Acta Pacis Westphalicae III A 1,1 : Die Beratungen der kurfürstlichen Kurie, 1. Teil: 1645 - 1647 / Winfried Becker
EINLEITUNG
EINLEITUNG
I. Protokolle als Geschichtsquelle
Das neuzeitliche Schriftgut der Protokolle, genauer gesagt der „Verhandlungs-“ und „Sitzungsprotokolle“ , hat bisher in der Urkunden- und Aktenlehre relativ wenig Beachtung gefunden und ist auch in den Quelleneditionen der historischen Wissen- schaft nicht eben häufig berücksichtigt worden. Hinter diesem bekannten Sachverhalt steckt mehr als nur bloßer Zufall, er bezeichnet mehr als ein Desiderat der Forschung oder das isolierte Spezialproblem einer historischen Hilfswissenschaft. Es handelt sich vielmehr um eine Tatsache, die mit der Entwicklung der historischen Forschung und der diese begleitenden Aktenkunde und Diplomatik selbst zusammenhängt und die als solche historisch zu erklären ist. Bei der kurzen quellenkundlichen Einordnung und Herleitung der Kurfürstenratsprotokolle, die im Folgenden versucht wird, geht es deshalb nicht allein um die Beschreibung äußerlicher Phänomene, an der lediglich kleine Kreise der historischen Fachgelehrten ein esoterisches Interesse fänden. Die staatlichen und die meisten, in allgemeinerem Sinne politischen Schriftstücke, die wir als Quellen benutzen, sind Erzeugnisse von Amtspersonen oder Institutionen, die sie hervorbringen. Schon die formale Betrachtung dieser materialen Substrate des Geschehens, und zwar gerade die Untersuchung der historischen „Überreste“, nicht erst diejenige der „Tradition“ , läßt Rückschlüsse auf Konstanz und Entwicklung der Institutionen zu, deren Geist und Technik sich in ihnen niedergeschlagen haben. Ministerielle Gegenzeichnung auf Urkunden, monarchische Sanktion von Protokollen eines Ministerrats, solche Formalitäten sind geeignet, verfassungsgeschichtliche Wandlungen, wie Ansätze zur Herausbildung des Konstitutionalismus oder Rückfälle in die absolutistische Regierungspraxis, augenfällig zu dokumentieren . Aber auch das Kategoriensystem, das die Forschung zur Sichtung einzelner Quellen und Quellen- gruppen bereitstellt, der Grad der Wertschätzung, den einzelne Forscher bestimmten Quellengattungen entgegenbringen, gewähren mittelbar Einblick in die Zeitgebunden- heit des wissenschaftlichen Selbstverständnisses, das letztlich wieder auf die Kräfte der Beharrung und der Wandlung in Staat und Gesellschaft zurückweist. Als der Mediävist E. Winkelmann 1886 Heidelberger Universitätsakten edierte, berücksichtigte er auch die „aufzeichnungen über die einzelnen berathungen“, die „protokolle der universitätskongregation“, fand sie aber nur insoweit bemerkenswert, als sie „auszüge oder abschriften vieler sonst nicht mehr vorhandene(r) dokumente“ enthielten, die „eingereiht“ oder angehängt waren: „statuten, urkunden, aktenstücke aller art und briefe“ . Dieses ungünstige Urteil bezog sich hier auf den Sonderfall der Universitätsprotokolle, es war aber für die Einschätzung der gesamten Quellengruppe der Protokolle gewissermaßen symptomatisch. Ihr Aussagewert wurde als relativ ge- ring erachtet, schienen sie doch minder aufschlußreiches Material als die anderen Aktenformen zu umfassen – in der Hauptsache Aufzeichnungen über Dinge, die die Zeitgenossen nicht direkt „aktenwürdig“ gefunden hatten ; sie mochten als Ersatz oder zur Ergänzung der brieflichen Akten, die allein dokumentarischen Wert besäßen, herangezogen werden. Gemessen an dem Gesamt an Aktenarten und -überlieferungen maß man den Protokollen nur subsidiäre Funktion für die historische Erkenntnis zu. Wie kam es zu diesem abschätzigen Urteil? Man muß zunächst bedenken, daß für die Diplomatik die Akten gegenüber den Urkunden ein Schriftgut minderen Ranges darstellten; Urkunden waren die eigentlich maßgeblichen Quellen mit dem höchsten, konzentriertesten, am besten beglaubigten Gehalt an geschichtlicher AussageH. O. Meisner , Aktenkunde (1935) S. 8f. setzt die Grenze zwischen Urkunden- und Akten- zeit auf 1400. Etwa von dieser Zeit an (Regierungsantritt des Kg. Wenzel 1378) werden die Quellen der Reichsgeschichte auch in die Deutschen Reichstagsakten und nicht mehr in die Monu- menta Germaniae Historica aufgenommen.
Vgl. dazu E. Bernheim , Lehrbuch der Historischen Methode I S. 22–41; S. 87ff. wird das Verhältnis der Geschichtswissenschaft zu den Nachbardisziplinen zuerst am Beispiel der Philo- logie erörtert. – Die folgenden Ausführungen verkennen natürlich nicht, daß die Forderung nach Heranziehung aller Quellen, nach Exaktheit im einzelnen, aus dem erst der allgemeine Gang der Geschichte abgeleitet werden dürfe, gerade vom Historismus aufgestellt worden ist.
Meinardus , Protokolle VI S. XI. Vgl. Gross S. 241f. und die umfassendere Definition von F. Küch (zit. APW [ III A 4, 1 S. XXXIII ] ).
Nicht zufällig haben die Niederländer früh eine genaue aktenkundliche Terminologie für das Potokollschriftgut entwickelt, vgl. darüber F. Wolff in APW [ III A 4, 1 S. XXXIX Anm 9 ] .
H. O. Meisner , Archivalienkunde S. 195; auch „Resolutionsprotokoll“ ( Gross S. 246ff.) oder „Schlußprotokoll“ ( Boshof – Düwell – Kloft S. 233) genannt: die Aneinanderreihung ergibt „Konklusionsbücher“. Vgl. M. Krebs (Hrsg.), Die Protokolle des Speyerer Domka- pitels , I S. VII. – Ein bekanntes Schlußprotokoll ist das Londoner Protokoll von 1852 über die dänische Erbfolge.
II. Zur Entstehung der Kurfiirstenratsprotokolle
Der allgemeine institutionenbezogene Ansatz zur quellenkundlichen Einordnung der Protokolle muß angesichts spezieller Gegenstände konkret gefaßt werden. Haben die vielen neuzeitlichen Institutionen in Europa nicht auch zur Ausbildung verschiedener Protokoll-Typen geführt, die von Gremium zu Gremium – und innerhalb der Ge- schichte eines Gremiums entwicklungsmäßig voneinander abweichen? Und weiter: Ist vom Entwicklungsstand eines Protokolls her der Rückschluß auf den Konsolidierungs- grad derjenigen Institution möglich, die das Protokoll produzierte? Vergleicht man einige neuere Protokoll-Editionen aus verschiedenen Zeiträumen, so wird trotz aller Unterschiede im einzelnen doch eine große Kontinuität in der Form sichtbar, in der gemeinschaftliches Handeln bezeugt istVgl. M. Komjáthy (Hrsg.), Protokolle des Gemeinsamen Ministerrates der Österreichisch-Ungarischen Monarchie S. 124 Anm. 181: „In der Entwicklung der im weitesten Sinne ge- nommenen gesellschaftlichen Beziehungen, der gesellschaftlichen Berührungsformen, der Beziehungen innerhalb der Klassen, im alltäglichen Zusammenleben hat sich im Verlaufe von Jahrhunderten kaum eine meritorische Veränderung gezeigt. Gemessen an dem riesigen Unterschied, der zwischen den Lebensverhältnissen der altgriechischen Gesellschaft und der Welt der modernen bürgerlichen Gesellschaft in technischer Hinsicht besteht, haben sich Art und Formen des menschlichen Zu- sammenlebens seit dem Zeitalter des Perikles bis zum Zeitalter des ersten Weltkrieges im wesent- lichen kaum geändert.“
A. Staehelin , Geschichte der Universität Basel S. 7ff., 19 (Regenzprotokolle seit 1482), A. Seifert (Bearb.), Die Universität Ingolstadt S. 94–99, 111, 127, 142–145, 209, 238. Die Protokollführung ist in „den neunziger Jahren des 15. Jahrhunderts“ an der Universität Ingol- stadt „zur festen Einrichtung geworden“ ( ders. , Statuten und Verfassungsgeschichte S. 214f.).
Wahlprotokolle aus den Anfängen politischer Meinungsbildung erwähnt bei M. Braubach , Ein publizistischer Plan der Bonner Lesegesellschaft S. 26 Anm. 2f., S. 38 Anm. 4; Wahlproto- kolle über mündliche oder schriftliche Wahlvorschläge der Urwähler bei Landtagswahlen bei K. Hugelmann , Die österreichischen Landtage S. 65.
Vgl. auch Bonvalot S. 373, der „procès verbaux d’ élection“ nach dem Recht von Beaumont (1182) nicht vor 1591 findet, dazu aber bemerkt: „ils nous révèlent, malgré leur date moderne, des formes de procéder souvent très anciennes et parfois contemporaines des affranchissements“ (13. Jahrh.), Meinardus , Protokolle VI S. XIII, XV (Spanne zwischen Beginn der Proto- kollführung und Konstituierung der Institution, sowohl beim preußischen Geheimen Rat: 1604–1613, als auch beim Schwedischen Reichsrat: 1602–1621).
Nürnberger Reichstag 1524 II 8 ( RTA JR 4 nr. 22 S. 54–59 und ff.: „Protokollarische Auf- zeichnung des Mainzer Sekretärs Andreas Rucker über die Verhandlungen auf dem Reichstage“). Auf diesen Streit wurde noch in der Lengericher Konferenz Bezug genommen, wo Kurbrandenburg und Kurbayern zugleich das sächsische Umfragerecht reklamierten. Siehe unten S. 171. – Wie die „Summarischen“ und die „Ausführlichen Protokolle“ der Kurmainzer Kanzlei vom Frankfurter Reichstag (1489) ist auch diese Aufzeichnung insgesamt ein diarienähnlicher Bericht über fort- laufende reichsständische Verhandlungen ( RTA MR 3,2 S. 1080f., 1099f.).
Bekanntes Beispiel das „Protokoll“ des Augsburger Reichstags 1530 von Valentin von Tetleben (dazu APW [ III A 4, 1 S. XXXIV ] ).
„Protokollierte Ratsbeschlüsse“ sind aus Venedig, Siena ( RTA ÄR 10 S. XLIII), Florenz (Ausschußberatung 1434 XI 21 mit Voten der einzelnen Mitglieder, RTA ÄR 11 nr. 307 S. 564f.) und Zürich (reines Beschlußprotokoll von 1433 XI 17, RTA ÄR 11 nr. 75 S. 154) bekannt; weitere Beispiele (Literatur) bei H. O. Meisner , Archivalienkunde S. 209 Anm. 9. – Protokolle städtischer Gerichtsverhandlungen sind schon vom Beginn des 14. Jahrhunderts über- liefert ( Ruebel nr. 284: Wesel 1302).
Auf dem Reformkonzil von Basel war aber die Protokollführung noch nicht verfassungsmäßiger Brauch der Konzilskongregationen, sondern hing von der Anwesenheit eines protokollierenden Notars in den Sitzungen ab ( G. Wolf , Quellenkunde I S. 92–94, 63–67). Deshalb verdienen diese Konzilsprotokolle, die während der Sitzungen angefertigt und in ein gebundenes Heft (Kladde) eingetragen wurden, noch nicht den Namen „offizieller“ Konzilsprotokolle ( RTA ÄR 10 S. LI X f.).
Ein frühes Beispiel ist die doppelte Wiedergabe der Reden auf der allgemeinen Schlußsitzung des Reichstags von Regensburg 1454 V 21 in Form einer „amtlichen Niederschrift“ und einer Dar- stellung des Bf. Enea von Siena ( RTA ÄR 19, 1 nr. 37 S. 282–286, 288ff.); über den Einfluß des Humanismus allgemein Schubert S. 159–190.
So das Beschlußprotokoll der Neusser Konferenz 1535 XII 29 – 1536 I 7 ( ARC II nr. 51 S. 133–136). – Reine Beschlußprotokolle mit Datum, Präsenz, knapper Inhaltsangabe des zu beratenden Eingangs und mit Beschluß sind die Protokolle der Propagandakongregation in Rom Acta SC de PF). Diese Beschlußprotokolle sind aber nicht Abschiede zu nennen, obwohl sie nur bei der (seltenen) Anwesenheit des Papstes dessen Stellungnahme und mögliche Erwiderungen enthalten. Sie informieren, wie z. B. auch die teilweise „knappe(n) Beschlußprotokolle“ der Zentrumsfraktion ( Morset S. XXV), über die Abfolge interner Beratungen.
Die Substitute (Sekretäre) hingegen sollen zunächst nur ausschreiben, was ihnen befohlen wird ( ARC III nr. 99 S. 225f.). Über die Eidesleistung protokollierender Domkapitelsekretäre vgl. F. Herrmann S. XII, über das Problem der Vertraulichkeit bei Protokollen aus der Zeitgeschichte Morsey S. XXVIII.
Im Kurfürstenrat wandte man sich noch 1645 gegen den Raubdruck von Sitzungsprotokollen in Post-Zeitungen (siehe unten [ Nr. 39 ] S. 240). Auf dem Immerwährenden Reichstag wurden dann die Reichsprotokolle durch Kurmainz und Kursachsen (für das Corpus Evangelicorum) diktiert und teilweise gedruckt (vgl. J. J. Moser , Teutsches Staatsrecht). Der Deutsche Bundestag nach 1816 unterschied zwischen Separatdruck loco dictaturae für die Bundesmitglieder und einer Quartausgabe für die Öffentlichkeit. Die Veröffentlichung sollte tendenziösen Presseberichten über Bundestagssitzungen entgegenwirken. Eine letzte Stufe war der – 1848/49 geübte – sofortige und vollständige Druck stenographischer Berichte zur Unterrichtung des Volkes ( H. O. Meisner , Die Protokolle des Deutschen Bundestages S. 2–14, 12f.).
Beim Marburger Religionsgespräch wandte sich Luther gegen die Führung eines offiziösen Proto- kolls , weil er den „vertraulichen Charakter“ der Unterredung wünschte ( G. Wolf , Quellenkunde II, 1 S. 254). Bei den Protokollen des österreichisch-ungarischen Gemeinsamen Ministerrats (1914) durften laut Mitteilung des Protokollanten gewisse vertrauliche Nachrichten nicht in das Protokoll aufgenommen werden ( Komjáthy S. 95f.: Insofern sei das Protokoll eine „negative Quelle“, die, eine Spur vom Verschwiegenen enthaltend, über das Verschweigenswerte indirekt Auskunft gebe).
