Acta Pacis Westphalicae II A 3 : Die kaiserlichen Korrespondenzen, Band 3: 1645 - 1646 / Karsten Ruppert
257. Lamberg und Krane an Ferdinand III Osnabrück 1646 April 9
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Osnabrück 1646 April 9
Ausfertigung: RK , FrA Fasz. 51a fol. 7–11’, praes. 1646 April 20 = Druckvorlage –
Kopie: Giessen 207 nr. 19 S. 85–94 – Druck: Gärtner IX nr. 15 S. 73–79.
Pommern. Gravamina-Verhandlungen.
Vorgestern hab ich, der graff von Lamberg, den Churbrandeburgischen
gesandten von Löben heimbgesucht und von demselben verstanden, daß
ihme gleich bey dhomals einglangter ordinari abermahliger befelch von
seinem gnedigsten churfürsten und hern (welcher seins dhafürhaltens im
herausreisen begrieffen sein solle) zukommen, bey denen Kayserlichen ge-
sandten abermals treülich zu erinnern und dieselbe zu wahrnen, daß sich
gegen die Schweedische zu kheiner offerta wegen Pommern herauslaßen
wölten, dan ire churfürstliche durchlauchtt khönten und wölten diese lande
nit zurücklaßen. Es wehren aber die Schweeden sölche leuthe, daß sie von
deme, waß man ihnen einmahl offerirte, nit abließen, wan auch noch
zwantzig jahr darumb den krieg continuirn sölten. Es hette sich zwar eins-
mahls zugetragen, daß sie, Churbrandenburgische, bey denen Schweedi-
schen von uberlaßung eines seehavens alß etwoh Stralsondt sambt der insul
Rügen discurs geführt und seye illa occasione auch von Vorderpommern ge-
dacht worden, aber nur alles discursweiß und beym trunck geschehen und
habe man sich an seithen Churbrandeburg niemahl zu waß verbindtlichs
herausgelaßen, sondern vielmehr denen Schweeden starcke rationes zu
gemüth geführt, warumb man zu uberlaßung gantz oder halb Pommern nit
verwilligen könte. Es lebten dhahero die churfürstliche durchlaucht der zu-
versichtlichen hoffnung, man werde auch ahn Kayßerlicher seithen darauf
bestehen und denen Schweeden ein mehrers nit einraumen und sich dhabey
versichert halten, daß man denen Frantzosen so viel von Elsaß würde laßen
müßen, alß viel man denen Schweeden von Pommern würde einraumen
und darbey die proportion gehalten und halb Pommern gegen halb Elsas,
gantz Pommern gegen gantz Elsaß gesetzt und khein bawer darbey zurück-
gelaßen werden. Man sölte aber behertzigen, wan Elsaß und Pommern
gantz sölle zurückpleiben, waß für ein schwacher Kayser Ewer Mayestät
sein würden, die würden solchergestalt nit recht iren Kayserlichen sceptei
aufheben dörffen, sondern iedesmals gewertig sein müßen, daß, wan sich
der geringste fürst im Reich wieder dieselbe auflehnen würde, derselbe die
cronen alle zeit und zu allen occasionen zur assistentz willig finden würde
und, wie die formalia gelautet, verlangte er, der von Löwen, selbst nit eo
casu Kayser zu sein. Erinnere also nochmals, daß man sich hirin wölle vor-
sehen, sonderlich aber das werck nit ubereilen. Er verhoffte, es sölten sich
die Frantzosen baldt ändern, dan ihme avisi auß Pariß zukommen, daß
aldha ein gemein geschrey seye, daß man ahn seithen der cron Franckreich
auf denen postulatis nit gedencke zu beharren, sondern sich mit dem Römi-
schen Reich zu setzen und aequis conditionibus frieden zu machen, warüber
die Frantzösische plenipotentiarii ehister tagen würden instruirt und beveh-
licht werden. Solte solches nit erfolgen, so würde man sehen, daß kheine
zehen jahr würden umbgehen, daß beede cronen scheinbarlich würden von
Gott gestrafft werden; dan waß hetten die unschüldige ertzfürstliche pupil-
len zu Inspruck verschüldet, daß man denselben ire patrimonialgüter
nhemmen wölte? Waß habe Churbrandeburg verwürckt, daß man dero-
selben das Pommerlandt wölle hinwegreißen? Der habe kheinen fueßbreidt
erden einem andern abgenhommen oder abzunhemmen begert und sölte
gleichwol für andere gestrafft werden? Es seie eine solche unbilligkeit, dero
Gott nit könne zusehen.
