Acta Pacis Westphalicae III A 1,1 : Die Beratungen der kurfürstlichen Kurie, 1. Teil: 1645 - 1647 / Winfried Becker
Konferenz der kaiserlichen und der kurfürstlichen Gesandten Münster 1645 März 1
Münster 1645 März 1
DKurbayern K I p. 26–32 = Druckvorlage; damit identisch DKurbayern spA I p. 48–56.
Vgl. ferner DWartenberg I fol. 341–343; DVolmar fol. 350 ( Druck Cortrejus p. 137 ).
Proiect der kaiserlichen Antwort an die französischen Gesandten: Bitte um französische Propo-
sition , Entlassung des Kurfürsten von Trier, italienische Frage, Friedenssicherung, Inhalt der
Friedensverhandlungen. Nachrichten aus Osnabrück: Schweden wünscht Zulassung der deutschen
Reichs- und Landstände und beklagt Abwesenheit der Kurfürsten von Osnabrück, französische
Bewertung eigener Friedensschritte, Vorrangstreitigkeiten zwischen Frankreich und Schweden.
Savoyens Anspruch auf angemessenes Zeremoniell. Bedrückung des Reichskammergerichts.
Im Quartier des Grafen Nassau [ Domherrenkurie ]. Vertreten: kaiserliche Gesandte ( Nassau,
Volmar ), Kurköln ( Wartenberg ), Kurbayern ( Haslang, J. Adolf Krebs ).
Auf Veranlassung des Gf. Nassau erscheinen die kurkölnischen und kurbayeri-
schen Gesandten um 17 Uhr bei den Kaiserlichen, nachdem sie gemeinsam – wie
schon vor der letzten Sitzung – vom kurkölnischen Quartier aus aufgebrochen sind;
Volmar verliest ein eventualiter verfertigtes proiect
Primus oder secundus conceptus der ksl. Antwort vom 10. März 1645 ( Druck Meiern I
S. 369–371 , Gärtner IV S. 572–577, Nég. secr. I S. 330–333 ) auf die französische
seconde proposition vom 24. Februar 1645 ( beide Konzepte in Kopie als Beilagen zu DWar-
tenberg Kurköln VI 242 a nr. 30 fol. 93–106’ ).
mit unnserer unnd der Churcöllnischen gesanden opinion, daß sye nemblich
dahin zu beantwortten weren, daß man vor allen dingen erwarte ihrer
antwortt yber die Khayserliche inen den 4. Decembris iungsthin zuege-
stelte formalproposition, wie auch dahingegen ihre postulata unnd ver-
anlasste substantialproposition erwartte: Sodan bestünde ihr exhibirts
scriptum uff 4 puncten, 1. uff einkhommung der reichßständt, welches
aber zu erzwingen in unserer macht […] nicht bestehet, sondern daran
hanget, daß ie balder die herren Französische plenipotentiarii ihre propo-
sition thuen, ie balder die status imperii, wan sie den ernst unnd anfang
der haubttractaten selbst vermerckhen, sich einstellen werden; dan sie wol
versichert, daß khein interessatus ausbleiben werde. 2º die liberation deß
churfursten zu Trier betreffend, seie ordinarie die relaxation eines ange-
haltenen oder verarresstirten die sequela eines accords unnd follge aller-
erst in executione. Die Entlassung des Kurfürsten von Trier gehört zu den
haubttractaten, 3º die Italianische sachen, darbei Kheyserliche Mayestet
unnd das reich interessiert, werden ebenmessig in ihrer ordnung durch
die herren mediatores zu tractiren unnd abzuhandlen sein, 4º die assecu-
ration deß fridens werde dem schluß der tractaten selbsten folgen; unnd
darffen die herren Franzosische gesandten nicht zweifflen, man werde re
transacta et composita ihnen eine solche ehrliche, uffrichtige unnd Teut-
sche assecuration thun, dabei Franckhreich wol werde khönnen versichert
sein. Dagegen man dan, wie billich, ebenmessige assecuration erwarthen
werden, damit also daß alte vertrauen, guete freundt- unnd nachbarschafft
zwischen Teutschlandt unnd Franckhreich widerumb angestifftet unnd
redintegrirt werden möge.
gesezten replic begehrt, umb unns darinen zu ersehen, so auch also bewilli-
get undt Euer Churfurstlichen Durchlaucht alßdan solle underthenigst
uberschickht werden.
