Acta Pacis Westphalicae III A 3,2 : Die Beratungen des Fürstenrates in Osnabrück, 2. Teil: 1645 / Maria-Elisabeth Brunert
Deputation der fürstlichen und städtischen Gesandten bei denschwedischen Gesandten Osnabrück 1645 Dezember 30 / 1646 Januar 9
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Osnabrück 1645 Dezember 30 / 1646 Januar 9
Wetterauische Grafen ( Nassau-Dillenburg) B I fol. 133–135 [Konzept Geißel]
(= Druckvorlage); vgl. ferner Sachsen-Altenburg A III fol. 14.
Bericht über die Eröffnung der schwedischen Replik von 1646 I 7
Siehe [Nr. 29 Anm. 4] .
sandten .
(Im Quartier Oxenstiernas zu Osnabrück
als Deputierte: Sachsen-Altenburg / Sachsen-Coburg, Braunschweig-Lüneburg-Celle / Braun-
schweig-Lüneburg-Grubenhagen / Braunschweig-Lüneburg-Kalenberg, Mecklenburg-Schwerin /
Mecklenburg-Güstrow, Wetterauische Grafen, Stadt Straßburg, Stadt Lübeck .
Deputierte . Bei den königlichen herren Suedischen angebracht,
1. daß die evangelischen fursten-, graven- und stättegesandten sich der jung-
sten communication de modo replicandi und
2. de promissa communicatione ulteriori,
3. deß newenjarswunsches wie auch pro ulteriori successu in der haupthand-
lung geburlich bedanckten ,
4. bäten, in der guten intention zu continuiren,
5. mit behörendtem gegenwunsch,
6. bäten daruff umb eröffnung der vorgangenen handlung mit den herren
Kayßerlichen gesandten ,
7. zumal umb schrifftliche communication.
Schweden. (Illi, nach genommener underredung:) 1. Verstunden gern, daß
die letzhin deputirte alles hinderbracht,
2. und es insgemein wol verstanden und uffgenommen worden.
3. Referirten den anfang deß verlauffs und, weil es allzulang werden wolte,
erbotten sie sich zur schrifftlichen communication deß protocolls, sobal{d} es
der abreden gemäß mit dene Kayßerlichen collationirt sein wurdte
Beide Sekretäre (s. oben Anm. 6) hatten Protokoll geführt (APW II A 3, 119 Z. 28f.). Zu den
überlieferten Protokollfassungen s. [Nr. 29 Anm. 4] .
[ Die schwedischen Gesandten] referirten daruff, daß sie erstlich [ von den kaiser-
lichen Gesandten zu wissen] bege{hrt} hetten, ob noch einig praeliminardu-
bium ex parte Caesar[ is] vorha{nden} sein möchte, solches vor allen din{gen}
zu eröffnen.
Illi [ i.e.: die Kaiserlichen] wüsten von nichst [ !], alß daß Lothringen einen pass
begert, so aber von den herren Frantzosen abgeschlagen, weil dise sachen
nach Paris (vermög accordt) gehörig
Frk. verweigerte die vom Ks. geforderte Zulassung Hg. Karls von Lothringen zum WFK, s. frz.
Replik von 1646 I 7, Ad Art. I. und Ad Art. XVI. ( Meiern II, 200 , 203). Hg. Karl hatte 1641
III 29 einen Sonderfrieden mit Frk. geschlossen, wenig später aber gegen diesen Vertrag pro-
testiert; er beteiligte sich auf span. Seite am Krieg gegen Frk. (s. [Nr. 20 Anm. 37] ).
halten solte.
Herren Suedische contra: So hetten die Portugesen per Gallicos einen pass
von denen herren Kayßerlichen begert, den sie, die herren Sueden, auch hier-
mit begerten, damit sie alß kön{iglich} Portugisische gesandte zu Münster
und Oßnabrück sein und gehalten werden möchten
Die Ges. der Aufständischen in Portugal lebten rechtlich im Schutz der Franzosen in Münster.