Protokolle über die gegensätzliche Kollektiv-Äußerung zweier Parteien (als solche prinzipiell auch die Re- und Correlation aufzufassen): Molsheimer Tag 1542 X 18 (Bistum contra Stadt Straßburg, ARC IV nr. 37 S. 191–193), Wormser Tag 1540/41, wo sich die Kurfürstlichen der gemeinsamen Beratung mit den katholischen Fürstlichen widersetzen ( ARC III nr. 99 S. 229, vgl. nr. 100 S. 293, 297), Spaltung des Kurfürstenrats zwischen Sachsen, Pfalz, Brandenburg und Mainz, Trier, Köln 1548 I 17–30 ( ARC V nr. 57 S. 172–187).
Siehe oben [ S. LXII Anm. 3 ] . Die wechselseitige Beziehung zwischen Protokollführung und Öffent- lichkeit gestand auch der erste Frankfurter Demokratenkongreß ein. Er beschloß, ein publikations- fähiges „offizielles Verhandlungsprotokoll“ nicht vorzulegen, sondern lediglich seine Beschlüsse „zur öffentlichen Kenntnis zu bringen“, weil die Versammlung sich „auf dem Boden der revo- lutionären Praxis bewege“ (zit. nach G. Becker , Das Protokoll des ersten Demokratenkon- gresses vom Juni 1848 S. 386).
III. Die Kurfürstenratsprotokolle vom Friedenskongreß 1645–1649
1. Die Überlieferung: Allgemeines
Die in diesem Band edierten Konferenzprotokolle der kurfürstlichen Kurie umfassen den Zeitraum vom 25. Februar 1645 bis zum 25. September 1647. Dabei handelt es sich nicht um eine kontinuierliche Beratungsphase, wie sie sich in den späteren Verhandlungen abzeichnet, die vom 6. Mai 1648 bis zum 9. Juni 1649 in Osnabrück über unerfüllte schwedische und französische Friedensforderungen geführt worden sind. Die Fixierung des Zeitraumes dieser vorliegenden Publikation bedarf daher der Begründung, wobei zunächst zu entscheiden war, bei welchem Zeitpunkt die Edition einsetzen sollte, um die Teilhabe der Kurfürsten am beginnenden Kongreßgeschehen zureichend zu dokumentieren. Denn die Beratungen der kurfürstlichen Gesandten begannen nicht gleichzeitig mit den Beratungen der Fürsten- und Städtekurie nach einer feierlichen kaiserlichen Proposition, wie sonst auf Reichstagen im Prinzip üblich. Die in Münster und Osnabrück anwesenden kurfürstlichen Gesandten traten erstmals in dem westfälischen Dorf Lengerich, das zwischen den beiden Kongreßorten liegt, als förmlicher Kurfürstenrat zusammen (10. bis 11. Juli 1645)
. Die eigent- lichen Sitzungen der kurfürstlichen Kurie – fast zeit gleich mit den Sitzungen des Fürstenrats in Münster – setzten aber erst über einen Monat später, am 31. August, ein, nachdem zwei Tage zuvor der kaiserliche Gesandte in Münster, Isaak Volmar, der Versammlung der kurfürstlichen und fürstlichen Stände aufgetragen hatte, die Beratungsweise der Reichsstände am Kongreß zu erörtern. Vorher hatten aber schon, abgesehen von den drei Sitzungen der Lengericher Konferenz, 35 Vorkonferenzen der kurfürstlichen Gesandten in Münster und Osnabrück stattgefunden, an denen meist die kaiserlichen Gesandten ebenfalls teilgenommen hatten. Dies entsprach dem Ham- burger Präliminarvertrag von 1641, in dem vorgesehen worden war, daß den Frie- densverhandlungen des Kaisers mit den Franzosen Kurköln und Kurbrandenburg, des Kaisers mit Schweden aber Kurmainz und Kurbrandenburg beiwohnen sollten. Die Konferenzen dieser kurfürstlichen Deputierten, denen sich Kurbayern bereits im Februar 1645 (in Münster) hinzugesellte, begannen am 25. Februar 1645 in Mün- ster und am 17. Mai 1645 in Osnabrück. Da die Kurfürsten hier in Wahrnehmung ihrer Prärogative, ihres Mitspracherechts in Dingen der Reichsaußenpolitik, handelten, erschien es notwendig, diese Konferenzen in die Edition mit aufzunehmen. Seitens der
Reichsstände begann der Westfälische Friedenskongreß praktisch also mit einem auf zwei Orte verteilten Kurfürstentag. Allerdings waren – anders als im Regelfall dieser Art von Reichsversammlung – die kurfürstlichen Gesandten angesichts der aus- wärtigen Mächte nicht die ausschlaggebenden Tagungsteilnehmer; das Kollegium war nicht vollständig; und die Konferenzen fanden meist im Beisein der kaiserlichen Gesandten statt.
Nicht aufgenommen wurden in unsere Publikation die zweiseitigen Besprechungen, die während der Besuche, der sogenannten Visiten eines kurfürstlichen Standes bei einem anderen, stattfanden. Gemäß dem zeitgenössischen Rechtssatz, daß zwei Teilnehmer kein Kollegium bilden, wurden also nicht die zahlreichen Kontakte und Gespräche der Kurbrandenburger mit den Kurmainzern in Osnabrück berücksichtigt, sondern nur die gemeinsamen Assistenzberatungen beider Kurstände mit den kaiserlichen Gesan- dten Lamberg und Krane. In diesen gemeinsamen kurfürstlich-kaiserlichen Kon- ferenzen werden wesentliche Züge der kurfürstlichen Aktivitäten im Vorfeld des Kongresses sichtbar. Die Kurfürstlichen nahmen hier eine intime Ratgeberstellung gegenüber den Kaiserlichen ein. Die Situation ähnelte in etwa derjenigen „im Kabi- nett “, nur daß der Kaiser nicht persönlich anwesend war und daß die kaiserlichen Gesandten in den Monaten bis zum Eintreffen Trauttmansdorffs (29. November 1645) nicht voll verhandlungsfähig waren. Die Bedeutung dieser Vorkonferenzen braucht nicht erst nachträglich vom Historiker festgestellt zu werden, sie war bereits den Handelnden bewußt: Anläßlich der Übergabe der kaiserlichen Proposition am 25. September 1645 wurden übergroße Feierlichkeiten im Kurfürstenrat abgelehnt, um nicht den Eindruck entstehen zu lassen, als hätten bis zu diesem Zeitpunkt noch keine Beratungen stattgefunden
. Sachlich ist die Einbeziehung dieser Vorkonferen- zen in die Edition von Kurfürstenratsprotokollen also durchaus geboten.
Von den Quellen her gesehen ist dagegen diese Einbeziehung keineswegs unproble- matisch . Für die Konferenzen liegen nämlich nicht, wie vom 10. zum 11. Juli 1645 und ab 31. bzw. 29. August 1645, geschlossene Reihen von Protokollen vor, sondern es mußte, um einen Text zu konstituieren, auf protokollartige Schilderungen in den Diarien (Gesandtschaftstagebüchern) und Relationen sowie auf Protokollextrakte der kaiserlichen Gesandten zurückgegriffen werden. Dazu wurden herangezogen das
Diarium
Wartenberg (Kurköln), das Diarium der kurbayerischen Gesandt- schaft , das
Diarium
Löben (Kurbrandenburg), kurmainzische Relationen aus Münster und Osnabrück an den Kurfürsten und Protokolle der kaiserlichen Gesan- dten Krane und Volmar (letztere sind teilweise in den älteren Quellenwerken von
A.
Cortrejus
, C. W.
Gärtner und
J. G.
Meiern bereits gedruckt worden). Das
Diarium
Wartenberg , so genannt nach dem kurkölnischen Hauptgesandten Franz Wilhelm von Wartenberg, ist eigentlich ein Diarium der kurkölnischen Ge- sandtschaft über die
Münsterischen Friedensverhandlungen 1644–1648
: In den
ersten vier Bänden, die hier benutzt worden sind, tritt der Geschäftsanteil Warten- bergs stark in den Vordergrund; auch wird Wartenberg anders tituliert als die übrigen kurkölnischen Gesandten
. Das Diarium enthält in der Hauptsache sehr detailliert aufgezeichnete Gespräche, die Wartenberg mit den Kongreßgesandten bei den Visiten geführt hat. In diesen zahlreichen Niederschriften sind – wie auch in den anderen Diarien – die Ausführungen beider Seiten gewissenhaft geschildert. Ähnlich wie bei den Visitenprotokollen wurden auch in die Diariums- Niederschrif- ten über die kurfürstlichen Vorkonferenzen die einzelnen Äußerungen der Teilnehmer in chronologischer Reihenfolge aufgenommen. Als Protokollant der Vorkonferenzen fun- gierte unter anderen der kurkölnische Sekretär Matthias Lintz. Die Zusammenkünfte der kurfürstlichen Gesandten untereinander und die kaiserlich-kurfürstlichen Assistenz- beratungen wurden im
Diarium
Wartenberg wohl auch deshalb so ausführlich protokolliert, weil Wartenberg in Münster vor dem Zusammentritt des vollständigen Kurkollegs eine direktoriale Stellung beanspruchte: So lieh sich der kurmainzische Gesandte Brömser von dem kurkölnischen Sekretär Gesprächsaufzeichnungen aus
Vgl. Brömser/Osnabrück an Kf. Anselm Casimir, 1645 V 4 ( MEA FrA Fasz. 7 [4] nr. 23): Da mir nicht moglich geweßen, alles dasjenige, waß in 2½ stundt geredet worden, memoriter zu behalten [...] habe ich copiam prothocolli [...] gebetten (Konferenz zwischen Kurmainz und Kurköln, Wartenberg, von der Recke, Landsberg, vom 3. Mai 1645).
, obwohl es doch zu den Vorrechten des Kurmainzers gehörte, auf Reichstagen authen- tisch zu protokollieren
. Dies ist ein wichtiges Zeugnis für die Gründlichkeit der kur- kölnischen Mitschrift, die in unserer Edition zur Textgrundlage für die kurfürstlichen Vorkonferenzen in Münster gemacht wurde; nur in Ausnahmefällen wurde die kur- bayerische oder kurmainzische Parallelüberlieferung vorgezogen.
Seit dem 10. Juli 1645, der ersten Sitzung der Lengericher Konferenz, unterscheiden sich die Protokolle im
Diarium
Wartenberg äußerlich nicht mehr von den seit 29. August 1645 gesondert abgelegten kurkölnischen Kurfürstenratsprotokollen: Der Beginn und das Ende der Einzelvorträge im Kolleg werden nicht mehr, wie vorher, formlos und frei angekündigt und umschrieben, sondern der Einsatz der einzelnen Voten ist durch Absatz im fortlaufenden Text gekennzeichnet. Die Votanten werden gleichmäßig benannt (
Churcöllnische, Churbaierische) und durch eine in Zeilen- mitte oder marginal gesetzte Überschrift hervorgehoben
. Den einzigen Unterschied zu den Kurfürstenratsprotokollen kurkölnischer Provenienz seit 29. August bildet die Form der Ablage. Vom 10. Juli bis zum 29. August blieben die Protokolle der kur- fürstlichen Sitzungen in die chronologisch aneinandergereihten Aufzeichnungen von anderen Ereignissen und Gesprächen eingegliedert und wurden mit diesen im Diarium geheftet und gebunden; erst danach erfolgte eine eigene Ablage des bei den Kurfürsten- ratssitzungen produzierten Schriftguts in der zeitlichen Reihenfolge der Sitzungen
1645 VIII 29 setzen die Protokollreiben kurkölnischer Provenienz ein (Verweis in der über- sandten Reinschrift des DWartenberg 1646 III 26 auf Session in Fürstenrat und Kurfürsten- rat vermog protocolß, das im Diarium selbst nicht mehr vorhanden ist, HStA München Abtlg. II, Kasten schwarz 2232: Oßnabruckische correspondenz 1646). Trennung der Pro- tokolle von den Diarium-Eintragungen auch in den kurmainzischen Akten bezeugt durch den Kanzleivermerk: NB protocolla et diariae [!] seind separiret ( MEA CorrA Fasz. 19 [2]).
.
Demnach kann die formale Einverleibung von kurfürstlichen Vorkonferenzproto- kollen in das Diarium kein sachlicher Grund für ihre Ausscheidung aus der Edition der Kurfürstenratsprotokolle sein, in der auch die historisch bedingten Vorstufen der förmlichen, reichsgesetzlichen Kollegialberatung erfaßt werden müssen. Außerdem wurden das Diarium und die davon getrennte Protokollreihe im Geschäftsgang ganz ähnlich verwendet: Teile des Diariums, vor allem Aufzeichnungen über wichtige Gespräche, sind von Wartenberg ebenso wie später die kurkölnischen Protokolle des Kurfürstenrats, des Fürstenrats und des Corpus Catholicorum als Brief-Beilagen (u. a. an den Kurfürsten von Bayern) versandt worden
Siehe vor allem Tom. 1 und 2 der Münsterischen collegialtagsacta von der generalfridens- tractation , bestehend aus kurfürstlichen bevelchen und nach München erstatteten berichten in praeliminaribus 1644 XII 18 – 1645 VIII 23 ( HStA München , Abtlg. II: Geh. Staats- archiv , Kasten schwarz 7641 fol. 149’, 341f.; Wartenbergs Berichte wurden teilweise von Kf. Maximilian wieder den auf der Anreise nach Münster befindlichen bayerischen Gesandten zuge- schickt . Wartenberg versandte zusätzlich zu seinen Auszügen aus dem Diarium abschriftlich Briefe u. a. Beilagen zum Diarium). In der Oßnabruckischen correspondenz 1645 VII 5 – 1645 XII 29 zwischen Wartenberg und dem Kurfürsten von Bayern sind die Protokolle der kur- fürstlichen Vorkonferenzen bis 12. August 1645 als abschriftlich übersandte Auszüge aus dem DWartenberg , vom 31. August an als Abschriften von Kurfürstenratsprotokollen kurköl- nischer Provenienz (1645 VIII 31, IX 2, IX 18, IX 20, IX 21, IX 28, X 5, X 15 und 1645 VII 10, 11) enthalten (Kasten schwarz 2231).
. Die Diarien galten aber eigentlich wie die Protokolle als internes Material.