1 Nach] Laut DWartenberg trägt Volmar vorher noch vier weitere Diskussionspunkte
vor: 1. Einer Mitteilung der ksl. Gesandten in Osnabrück
Johann Maximilian Gf. von Lamberg, Burggraf zu Steyr ( 1608–1682 ), 1636 ( 1641 ) Reichs-
graf , 1637 Reichshofrat, seit 19. September 1644 ksl. Primargesandter in Osnabrück, 1651
Obersthofmeister der Kaiserin Maria Eleonora, 1653 ksl. Botschafter in Spanien, 1675 Oberst-
hofmeister Ks. Leopolds I. ( über ihn Sturmberger , Tagebuch S. 276–280, Gschliesser
S. 239f., Zedler 16 S. 268, Stramberg 2, 9 S. 98f., Walther S. 8f. ) und Johann Krane,
Lizentiat der Rechte, Reichshofrat, 1652 Ritter, ksl. Sekundargesandter, aus „bürgerlichen
Verhältnissen“ stammend ( über ihn Rave S. 120–122, Gschliesser S. 230f., Stramberg 4,1
S. 577f., der ihn als zähen Verhandler charakterisiert ).
Zulassung der stende mediat und immediat, wie sie es begeren und sie monierten, wie so
gar keiner von den churfursten zue Oßnabruck erschienen. 2. Die französischen Ge-
sandten hätten den schwedischen
Johan Axelsson Gf. Oxenstierna ( 1612–1657 ), Reichsrat, Sohn des Reichskanzlers Axel
Oxenstierna ( 1583–1654 ) ( über ihn SMK 5 S. 685f., Lundgren S. 216–229, Walther
S. 18f. und anschaulich Steck S. 104f. ) und Johan Adler Salvius ( 1590–1652 ), ehemals
Resident in Hamburg ( über ihn SMK 1 S. 17f., Lundgren , Odhner S. 112–116, Walther
S. 19–22, Steck S. 106–108 ).
genötigt gewesen, etwas schriftliches herauszugeben, es seye aber nur repetitio priorum und
sie bestunden annoch auf ihren vorigen postulatis. 3. Wegen Vorrangstreitigkeiten könn-
ten die Schweden und Franzosen nicht in loco tertio zusammenkommen. Lieber als an einen
locum intermedium, den die Schweden zur gesambten communication begert hätten,
habe sich Avaux nach Osnabrück begeben. 4. Dem Baron Rorté
Claude de Salles, baron de Rorté, ehemals Resident in Stockholm, 1636–1643 Resident in
Hamburg, 1633–1635 in diplomatischer Mission bei den Kurfürsten von Sachsen und Branden-
burg ( Nég. secr. IV S. 608). Rorté wurde am 21. Januar 1645 vom Staatssekretär Brienne
mitgeteilt, daß er mit dem Titel ambassadeur nach Schweden gesandt werde ( Gärtner IV
S. 243–245, Nég. secr. II, 2 S. 32f.); dies war den ksl. Gesandten bereits am 24. Januar 1645
bekannt ( Gärtner IV S. 266f.).
gesandten nacher Schweden von den Franzosen der Exzellenztitel gegeben.
proponirt, daß gesstern einer von den Savoyschen gesanden
Die Gesandten Savoyens waren Claude Jérôme Cabot, marchese di San Maurizio, Lorenzo
Nomis, Dr. Gian Francesco Bellezia ( APW [ III D 1 S. 351 ] , vgl. Vollmacht der Hgin.
Christina von Savoyen vom 1. Januar 1647 in MEA CorrA 9 [3], Tabacco S. 126).
sich angemeldt,
gebracht , daß selbige gesanden in der näche ankhommen und entschlossen,
mit negsten ihren einzueg alhier zu nehmen, auch vermeldet, selbige ple-
nipotentiarii verhoffen, man werde ihnen die gebührende ehre deferiren,
denn die gesanden von Savoya zu Rom den Venetianischen gleich trac-
tirt werden. Da die Herzöge von Savoyen während der Kriege zwischen Karl V.