Von Ks. und Spanien sowie deren Anhängern wurden sie niemals anerkannt. Ihretwegen kam
es mehrfach zu Tumulten ( Dickmann, 199). Die Protokolle der schwed. Replik enthalten die
Paßforderung für die Portugiesen in Münster, s. Meiern II, 183 (ksl. Protokoll) und 191
(schwed. Protokoll), Gärtner VII, 384ff. (verglichenes Protokoll).
Die Ges. Portugals waren Francisco d’Andrade Leitão und Dr. Luís Pereira de Castro.
Pereira de Castro (1592–1649 XII 20), seit 1636 Domherr in Braga und seit 1637 in Coim-
bra, wurde 1643 zum Ges. in Paris ernannt. Er traf am 5. April 1644 im Gefolge Serviens in
Münster ein (GEPB XXI, 211; APW III D 1, 292 Anm. 1). Andrade (gest. 1655) kam am 27.
September 1644, aus Den Haag kommend, in Münster an, wobei ihm einzig die Franzosen das
Geleit gaben (GEPB II, 547; APW II A 1, 657 Z. 13–16).
Schwierigkeiten hatte es bereits wegen des im Dezember 1644 in Osnabrück verstorbenen por-
tugiesischen Ges. Rodrigo Botelho de Moraes gegeben. Seine Leiche sollte unter schwed. Paß
nach Minden gebracht werden, doch wurde sie unterwegs durch eine ksl. Streife beschlag-
nahmt. Auf schwed. Beschwerde hin veranlaßten Lamberg und Krane auß cortesey und gutt-
willigkeit ihre Freigabe (APW II A 2, 113, 149f.; APW III C 4, 39 s. d. 1645 I 8 und I 9, 42
s. d. I 26, 43 s. d. II 3).
So{?} die herren Kayßerlichen auch abgeschlagen, weil Caesar keinen andern
könig von Portugall erkennte alß den konig in Spanien
Spanien und desgleichen der Ks. erkannten die Unabhängigkeit Portugals nicht an (s. Nr. 24
Anm. 45). Für den Ks. war Hg. Johann von Braganza ein Rebell und Kg. Philipp IV. von
Spanien der rechtmäßige Herrscher Portugals, was die ksl. Ges. am 7. Januar den Schweden
auseinandergesetzt hatten, s. schwed. Replik, schwed. Protokoll ( Meiern II, 191 ).
{den} herren Sueden dahingestellt bleibe.
Die herren Sueden hetten auch die mundliche replicas den herren Kayßerli-
chen freygestellt, doch mit vorbehalt, da man damit nit fortkommen könte,
auch schrifftlich zu procediren etc.
Hieruff were man endlich ad rem gangen, da dan sie alle proposi{tions-} und
resolutionsarticul
Gemeint sind die schwed. und frz. Proposition von 1645 VI 11 (s. [Nr. 2 Anm. 34] , Nr. 7
Anm. 53) und die darauf bezüglichen ksl. Responsionen von 1645 IX 25 (s. [Nr. 14 Anm. 2] ).
(die gleichwol dißmal nit benänt wurden). Bey dem prooemio hetten sie
geandet
1. die wortt „in Imperium“
Bezug auf ksl. Responsion auf die schwed. Proposition II, [Ad prooemium] ( Meiern I, 618 ).
Römische Reich niemals krieg gefüret.
2. Der punctus salvi conductus pro mediatis
Siehe ksl. Responsion auf die schwed. Proposition II, [Ad prooemium] ( Meiern I, 618 ).
kunfftigem instrumento pacis nit zu gedencken.
3. Die reservation
Gemeint ist der Vorbehalt des addendi, minuendi & explicandi, s. ksl. Responsion auf die
schwed. Proposition II, [ Ad prooemium] ( Meiern I, 618 ).
seyts einig.
4. Waß durch die Schönbeckischen tractaten zu verstehen, möchten sie gern
wißen
Oxenstierna hatte schon Anfang November 1645 mittels Kurbrandenburg zu ergründen ver-
sucht, warum die Ksl.en den Schönebeckischen Vertrag in ihrer Responsion erwähnt hatten
(s. [Nr. 31 Anm. 36] ).