Auch im Diarium der kurbayerischen Gesandtschaft ist nur für die ersten Vorkon- ferenzen die Form der Protokolle von der der späteren kurbayerischen Kurfürsten- ratsprotokolle verschieden. Auch hier sind ab 19. Juli 1645, der ersten Zusammen- kunft nach der Lengericher Konferenz, deren Protokolle in Kurbayern allerdings ablagemäßig bereits der eigentlichen Protokollserie zugehören, Voten aufgeführt
. Das
Diarium
Kurbayern liegt in zwei Überlieferungen vor. Das Original im
Hauptstaatsarchiv
München umfaßt drei Bände
. Es ist in der Weise der baye- rischen Relations-Konzepte halbbrüchig von Kanzleihand, aber auch von den Gesan- dten Haslang und J. Adolf Krebs geschrieben und diente der Gesandtschaft am Kon- greßort als Unterlage. Die Einträge reichen vom 21. Februar 1645, dem Vortag des Einzugs der kurbayerischen Gesandtschaft in Münster, bis zum 29. April 1646. Das Diarium ist bis Ende des dritten Bandes (1646 IV 29) in 60
Relationen eingeteilt. Vergleicht man die
bericht der kurbayerischen Kongreßgesandten
mit den Einträgen in das Diarium, so zeigt sich, daß
bericht und Diarium keineswegs identisch sind; vielmehr werden im Diarium nur Hinweise darauf gegeben, welchen Relationen die sonst zeitlich fortlaufenden Eintragungen ins Diarium jeweils einzu- fügen oder abschriftlich beizuschließen waren. Das Diarium, das ebenso wie die
bericht der kurbayerischen Gesandten und wie die kurbayerischen Kurfürstenrats- protokolle in Konzeptform vorliegt, ist nichts anderes als die fortlaufend geführte Vorlage für die bis 29. April 1646 übersandten Beilagen und der Stoff für die Rela- tionen . Falls alles Wichtige, d. h. auch die Gesprächsaufzeichnungen, in die
bericht hineingeschrieben wurde, kamen weder Beilage noch Diarium zustande; das Diarium enthält in solchen Fällen nur eine dies kurz mitteilende Notiz unter dem entsprechen- den Tagesdatum
. Die Depeschen der kurbayerischen Gesandten bestanden zumindest bis Anfang Mai 1646 aus zwei Komponenten, deren Konzeptstufe in Kasten schwarz (
Geheimes
Staatsarchiv
München ) vorhanden ist: aus den eigentlichen Rela- tionen , den
bericht, und aus den
nebenlagen
oder Beilagen; dazu gehören die gesondert gebundenen und verzeichneten Konzepte der als Beilagen übersandten Reichs- ratsprotokolle (Kurfürstenrat, Fürstenrat, Corpus Catholicorum). Das nach Rela- tionen unterteilte Diarium und die Berichte selbst stellen also zwei verschiedene Über- lieferungsweisen des Kongreß-Geschehens dar: Während die Berichte kommentieren und werten, bieten das Diarium und in seiner (Teil-)Fortsetzung die Kurfürstenrats- protokolle sozusagen das objektive Material, die neutrale Schilderung wichtiger Be- sprechungen und Konferenzen. Diese mit viel Schreibarbeit verbundene Sonderung des Schriftguts, die zu Beginn des Kongresses, möglicherweise unter dem Eindruck von Wartenbergs ausführlicher Berichterstattung, vorgenommen wurde, ist später aufge- geben worden. Besonders in der Schlußperiode des Kongresses haben die kurbayerischen Gesandten in der Regel die Protokolle aus dem Kurfürstenrat, aus dem Fürstenrat und aus den Plenar- und Ausschußsitzungen in ihre Relationen, die dadurch einen beträchtlichen Umfang gewannen, eingearbeitet
Vgl. Münsterische collegialtagsacta 1648 III 5 – 1648 VIII 31 (und ff.), Relationen von 1648 V 14 und V 11, wo die eingearbeiteten Kurfürstenratsprotokolle nach Voten (V 14, Kasten schwarz 7657 fol. 173’-176’) oder nach Sachgesichtspunkten (V 11, ebd. fol. 157–159) gegliedert sind (ebenso Kasten schwarz 7661 fol. 354’-357’).
. Für die Aufnahme der entsprechenden Teile des Diariums in unsere Protokolledition spricht übrigens auch, daß die Kon- ferenz -Aufzeichnungen von den Gesandten im Diarium und vom Kurfürsten in seinen Reskripten
prothocollum genannt werden
.
Die zweite Überlieferung des Diariums ist eine späte Abschrift. Sie befindet sich in der dritten Serie des Fonds Dreißigjähriger Krieg,
einem Mischbestand kurbaye- rischer Provenienz
in der Abteilung I (Allgemeines Staatsarchiv) des
Bayeri- schen
Hauptstaatsarchivs
München .
Der Aktenbestand der Serie umfaßt 16 Tomi mit Relationen/Reskripten und Protokollen, die aus den Original-Akten der kurbayerischen Registratur von Friedenskongreß 1644–1649 (heute im
Geheimen
Staatsarchiv
) direkt oder auf Umwegen abgeschrieben worden sind. Nach dem Schriftbild zu urteilen, erfolgten die Abschriften nicht vor 1750; andererseits ist aus dem Ex-Libris und aus den von Joseph Samet beschriebenen Deckblättern zu erschlies- sen , daß die Serie zwischen 1803 und 1806 im Geheimen Landesarchiv, dem Vorläu- fer der heutigen Abteilung I des
Hauptstaatsarchivs ,
das vor allem Dokumente über die innere Geschichte des Landes aufnahm, gebunden worden ist
.
Die Vorlagen dieser späten Abschrift des kurbayerischen Gesandtschaftsdiariums waren eindeutig die heute im
Geheimen
Staatsarchiv befindlichen, in Münster geschriebenen Konzepte bzw. Originale des Diariums. Dies geht aus den Ex-Archivo-Vermerken, in denen die Bandzahl und die alte Signatur des Originals angegeben sind, hervor
; auch sind die Abschriften nach dem Vorbild des Originals in drei Teile gebunden
. Trotz durchgängiger Kollation
wurde die Kopie recht mechanisch ange- fertigt : Lesefehler und falsche Auflösung von Abkürzungen sind nicht selten; die in den Band-Überschriften angegebenen zeitlichen Grenzen stimmen nicht stets mit dem Inhalt überein
; die Bände springen vom zweiten
Tom. I des Diariums (1644 XII 1 – 1645 II 8) im Fonds Dreißigjähriger Krieg enthält die Abschriften der nach München übersandten Auszüge aus dem DWartenberg, die in die Münsterischen Collegialtagsacta Tom. 1 (Kasten schwarz 7641) eingeordnet worden waren. – In der Edition sind verwendet Tom. II und XV des Diariums (=DKurbayern spA I, II).
auf den 15. und zurück auf den vierten. Für unsere Edition sind jeweils die ersten beiden Bände der Konzeptstufe (K I, II) und der späten Abschrift (spA I, II) des Diariums benutzt worden.
Für die kurfürstlichen Vorkonferenzen in Osnabrück wurde der erste Teil des
Dia- riums
Löben herangezogen, das gleichzeitig ein Geschäftstagebuch der kurbran- denburgischen Gesandtschaft in Osnabrück ist
. Es besteht ebenfalls zum größten Teil aus Aufzeichnungen über zwei- und mehrseitige Gespräche und Konferenzen. Die Eintragungen im ersten und zweiten Teil stammen ausnahmslos aus der Feder des kurbrandenburgischen Gesandten von Löben – später ist das Diarium dann von dem kurfürstlichen Kammersekretär Paul Kemnitz weitergeführt worden. In seiner engen, die ganze Seite meist ohne Abschnitte bedeckenden Schrift notierte Löben, meist aus dem Gedächtnis, Wechselreden und Vorträge: Er nahm auch Wertungen vor, kommentierte, gab persönliche Eindrücke und am Rande geführte Diskurse
wieder. Das
Diarium
Löben trägt damit einen persönlicheren Charakter als das kurkölnische, kurbayerische und kurmainzische. Die kurbrandenburgischen Gesan- dten Löben und Fritze drangen bereits früh, am 16. Juni 1645, auf eine ordentliche, dem Kurfürstenrat angemessene offizielle Protokollierung, um die Assistenz- Beratun- gen zwischen den Kaiserlichen, Kurmainz und Kurbrandenburg in Osnabrück zum Reichsrat aufzuwerten
Siehe unten [ Nr. 21 ] S. 135. Allerdings lag der Wunsch nach ausführlicher Protokollierung auch deshalb nahe, weil Kurbrandenburg und Kurmainz als Friedensvermittler gemeinsame Gespräche mit Schweden führen mußten. So brachten die kurbrandenburgischen Gesandten 1645 V 30 zur Visite bei den Kurmainzern, mit denen sie dann anschließend zum schwedischen Quartier auf- brachen , gleich drei Sekretäre mit ( DLöben I fol. 46).
. Daraufhin führte der kurbrandenburgische Sekretär Kem- nitz für die Sitzung am 18. Juni ein Protokoll, das er zusammen mit den späteren Kurfürstenratsprotokollen ablegte
DZA Rep. 12 nr. 131 fol. 1–12, gleich anschließend daran die Protokolle der Lengericher Kon- ferenz (siehe unten [ Nr. 22 ] S. 135).
. Kurmainz protokollierte diese Sitzung offenbar nicht
Zeugnis von Kemnitz (siehe unten [ S. 139 ] ). Ein kurmainzisches Protokoll der Sitzung war nicht aufzufinden.
, wahrscheinlich aus der ängstlichen Erwägung heraus, daß ein kurmainzisches Reichsprotokoll ein Präjudiz für die Entstehung eines Osnabrücker Kurfürstenrats schaffen werde. Über die ersten vier Sitzungen, von denen kurbrandenburgische Sekre- tärsprotokolle vorliegen (18. Juni, 10.-11. Juli 1645) fertigte auch Löben weiterhin Niederschriften an
. Dies stand nicht im Wiederspruch zu den kurbrandenburgischen Bemühungen, mittels förmlicher Protokollierung den kurfürstlichen Vorkonferenzen in Osnabrück einen offiziellen Anstrich zu verleihen: Löbens Protokolle konnten eine ähnliche Funktion haben wie ergänzende Notizen, die üblicherweise vom Direk- torium der Reichsräte, aber auch von einzelnen Gesandten bei oder nach den Sitzungen gemacht wurden
Vgl. auch die Mitschrift Löbens über die Unterredung mit Kursachsen 1645 II 17/27 im brandenburgisch-pommerschen Fürstenratsprotokoll aus Osnabrück ( DZA Rep. 12 nr. 133 b fol. 164), daneben das Protokoll vom Regensburger Kurfürstentag 1636/37 von der Hand des kurbrandenburgischen Gesandten Levin von dem Knesebeck ( DZA Rep. 12 nr. 103 Fasz. 2).
. Während vom Fürstenrat in Osnabrück nur die Zeit und die Reihenfolge der
sessiones sowie der jeweilige Teilnehmer (für Pommern Petrus Fritze und Matthäus Wesenbeck) aufgeführt sind, gibt Löben im Diarium einen Bericht über die Re- und Corre- lation vom 26. April 1646 in Osnabrück, obwohl ein brandenburgisches Kurfürstenratsprotokoll darüber geführt wurde
Siehe unten [ Nr. 85 ] S. 588–597 ( DZA Rep. 12 nr. 131) und DLöben II fol. 157–160’. In der Zeit zwischen dem 1. August 1645 und dem 6. Mai 1648 trat nur bei dieser Re- und Correlation (1645 IV 26) der Kurfürstenrat in Osnabrück, vertreten durch Kurmainz und Kurbranden- burg , nominell in Erscheinung.
. Löbens wenige Protokolle über die kurfürstlichen Vorkonferenzen im Diarium bewahren also gegen- über dem Stil anderer Geschäftstagebücher, aus denen Reichsratsprotokolle nahtlos hervorgehen konnten, eine gewisse Eigenständigkeit.
Von den kurfürstlichen Vorkonferenzen bis zum 29. August 1645 sind in den kur- mainzischen Akten nur wenige Protokolle und in die Relationen der Gesandten
eingearbeitete Berichte erhalten. Nach Durchsicht der Friedens- und Correspondenz- akten im Mainzer Erzkanzlerarchiv (
Haus
-,
Hof
-
und
Staatsarchiv
Wien ) ließen sich unselbständige, in die Gesandtenberichte aufgenommene Vorkonferenz-Protokolle
in den Friedensakten Faszikel 7 und in den Correspondenzakten Fas- zikel 10 [1] und 19 [1], selbständige Protokolle in den Friedensakten Faszikel 7, 11, 12 nachweisen. Möglicherweise hat es noch mehr Protokolle gegeben, so für die Konferenzen, von denen keine Aufzeichnungen vorliegen, obwohl Kurmainz daran teilnahm
. Die überlieferten Protokolle
enthalten Präsenzvermerke, aber keine her- vorgehobenen Voten; ihre Konzepte stammen vom kurmainzischen Gesandten J. Adam Krebs, ihre Reinschriften sind als Briefbeilagen an den Kurfürsten übersandt worden
. Ebenso wie die ausführlichen, in sich geschlossenen Konferenz-Berichte innerhalb der Relationen schildern sie den Konferenzverlauf und die Meinungsäußerungen der be- teiligten Gruppen: die Proposition der Kaiserlichen, die interne Beratung der Kur- fürstlichen , den Vortrag der kurfürstlichen Gesamtmeinung und eventuell die Erwi- derung der Kaiserlichen. Aus den Relationen wurden für unsere Edition – zur Ver- wendung als Grundtext oder als Variante – nur die Konferenzprotokolle, keine Visitenprotokolle ausgezogen; in Analogie zu den späteren eigentlichen Reichsrats- protokollen werden die Protokolle aus ausgefertigten und übersandten Relationen Reinschriften (Rs), aus Brief-Kopien zeitgenössische Abschriften (zA) genannt. Die schlechte Überlieferung der Vorkonferenzen in den kurmainzischen Akten muß über- raschen , weil der gewissenhafte kurmainzische Sekundargesandte J. Adam Krebs sonst sehr fleißig mitschrieb und nach Meinung des Kurfürsten eher zu viel als zu wenig in sein Postpaket packte
J. Adam Krebs verteidigte gegenüber dem Kurfürsten von Mainz, der Sachen des Erzstifts und Vorgänge quoad publica in Form eines summarium ex protocollo in die Relationen einge- bracht sehen wollte, die Absendung seiner zahlreichen Protokoll-Beilagen damit, daß gegen- wertige tractatus von solcher wichtigkheit, das gleichsamb auch die minutissima, zu geschweigen die importirendte sachen pillig in das protocoll gebracht werden müßen (Brömser/Krebs an Kf. Anselm Casimir, Osnabrück 1647 III 14, MEA CorrA Fasz. 17 nr. 43).
. Hier mögen das relativ späte Eintreffen der kur- mainzischen Gesandten, ihre anfängliche Desorientiertheit, ihre Zurückhaltung gegen- über der Einleitung formeller Reichsberatungen in Osnabrück und die Menge der Schreibarbeit
Vgl. Cratz/J. Adam Krebs an Kf. Anselm Casimir, Münster 1645 IX 29: mir Dr. Krebsen [...] zu ausfertigung der protocollen fast keine stundt übrig ( MEA Corr A Fasz. 19,1 nr. c/56). Im Juni 1645 konnte Kurmainz/Osnabrück zur haltung des protocolls nur auf zwei Kanzlisten (wahrscheinlich Wendel Cron und Hans Henrich Beck) zurückgreifen ( MEA CorrA Fasz. 16 [2] nr. 39).
eine Rolle gespielt haben.
