angegangenen Franzosen empfahlen lediglich Sonderabmachungen mit den Schweden, die Wartenberg nicht eingehen wollte

Vgl. S. [ 847 ] f, [ 884 ] ff, [ 890 ] ff, [ 908 ] f, [ 924 ] ff, [ 937 ] f, [ 961 ] .
. Nachdem seine Hoff- nungen auf Frankreich bereits im Vorjahr und bei den Verhandlungen um die Stifter enttäuscht worden waren, begann er jetzt Kontakte zu den Spaniern zu knüpfen. Davon enthält allerdings das Diarium kaum etwas,

[p. XLV] [scan. 45]

ein deutliches Anzeigen dafür, daß Wartenberg sich wohl bewußt war, hier eine Politik zu betreiben, die mit der kurkölnischen nicht mehr unbedingt in Einklang stand

Vgl. A. Knoch S. 178ff, 183f, 201f. Erste Kontakte über Raigersperger in der Frage der hessischen Satisfaktion unten S. 958, 972. Die häufiger werdende Zahl der Besuche läßt atmosphärische Verbesserungen erkennen, doch werden die entscheidenden Vereinbarungen mit Peñaranda 1647 IX 1 nicht erwähnt. Eine Ausnahme bildet die Aufnahme der Vorschläge 1647 XII 29 im Diarium, vgl. S. [ 1043f ] .
. Zwar neigte auch Kurfürst Ferdinand, unzufrieden über die Ergebnisse des Waffenstillstandes und in seinem Argwohn gegenüber den Hessen kräftig von Wartenberg unterstützt

Vgl. J. Foerster S. 296f.
, inzwischen zur Wiederaufnah- me des Kampfes, zumal Trauttmansdorff in der richtigen Hoffnung auf einen Stellungswechsel immer sehr viel Verständnis für die von Wartenberg vorgebrachten Klagen über Ausschreitungen kaiserlichen Truppen in West- falen gezeigt hatte

Diese Frage nahm in den Verhandlungen des Sommers 1647 einen breiten Raum ein, vgl. S. [ 862f ] , [ 866 ] , [ 870f ] , [ 876 ] , [ 885 ] , [ 889 ] , [ 911ff ] , [ 919f ] , [ 929ff ] , [ 942ff ] .
. Aber ein Signal zur Zusammenfassung aller militäri- schen Kräfte der Katholiken gegen die im Trauttmansdorffianum gemach- ten Konzessionen war das nicht. Vielmehr deutete die Sondergarantie für die volle Integrität seiner Länder bei Friedensschluß, auf die hin der Kurfürst Ende Juli in Bonn mit Trauttmansdorff seine ‚Rekonjunktion‘ vereinbarte und in die Wartenbergs Stifter nicht eingeschlossen waren

Vgl. kaiserliche Resolution Pilsen 1647 VIII 19 ( München II K. schw. 987), wonach Ir Churfürstliche Durchlaucht und deroselben legitimi successores bei ihren Landen erhalten werden sollten.
, bereits auf eine nicht mehr an den allgemein katholischen Belangen orien- tierte Kölner Politik hin. Wenn Ferdinand sich zunächst auch noch gegen jegliche Abtretung geistlicher Güter und für eine Neuberatung des Projektes im Sinne der Katholiken aussprach und damit die durch Wartenberg vertretene Anschauung deckte, so scheinen die Unterschiede doch bald größer geworden zu sein, als das Diarium zu erkennen gibt. Immerhin gestand der Kurfürst seinem Bruder Maximilian, der auf schnellen Ausgleich drängte, im Oktober 1647 schon zu, daß die katholischen Deputierten bei weiteren Verhandlungen nicht mehr streng an Mehrheitsbeschlüsse gebunden sein sollten

Vgl. J. Foerster S. 319f.
. Im Diarium aber treten in diesen Monaten die eigentlichen Religionsfragen vor anderen Problemen – Rechtfertigung der Rekonjunk- tion , neue französische Satisfaktionsforderungen, Abwehr der hessischen Satisfaktion – fast ganz in den Hintergrund. Gelegentliche Äußerungen sind in abgemildertem Ton gehalten und und lassen nicht erkennen, daß gerade Wartenberg Führer der Maximalisten, der alle Konzessionen grundsätzlich ablehnenden katholischen Mehrheitspartei war