Hieruff weren sie uff die puncten kommen und einen jeden in seiner claß
tractirt; wurdte aber zu lang fallen, alles dißmal mundlich zu referiren. Er-
bieten sich nochmals zur schrifftlichen communication. Dabey wurdte
gleichwol in specie gedacht
[ 1.] der amnestiae,
2. der gravaminum,
3. satisfactionis.
1627 bringen wolte, aber gar nit uffs jar 1618
Die schwed. Replik forderte als Terminus a quo das Jahr 1618, s. Klasse 1,1: Amnestie (ksl.
Protokoll, Meiern II, 185 ).
und den Kayßer in disen zustandt gesetzt, und man solte dieselbe wieder
vollig restituiren?
Die gravamina wurden die herren ständte under sich selbst wol verglei-
chen
Die schwed. Replik begrüßte, sich auf die ksl. Responsion Ad VII. beziehend, daß die Grava-
mina ecclesiastica et politica durch gütliche Verständigung beigelegt werden sollten, s. Klasse
1,3 Gravamina (schwed. Protokoll, Meiern II, 195 f.). Zu Verfahren und Bedeutung des güt-
lichen Vergleichs (amicabilis compositio) bei Fragen, welche die Religion betrafen, s. Wolff,
Corpus Evangelicorum, 155.
7–10 In – „etc.“] Sachsen-Altenburg A III: Alß iidem [ i.e.: die Schweden] bey dem
puncto satisfactionis Schlesien und noch andere orthe gefordert, habe sich graff Traut-
mansdorff wunderlich gestellet, und alß sie Schlesien genannt, in die höhe gesehen und
gesagt: „Du bist ja ein gerechter Gott“, auch gefraget, ob es dann der crohn Schweden
ernst hierinn, ob er’s dann nachs〈agen〉 solle.
Sueci: In alle wege.
Ille: Der Keyser köndte ja soviel fürstenthumber nicht hingeben. Sie hetten bey diesem
kriege in die 70 millionen goldes contribuirt.
Schwed. Replik, Klasse 2: Satisfaktion (ksl. Protokoll, Meiern II, 187 f.; schwed. Protokoll,
ebenda 196ff.).
ren wöllen) hette Trautmansdorff nichts so frembdt uffgenommen, alß das
man Schlesien begert
Schwed. Replik, Klasse 2,1: schwed. Satisfaktion (ksl. Protokoll, Meiern II, 187f. ; schwed.
Protokoll, ebenda 196f.). Im ksl. Protokoll steht: gantz Schlesien ( ebenda 188), im schwed.
steht Schlesien ( ebenda 197), im verglichenen gantz Schlesien ( Gärtner VII, 403).
rechter Gott, schaffe doch ein mittel hierin etc.“
Trauttmansdorff hatte bereits am 5. Januar von Oxenstierna erfahren, daß Schlesien genannt
werden würde (APW II A 3, 113 Z. 28f.). Diese Forderung war seit Wochen auch fürstlichen
Ges. bekannt: Schon am 28. November 1645 hatte Richtersberger Milagius erzählt, daß
Schweden Schlesien haben (und dieses Kurbrandenburg gegen Pommern abtreten) wolle, s. Re-
lation des Milagius von 1645 XI 19 [/29] in: G. Krause V.2, 32–35, hier 34). Schweden
hatte zuerst 1631 erwogen, Kurbrandenburg mit einem Teil Schlesiens für den Verlust Pom-
merns zu entschädigen. Im Spätherbst 1645 hatte der Kf. ein schlesisches Äquivalent für Pom-
mern abgelehnt, im Laufe des Jahres 1646 erhob er dann aber wechselnde Äquivalentsforde-
rungen auf schlesische Hgt. ( Bein, 100ff.). Schlesien gehörte zu jenen Forderungen der schwed.
Replik, die nicht wirklich beansprucht wurden ( Dickmann, 249).
Die herren Sueden seyen uff dem jar 1618 in puncto amnestiae beständig
blieben.