Die Protokolle aus der Registratur der kaiserlichen Gesandten mußten für die eigentlichen Assistenzberatungen der Vollständigkeit halber mit herangezogen werden. Die wichtigste Quelle ist hier das Diarium des in Münster akkreditierten kaiserlichen Sekundargesandten Isaak Volmar, der neben Trauttmansdorff, aber länger als dieser, den Geschäftsverkehr mit den Reichsständen besorgt hat. Sein Diarium ist ein nüchternes Geschäftstagebuch mit genauem Verzeichnis der Ein- und Ausläufe und mit Protokollen der geführten Besprechungen. Die Aufzeichnungen über die kur- fürstlich-kaiserlichen Vorkonferenzen reichen vom
ausfüeherlichen prothocoll
Ks. Ferdinand III. an Volmar, 1645 V 30 ( RK FrA Fasz. 92/V fol. 122) mit Bezug auf die Unterredung von 1645 V 5 in Münster (siehe unten [ Nr. 11 ] S. 55).
bis zum summarischen Beschlußprotokoll und zum kurzen Eintrag
Vgl. die Protokolle von 1645 V 5, 1645 V 23 ( [ Nr. 13 ] S. 70) mit den kurzen Einträgen 1645 IV 30 ( [ Nr. 10 ] S. 50), 1645 IV 13 ( [ Nr. 8 ] S. 42).
. Unserer Edition wurde das eigenhändig geschriebene Exemplar des Diariums zugrunde gelegt
. Waren die herausgenommenen Stücke bereits im Zusammenhang – bei
A.
Cortrejus
– oder verstreut bzw. auszugsweise (im Extrakt) bei
Meiern oder
Gärtner ge- druckt worden, so wurden Druckort und Seite ebenfalls angegeben. Aus dem
Diarium
Volmar abgeschriebene und an den kaiserlichen Hof übersandte Protokolle wurden (wie beim
Diarium
Wartenberg ) nicht berücksichtigt, da die Protokolle inner- halb des Originals vollständig sind.
Für die Protokolle, die die kaiserliche Gesandtschaft in Osnabrück angefertigt hatte, wird hingegen auf die Beilagen der kaiserlichen Korrespondenz zurückgegriffen. Die hier benutzten Reinschriften liegen in den Friedensakten der Reichskanzlei (
RK
FrA
) Faszikel 48a und 92/V
(Korrespondenzakten zum
Diarium
Volmar
)
im
Haus -,
Hof -
und
Staatsarchiv
Wien .
Teile davon sind, allerdings fehler- haft , bei
Meiern
und
Gärtner
abgedruckt. Sie werden in der Edition nach dem kaiserlichen Sekundargesandten in Osnabrück, Johann Krane, benannt, weil sie teil- weise in dessen Ich-Form gehalten sind. Die Protokolle enthalten förmliche Präsenz- vermerke sowie Wechselreden nach Art der Visitenprotokolle über zweiseitige Be- sprechungen .
In den Kanzlei- und Gesandtschaftsregistraturen der kurfürstlichen Stände treffen wir also drei, sich teilweise überschneidende Formen des Schriftguts an: 1. die Briefe, d. h. in den Kanzleien der Residenz die Ausfertigungen der Gesandten und die Konzepte des Kurfürsten, in der Registratur der Gesandten die Originale des Kurfürsten und die Konzepte der Gesandten; 2. die Diarien und Protokolle, die teilweise wört- lich in die Briefe eingefügt, zumeist aber als reinschriftliche Beilagen nach und nach an die kurfürstliche Kanzlei geschickt wurden;
3. Verhandlungsakten wie Memo- rialien , Resolutionen, Projekte, Diktatursachen, Brief-Kopien. Die Diarien und Protokolle bilden gemeinsam das interne Schriftgut der Gesandten, das zunächst der eigenen Information und Geschäftsorientierung dient, weil es detaillierter als die Briefe Zeugnis von der eigenen Tätigkeit ablegt. Diarien und Protokolle bleiben im
Original, d. h. im gut lesbaren Konzept oder Reinkonzept zunächst bei der Gesandtschaft und werden erst nach deren Rückkehr der heimischen Kanzlei überliefert. Die Visiten- und Konferenzprotokolle der Diarien gleichen im Zweck, in der Verwendung und im äußeren Bild den späteren, dann separat abgelegten und aus dem Diarium herausgewachsenen Ratsprotokollen. Diarium und Visitenprotokolle sind in den kurmainzischen, kurbayerischen (und kurkölnischen) Akten, soweit nachprüfbar, von denselben Händen in der gleichen halbbrüchigen Konzeptform geschrieben wie die späteren Ratsprotokolle. Dennoch sind die Reichsratsprotokolle wiederum ein Kanz- leischriftgut sui generis: Nach der zeitgenössischen kurmainzischen Terminologie unterscheiden sich die Reichsprotokolle
Der Terminus protocollum imperii (Kurmainz/Osnabrück an Kf. Anselm Casimir, 1648 VI 29, MEA CorrA Fasz. 18 [3]) oder reichßprothocoll (Kf. Anselm Casimir an Kur- mainz /Osnabrück, 1648 III 21, MEA CorrA Fasz. 18 [4]) galt für die kurmainzischen Protokolle aus dem Corpus Catholicorum und aus dem Kurfürstenrat.
vom
summarisch protocoll
als der konzen- trierten Niederschrift mündlich getätigter Vorgänge. Die lockere Berichtsform weicht der strengen Gliederung nach Voten. Man geht über zur separaten Ablage der Reichsprotokolle und zur wertfreien, von Kommentaren nicht mehr unterbrochenen Berichterstattung. Die Diarien sind in Komposition und Inhalt noch recht unter- schiedlich , während die Kurfürstenratsprotokolle zum Zweck größerer Genauigkeit ausgetauscht werden. Die Abspaltung der Kurfürstenratsprotokolle von den Diarien, der Übergang zum regelmäßig gegliederten Votenprotokoll, der sich in den Diarien von Kurköln und Kurbayern vollzieht, sind Reflex der zunehmenden Institutionali- sierung des Kongresses. Der Beginn der formellen Reichsberatungen und der Zusam- mentritt des Kurfürstenrats können äußerlich auch an der Spezialisierung des Schrift- guts abgelesen werden. Der Entschluß zur ersten Kollegialzusammenkunft, die dem Reichsherkommen entsprach und vollzählig war, läßt die kurfürstlichen Gesandten auf die bereits existente Form des Kurfürstenratsprotokolls zurückgreifen, aber eigenständige Kurfürstenratsprotokolle am Kongreß wachsen erst allmählich aus dem umfassenderen Kanzleischriftgut der Diarien und Briefe heraus; für die engere Geschichte der Protokollgattungen des Kongresses wiederholt sich quasi im kleinen der historische Entstehungsprozeß der Reichsratsprotokolle.
Da die Vorkonferenzen in die vorliegende Publikation aufgenommen sind, kann die Edition auch nach dem Beginn formeller Reichsratssitzungen (31. August 1645) nicht auf die eigentlichen Sitzungen des Kurfürstenrats beschränkt bleiben. Die Kur- fürstenratsprotokolle sind nämlich auch als Protokolle kurfürstlicher Provenienzen, nicht nur als Quelle der kurfürstlichen Kurie zu definieren. Sie erfassen gemäß ihrer Entstehungsgeschichte einmal das interne Handeln der Kollegglieder, zum andern das Handeln des Kollegiums als solchen im Verein mit den übrigen Kollegien; die ersten Mainzer Kurfürstenratsprotokolle hatten sogar in erster Linie über die Verhand- lungen des Kurfürstenrats mit den anderen beiden Reichstagskurien Aufschluß zu
geben. So sind in unsere Edition auch jene 19 Konferenzen aufgenommen worden, an denen der Kurfürstenrat in seiner Gesamtheit oder vertreten durch seine Deputierten (Kurmainz, Kurbayern) bzw. durch das Direktorium teilnahm
: Plenarsitzungen anläßlich der kaiserlichen Propositionen sowie der Re- und Correlationen
Acht Plena: [ Nrr. 38 ] , [ 47 ] , [ 48 ] , [ 53 ] , [ 83–85 ] , [ 114 ] ; sonstige Re- und Correlationen, die nicht im Sitzungsprotokoll verzeichnet sind: [ Nrr. 55 ] , [ 58 ] , [ 96 ] , [ 98 ] , [ 99 ] ; eigens notierte Deputationen: [ Nrr. 55 ] , [ 57 ] , [ 86 ] .
, Depu- tationen zu den kaiserlichen Gesandten, eine kaiserlich-kurfürstliche Assistenzbe- ratung als Nachklang der Vorkonferenzen
, Sonderzusammenkünfte der katholischen Kurfürsten, sofern sie, wie die übrigen hier aufgenommenen externen Konferenzen, in kurfürstlichen Protokollen aufgezeichnet sind und thematisch nicht dem Corpus Catholi- corum , sondern den Verhandlungen über die Beratungsweise, über den modus consultandi, zugehören
1645 IX 7 ( [ Nr. 41 ] S. 261–263), 1645 IX 30 ( [ Nr. 50 ] S. 347), 1646 II 17 ( [ Nr. 69 ] S. 487–489).
. Desgleichen wurden alle Re- und Correlationen, die im unmittelbaren Anschluß an die kurfürstlichen Sitzungen oder später stattfanden, mit berücksichtigt: Dafür waren die erwähnten sachlichen Gründe ebenso ausschlaggebend wie die Tatsache, daß die Re- und Correlationen in die Protokolle kurfürstlicher Provenienz aufgenommen worden sind. Meist wurde nämlich der Beschluß des Fürsten- oder Städterats durch die Deputierten (Kurmainz und Kurbayern) oder durch den kurmainzischen Direktor nach Kenntnisnahme kurz im Kurkolleg mitgeteilt, so daß alle kurfürstlichen Protokollanten in der Lage waren, Zustimmung oder Ablehnung der niederen Kurien wenigstens kurz zu notieren, falls nicht überhaupt Re- und Corre- lation im Plenum stattfanden
.
Anders als im Fürsten- und Städterat war es im Kurkolleg 1645 bereits Reichs- herkommen , daß jede kurfürstliche Gesandtschaft ihren Protokollanten mitbringen durfte. Die Protokollführung war nicht dem Direktor des Kollegs vorbehalten; untersagt war lediglich, daß eine Gesandtschaft, die im Kolleg meist doppelt, durch den votierenden Sekundargesandten und den
stellhaltenden adligen Hauptgesandten, vertreten war, auch zwei Sekretäre mit in den Rat nahm
. Theoretisch gibt es also sechs Provenienzen von Kurfürstenratsprotokollen, die auch vorliegen: Kurmainz, Kurtrier, Kurköln, Kurbayern, Kursachsen und Kurbrandenburg (Kurpfalz war wegen der Ächtung des Winterkönigs zum Rat nicht zugelassen).
Ein Sonderfall ist Böhmen. Obgleich ihm nach Reichsrecht der Platz im Kurfürsten- rat als Reichstagskurie versagt war und ihm nur bei der Königswahl die Abgabe eines Votums zustand
, nahm es an den zwei Ratssitzungen über die pfälzische Frage bzw. die achte Kur (16. und 18. März 1647) teil. Böhmische Kurfürstenratsproto-
kolle dieser (und anderer) Sitzungen konnten indes nicht aufgefunden werden. Am ehesten wären sie in der sogenannten Erskeinischen Sammlung zu vermuten, die Akten der Reichskanzlei zu Prag bzw. zu Wien enthält
Niedersächsisches Staatsarchiv Stade Rep. 32, I-IV. Die „archivalisch wie juristisch anfechtbare private Sammlung“ wurde von dem schwedischen Kriegskommissar, dann Kriegsrats- präsidenten , Erbkämmerer und (seit 1653) Präsidenten der schwedischen Regierung in Stade, Alexander von Erskeine, angelegt, der die Archive eroberter Städte aufsuchte und dort Dokumente mitnahm ( Weise S. 90, 107f., 247).
. Diese Bestände waren bei der Einnahme Prags im Sommer 1648 in die Hände der schwedischen Truppen gefallen und schließlich mit der Dienstregistratur des schwedischen Kriegsrats Alexander Erskeine zusammengefügt worden. Diese Sammlung liegt heute im
Niedersäch- sischen
Staatsarchiv
Stade
. In dem Bestand aus der Reichskanzlei, dessen Inhalt genau verzeichnet ist
und der u. a. Allgemeine Reichsangelegenheiten, Privi- legien , Schutz- und Lehensbriefe, Zoll- und Münzgerechtsame sowie Judensachen um- faßt , sind böhmische Kurfürstenratsprotokolle nicht anzutreffen. Auch eine diesbe- zügliche Anfrage im
Haus
-,
Hof
-
und
Staatsarchiv
Wien , an das Reichs- akten aus der Erskeinischen Sammlung zurückgegeben worden sind, blieb ergebnislos. Es ist daher anzunehmen, daß die kaiserliche Kanzlei sich mit den Kurfürstenrats- protokollen , die von Fall zu Fall vom kurmainzischen Direktorialgesandten Raigers- perger den kaiserlichen Gesandten übergeben worden sind, sowie mit den Conclusen und Re- und Correlationen, die in die Friedensakten der Reichskanzlei und der österreichischen Staatskanzlei gelangt sind
, zufriedengegeben hat. Summarische Be- richte über den Verlauf der Reichsberatungen und damit auch über die Ergebnisse der Kurfürstenratssitzungen gaben die kaiserlichen Gesandten ohnehin in ihren Rela- tionen .
Vgl. Brömser/Osnabrück an Kf. Anselm Casimir, 1645 V 4 ( MEA FrA Fasz. 7 [4] nr. 23): Da mir nicht moglich geweßen, alles dasjenige, waß in 2½ stundt geredet worden, memoriter zu behalten [...] habe ich copiam prothocolli [...] gebetten (Konferenz zwischen Kurmainz und Kurköln, Wartenberg, von der Recke, Landsberg, vom 3. Mai 1645).
1645 VIII 29 setzen die Protokollreiben kurkölnischer Provenienz ein (Verweis in der über- sandten Reinschrift des DWartenberg 1646 III 26 auf Session in Fürstenrat und Kurfürsten- rat vermog protocolß, das im Diarium selbst nicht mehr vorhanden ist, HStA München Abtlg. II, Kasten schwarz 2232: Oßnabruckische correspondenz 1646). Trennung der Pro- tokolle von den Diarium-Eintragungen auch in den kurmainzischen Akten bezeugt durch den Kanzleivermerk: NB protocolla et diariae [!] seind separiret ( MEA CorrA Fasz. 19 [2]).
Siehe vor allem Tom. 1 und 2 der Münsterischen collegialtagsacta von der generalfridens- tractation , bestehend aus kurfürstlichen bevelchen und nach München erstatteten berichten in praeliminaribus 1644 XII 18 – 1645 VIII 23 ( HStA München , Abtlg. II: Geh. Staats- archiv , Kasten schwarz 7641 fol. 149’, 341f.; Wartenbergs Berichte wurden teilweise von Kf. Maximilian wieder den auf der Anreise nach Münster befindlichen bayerischen Gesandten zuge- schickt . Wartenberg versandte zusätzlich zu seinen Auszügen aus dem Diarium abschriftlich Briefe u. a. Beilagen zum Diarium). In der Oßnabruckischen correspondenz 1645 VII 5 – 1645 XII 29 zwischen Wartenberg und dem Kurfürsten von Bayern sind die Protokolle der kur- fürstlichen Vorkonferenzen bis 12. August 1645 als abschriftlich übersandte Auszüge aus dem DWartenberg , vom 31. August an als Abschriften von Kurfürstenratsprotokollen kurköl- nischer Provenienz (1645 VIII 31, IX 2, IX 18, IX 20, IX 21, IX 28, X 5, X 15 und 1645 VII 10, 11) enthalten (Kasten schwarz 2231).
