Acta Pacis Westphalicae II A 1 : Die kaiserlichen Korrespondenzen, Band 1: 1643 - 1644 / Elfriede Merla
223. Nassau und Volmar an Ferdinand III Münster 1644 April 14
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Münster 1644 April 14
Ausfertigung: RK , FrA Fasz. 47a, Konv. B fol. 110–114’, 116, praes. 1644 April 23 = Druck-
vorlage – Konzept: ebenda Fasz. 92 II nr. 226 fol. 195–200 .
Visite bei Servien. Revisite. Hofhaltung der französischen Gesandten. Öffentliche Prozession zur
Eröffnung der Verhandlungen. Auswechslung der Vollmachten. Zeremoniellstreitigkeiten zwischen
d’Avaux und Contarini. Kriegsnachrichten.
Wir haben Rezepisse vom 30. März
Rezepisse auf [ nr. 199 ] und [ nr. 201 ] . Konzept: RK , FrA Fasz. 47b fol. 12 – Kopie: ebenda
Fasz. 92 II nr. 225 fol. 194.
über die Ankunft des Nuntius und des Servien hin. Am 8. April haben wir
Servien die Visite gemacht, am 11. April hat er die Revisite erstattet. Austausch
von Höflichkeiten. Dise beede Franzößische gsandten lassen sich zimblich
stattlich bedienen, haben ieder in 12 paggii oder edlknaben beneben einer
grösseren anzahl laggeyen, so alle Franzößischem brauch nach mit anhan-
genden seitenwehren, neben anderen vilen adlspersonen und qualificierten
ministris ufwartten, das daher ein starker und merkhlicher uncosten uf sie
erfordert wirdet, wie wir dann eüsserlich vernemmen, das der conte d’Avaux
wochenlichen 1500 reichstaler, der monsieur Servient aber wochenlich 1000
reichstaler, der resident St. Romain aber wochenlich 400 taler zu irem
undterhalt haben sollen, und will zugleich verlautten, ob solte durch die
Hesßischen guarnigionen verordnung beschechen sein, diser Franzößischen
gsandtschafft aus selbigen quartieren und in Hesßischer contribution ste-
henden landt- oder haußleütten (wie man die undterthanen ufm landt alhie
nennet) uf ire pferdt das rauch- und glattfuetter ze liferen, dessen wir doch
bis daher noch kein gewisßheit erlangen mögen.
Vergangnen sontags, den 10. diß, hat das alhieige thumbcapitl, uf deßwegen
zuvor gleichwol mit uns durch herrn suffraganeum gepflogene communi-
cation , umb erlangung Göttlichen beystandts zu den angehenden fridens-
tractaten das 40 stündig gebett anzestellen und dabey zum umbgang ein
offenliche procession ze halten vorgenommen, darzue zwar durch sie, aus
sonderm bedenckhen, von denen anweesenden gsandten niemandt einge-
laden und mithin iedem sich selbst einzustellen oder davonzubleiben frey-
gelassen worden.
Wir haben aber nichtsdestoweniger, sowol in erinnerung unserer instruc-
tionum als auch, das wir vermerckht, die Franzosen sich gleichergestalt
bey disem actu unfelbarlich einfinden wurden, vor ein gebür und notdurfft
gehalten, das zu erhaltung Eur Kayserlichen Mayestät praeeminenz und
reputation, vorderist aber Gott dem allmächtigen und seiner heiligen kirchen
zu ehren, wir diser solemnitet beywohnen solten und in solchen unserm
gefasten vorhaben, damit alle misßordnung und streitt im vor- oder nach-
gehen und -stehen verhüettet bleiben möcht, am vorgangnen sambstag uns
zu dem herrn nuncio verfüegt; zwar anfangs die ursach unsers ansprechnus
daher genommen, das uns zu vernemmen verlangte, ob er mit beeden
Franzößischen gsandten wegen edition der plenipotenzen etwas gehandlet
und was er in eventum vor einen modum dabey ze halten gedächte. Und
weil er sagte, das er dessen noch khein glegenheit gehabt, sondern mit
negstem die Franzößischen gsandten sambtlich hierundter ansprechen und
inen unsere plenipotenz vorzeigen wolt etc., haben wir ime weiter erinne-
rung gethan, das wir ime gleichwol ratione modi nichts vorgeschriben haben
wolten, es were uns aber daran gelegen, das wir uns auch deß gegenbotts
von denn Franzosen versichert und nit etwan, wann sie von der unsrigen
die inspection oder recognition und copey erlangt, sie hingegen uns mit
aufzeigung der irigen lang ufhalten möchten, daher villeicht das besser sein
wurde, das er inen allein so vil anzeigen thet, er hett unsere und der Spani-
schen gsandten vollmacht in original bei der handt, ob sie, Franzosen, nun-
mehr auch die irige ime behendigen und vertrauen wolten, alßdann, und
wann er solche auch empfangen, khöndte er von ieder partey die gsandt-
schafften , doch abweesend der anderen, zu sich ze khommen ersuechen,
den erscheinenden ires gegentheils instrumenti zum verlesen und zu ersechen
in seiner und seines secretarii gegenwarth vorlegen, die abschrifften vom
secretario collationiert und authentisiert in deren handen lassen, die origi-
nalia aber wider zu sich nemmen und dennihenigen, denen die gehörig,
widerumb zustellen. Wir verhofften, es wurden sich die Franzosen dessen
nit beschweren und dißorts irer Päpstlichen heylichkheitt zu gebürendem
respect auf sein, herrn nuncii, ersuechen, bei ime zu erscheinen khein
bedenckens haben. Welches er ime auch also gefallen ze lassen und ins
werckh zu richten erbotten. Nach disem aber haben wir der procession
halber meldung gethan und die sachen in der conversation mit ime dahin
gerichtet, das noch selbigen abendts, wie ein- und anders mit ime auch
zwischen uns und den Franzosen gehalten werden solte, verglichen worden,
wie dann hernach folgt.