Die Abnahme der Äußerungen im Diarium entspricht dem sich anbahnenden Stimmungs- wechsel in Bonn; seit August 1648 im wesentlichen noch S. [ 983 ] , [ 1001f ] , [ 1004f ] , [ 1018f ] , [ 1020ff ] , [ 1027 ] .
. In dieser Situation bricht

[p. XLVI] [scan. 46]

das Diarium am 16. Oktober 1647 unvermittelt ab und setzt ohne weitere Erläuterungen erst mit Wartenbergs Rückkehr aus Bonn am 25. November wieder ein.
Dem äußeren Einschnitt entspricht ein innerer Bruch in Wartenbergs Position. Leider liegen über die Motive seiner Reise und seine Verhandlun- gen in Bonn nur wenige unzusammenhängende Nachrichten vor, die insgesamt kein klares Bild ergeben. Wirklich sicher ist nur, daß es hierbei nicht, wie Meiern behauptet hat, zum Entzug des kurfürstlichen Votums gekommen ist. Dagegen bleibt schon zweifelhaft, ob die Initiative zu der Reise mehr von Ferdinand oder von Wartenberg selbst ausgegangen ist. Eine Aufforderung Maximilians, er möge Wartenberg nach Bonn rufen und dort bis nach Abschluß der bevorstehenden Ausgleichsgespräche mit den Prote- stanten unter einem Vorwand festhalten, hat Ferdinand abgelehnt und den Bischof in den folgenden Wochen mehrfach gegen bayerische Vorwürfe in Schutz genommen. Dennoch scheint er im Sinne der Prinzipalisten, der von Bayern geführten kleinen, aber die wichtigsten katholischen Stände umfas- senden Partei, die unter Hintanstellung grundsätzlicher Bedenken den Ausgleich wollte, auf Wartenberg eingewirkt zu haben. Jedenfalls war dieser offenbar nicht recht mit dem Ausgang der in Bonn geführten Gespräche zufrieden

Vgl. A. Knoch S. 189f, J. Foerster S. 320–324.
. Vor allem aber zeigt der weitere Verlauf in Münster, daß sich seine Stellung grundlegend geändert hatte.
Daß zunächst Buschmann beauftragt wurde, bei Kurbrandenburg noch einen Versuch für Wartenbergs Schaumburger Tauschprojekt vom Sommer zu machen – die Relation hat Wartenberg in voller Länge dem Diarium einverleibt

Vgl. S. 1220ff.
–, mutet wie eine letzte Konzession des Kurfürsten an. An den dann bis zum Sommer 1648 in Osnabrück geführten endgültigen Ausgleichs- verhandlungen aber hat Wartenberg nicht mehr teilgenommen und mit verdächtigem Nachdruck dafür äußere Gründe, vor allem die Gefährdung seiner persönlichen Sicherheit in der Nachbarstadt, ins Feld geführt

Dieser Frage diente besonders die Mission von Lintz in Osnabrück Anfang Dezember 1647, vgl. S. 1221, 1231, 1234, A. Knoch S. 194f.
. Zwar war auch Kurfürst Ferdinand zunächst noch keineswegs bereit, sich voll den Prinzipalisten anzuschließen, aber die von ihm aus Gewissensgründen gewählte passive Haltung wurde doch von Buschmann, dem einen seiner beiden Vertreter in Osnabrück, im Sinne eines möglichst engen Zusammen- gehens mit dieser Gruppe interpretiert, während Landsberg, der Vertrauens- mann Wartenbergs, heftig opponierte

Vgl. J. Foerster S. 332–338.
. Schließlich erhielt Buschmann auf bayerisches Betreiben im Februar 1648 eine geheime Sonderinstruktion, die ihn bei grundsätzlicher Wahrung der passiven Haltung noch enger an die

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von Bayern geführte Partei wies

Vgl. J. Foerster S. 340–343. Ein Zusammentreffen mit Wartenberg in Münster hat Krebs bei seiner Durchreise bewußt vermieden; vgl. S. 1069.
. Wie weit Wartenberg versucht hat, von Münster aus dennoch Einfluß auf die Verhandlungen zu nehmen, ist nicht sicher zu ermitteln, da seine Korrespondenz mit Buschmann verloren ist

Am aufschlußreichsten für diesen Zeitraum ist die erhaltene Korrespondenz mit Bischoping (OSN 137), in der jedoch häufig auf die Buschmann erteilten Weisungen verwiesen ist.
. Im Diarium sind solche Bemühungen, wo sie sich gelegentlich aus anderen Quellen erschließen lassen, kaum erwähnt oder verschleiert