Vgl. Münsterische collegialtagsacta 1648 III 5 – 1648 VIII 31 (und ff.), Relationen von 1648 V 14 und V 11, wo die eingearbeiteten Kurfürstenratsprotokolle nach Voten (V 14, Kasten schwarz 7657 fol. 173’-176’) oder nach Sachgesichtspunkten (V 11, ebd. fol. 157–159) gegliedert sind (ebenso Kasten schwarz 7661 fol. 354’-357’).
Tom. I des Diariums (1644 XII 1 – 1645 II 8) im Fonds Dreißigjähriger Krieg enthält die Abschriften der nach München übersandten Auszüge aus dem DWartenberg, die in die Münsterischen Collegialtagsacta Tom. 1 (Kasten schwarz 7641) eingeordnet worden waren. – In der Edition sind verwendet Tom. II und XV des Diariums (=DKurbayern spA I, II).
Siehe unten [ Nr. 21 ] S. 135. Allerdings lag der Wunsch nach ausführlicher Protokollierung auch deshalb nahe, weil Kurbrandenburg und Kurmainz als Friedensvermittler gemeinsame Gespräche mit Schweden führen mußten. So brachten die kurbrandenburgischen Gesandten 1645 V 30 zur Visite bei den Kurmainzern, mit denen sie dann anschließend zum schwedischen Quartier auf- brachen , gleich drei Sekretäre mit ( DLöben I fol. 46).
DZA Rep. 12 nr. 131 fol. 1–12, gleich anschließend daran die Protokolle der Lengericher Kon- ferenz (siehe unten [ Nr. 22 ] S. 135).
Zeugnis von Kemnitz (siehe unten [ S. 139 ] ). Ein kurmainzisches Protokoll der Sitzung war nicht aufzufinden.
Vgl. auch die Mitschrift Löbens über die Unterredung mit Kursachsen 1645 II 17/27 im brandenburgisch-pommerschen Fürstenratsprotokoll aus Osnabrück ( DZA Rep. 12 nr. 133 b fol. 164), daneben das Protokoll vom Regensburger Kurfürstentag 1636/37 von der Hand des kurbrandenburgischen Gesandten Levin von dem Knesebeck ( DZA Rep. 12 nr. 103 Fasz. 2).
Siehe unten [ Nr. 85 ] S. 588–597 ( DZA Rep. 12 nr. 131) und DLöben II fol. 157–160’. In der Zeit zwischen dem 1. August 1645 und dem 6. Mai 1648 trat nur bei dieser Re- und Correlation (1645 IV 26) der Kurfürstenrat in Osnabrück, vertreten durch Kurmainz und Kurbranden- burg , nominell in Erscheinung.
J. Adam Krebs verteidigte gegenüber dem Kurfürsten von Mainz, der Sachen des Erzstifts und Vorgänge quoad publica in Form eines summarium ex protocollo in die Relationen einge- bracht sehen wollte, die Absendung seiner zahlreichen Protokoll-Beilagen damit, daß gegen- wertige tractatus von solcher wichtigkheit, das gleichsamb auch die minutissima, zu geschweigen die importirendte sachen pillig in das protocoll gebracht werden müßen (Brömser/Krebs an Kf. Anselm Casimir, Osnabrück 1647 III 14, MEA CorrA Fasz. 17 nr. 43).
Vgl. Cratz/J. Adam Krebs an Kf. Anselm Casimir, Münster 1645 IX 29: mir Dr. Krebsen [...] zu ausfertigung der protocollen fast keine stundt übrig ( MEA Corr A Fasz. 19,1 nr. c/56). Im Juni 1645 konnte Kurmainz/Osnabrück zur haltung des protocolls nur auf zwei Kanzlisten (wahrscheinlich Wendel Cron und Hans Henrich Beck) zurückgreifen ( MEA CorrA Fasz. 16 [2] nr. 39).
Ks. Ferdinand III. an Volmar, 1645 V 30 ( RK FrA Fasz. 92/V fol. 122) mit Bezug auf die Unterredung von 1645 V 5 in Münster (siehe unten [ Nr. 11 ] S. 55).
Vgl. die Protokolle von 1645 V 5, 1645 V 23 ( [ Nr. 13 ] S. 70) mit den kurzen Einträgen 1645 IV 30 ( [ Nr. 10 ] S. 50), 1645 IV 13 ( [ Nr. 8 ] S. 42).
Der Terminus protocollum imperii (Kurmainz/Osnabrück an Kf. Anselm Casimir, 1648 VI 29, MEA CorrA Fasz. 18 [3]) oder reichßprothocoll (Kf. Anselm Casimir an Kur- mainz /Osnabrück, 1648 III 21, MEA CorrA Fasz. 18 [4]) galt für die kurmainzischen Protokolle aus dem Corpus Catholicorum und aus dem Kurfürstenrat.
Acht Plena: [ Nrr. 38 ] , [ 47 ] , [ 48 ] , [ 53 ] , [ 83–85 ] , [ 114 ] ; sonstige Re- und Correlationen, die nicht im Sitzungsprotokoll verzeichnet sind: [ Nrr. 55 ] , [ 58 ] , [ 96 ] , [ 98 ] , [ 99 ] ; eigens notierte Deputationen: [ Nrr. 55 ] , [ 57 ] , [ 86 ] .
1645 IX 7 ( [ Nr. 41 ] S. 261–263), 1645 IX 30 ( [ Nr. 50 ] S. 347), 1646 II 17 ( [ Nr. 69 ] S. 487–489).
Niedersächsisches Staatsarchiv Stade Rep. 32, I-IV. Die „archivalisch wie juristisch anfechtbare private Sammlung“ wurde von dem schwedischen Kriegskommissar, dann Kriegsrats- präsidenten , Erbkämmerer und (seit 1653) Präsidenten der schwedischen Regierung in Stade, Alexander von Erskeine, angelegt, der die Archive eroberter Städte aufsuchte und dort Dokumente mitnahm ( Weise S. 90, 107f., 247).
2. Die Überlieferung: a. Kurmainz
Das kurmainzische Direktorium führte bei den Sitzungen des Kurfürstenrats, des Corpus Catholicorum, der Deputationen und der Ausschüsse sowie bei Re- und Correlationen das authentische Reichsprotokoll1647 IX 16, 19, 25 ( [ Nrr. 126 ] , [ 127 ] , [ 128 ] S. 835ff.); 1645 X 19, 1647 III 28 ( [ Nrr. 53 ] , [ 114 ] ); 1645 XI 5 ( [ Nr. 57 ] ).
Zu den unten angegebenen vgl. auch die Rapulare von den Pfälzischen Restitutionstraktaten in Wien (1642 IV 1 bis 1642 V 23): Nach reinschriftlicher Angabe von Sessio und Datum (die Bögen wurden offenbar mit Kopf in die Sitzung mitgenommen) folgen Einträge in flüchtigem Duktus mit unregelmäßigem Rand von der Hand des kurmainzischen Gesandten Brömser von Rüdesheim ( MEA FrA Fasz. 5 fol. 151–256). In DVolmar fol. 1134’ (1648 I 9) verweist der Verfasser auf deß Gailii rapular huius diei d. h. auf das Protokoll einer im Diarium selbst nur knapp resümierten Zusammenkunft. Gedruckte Beispiele in APW [ III A 4, 1 S. XL ] , zur akten- kundlichen Einordnung ebd. und H. O. Meisner , Archivalienkunde S. 195. Vgl. auch die kurbayerischen Rapularprotokolle vom Heidelberger Ligatag (1629 II 19 – III 8) mit kurzen stichwortartigen Voten und halbbrüchiger Beschriftung für Notanda und Ergänzungen, die aller- dings eher schon konzeptmäßig ist ( HStAM I, Dreißigjähriger Krieg, Akten nr. 231).
In dem Büschel mit der nicht ganz zutreffenden Aufschrift Protocollum in consilio electorum catholicorum vom 3. July bis 7. August 1647 (Sitzungen 1647 VII 3, VII 10): mit schwarzer Tinte nachgezogene Bleischrift auf beidseitig beschriebenen Blättern in dem sonst nur für Handzettel gebräuchlichen Format (nach eingelegtem Lesezeichen Cop. 13, obwohl es sich schwer- lich um Abschriften handelt). Da von Cratz nur Brief-Unterschriften und kurze Postskripte bekannt sind, ist der Handschriften-Vergleich unsicher.
Vgl. APW [ III A 4, 1 S. XLI Anm. 1 ] . H. Rumpler S. 97 bezeichnet die Reinkonzepte der Ministerratsprotokolle als „Letztform“, weil ihnen die Einzelkorrekturen der Minister hinzugesetzt worden waren, eine der (brieflichen) Ausfertigung vergleichbare letzte Abschrift dieser mit Verbesserungen versehenen Reinkonzepte aber nicht mehr erfolgte.
Für die kurmainzischen Akten siehe oben S. LXXII Anm. 6 und Kurmainz/Osnabrück an Kf. Anselm Casimir, 1645 VII 20 ( MEA FrA Fasz. 7 [4] nr. 121): mundirung des Protokolls vor ietzt ablauffender post unterbleibt wegen vorgefallener verhindernußen; für die kur- trierischen Akten Kurtrier/Münster an Kf. Philipp Christoph, 1646 V 11 ( MEA CorrA Fasz. 12 [2] fol. 37’, ebd. fol. 40): Man läßt das geführte prothocollum außfertigen und ad mundum bringen, versetzt es so in statum transmittendi ( ebd. fol. 263’, ebenso fol. 68’, 123’, 230, 241’).
Er hat Konzepte der Relationen aus Münster ( MEA Corr A Fasz. 25 [4], 26 [4] und den größten Teil der Reinkonzepte in FrA Fasz. 9, 14, 24, 25 aufgesetzt. Berninger ging mit Raigersperger 1647 nach Osnabrück und durfte dort vom Wein der Gesandten kosten, während die übrigen Kanzlisten mit Bier vorliebnehmen mußten ( MEA CorrA Fasz. 26 [2], vgl. MEA CorrA Fasz. 11 [1] nr. b/31,33).
2. Die Überlieferung: b. Kurtrier
Die kurtrierische Überlieferung ist weniger aufgefächert und nicht so umfangreich wie die kurmainzische. In der Abteilung 1 C des zuständigen Staatsarchivs Koblenz existiert bei den Akten über die „auswärtigen Beziehungen“ Kurtriers nur ein Pro- tokoll -Buch mit zusammenhängenden Eintragungen aus den Jahren 1645 bis 1646. Das Buch enthält späte, im 18. Jahrhundert angefertigte Abschriften ( Kurtrier spA) von Kurfürstenrats- und CC -Protokollen, die chronologisch – darum teils abwechselnd– aufeinander folgen, aus dem Zeitraum zwischen dem 10. Juli 1645 und dem 31. Dezember 1646 . Die Vorlage ist verloren, was bei den Schicksalen des kurtrierischen Archivs nicht verwunderlich ist . Es handelt sich um Abschriften, die auf die Original-Protokolle (Konzepte) der kurtrierischen Gesandtschaft direkt oder indirekt, über dazwischenliegende Abschriften, zurückgehen. Die übersandten Rein- schriften sind nur noch in kleinen Resten und Fragmenten über verschiedene Akten- bände verstreut antreffbarStA Koblenz 1 C Nr. 901 fol. 220–221’ (Bruchstück aus 1649), fol. 222–222’ (1649 IV 26), fol. 222’-227 (1649 IV 28); 1 C Nr. 9226 fol. 37–47’, 47’-56’, 56’-60 (Lengericher Konferenz 1645 VII 10, 11 unter Zugrundelegung des kurkölnischen Protokolls, weil Kurtrier zu dieser Zeit noch nicht anwesend war), 1 C Nr. 9231 fol. 23–24’ (1649 III 22, Fragment), fol. 78–83’ (1645 X 21).
Kurtrier/Münster an Kf. Philipp Christoph, 1646 IV 27: Die nach unndt nach eingeschickte prothocolla [...] hatt der unß mitgegebener secretarius auß den geführten votis unßers wißens in substantialibus fideliter excipirt ( MEA CorrA Fasz. 12 [2] fol. 17’). Weitere Verweise auf beigelegte Protokolle in Kurtrier/Münster an Kf. Philipp Christoph, 1647 IV 9 PS ( StA Koblenz 1 C Nr. 9227 fol. 172–172’), vgl. MEA CorrA Fasz. 12 fol. 211’.
Kf. Philipp Christoph an Kurtrier/Münster, Trier 1646 IV 16 ( MEA CorrA Fasz. 16 fol. 107’): Wir bekommen fast in allen punctis einen andern bericht alß in ewern uber- schickten prothocollis (so an viellen orthen maneo). Vgl. Kurtrier/Münster an Kf. Philipp Christoph, 1646 IV 20, wo die Abstimmung des kurtrierischen Votums in der Satis- faktionsfrage mit den französischen Gesandten gemeldet wird ( MEA CorrA Fasz. 12 fol. 12). Während die Gesandten beteuern, es an calor und eiffer nicht fehlen zu lassen und von keinem menschen beeinflußt zu sein (Kurtrier/Münster an Kf. Philipp Christoph, 1647 I 31, StA Koblenz 1 C Nr. 9227 fol. 48, vgl. ebd. fol. 138–141’; Kf. Philipp Christoph an Kurtrier/Münster, Trier 1647 IV 1, ebd. fol. 157, vgl. fol. 164, 266, 283), scheut sich der Kurfürst nicht, seinen Gesandten über Weisungen hinaus ausgearbeitete schriftliche Voten und rathsordi- nantzien zuzusenden, damit sie sich hernegst desto weniger zu entschuldigen haben würden ( ebd. fol. 157, 258–265, 285–285’).
Breuer wurde zu 1000 Goldgulden Strafe, zum Verlust aller Benefizien verurteilt und sine spe remigrationis aus dem Erzstift ausgewiesen. Sein Haus wurde mit Militär belegt, sein Bruder Colinus eingekerkert; nach eigener Angabe erlitt er 10 000 Reichstaler Vermögensverluste ( BA Trier , Abtlg. B 40, 2 Nr. 12 S. 3f. 1651 I 12, ebd , S. 6–9 ausführlicher Bericht Breuers, der bei der Kurie eine Revision seines Prozesses anstrengte, dafür in Rom weilte und dabei mit dem Nuntius Chigi in finanzielle Beziehungen trat). Vgl. Repgen , Finanzen S. 264 u. Tab. 3, Bro- werus -Masenius II S. 542. – Auch Anethan mußte (1648) seinen Gesandtenposten aufgeben, weil er in Ungnade des Kurfürsten fiel.
Die Post aus Münster wurde laut praesentatum der Relationen ca. eine Woche nach Abfassung in Trier vorgelegt. Die Gesandten beteuerten, daß laut Auskunft der Post in Köln ihre Post trotz der Reklamationen des Kurfürsten normal gelaufen sei. Vgl. Kf. Philipp Christoph an Kurtrier/Münster, Trier 1647 IV 29 ( StA Koblenz 1 C Nr. 9227 fol. 195) mit Kurtrier/Münster an Kf. Philipp Christoph, 1647 IV 30 ( ebd. fol. 203–205).