In dem thumb ist vorderist ein bettstuel oben negst bei den hochen altar
gegen der wandt uf der rechten seiten der lenge nach gestellet und mit
tapezerey bedeckht, auch sehs mit schwarzem samet beklaidte sessel gestellet
gewesen; daselbsthin haben wir uns am sontag umb die bestümbte stundt
verfüegt, bald darauf seint auch beede Franzößische gsandten erschienen
und haben sich gleich an und undter unß gestellet. Als wir nun etwas zeit
also zuegewarttet, ist der herr nuncius, mit dem pluviali und mytra ange-
than , in beglaittung deß cleri ankhommen, alsogleich vor dem hochen altar
niderkniend, bis ime das hochwürdige sacrament ob dem altar durch den
ministranten in die handt gegeben, alßdann under den baldachin getretten
und mithin die procesßion vorgenommen worden. Hierauf seint wir aus
unserm bettstuel in vorbedeütter ordnung alsbaldt gefolgt, und hab ich,
graf von Nassau, denn conte d’Avaux zu mir uf die lingke, folgends ich,
Volmar, ebenmesßig den Servient uf die lingke handt genommen und in
diser ordnung bis in die negste kirch Zu Unser Lieben Frauen gangen;
daselbst waren zween bettstüel gestrackhs vor dem hochen altar nachein-
ander gesezt, in dem ersten haben wir beede, Nassau und d’Avaux, in dem
andern aber ich, Volmar, und Servient uns gestellet. In diser kürchen hat
der herr nuncius seine vestes sacras widerumb von sich gelegt und sich
zwischen uns beede, mich, grafen von Nassau, und conte d’Avaux, begeben,
auch solchergestalt der weitern procession beygewohnet. Von diser kirchen
ist man zu S. Martin, sodann zu denen Münerbrüederen gangen, an disem
ortt wehren kheine sondere bettstüel zuegerüst, sondern wir begäben uns
in choro in das chorgestüell der religiosen; stuende erstlich herr nuncius,
nach ime ich, graf von Nassau, sodann ich, Volmar, nach mir der conte
d’Avaux und dann monsieur Servient. Von den Minerbrüederen wurde die
procession zu St. Lamberti und endtlich zu St. Lutgerikhürchen gefüert.
Alß man widerumb in die thumbkhirchen gelangt, haben wir unsere vorige
station der ordnung nach eingenommen und dem hochambt, so durch den
Münsterischen suffraganeum gehalten worden, beygewohnt. Alda hat sich
auch der Venetianische ambassator eingestelt und sein blaz gleich underm
Servient genommen. Die Spanischen gsandten seint gar nit erschinen. Nach
vollendtem ambt hat der suffraganeus ex concessione domini nuncii pro
septem annis et totidem quadragenis indulgentias vor alle diejenige, welche
praevia confessione et communione bey disen bettägen, so disen sontag,
montag und erchtag gehalten, pro exaltatione ecclesiae catholicae et felici
tractatuum pacis auspicio, medio et fine ir gebett gegen Gott aufopferen
wurden, verkhündt. Und ist hiemit diser actus beschlossen worden.
Eur Kayserlichen Mayestät sollen wir gehorsamist anzudeütten nit under-
lassen , das, wie wir vernemmen, sich zwischen denn Franzößischen gsandten
und dem Venetianer bey der visita etwas difficultet eraigt haben soll, indeme
der conte d’Avaux denselben zu seiner ankhonfft nur bis oben an die stiege
entgegengangen und im zurugggehen nit bis an die gutschen begleitten
wollen. Und als der Venetianisch sich hernach dessen durch seinen secre-
tarium bei ime beschweren lassen, soll er, d’Avaux, geandtworttet haben,
das ime solches außtrückenlich bevolchen were. Dann es praetendierten die
Hollender, der republica von Venedig durchaus gleich tractiert zu werden,
also khöndte er dißortts nit wol ein praeiudicium machen, dessen sich
hernach die bemelte Hollender auch anmassen möchten. Mit diser andtwortt
aber hat er, Venetianischer ambassator, sich nit ersettigen lassen, sondern,
weil er vernommen, das die Spanischen diser begegnus nachricht und darvon
discurrs formierten, sich zue dem don Saavedra verfüegt, mit ime auch
so vil gehandlet, das er deßwegen beede Franzößische gsandten besprochen;
die bleiben aber uf irer meinung, und sagt der conte d’Avaux, das er hier-
undter resolution von hof erwartten thet. An uns hat der Venetianische
ambassator deßwegen noch nichts gemeldet, solte es aber geschechen,
wollen wir uns angelegen sein lassen, uns gegen eim und anderm hierundter
unvorgreifflich zu halten.
Als nun der conte d’Avaux dem Venetianer hinwider die visita geben, soll
der Venetianische gsandt auch ferrer nit, als zu ende seines vorgemachs
oder galerien dem conte d’Avaux endtgegengangen sein.
Hinweis auf beiliegenden Dankbrief Rossettis wegen übersandten Passes.
[ Eigh. Zusatz Nassaus: ] Was in einem treffen mit den Heßischen vorgangen ,
darbei mein vetter, grave Christian von Naßaw, Ewer Kayßerlichen Maye-
stät obrister zu roß, commandiret und die Heßen geschlagen, todt blieben,
ist hiebei allergehorsambst gelegt wie auch, waß auß Paris vom 2. Aprilis.