So seine Überlegungen Mitte Februar 1648, durch Reorganisation des Corpus Catholicorum in Münster die Sonderverhandlungen in Osnabrück zu hindern und die im Zusammenhang damit erfolgte Zurückhaltung der Kölner Deputierten in Münster. Vgl. J. Foerster S. 338f, A. Knoch S. 206f.
. Die auch an Umfang stark reduzierten Eintragungen betreffen hauptsächlich bei Chigi, den Spaniern und gelegentlich den Franzosen eingezogene Erkundigungen über den Stand der spanisch-französischen Verhandlungen

Zu gelegentlicher Kritik am Vorgehen in Osnabrück vgl. S. [ 1076ff ] , [ 1080 ] , [ 1085f ] , [ 1089 ] .
. Erst als nach Abschluß der Religionsfragen die Kaiserlichen selbst mit Rücksicht auf Spanien ein zu schnelles Vorgehen der Osnabrücker Stände bei der Behand- lung der schwedischen Militärsatisfaktion zu verhindern suchten, gewann ab Juni 1648 seine Stellung wieder etwas mehr an Gewicht. Da um diese Zeit Buschmann den Kongreß verließ, konnte er über dessen Nachfolger, zuerst den Osnabrücker Offizial Bischoping und dann den Hildesheimer Kanzler Stein, auch wieder etwas mehr Einfluß auf die in Osnabrück geführte Kölner Kurstimme nehmen

Vgl. J. Foerster S. 357ff.
. Vor allem traten, nachdem im Mai 1648 die Verhandlungen von den Religionsparteien an die Reichskollegien zurückge- kommen waren, die unzufriedenen Katholiken unter seiner Führung in Münster als Fürstenrat zusammen und wandten sich in scharfen Protesten gegen das Vorgehen der Osnabrücker Stände. Das Diarium berührt zwar diese Auseinandersetzungen mehr am Rande

So gegenüber Krebs 1648 VI 2 und Volmar 1648 VIII 18, vgl. S. [ 1098f ] , [ 1130ff ] , ferner S. [ 1112 ] . Das Diarium enthält die erste Konferenz der münsterischen Stände 1648 V 3 (vgl. S. [ 1088 ] ), im übrigen werden die Proteste lediglich bei der Erwähnung des Schriftwechsels aufgeführt.
, doch drückt sich die verän- derte Lage in häufigeren vertraulichen Konferenzen mit den Kaiserlichen aus

So seit Anfang Juni 1648, vgl. S. [ 1101ff ] , [ 1116ff ] , dann vor allem seit der endgültigen Rückkehr der Kaiserlichen nach Münster Mitte August 1648. Auf deren Wunsch berief Wartenberg auch Stein aus Osnabrück ab, mußte ihn auf neue Weisungen aus Bonn hin aber wieder zurückschicken. Vgl. S. [ 1128 ] , [ 1131 ] f, [ 1135 ] f, [ 1137 ] , J. Foerster S. 360f.
, während Maximilian erneut in seinen Bruder drang, er möge Wartenberg die Kölner Fürstenratsstimmen entziehen

Vgl. J. Foerster S. 359ff.
. Die Kaiserlichen allerdings befanden sich jetzt wegen der von Frankreich geforderten Tren- nung des Kaisers von Spanien selbst in Opposition zu den vorwärtsdrängen- den Osnabrücker Ständen und wurden ebenso übergangen wie Wartenberg.

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Als Mitte September die Osnabrücker Stände nach Münster kamen, um die Kaiserlichen zur Annahme des bereits festgestellten Vertrages zu bewegen oder ohne sie abzuschließen, haben sie unter bewußter Umgehung Warten- bergs und der übrigen Kölner Delegationsmitglieder nur zu Stein Kontakte aufgenommen

Vgl. S. [ 1149 ] , [ 1151f ] .
. Dieser allein hat auch am 24. Oktober 1648 der Unter- zeichnung der Verträge beigewohnt, selbst aber nicht unterschrieben

Vgl. S. [ 1170f ] , J. Foerster S. 362f.
. Bereits einige Tage vorher hatte Wartenberg für seine drei Stifter schriftli- che Proteste eingereicht

Vgl. S. [ 1152 ] , [ 1164 ] .
.
Die folgenden Wochen waren erfüllt mit Fragen der Durchführung des Friedens, der Truppenabdankungen und der noch ausstehenden Osnabrüc- ker Wahlkapitulation. Mitten in diesen Verhandlungen, mit dem 31. Dezember 1648, endet das Diarium Wartenberg.