Kf. Philipp Christoph an Kurtrier/Münster, Trier 1646 VIII 6, argwöhnte, daß die Trierische undt Mayntzische capitularen undt senioren unß uff ein neuwes außmüsteren, verbat sich angebliche Drohungen mit dem Münsterischen dhumbcapitul sowie österreichische Kon- spirationen zugunsten eines Koadjutors und drohte den Gesandten mit Aufhebung ihrer Amnestie und Einziehung ihrer Güter ( MEA CorrA Fasz. 16 fol. 189–198’); die besonders verletzenden Stellen sind in dieser Kopie unterstrichen. – Vgl. Nr. 68 (1646 II 14) S. 473.27 mit S. 471. 36–39 (Aussparung prokaiserlicher Ausführungen Kurtriers in Kurtrier zA).
Kf. Philipp Christoph an Kurtrier/Münster, Trier 1647 V 20 PS ( StA Koblenz 1 C Nr. 9227 fol. 242). Siehe oben Anm. 5, BA Trier Abtlg. B 40, 2 Nr. 11 S. 70ff. – Eltz war obrister chorbischoff von Trier, Mainzer Domkantor und Kämmerer des weltlichen Gerichts zu Mainz, Cratz von Scharffenstein chorbischoff S. Lubentii in Diekirchen ( ebd. Abtlg. B 9, 6 Nr. 4: Gedruckte Liste der Domkapitulare und Domherren zu Trier, 1641) und Mainzer Domkustos. Die Eltz standen sowohl mit den Cratz von Scharffenstein als auch mit der Familie des regierenden Mainzer Kurfürsten in verwandtschaftlichen Beziehungen (darüber Roth in seiner Geschlechterbiographie, passim).
Kurtrier/Münster an Kf. Philipp Christoph, 1647 IV 9: Betonen ihre künfftige verantwor- tungh , daß in gegenwertiger schwärer legation nichts von unß verabsaumbet werde und beziehen sich auf die Akten, da sie mit schweren straffen transgressi mandati et criminis falsi zur unschuldt bedrawet werden wollen ( MEA CorrA Fasz. 12 fol. 237). Eltz (an den Kurfürsten 1646 VI 8) hoffte, nicht ebenso behandelt zu werden wie Breuer ( MEA CorrA Fasz. 12 fol. 49).
Mit gnädigster erlaubnuß dem Kurfürsten bereits 1647 V 14 angekündigt ( MEA CorrA Fasz. 12 fol. 254). Eltz betonte hierbei wie stets, daß das Domkapitel nicht dem Kaiser oder Spanien anhängig, sondern kurtrierisch gesinnt sei. Allerdings war auch Ehg. Leopold von Österreich, mit dem das Kapitel über Erasmus von Horst in Verbindung stand, Trierer Domherr ( MEA CorrA Fasz. 12 fol. 218, BA Trier Abtlg. B 40,2 Nr. 11, Stadtarchiv Trier 174, 194 [1536]).
2. Die Überlieferung: c. Kurköln
Auch von der ursprünglichen kurkölnischen Überlieferung sind in dem eigentlich zu- ständigen erzstiftischen Archiv (heute HStA Düsseldorf ) nur Reste erhalten. In Düsseldorf liegt nur noch ein einziges Heft mit reinschriftlichen Protokoll- Extrak- ten , das die Propositionen der Kurfürstenrats- und CC -Sitzungen enthält. Es ist eine Art Register zu zwei verlorenen Bänden kurkölnischer Original-Protokolle, ver- mutlich dem Protocollum Electorale Monasteriense, von dem es Seitennachweise und – bis Sessio 33 (1646 IV 25) numerierte – Sitzungseinträge mit Datum (und Proposition) bringt2. Die Überlieferung: d. Kurbayern
Die kurbayerische Überlieferung der Kurfürstenratsprotokolle ist wie die kurmain- zische in allen Entstehungsstufen erhalten. Überwiegend Rapulare von Kurfürsten- rats- und CC -Protokollen in meist chronologischer Ordnung, vermischt mit Kon- zepten , enthält das Bündel Kasten schwarz 6982/1a-b: Protocolla et acta misce- lanea zu denen reichs- und deputationstagshandlungen von anno 1646 biß 1649 gehörig ( Kurbayern Rp I). Die dort in losen Lagen antreffbaren Proto- kolle stammen allerdings aus dem Zeitraum zwischen 29. August 1645 und 21. März 1646. Eine ganze Reihe von Kurfürstenrats- und CC -Rapularen ist in dem Faszikel Kasten schwarz 3394 II enthalten, das eigentlich ein drittes Konvolut zusammen- hängender Protokoll-Konzepte aus dem Kurfürstenrat darstellt ( Kurbayern Rp in K III)Der Titel Münsterische rapularprothocolla trifft deshalb nur bedingt zu; der Band besprochen in APW [ III A 4,1 S. LXI f. ]
So die kurtrierischen Voten (Papier und Schrift kurtrierische Kanzlei) von 1646 II 26 ( Satis- faktionsfrage ) und 1646 II 14 (Ständerechte) in Kurbayern K II (Kasten schwarz 7665 fol. 119–120’, 135–137); ebd. fol. 168 ein Teil des kurmainzischen Protokolls (kurmainzische Kanzleihand) mit dem kurbrandenburgischen Votum und dem kurmainzischen Schlußerachten in der Pfalzfrage 1646 III 8.
So Wolff in APW [ III A 4, 1 S. LXII ] . Allerdings stimmt der Anfang von Kurbayern K II mit dem Ende von Kurbayern spA I (1645 XII 23) überein, Kurbayern K II und spA II enden gleichzeitig (1646 IV 30). Auf längere Interpolation in einem Stück könnten die Verwerfung in Kurbayern spA II (p. 611–657 CC 1646 III 12, III 21, 22 zwischen KfR 1646 III 8 und III 13) und die Serie der CC -Protokolle am Ende von Kurbayern spA I (1645 XI 16 – XII 20 p. 497–710) hindeuten.
2. Die Überlieferung: e. Kursachsen
Vom kursächsischen Protokoll sind ausnahmsweise nur die übersandten Reinschriften überliefert, die in den anderen Provenienzen allenfalls fragmentarisch vorhanden oder verlorengegangen sind. Sie lagern zusammen mit dem evangelischen Protokoll über die Verhandlungen der Gravamina-Deputationen in Osnabrück 1646 in zwei Konvoluten des Staatsarchivs Dresden . Kursachsen Rs I (Loc. 8133, 1) umfaßt die Plenarsitzungen in Osnabrück vom 26. und 27. April 1646 und weitere elf Kur- fürstenrats-sessiones vom 4. August 1646 bis zum 1. Januar 1647Christian Werner (Magdeburg), Samuel Ebart (Sachsen/Altenburg), Eusebius Jäger (Sachsen/Weimar), Christian Lampadies (Braunschweig-Lüneburg) und Daniel Repp (Loc. 8133, 1 fol. 23, 80, 8133, 2 fol. 5, 131’); ebenso im Fürstenrat Osnabrück, während im Fürstenrat Münster herkömmlicherweise einige fürstengesandten ihre secretarios und protocollisten nicht mitbringen durften ( MEA CorrA Fasz. 19, 1 nr. 85, 1645 X 20 ).
2. Die Überlieferung: f. Kurbrandenburg
Das brandenburgische Kurfürstenratsprotokoll besteht wie das mainzische hauptsäch- lich aus Reinkonzepten, außerdem aus Berichten über die einzelnen sessiones, die wie bei Kurbayern in die Relationen eingearbeitet wurden. Zu unterscheiden sind das Prothocol zu Oßnabrück: Kurbrandenburg Rk I (1645 VI 18, VII 10, 11) , das Prothocol im churfürstenrath zu Münster: Kurbrandenburg Rk II (1647 I 21–1647 VII 3, 1648 X 2 – 1649 I 5, 1649 IV 17 – 1649 V 17) , das Oßnabrüggische letztere protocollum im churfürstenrhat vom 26. April biß auff dem 2. Sept. 1648 (st. v.): Kurbrandenburg Rk III . Diese Protokollfaszikel sind also genau wie das kurkölnische originalprotocoll nicht rein chronologisch, sondern nach den Kongreßorten, an denen die Sitzungen statt- fanden , angelegt worden; Kurbrandenburg Rk II setzt Rk III nach der erneuten Tagung des Kurfürstenrats in Münster (seit 1648 X 2) fort. Es handelt sich ein- deutig um halbbrüchig bis ganzseitig beschriebene, lose liegende Reinkonzepte der Gesandtschaftsregistratur, die von dem secretario legat[ionis] h[ern] Paul Kemnitzen An[no] 1649 m[ense] Sept[embris] bey dem churf [ürstlichen] archiv eingegeben worden sind. Die meisten Protokolle stammen von der Hand des Kammer- und Legationssekretärs Kemnitz , der ausdrücklich vermerkte, wenn er ein Protokoll begann oder fortsetzte . Außerdem haben der Legationssekretär ad interim Johann Samuel FehrNach DLöben II fol. 114 haben herr Heiden, herr D. Portmann undt secretarius Schletzer, alle drey, das kurbayerische Votum in causa Palatina ( wahrscheinlich 1646 II 14, unten Nr. [ 66 S. 477f. ] ) vleissigk verzeichnedt. Vgl. auch ebd. I fol. 153’, 154.
Vgl. Löben an Burgsdorff, Osnabrück 1645 VII 3/13: Alle Vorgänge pflege ich ins diarium zu verzeichnen, welches ich allemahl [...] herrn Dr. Fritzen bey abfassungen der relationibus communicire, darauß dan die nova auch genommen undt denen [...] relationibus beygesetzedt werden (DZA Merseburg Rep. 12 nr. 122b fol. 7 ).
Originalinstruktion für Münster 1644 XII 4 ( DZA Merseburg nr. 121 fol. 21’ ). Wohl auch deshalb, weil die Relationen bis auf 40 Folien anwuchsen, erließ Kf. Friedrich Wilhelm 1651 die Anordnung, jeweils nach Gegenständen gesonderte Relationen bzw. Postskripte zu verfassen und getrennt abzulegen ( Meinardus , Protokolle VI S. VIII).
3. Die Abhängigkeit der Protokoll-Provenienzen untereinander
Die Überlieferungsformen innerhalb der einzelnen Protokoll-Provenienzen sind, abge- sehen von den textlichen Unterschieden zwischen den ursprünglichen Mitschriften und dem Konzept, in der Regel identisch, d. h. im Wortlaut gleich, mit kleineren Ab- schreibfehlern . Die Provenienzen untereinander hingegen können, wie teilweise in den Diarien, bis zur völligen Verschiedenheit im Wortlaut und in der Sache auseinander- gehen ; dies rührt meist daher, daß nicht ordentlich protokolliert worden ist. Wurden die einzelnen Protokolle, die im Kurfürstenrat von jedem Kurstand selbständig geführt
worden waren, nicht nachträglich miteinander abgestimmt, verglichen oder gar kollatio- niert wie im Fürstenrat Osnabrück
Siehe oben S. [ XCIII Anm. 6 ] . Das Bestreben, ein authentisches Fürstenratsprotokoll zu ver- fertigen , rührte auch von dem komplizierten Beratungsmodus her: Da erst die Auszählung der (Fürstenrats-) Voten in Münster und Osnabrück das korrekte Conclusum ergab, mußten zumin- dest über die Voten unbezweifelbare Aufzeichnungen existieren; auch wurde die mainung im Osnabrücker Fürstenrat zur Proposition in Münster und umgekehrt. Die nächste Stufe war hier wie bei den CC -Beratungen die Diktatur der Protokolle. Vgl. MEA FrA Fasz. 14 nr. 41.
, so stimmen sie gewöhnlich bei abweichendem Wortlaut, abgesehen von manchen gleichen oder ähnlichen Formulierungen, die dann Rückschlüsse auf das wirklich Gesagte zulassen, nur inhaltlich überein. Gegenseitige Beeinflussung der sechs Kurfürstenratsprotokolle zum Zeitpunkt ihrer Entstehung wird also überall dort ersichtlich, wo Protokolle identisch sind, wo einige oder alle sechs Protokollanten sich auf eine Fassung geeinigt haben, oder wo sich zwischen den einzelnen Provenienzen mehr oder minder ausgeprägte Übereinstimmungen in Wort- laut , Formulierung oder Satzbau ergeben haben. Der erste Fall, Identität, ist für die hier edierten Protokolle der Jahre 1645–1647 selten. Interessanter sind die gleich- lautenden oder fast gleichlautenden Passagen, weil in ihnen Ansätze zu einer gemein- schaftlichen Redaktion der Protokolle sichtbar werden, zumal wenn Rapulare und Konzepte von mehreren Überlieferungen erhalten sind. Diese Stellen werden deshalb stets in den Varianten angezeigt; sie differieren in Umfang und Häufigkeit zwischen einzelnen Provenienzen von Sitzung zu Sitzung und sogar innerhalb der Sitzungen und der Voten.
Textliche Gemeinsamkeiten, die auf gegenseitige Abhängigkeit deuten, sind für das Jahr 1645 vor allem zwischen
Kurmainz und
Kurbrandenburg sowie zwischen
Kurmainz und
Kurbayern
festzustellen. Gleichlautende Formulierungen zwi- schen dem kurmainzischen und dem kurbrandenburgischen Protokoll ergeben sich besonders im kurmainzischen und im kurbrandenburgischen Votum, aber auch für andere Teile des Protokolls wie das kurkölnische Votum, deren Text für die zwischen
Kurmainz und
Kurbrandenburg gleichlautenden Passagen von
Kurbayern und
Kurköln (mit jeweils wieder anderem Text) abweicht
. Ähnlich sind die Beziehungen zwischen
Kurbayern und
Kurmainz
: auch hier annähernde Gleich- heit der kurbayerischen und kurmainzischen Voten, die noch häufiger auftritt; dazu kommen gleichlautende Zwischenstücke aus anderen Voten
Aus den Voten von Kurköln (1645 I X 28, Nr. 49 S. 432) und Kurbrandenburg (1645 VIII 31, Nr. 39 S. 245), siehe auch Nr. [ 43 ] (1645 I X 18).
. Diese Gemeinsamkeiten der Formulierung steigern sich für einzelne Sitzungen bis zur Identität. Nur eine Sitzung hat Kurbayern anfangs dem kurkölnischen Protokoll entnommen
. Wie der Vergleich der Rapulare und Konzepte zeigt, sind die Abhängigkeiten in den Voten der eigenen und der Gegen-Überlieferung durch schriftlichen Austausch entstanden: Der kurmainzische Protokollist Beck hat bereits in seinem Rapular von einer kur- brandenburgischen Aufzeichnung des brandenburgischen Votums abgeschrieben
. Die kurbrandenburgischen Voten sind in
Kurmainz Rk auch länger als in der kurköl- nischen , kurbayerischen und (ab 21. Oktober 1645) kurtrierischen Überlieferung und haben einen anderen Text
. Obwohl das kurbrandenburgische Protokoll für 1645–1646 fehlt, kann aus dem Gleichklang der kurbrandenburgischen Originalvoten vom 12. Februar und vom 8. März 1646 (Abschrift in
Kurbayern K II beiliegend)
[ Nr. 67 S. 462 ] (Kasten schwarz 7665 fol. 95’-104’, 106–117’), [ Nr. 74 S. 515 ] , [ 517 ] ( ebd. fol. 168).
mit der kur- mainzischen Überlieferung des brandenburgischen Votums der gleichen Sitzungen geschlossen werden, daß in
Kurmainz Rk das brandenburgische Votum temporär stärker berücksichtigt worden ist als in den anderen Protokollen. Vice versa hat der brandenburgische Sekretär Kemnitz aus dem ursprünglichen Text der kurmainzischen Propositionen und Voten in
Kurmainz geschöpft
.