und Franz I. von Frankreich nicht in der Lage gewesen seien, Gesandte in Rom
zu halten, habe Venedig die praecedenz, die ursprünglich Savoyen gegenüber Vene-
dig zugestanden habe, an sich gebracht. Savoyen habe auch endtlich durch einen
jungen herzog, welchen die Serenissima Respublica Veneta zum sohn uff-
genohmmen , der ursachen uff die praeeminenz außtrückhlich verziehen,
weil sich nicht gebühren wolle, wie er selbsten dazumahl sich erklertt,
daß ein sohn gegen seiner mutter die praecedenz ambire: Sonsten seie
der herzog von Savoya ein vornehmer fürst deß reichs, descendire von den
herzogen zu Sachßen
Das Haus Savoyen geht auf burgundische Herrschergeschlechter und gallorömische Familien
zurück. Die Legende, daß der Ahnherr des Hauses, Humbert aux blanches mains, von Widukind
oder vom sächsischen Kaisergeschlecht der Ottonen abstamme, wurde im 16. Jahrhundert erdichtet
und im Dienst der savoyardischen Diplomatie verwendet ( Cox S. 17f., Bohner S. 12f., 21f.,
Hayward I S. 14f., Saint-Genis I S. 169ff.).
Am 13. Mai 1365 wurde Gf. Amadeus VI. von Savoyen (1343–1383) von Ks. Karl IV.
das Reichsvikariat über den burgundischen Reichsteil Arelat verliehen; zur Vorgeschichte der
Vikariatsverleihung gehört, daß die Grafen von Savoyen im Thronfolgestreit nach 1198 für die
Staufer Partei ergriffen hatten. Später traten die Herzöge von Savoyen in enge Verbindung mit
Karl V. ( Marie José S. 172ff., 39ff., Tabacco S. 9ff., 74ff., Cox S. 177–201, Dimier
S. 56f., Bohner S. 50f.); die Herzöge von Savoyen wurden als Reichsfürsten „nichtdeutscher
Zunge“ in die Reichsmatrikel von 1521 aufgenommen ( Bohner S. 53f.). Noch Paurmeister
lib. II cap. 1 § 26 rechnet Savoyen zum Reich.
gebe Kheyserliche Mayestet ihme das praedicatum „Serenissimus“, in-
massen bei den praeliminartractaten, wie die herren Kheyserliche gesan-
den selbsten asseverirt, selbigen herzogen außthrückhlich gegeben worden;
dahero begehrt, man wolle ihnen gesanden den Venetianischen in einhol-
len , titul unnd andern gleich halten
Der Herzog von Savoyen erwirkte ( gegen Florenz ) den Beschluß des Kurkollegs und die Suppli-
kation an den Kaiser vom 22. August 1582, daß er als vicarius imperii per Italiam prae-
cedentiam ante omnes Italiae principes in Caesareae Maiestatis aula et capella perinde
in Italia atque in Germania semper habuit et adhuc […] habere et retinere potest
( Tabacco S. 112 ).
plenipotentiario den vorgang in alle weg gestendig undt dahin instruirt,
den churfurstlichen gesanden die praecedentz zue geben undt alle übrige
desiderieredte ehr ahnzuethun.
Die herren Khayserliche gesanden haben generaliter vermeldet, umb einen
freundt zue behalten unnd die affection eines solchen herzogen zu gewinen,
wehre wohl in favorem etwaß zue thun; allein wehren sie hierauf auch nit
particulariter instruirt. Sich bescheidts zu erhollen, hetten sie 3 oder 4
wochen vonnöthen; underdessen aber wehren die gesanden gehrn herein
in Münsster.
Die herren Curcollnische gesanden haben darauf votirt, daß zwahr ein
solcher freundt zu gewinen unnd zu erhalten, dahingegen aber kheine
schwehre praeiudicia unnd consequentia einzuegehen. Eß möchte endtlich
Lottringen unnd andere mehr eben dergleichen praetendiren.
Kurbayern will wegen völligen Instruktionsmangels in der Sache dem Kurfürsten
berichten und hofft, in 2 bis 3 Wochen Antwort zu haben. Inzwischen aber wür-
den selbige gesanden nichts versaumen, weiln seithero noch khein anfang
gemacht in Teutschen, wollen geschweigen Italianische sachen. Darauf wür
umb halbe achte uhr unnsern abschiedt
5 genohmmen] Außerdem noch in DWartenberg : Beym abschied proponiert Warten-
berg die heute eingetroffene Weisung Kurkölns, mit den ksl. und kurbayerischen Gesandten über
die Bedrückung des Kammergerichts in Speyer zu sprechen. Zu erwägen ist, ob man nicht über
die Mediatoren bei den Franzosen Abhilfe erreichen könne. Da die ksl. Gesandten aber anzei-
gen , daß ihnen und den Mediatoren zu diesem Thema der Deputationstag in Frankfurt voraus-
sichtlich bald schreiben werde, ist also guttbefunden, dies abzuwarten.