Nota bene: Schlesien solle seyt anno 1618 73 million gelts uffgewendet ha-
ben
Es kursierten auch etwas abweichende Angaben: Mylonius berichtete am 12. Januar dem Mag-
deburger Sekretär Werner, daß nach Trauttmansdorffs Aussage diese provintz seit 1627 in die
75 millionen getragen habe ( Magdeburg G II fol. 237’ s. d. 1645 I 2 [ /12] ). Nach sachsen-
altenburgischem Bericht gab Trauttmansdorff an, Schlesien, (nämlich 16 Ft.er), habe seit 1620
etlich 70 millionen goldes contribuirt ( Sachsen-Altenburg A III fol. 14’ s. d. 1645 XII
31 [ /I 10] ).
herren collegis zu Munster, die anhero kommen wurdten
Nassau und Volmar hatten beabsichtigt, am 8. Januar von Münster abzureisen und am 9. in
Osnabrück einzutreffen. Da sich die Herausgabe der frz. Replik verzögerte, blieben sie zu-
nächst in Münster, fuhren dann aber doch nach Osnabrück, wo sie am 15. Januar abends
ankamen (s. Lamberg und Krane an ksl. Ges. in Münster, 6. Januar 1646, in: Gärtner VII,
334f.; dieselben an Ks. Ferdinand, 9. Januar 1646, in: APW II A 3 Nr. 86, hier S. 124
Z. 18–21; Trauttmansdorff, Lamberg und Krane an Ks. Ferdinand, 18. Januar 1646, in:
APW II A 3 Nr. 101, hier S. 171 Z. 3–9). Am 16. Januar fand in Trauttmansdorffs Quartier
in Osnabrück eine Konferenz statt, an der alle ksl. Ges. teilnahmen (Protokoll: APW II A 3
Nr. 101 Beilage [1]).
ad audiendum mitgenommen.
Deputierte . Hieruff namen wir, die deputirt{e}, auch einen abtritt und nach
demselben bedanckten wir uns nochmals der communication, mit bit wie
zuvor,
2. daß ohne der stände vorwißen und consens nichts geschlosen,
noch, 3., der punctus gravaminum außgesetzt oder differirt, hingegen aber
alhier ohne verzug befördert werden möchte, sintemal die causae internae ab
externis nit zu separiren. So hetten ihre excellenzen deßwegen von der cron
Sueden instruction, musten also nohtwendig alhier vorgenommen werden,
dan sie zu Munster nit sein könten .
Schweden . Ihre gröste satisfaction bestundte in erorterung der gravaminum.
Die Frantzosen hetten auch versprochen, alle assistentz dabey den evangeli-
schen zu thun
Dieses Versprechen war sehr wahrscheinlich Oxenstierna bei seinem Besuch in Münster gegeben
worden (s. [Nr. 63 Anm. 57] ). Für ganz zuverlässig hielt Oxenstierna die frz. Zusage aber nicht,
denn er riet den Ständen davon ab, daß sie La Barde ersuchten, die frz. Ges. zu bitten, sie
möchten es dahin vermitteln, daß über die Gravamina in Osnabrück verhandelt werde: Die
Franzosen, so Oxenstierna, möchten scrupuliren, warum man auf Osnabrück als Verhand-
lungsort beharre (so nach sachsen-altenburgischem Bericht an Krull, s. magdeburgische Unter-
thänigste Relation Nr. 1, in: Magdeburg F III fol. 27–33’, hier fol. 31–31’, s. d. 1645 I 8
[/18]; die altenburgischen Ges. waren am 14. Januar bei Oxenstierna gewesen, s. Sachsen-
Altenburg A III fol. 15’ s. d. 1645 I 4 [/14]).
verwundern, ja es nit glauben können. Sie, die herrn Sueden, sagten auch,
wan nur die gravamina beygelegt, solte in puncto satisfactionis es keinen
grosen uffenthalt geben.
Es folgen zwei Notizen. Die erste betrifft Volmars Äußerungen über die befürch-
teten Konsequenzen einer Abschaffung des Geistlichen Vorbehalts .
[2.] Nota: Bischoffthumb wegzugeben, stehe nit bey dem Kayser, sondern
bey dem Bapst.
Sachanmerkungen zu Nr. 79