Die kurbayerischen Sekretäre haben Teile aus dem kurmainzischen Konzept des kur- mainzischen und darüber hinaus des kurkölnischen Votums wörtlich übernommen; die Exzerpte setzten sie an den Rand ihres Rapulars
Nr. [ 39 (1645 VIII 31) S. 237f. ] , [ 248f. ] , [ 49 S. 432f. ] , wohl auch Nr. [ 44 (1645 IX 20) S. 291f. ] , [ 298f. ] , Nr. [ 52 (1645 X 15: kurmainzische Proposition und kurkölnische Voten) ] , Nr. [ 54 (1645 X 21) ] .
. Im Gegensatz zu der sonst stichwortartig gehaltenen Mitschrift in
Kurbayern Rp lauten diese Marginalzu- sätze mit
Kurmainz K und
Kurbayern K gleich. Teilweise geht
Kurbayern K allerdings – vor allem für die außermainzischen Voten – auf ein stichwortartiges kurbayerisches Rapular und damit auf eine autogene Vorstufe zurück
Nr. 44 S. 299–301 (im kurbayerischen Votum), Nr. [ 45 ] , Nr. [ 46 (1645 IX 21) ] , teilweise Nr. [ 49 ] , Nr. [ 51 S. 348ff. ] außerhalb der kurbayerischen Voten.
; es divergiert dann textlich von
Kurmainz K. Wenn außerhalb des kurbayerischen Votums
Kur- bayern Rp,
Kurbayern K und
Kurmainz K gleichlautend sind, ist
Kurbayern K keine interne Weiterentwicklung eines eigenständigen Rapulars und
Kurbayern Rp selbst nicht originell. Abschreibfehler und Verschlimmbesserungen in
Kurbayern K gegenüber
Kurbayern Rp und damit auch
Kurmainz K weisen als Vorlage von
Kurbayern Rp ein meist noch unverbessertes kurmainzisches Konzept aus
. Das Konzept von
Kurbayern kann aber auch direkt aus
Kurmainz entlehnt worden sein; dann existiert ein eigenes kurbayerisches Rapular, das die Konzeptstufe nicht erreicht hat, neben dem – nicht autogenen – Text von
Kurbayern K
. Hat der Text von
Kurmainz bereits in
Kurbayern Rp Eingang gefunden, so zeigt sich eine gewisse Eigenständigkeit des kurbayerischen Konzipisten doch in den teilweise rigorosen Kürzungen, die er an dem entlehnten Text von
Kurbayern Rp vornahm
So Nr. [ 46 S. 319f. ] (kurmainzische Proposition), auch teilweise Nr. [ 44 ] . Genauso wurde mit eigenständigen kurbayerischen Rapularen verfahren. Vgl. Nr. [ 73 (1646 III 3) S. 510 ] , [ 514 ] .
. Zur Vorlage von
Kurbayern Rp bzw. K ist zu sagen, daß das kurmainzische
Rapular im Juli und dann vom September bis Dezember 1645 von Kurbayern kaum ausgeschrieben worden sein dürfte: Es ist in diesen Monaten von Beck nur steno- grammartig geführt worden und enthielt gerade nicht die Proposition und das kur- mainzische Schlußvotum, auf die es den bayerischen Sekretären besonders ankam: Möglicherweise hat der kurmainzische Gesandte J. Adam Krebs seine meist sorg- fältigen Protokollnotizen der politisch nahestehenden kurbayerischen Gesandtschaft zugänglich gemacht. Wo die kurbayerischen Voten in
Kurmainz K mit dem – nicht verbesserten – Urtext von
Kurbayern Rp und mit
Kurbayern K über- einstimmen , dort sind aller Wahrscheinlichkeit nach Übernahmen aus dem kur- bayerischen Rapular ins kurmainzische Konzept erfolgt
. Dabei kann
Kurbayern Rp jeweils bereits ein schriftliches Votum zugrunde gelegen haben, das von den kur- bayerischen Gesandten in Münster, Haslang und J. Adolf Krebs, zum Gebrauch in der Sitzung vorformuliert worden war. Möglicherweise hat Kurbayern seine Position als ordentlicher Deputierter des Kurkollegs (anstelle von Kurpfalz) dadurch festigen wollen, daß es sein Protokoll mit dem Reichsprotokoll abstimmte; die Re- und Corre- lationen hat Kurbayern jedenfalls, nach den erhaltenen Rapularen zu schließen, ori- ginal mitgeschrieben
Siehe Nrr. [ 41 S. 260f. ] , [ 46 S. 321 ] , [ 52 S. 365 ] , [ 98 (1646 IX 2) S. 665 ] , [ 123 (1647 VII 10) S. 821 ] . Vielleicht wirkte hier auch die Tradition der Ligatage nach, auf denen nur Kurmainz und Kurbayern aus Gründen der Geheimhaltung Protokolle führen sollten ( Neuer - Landfried S. 206 ). Auf dem Mühlbausener Kurfürstentag unterschieden sich die kurmainzischen und kur- bayerischen Kurfürstenratsprotokolle noch sehr voneinander ( Henk S. 12, 57, 66, 103 ).
.
Durchweg sind die eigenen Voten in der eigenen Überlieferung nach ihrem partiellen Austausch noch einmal überarbeitet, d. h. verbessert, zusammengestrichen oder mit kleineren oder größeren Zusätzen versehen worden
Nrr. [ 27 S. 180ff. ] , [ 28 S. 187 ] , [ 39 S. 239–241 ] , [ 244 ] , Nr. [ 43 S. 275 ] , [ 45 S. 317 ] .
. So sind Interlinear- und Marginal- korrekturen , die zum kurmainzischen Votum in
Kurmainz K gemacht worden und bei der zweiten Konzipierung in
Kurmainz Rk eingeflossen sind, in
Kurbayern K nicht mehr enthalten, genau wie kurbayerische Verbesserungen in
Kurbayern K nicht mehr in
Kurmainz Rk; häufiger als in den anderen Überlieferungen ist das kurbayerische Votum in
Kurbayern K von der Hand des Gesandten J. Adolf Krebs nachgetragen worden. Der Kurstand, der Partner einer wechselseitigen Ab- stimmung der Protokolle war, konnte das fremde Votum zunächst nur in einer vor- läufigen Fassung seinem Protokoll einverleiben. Der Austausch des Originalvotums, und zwar in der Reinschrift der das Votum produzierenden Kanzlei, blieb der Aus- nahmefall für wichtige Anlässe: Das fremde Votum wurde dann dem eigenen Proto- koll -Konzept förmlich beigelegt statt – wie sonst – in seinen wesentlichen Teilen exzerpiert. Nur Kurmainz achtete streng darauf, daß die eigene Kanzlei von dem beizulegenden Votum Abschrift nahm und es dabei zumindest in indirekte Rede transponierte
; die Beiheftung einer Reinschrift fremder Provenienz zum Reichs- protokoll war offenbar verpönt.
Die enge Zusammenarbeit der kurmainzischen Protokollisten mit ihren kurbaye- rischen Kollegen lockerte sich nach der Ankunft Raigerspergers am 10. Dezember 1645. Das kurmainzische Protokoll wirkt seither straffer und konzentrierter,
Kur- bayern K rekurriert wieder stärker auf eine originale kurbayerische Mitschrift.
Während es
Kurtrier , vor allem in den ersten Protokollen, gelang, bei aller Knapp- heit der Diktion den vollen sachlichen Gehalt des Gesagten zum Ausdruck zu bringen, ergaben sich bei
Kurmainz mit zunehmender Knappheit auch inhaltliche Abstriche. Fragen des Zeremoniells wurden nun kürzer behandelt, Diskussionen, die kurmainzische Direktorialrechte tangierten, sogar mit souveräner Kürze wiederge- geben – so z. B. die Erörterung der Frage, ob das kurbrandenburgische Votum dem kurfürstlichen Gutachten über die erste Klasse der schwedischen Replik nur beige- legt oder inseriert, d. h. eingearbeitet werden sollte
Siehe Nr. [ 78 (1646 III 28) S. 555ff. ] (vgl. DLöben II fol. 134); Nr. [ 91 (1646 VI 7) S. 621 ] : Prokaiserliche Änderung des Protokolls durch Raigersperger, der im kurmainzischen Votum angesichts der kurbrandenburgischen Bitte um die Unterstützung der Reichsstände gegen die schwe- dischen Satisfaktionsansprüche auf Kurbrandenburgs früheren Rat verweist, die Satisfaktion der Franzosen sogleich zu behandeln. Nr. 220 (1647 VI 17) berichtet Kurmainz recht verhalten darüber, aus welchen Voten die vom Direktorium zu konzipierenden Schreiben an das Reichs- kammergericht zusammenzustellen seien.
. Bereits die dokumentierte Existenz solcher Erörterungen konnte das alleinige Auskunftsrecht des kurmain- zischen Direktoriums bei späteren Streitfällen einengen. Hinter dem kanzleitech- nischen Vorgang der Straffung des kurmainzischen Protokolls stand zweifellos eine politische Begründung: Die Weitschweifigkeit wich unter Raigerspergers Regie
Vgl. Kurmainz Rk in Nr. [ 59 (1645 XII 23) S. 396–403 ] mit Kurmainz Rk der vorher- gehenden Sitzungen.
der Konzentration, die Offenlegung des eigenen Protokollkonzepts dem Ausschluß anderer Kollegglieder von authentischen Reichsprotokoll.
Kurmainz redigierte sein Protokoll aber auch fortan keineswegs isoliert. Es hat Konzepte seiner Proposition weiterhin den Protokollanten anderer Kurstände: Kur- sachsen , Kurbrandenburg, Kurtrier, Kurbayern zugänglich gemacht, es hat sich jedoch die abschließende Überarbeitung des ausgetauschten Propositionskonzepts nicht nehmen lassen und sogar durch den Entwurf mehrerer Propositionen; die inhaltlich voneinander abwichen, sich Handlungsspielraum verschafft
Nrr. [ 102 (1646 XI 8) S. 678 ] , [ 116 (1647 IV 29) S. 768 ] : Für diese Sitzung ist neben Kur- mainz Rk eine Proposition zusätzlich überliefert, die inhaltlich nicht mit der Proposition in Kurmainz Rk, sondern mit den ausführlicheren Kurtrier zA, spA und Kurbrandenburg Rk II übereinstimmt. Für Nr. [ 94 (1646 VIII 23, S. 635) ] sind drei Propositionen vorhanden: eine kurze Zusammenfassung der Proposition in einer nur Proposition und Conclusum enthaltenden Reinschrift, ein von Raigersperger überarbeitetes Konzept und eine Reinschrift, die in Einzel- heiten sowohl vom Urtext wie vom Endtext des Konzepts abweicht und die Tendenz der Propo- sition , Bejahung der Übergabe Philippsburgs an Frankreich, etwas mildert. Vgl. auch J. Adam Krebs’ Propositionskonzepte für 1645 VII 10, 11, VIII 31, IX 2. Hier ist erst durch Wort- vergleich mit den übrigen Überlieferungen feststellbar, ob die ursprünglichen oder die von Kurmainz abgeänderten Passagen zum Vortrag gekommen sind. Durch Übernahme des von Kurmainz zum Austausch zugelassenen Propositionskonzepts wurden aber auch die anderen Provenienzen ungenau, so daß die häufig zu beobachtende Übereinstimmung zwischen dem ersten Text von Kurmainz K und anderen Provenienzen gerade an der wirklichen Fassung des kurmainzischen Eröffnungsvor- trages vorbeigehen kann. Siehe auch Nrr. [ 64 (1646 I 29) S. 427f. ] , [ 75 (1646 III 13) S. 525 ] .
. Im Gegenzug benutzte
Kurmainz die Originalvoten der anderen Überlieferungen: das trierische Votum aus Kurtrier, das bayerische aus Kurbayern, das sächsische aus Kursachsen, das branden- burgische aus Kurbrandenburg, seltener das kölnische aus Kurköln. Dieses Verfahren, das allerdings nur für einzelne Sitzungen direkt nachweisbar ist, mochte Kurmainz grundsätzlich damit rechtfertigen, daß es das Reichsprotokoll auf einen angemes- senen Stand bringen müsse
Nr. [ 113 S. 750 ] : Das kurbrandenburgische Votum soll Kurmainz pro extractu faciendo zugeschickt werden.
. Kurmainz konnte sein Protokoll mit den Voten, die aus fremden Provenienzen extrahiert waren, wiederum zur Benutzung weitergeben, so daß Dritte von dem ihnen sonst nicht zugänglichen schriftlichen Votum einer Fremd- provenienz ergänzend Nachricht erhielten: So stimmt
Kurköln mit
Kurmainz nicht nur im kurkölnischen, sondern auch im kurbrandenburgischen Votum, das in
Kurmainz allerdings etwas ausführlicher ist, formulierungsmäßig überein
, mehr- mals
Kurmainz mit
Kurbayern im kurkölnischen und kurtrierischen Votum
Und zwar auch nach der Ankunft Raigerspergers (dessen Anwesenheit in der Sitzung von 1645 XII 23 erstmals vermerkt ist): Nrr. [ 66 S. 453f. ] , [ 77 (1646 III 21) S. 548 ] , [ 79 (1646 IV 10) S. 561f. ] , siehe unten S. [ CVII Anm. 2 ] .
,
Kurmainz mit
Kurtrier
und mit
Kurbrandenburg im kurkölnischen Votum
. Hier sind allerdings auch wieder die Fälle möglich, daß ein eigenständiges kurmainzisches Konzept dem anderen gleichlautenden Protokoll zugrunde liegt oder die zwei parallelen Überlieferungen in den in beiden gleichlautenden Fremdvoten direkt auf die Provenienz zurückgehen, die das Votum produziert hat. So haben Kurbayern und Kurmainz von Februar bis April 1646 mehrfach das kurtrierische Votum, das ihnen von Kurtrier zugestellt wurde, ganz übernommen, wie Kurbayern sogar beigelegt oder doch stark ausgeschrieben
Erklärlich aus der Bedeutsamkeit des ersten, kurtrierischen Vo- tums : Nrr. [ 68 (1646 II 14) S. 471f. ] , [ 71 (1646 II 26) S. 493–497 ] , [ 81 S. 568f. ] , wichtig auch das einzige evangelische Votum zur Amnestiefrage (Kurbrandenburg 1646 II 12) Nr. 67 S. 462–466.