4. Einrichtung der Edition

Alleinige Grundlage der vorliegenden Edition des Diarium Wartenberg ist die im Staatsarchiv Düsseldorf liegende vollständige Fassung, die von Wartenberg selbst durchkorrigiert und benutzt worden ist und die als sein Handexemplar gelten darf. Der Umfang dieser Quelle ließ einen vollständi- gen Abdruck im Wortlaut von vornherein als unmöglich erscheinen. Daher waren Kürzungen nötig, die den Originaltext auf etwa ein Drittel reduzie- ren . Der Rest wurde teilweise ausgeschieden, teilweise durch Zusammenfas- sung in Regestform verkürzt, wobei der Grundsatz galt, daß der ursprüngli- che Zusammenhang gewahrt bleiben sollte. Dabei wurde im einzelnen nach folgenden Kriterien verfahren: Ausgeschieden wurden zunächst alle Teile, die bereits an anderer Stelle gedruckt sind oder deren Druck dort zu erwarten steht. Das betrifft insbesondere die kurfürstlichen Vorkonferenzen, aber auch einzelne Stücke, die ihrem Betreff nach zum Corpus Catholicorum oder zum Fürstenrat gehören. In diesen Fällen wird innerhalb des fortlaufenden Textes auf die entsprechende Publikation verwiesen, und zwar unter dem Stichwort ‚siehe‘, wenn dort der Text Wartenbergs wiedergegeben oder mitberücksichtigt ist, unter dem Stichwort ‚vgl.‘, wenn lediglich inhaltliche Übereinstimmung vorliegt. Dagegen ist auf Vorgänge, die Wartenberg nur erwähnt, aber nicht wiedergibt, wo also keine echte Kürzung vorliegt, in den Anmerkungen verwiesen. Ausgeschieden sind ferner, und zwar ohne besonderen Hinweis, Bemerkun- gen rein praktischer Art, wie die Absprache, Anmeldung oder Verschiebung von Visiten, sofern dahinter keine politische Absicht zu erkennen ist. Das gleiche gilt, wenn sie nicht für den unmittelbaren Zusammenhang von

[p. XLIX] [scan. 49]

Bedeutung sind, für isoliert stehende Angaben bloßer Tatsachen wie Ver- handlungen Dritter, An- und Abreise von Gesandten, Reisen zwischen den Kongreßorten etc. Gegebenenfalls werden solche Nachrichten zur Erklärung in den Anmerkungen verwandt. Lediglich mit einem Stichwort vermerkt werden gewöhnlich Anlässe zeremonieller Natur wie Einzüge von Gesand- ten , Prozessionen, Festlichkeiten, wo ihnen keine politische Bedeutung zukommt.
Grundsätzlich aufgenommen sind alle Besuche und Gespräche, an denen Wartenberg oder andere Mitglieder der Kölner Delegation beteiligt waren. Dabei wird jedoch in der Form der Wiedergabe entsprechend dem Inhalt unterschieden: Lediglich stichwortartig aufgenommen sind reine Höflichkeitsbesuche sowie Anliegen privater und nicht oder nur locker mit den Friedensverhandlungen zusammenhängender Natur, wie reine Militärfragen, Kölner Koadjutorie, Einzelheiten der Religionsbeschwerden in den kölnischen und wartenbergi- schen Stiftern, innere Landesangelegenheiten. Sie werden jedoch so weit behandelt, wie sie Rückwirkungen auf die Verhandlungen haben, z. B. die Frage der Osnabrücker Pfarreien als Prüfstein für den guten Willen der Franzosen. Ist lediglich die Tatsache des Besuches angegeben, enthält die Vorlage keine politischen Ausführungen. Bei den eigentlichen Verhandlungsgesprächen erscheinen grundsätzlich die argumentativen Teile im Originaltext, referierende Teile, etwa über Ver- handlungen mit Dritten oder Handlungen Dritter als Regest. Abweichend davon bleibt der Originaltext erhalten, wo der Wortlaut für die weitere Diskussion eine Rolle spielt, der Bericht (etwa eines anderen Mitgliedes der Kölner Delegation an Wartenberg) der selbständigen Wiedergabe des Gespräches nahekommt, aus sonstigen Gründen auf den Wortlaut ersichtlich Wert gelegt wurde, oder aus Gründen der Prägnanz. Dagegen werden auch im argumentativen Teil verkürzt wiedergegeben: Wiederholungen, Aufzäh- lungen von Beispielen und Präzedenzfällen, Schilderungen historischer Vor- gänge und längere historisch-rechtliche Beweisführungen, jedoch unter Erhaltung der Begrifflichkeit. Auch im Regest bleibt für die Bezeichnung von Personen die Form der Vorlage erhalten, soweit die Namensidentität nicht völlig gesichert ist (also ‚Staatischer Gesandter‘, wenn der Namen nicht zusätzlich angegeben ist, aber ‚Bergaigne‘ statt ‚Bischof von Herzogen- busch ). Für die Texterstellung wurde die im Diarium vorliegende endgültige Form gewählt, auch wenn dabei durch Einschübe und Korrekturen bedingte Inkongruenzen im Satzbau auftreten. Da solche Veränderungen vor der von Wartenberg gebilligten Endfassung liegen, sind sie gewöhnlich nicht beson- ders gekennzeichnet. Omitattur- und communicatur-Vermerke – letztere in standardisierter Form – sind berücksichtigt, soweit sie eindeutig sind. Es ist aber anzunehmen, daß auch ein Teil der nicht deutbaren Anstreichungen mit ihnen in Zusammenhang steht. Sonstige Lemmata sind aufgenommen,