Darauf ich geantwortet, daß sich der von Löwen wol zu versichern, daß
man an seithen Ewer Mayestät ungern zu uberlaßung landt und leuthe ahn
die frömbde cronen komme, dieselbe würden aber von menniglichen, bevor-
ab denen reichsstendten, verlaßen und könten den kriegslast allein lenger
nit tragen, würden auch unbillige conditiones eingehen und ihren eignen
ertzhauß wehethuen müßen, ehedan das ubrig durch continuation des
kriegs noch ferners in gefahr setzen.
Ille: Müße es selbst bekhennen, daß es zu bethauren, daß Ewer Mayestätt
nit beßer zur handt gangen würdte, es seie aber die trennung der stendte
daran ursach, darumb man die compositionshandtlung befordern und auf
alle weiß sehen sölte, wie die gravamina möegten vergliechen werden, man
müße beederseits waß nachgeben, wan man würde vergliechen sein, würde
man desto beßer beyeinanderhalten und denen cronen zusprechen khönnen.
Ego: Man seie darüber in arbeit, sölte aber der boge an seithen der protesti-
renden zu hoch gespannet werden, so seye khein sonderbahrer nutze von
selbiger handlung zu gewarten. Es würden etwoh auch die außwertiche
cronen unß nit laßen einig zu werden, biß sie zuvorderist ihr intent er-
langt.
Ille: Ich urtheilte recht, di cronen fomentirten diese uneinigkeit zu irem
privatnutzen und daß seie die ursach, warumb sich die cronen sowol alß
die protestirende stendte noch unlengst bey dem puncto correlationum ge-
endert, daß die correlationes nit iuxta classes wölten abgetheilt, sondern
über die gantze consultation auf einmahl eingerichtet haben, dha sie doch
beede zuvor gar wol zufrieden gewest und selbsten den vorschlag gethaen,
daß man sigillatim super singulis classibus die correlationes einrichten sölte.
Es hetten aber die Schweeden vermerckt, daß materia gravaminum in
prima classe fürkomme, der punctus satisfactionis aber in secunda und es
ihnen nachtheilig fallen und solchesfals, dha die gravamina under denen
stendten für richtig gemachten puncto satisfactionis würden wöllen ver-
gliechen werden, ihnen, Schweeden, alßdan von denen stendten die feygen
dörfften gezeigt werden, wie sich die Schweeden dieser formalien verlauten
haben laßen söllen, dhahero hetten die Schweeden denen stendten zugespro-
chen, daß sich hiebey ändern und auf einrichtung der völligen re- und cor-
relation treiben müßen, die stendte wehren nit mehr sui iuris, noch dern
vota libera vota, müsten thuen, waß die Schweeden wölten; Sachßen Alten-
burg, Weymar und Coburg sein mit dern armada, Mecklenburg und Anhalt
mit dern garnisonen belegt, Magdeburg von ihnen blocquirt, Braunschweig
Lüneburg begehrte noch etliche ämbter von den Schweeden wieder zuruck,
die hensee- und andere städte seien von ihnen umbringt, darumb muße ein
ieder auf die Schweeden sein absehen haben und auß forcht und anderer
respecten halben reden und thuen, waß dieselbe wölten.
Ego: Es seie zu erbarmen, daß es im Römischen Reich so weith kommen und
das solchs gleichwol libertas Germaniae genendt werden müsse.
Ille: Es hetten die protestirende einen hauffen junger leuthe hiehero ge-
schickt, dern kheiner iehmals bey reichsconventen gewest, könte wol nit viel
beßer hergehen.
So ist auch gestern bey mir der obrister Petzschowitz
andern erzehlet von gewißen orth zu haben, daß denen Schweedischen ge-
sandten ungefehr vor 14 tagen schreiben auß Schweeden zukommen, so von
dem alten Oxenstern und reichsräthen absente regina (so sich itzo in den
bergstätten aufhalte) expediirt worden, auf welche also einglangte schrei-
ben sich selbe Schweedische gesandten dergestalt in suis consiliis geendert
hetten, daß sie nuhmehr von halb Pommern nit hören wölten, sondern wöl-
ten es gantz haben und sehen, wer es ihnen nhemmen werde; es geschähe
Churbrandeburg recht, dan derselbe seie primus auctor und vornhembste
ursach, daß die Schweeden aufs Reichsboden kommen und solte man eben
selbiger ursachen halben an seithen Kaißerlicher Mayestätt auf die Chur-
brandeburgische opposition billig khein absehen machen. Er hielte es dha-
für, daß auch die stendte selbst der religion halber lieber der cron Schwee-
den alß Churbrandeburg diese lande gönnen werden. Militaria.