[p. L] [scan. 50]

wenn sie in klarem Bezug zu dem edierten Originaltext stehen, nicht aber bei ohnehin in Regestform verkürzten Stellen.
Zur Gliederung wurden Absätze unabhängig von der Vorlage nur benutzt bei Beginn eines neuen Vorganges; kleinere selbständige Vorgänge sind lediglich unter Zufügung eines Gedankenstriches angehängt. Innerhalb eines Gespräches ist mittels Durchschuß der Wechsel der Sprechenden angedeutet, sofern eine allzu enge Satzverschränkung dem nicht im Wege stand. Dadurch sind gelegentlich zusammengehörige Satzkonstruktionen getrennt – worden, doch erschien das im Sinne größerer Übersichtlichkeit vertretbar. Auslassungen sind außer in den oben genannten Fällen auch im Regest durch zweiwinklige Klammern kenntlich gemacht, wenn es sich wirklich um neue Gesprächsthemen, nicht um noch so starke Zusammenfassungen von Argu- mentationen , handelt. Dabei sind drei Fälle zu unterscheiden:
  • a) Klammern innerhalb oder am Ende des fortlaufenden Textes: Auslassung eines Gesprächsgegenstandes innerhalb des Gespräches.
  • b) Klammern nach Gedankenstrich: Auslassung eines selbständigen Vorgan- ges .
  • c) Klammern zwischen zwei Textblöcken: Auslassung eines oder mehrerer Tage.
  • Um den Text nicht noch stärker beschneiden zu müssen, sind die Anmerkun- gen auf das Nötigste beschränkt worden. Sie erstreben vor allem hinsichtlich geographischer Begriffe, aber auch allgemein bekannter Personen (Karl d. Gr., Karl V.), keine Vollständigkeit, namentlich wo diese nur im Regest vorkommen. Die Angabe von Anlagen bezieht sich auf die dem Diarium beigefügte Sammlung Wartenbergs. Dort nicht vorhandene Stücke sind unter möglichst genauer Beschreibung anhand des Diariumtextes als fehlend vermerkt. Zusätzliche Angaben über andere Fundorte beruhen bei ihnen wie bei den übrigen Aktenstücken auf der Benutzung des zur Verfügung stehenden Materials, nicht auf systematischen Recherchen.
  • Die der Edition beigegebene Zusammenstellung der Verhandlungen soll neben einem schnellen Überblick durch das Hinzufügen von Originalseiten- und Originalfolioangaben einen Schlüssel bei der Benutzung der bisherigen Literatur bieten, die gewöhnlich hiernach zitiert. Ferner ermöglichen diese Angaben auch einen gewissen Einblick in den Originalumfang einzelner Eintragungen und damit in das Ausmaß der Kürzungen.

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