: Von hier erklären sich dann die weiterdauernden textlichen Gemeinsamkeiten zwischen
Kurmainz Rk und
Kur- bayern K. Während sich Kurköln in Sachen der Protokollführung weitgehend distanziert verhielt, gleichwohl aber seine eigenen Protokoll-Reinschriften an den bayerischen Kurfürsten verschickte und auch Kurtrier zur Abschrift überließ
So die Sitzungsprotokolle der Lengericher Konferenz (Nrr. [ 26 ] – [ 28 ] ). Für 1647 III 27 ( [ Nr. 113 ] ) hat Kurköln das kurmainzische Votum, Conclusum samt Re- und Correlation offenbar von Kurtrier kopiert; 1647 III 28 (Nr. [ 114 ] ) lautet Kurköln mit Kurtrier / Kurbranden- burg gleich. 1647 VII 10 (Nr. [ 123 ] ) ist das kurkölnische Votum – offenbar wegen Behandlung der für Kurköln wichtigen hessischen Satisfaktion – an die anderen Überlieferungen gegangen.
, pflegten die übrigen katholischen Kurstände bis zu dem bezeichneten Grad den gegenseitigen Austausch ihrer Voten und Protokollkonzepte.
Die weiteren Abhängigkeiten, die bis September 1647 sichtbar werden, hielten sich nicht in konfessionellen Grenzen. Die gemeinsame Redaktion des kurtrierischen und
kurbrandenburgischen Protokolls war möglicherweise von der extravaganten Weisung des Trierer Kurfürsten eingegeben, enge Verbindung zum protestantischen Kurbrandenburg zu halten
. Die Redaktionsgemeinschaft ist nur für die Sitzungen des Jahres 1647 exakt festzustellen, weil
Kurbrandenburg Rk (II) erst am 21. Januar 1647 wieder einsetzt; sie hat aber vielleicht schon für die Sitzung vom 28. August 1646 bestanden, wo
Kurtrier (zA) keinen autochthonen Eindruck mehr macht
: Statt gewohnter konzentrierter Kürze herrschen hier lange Satzgefüge und Parti- zipialkonstruktionen , die für
Kurbrandenburg Rk typisch sind;
Kurtrier hat auch keine Anklänge an den Text der anderen bekannten Provenienzen. In acht Sitzungen sind
Kurbrandenburg Rk II und
Kurtrier zA (1647 I 21 – 1647 V 22) über die gesamte Sitzungsdauer hinweg gleichlautend
. Dabei hat, wie aus Abschreibfehlern eindeutig hervorgeht,
Kurtrier das kurbrandenburgische,
Kur- brandenburg das kurtrierische Votum übernommen, und die Protokollisten beider Gesandtschaften haben natürlich jeweils ihr eigenes Votum im Protokoll beibehalten. Wegen des Fehlens kurtrierischer und kurbrandenburgischer Rapulare und Konzepte ist nicht mehr sicher auszumachen, welches der beiden Protokolle für die Fremdvoten, die nicht der Gegenprovenienz entnommen wurden, jeweils die Vorlage stellte. Nach Stil und Abschreibfehlern kann für etliche Sitzungen Kurbrandenburg, für andere Kurtrier primär gewesen sein. Die Protokollisten dieser beiden Provenienzen haben ihr jeweils eigenes Votum nicht nur gegenseitig ausgetauscht, sondern auch zeitweise Kurköln, Kurmainz
So gingen die Voten Kurtriers, Kurbrandenburgs und Kursachsens in der Sitzung 1647 III 18 (Nr. [ 112 ] ) auch an Kurmainz.
und Kursachsen übermittelt.
Die
intimation des eigenen Votums in fremde Protokolle hat am konsequentesten Kursachsen betrieben. Ab der Sitzung vom 4. August 1647, in der Kursachsen erst- mals den Rat besuchte, lautet das kursächsische Votum regelmäßig in fast allen Protokollen gleich
Eine Ausnahme macht Kurköln, das z. B. 1646 XI 8 (Nr. [ 102 ] ) das kursächsische Votum nicht übernimmt.
; es ist in
Kursachen Rs, um die Eingangsfloskeln und um kleinere nachträgliche Zusätze erweitert, meist noch etwas ausführlicher
. Kursachsen hat aber auch regelmäßig von Protokollkonzepten anderer Provenienz Abschrift genommen. Zunächst übernahm es das Protokoll der Re- und Correlation, die am 27. April 1646 in Osnabrück stattfand, von Kurbrandenburg
Nr. [ 85 ] : Einmal ist in Kursachsen freier Raum für einen Nachtrag gelassen, der in Kur- brandenburg enthalten ist, statt Kurbayern beißt es wie im kurbrandenburgischen Protokoll nur Bayern. Kurmainz ist völlig autochthon, obwohl J. Adam Krebs sonst austauschfreudig war; möglicherweise wollte Kurbrandenburg Kursachsen über die gemeinsame Protokoll-Redaktion für seinen Plan gewinnen, einen zweiten Kurfürstenrat in Osnabrück zu eröffnen.
. Es folgte eine Serie von Sitzungen, deren Protokollierung zwischen Kurbayern und Kursachsen dergestalt abgestimmt wurde, daß Kursachsen den Austausch seines Votums zeitweise – und
wohl für die Mehrzahl der Sitzungen – durch Übernahme des kurbayerischen Proto- kolltextes ausglich
; allerdings hängt
Kurbayern , das wiederum sein Votum
Kur- sachsen gab, für manche Sitzungen auch vom kursächsischen Text (auch außerhalb des kursächsischen Votums) ab
. Die Abhängigkeit
Kursachsens von
Kurbay- ern wird weniger daraus ersichtlich, daß
Kursachsen die kurbayerischen Ver- besserungen enthält, denn diese konnten, zumal im kurbayerischen Votum, noch nach dem Austausch hinzugesetzt werden
Vgl. Nr. [ 97 (1646 IX 22) ] : kurbayerisches Votum der zweiten Umfrage mit nachträglichen Krebs-Korrekturen.
: Hier sind eher die Abkehr von der kur- sächsischen knappen Diktion und die analoge Abhängigkeit
Kursachsens von anderen Protokollen zu berücksichtigen. Umgekehrt sind typische Wendungen des kursächsischen Stils, Abkehr
Kurbayerns vom eigenen Rapular (wie vorher beim Verhältnis
Kurbayern
-
Kurmainz ) und protestantischer Datierungsbrauch im gemeinsamen Text für die Abhängigkeit des kurbayerischen Konzepts bezeichnend. Für eine Sitzung unterhielt Kursachsen Redaktionsgemeinschaft mit Kurbayern und mit Kurbrandenburg im kurmainzischen Votum, das von beiden gleich dargestellt ist
.
Kursachsen Rs weicht dann über ganze Sitzungen hinweg, nicht nur für einzelne Voten, von
Kurbayern K ab und läuft textlich
Kurmainz Rk
Nrr. [ 100 (1646 X 24: Pommernfrage) ] und [ 102 (1646 XI 8: Pommernfrage) ] in der Proposition, [ 117 ] (iura statuum) in der Propo- sition auch mit Kurbayern .
, dann
Kurköln zA, spA parallel
Nr. [ 105 (1646 XII 31: Pommernfrage) S. 691 ] : Wie vorher von Kurbayern das kurbayerische, so wird nun von Kurköln das kurkölnische Votum übernommen; Nr. 106 (1647 I 1: Pommern- frage ) S. 695ff.
. Die Abhängigkeiten
Kursachsens von
Kurbay- ern ,
Kurmainz und
Kurköln werden vor allem in den Beratungen über die Pommernfrage deutlich: In dieser prekären Frage wollte Kursachsen offenbar nicht das Risiko einer völlig selbständigen und darum angreifbaren Protokollführung tragen. Wenn Kursachsen eine solche wechselseitige Abstimmung der Protokolle – mit deut- lichen Ansätzen zu Ausgewogenheit – unternahm, so ist dies aber auch als Versuch deutbar, ein einheitliches Kurfürstenratsprotokoll zu schaffen. Als Direktorium des Corpus Evangelicorum und als Inhaber des Erzmarschallamts, der in die Kanzlei- geschäfte des Reichstags bevorzugt eingeschaltet war, konnte Kursachsen durchaus den Ehrgeiz einer Einflußnahme auf das kurfürstliche Reichsprotokoll entwickeln; die auch teilweise einheitlichen Protokolle des Fürstenrats Osnabrück und des Corpus Evangelicorum sind hauptsächlich von sächsischen Sekretären kollationiert worden.
Am Beispiel
Kursachsens zeigt sich, daß die Annäherung der verschiedenen Pro- tokoll -Provenienzen in Richtung auf ein Einheitsprotokoll erst dann erreicht wurde, wenn nicht mehr nur jeweils zwei Kurstände bei der Fertigstellung ihres Protokolls eng zusammenarbeiteten (
Kurmainz
/
Kurbayern , dann
Kurtrier
/
Kurbranden- burg
,
Kurbayern
/
Kursachsen ), sondern wenn jede Gesandtschaft bereit war, ihr schriftliches Votum innerhalb des gesamten Kollegs bekanntzugeben (zu
propaliren) und selbst reihum abwechselnd die Protokolle der anderen zur Vorlage zu nehmen. Der Herausgabe des eigenen Votums, das – mit Vorbehalt – zur Text- grundlage der anderen Protokolle werden sollte, entsprach idealtypisch die Verar- beitung oder wörtliche Übernahme der Voten jedes anderen Kurstandes aus dessen eigenem Protokoll. Ein solches „ideales“ Protokoll ist nicht zustande gekommen. Am nächsten kommen ihm die Überlieferungen der Sitzung vom 6. Mai 1647 über die
iura electorum
S. 772–790; damit vergleichbar Nr. [ 112 (1647 III 18: Pfälzische Frage) S. 732ff. ] : Soweit es sich wegen Fehlens von Kursachsen Rs nachprüfen läßt, haben hier Kurtrier und kurbranden- burg ihre Voten ausgetauscht, Kurmainz hat die Voten dieser beiden und das Votum Kursachsens herangezogen.
. Außer in
Kurköln sind hier das kurtrierische und das kur- sächsische Votum in allen Überlieferungen gleichlautend, und zwar auf der Grundlage der Provenienz des jeweiligen Votums; beide Voten sind also von allen Mitgliedern des Kollegs, abgesehen von Kurköln, ausgeschrieben worden. Der abweichende Text von
Kurbayern Rp im kurtrierischen Votum bestätigt dies nur.
Kurköln hat kein fremdes Votum übernommen, aber immerhin das seinige an das hier gleich- lautende
Kurbayern
K abgegeben. Kurtrier und Kurbrandenburg haben ihr Votum jeweils ausgetauscht und beide noch das kursächsische Votum aus
Kursachsen rezi- piert , haben aber die restlichen drei Voten nicht im Original der jeweiligen Provenienz entgegengenommen, sondern nur gemeinsam redigiert;
Kurbrandenburg war dabei wahrscheinlich eher Vorlage für
Kurtrier als
Kurbayern K wie gewohnt überein;
Kur- bayern K rekurriert aber dann wieder – abgesehen von den entlehnten Voten, auf
Kurbayern Rp. Nach Voten unterteilt zeigen die Protokolle, ersichtlich aus ihren gleichlautenden Teilen, folgende Abhängigkeiten:
Siehe oben S. [ XCIII Anm. 6 ] . Das Bestreben, ein authentisches Fürstenratsprotokoll zu ver- fertigen , rührte auch von dem komplizierten Beratungsmodus her: Da erst die Auszählung der (Fürstenrats-) Voten in Münster und Osnabrück das korrekte Conclusum ergab, mußten zumin- dest über die Voten unbezweifelbare Aufzeichnungen existieren; auch wurde die mainung im Osnabrücker Fürstenrat zur Proposition in Münster und umgekehrt. Die nächste Stufe war hier wie bei den CC -Beratungen die Diktatur der Protokolle. Vgl. MEA FrA Fasz. 14 nr. 41.
Aus den Voten von Kurköln (1645 I X 28, Nr. 49 S. 432) und Kurbrandenburg (1645 VIII 31, Nr. 39 S. 245), siehe auch Nr. [ 43 ] (1645 I X 18).
[ Nr. 67 S. 462 ] (Kasten schwarz 7665 fol. 95’-104’, 106–117’), [ Nr. 74 S. 515 ] , [ 517 ] ( ebd. fol. 168).
Nr. [ 39 (1645 VIII 31) S. 237f. ] , [ 248f. ] , [ 49 S. 432f. ] , wohl auch Nr. [ 44 (1645 IX 20) S. 291f. ] , [ 298f. ] , Nr. [ 52 (1645 X 15: kurmainzische Proposition und kurkölnische Voten) ] , Nr. [ 54 (1645 X 21) ] .
Nr. 44 S. 299–301 (im kurbayerischen Votum), Nr. [ 45 ] , Nr. [ 46 (1645 IX 21) ] , teilweise Nr. [ 49 ] , Nr. [ 51 S. 348ff. ] außerhalb der kurbayerischen Voten.
So Nr. [ 46 S. 319f. ] (kurmainzische Proposition), auch teilweise Nr. [ 44 ] . Genauso wurde mit eigenständigen kurbayerischen Rapularen verfahren. Vgl. Nr. [ 73 (1646 III 3) S. 510 ] , [ 514 ] .
Siehe Nrr. [ 41 S. 260f. ] , [ 46 S. 321 ] , [ 52 S. 365 ] , [ 98 (1646 IX 2) S. 665 ] , [ 123 (1647 VII 10) S. 821 ] . Vielleicht wirkte hier auch die Tradition der Ligatage nach, auf denen nur Kurmainz und Kurbayern aus Gründen der Geheimhaltung Protokolle führen sollten ( Neuer - Landfried S. 206 ). Auf dem Mühlbausener Kurfürstentag unterschieden sich die kurmainzischen und kur- bayerischen Kurfürstenratsprotokolle noch sehr voneinander ( Henk S. 12, 57, 66, 103 ).
Nrr. [ 27 S. 180ff. ] , [ 28 S. 187 ] , [ 39 S. 239–241 ] , [ 244 ] , Nr. [ 43 S. 275 ] , [ 45 S. 317 ] .
Siehe Nr. [ 78 (1646 III 28) S. 555ff. ] (vgl. DLöben II fol. 134); Nr. [ 91 (1646 VI 7) S. 621 ] : Prokaiserliche Änderung des Protokolls durch Raigersperger, der im kurmainzischen Votum angesichts der kurbrandenburgischen Bitte um die Unterstützung der Reichsstände gegen die schwe- dischen Satisfaktionsansprüche auf Kurbrandenburgs früheren Rat verweist, die Satisfaktion der Franzosen sogleich zu behandeln. Nr. 220 (1647 VI 17) berichtet Kurmainz recht verhalten darüber, aus welchen Voten die vom Direktorium zu konzipierenden Schreiben an das Reichs- kammergericht zusammenzustellen seien.
Vgl. Kurmainz Rk in Nr. [ 59 (1645 XII 23) S. 396–403 ] mit Kurmainz Rk der vorher- gehenden Sitzungen.
Nrr. [ 102 (1646 XI 8) S. 678 ] , [ 116 (1647 IV 29) S. 768 ] : Für diese Sitzung ist neben Kur- mainz Rk eine Proposition zusätzlich überliefert, die inhaltlich nicht mit der Proposition in Kurmainz Rk, sondern mit den ausführlicheren Kurtrier zA, spA und Kurbrandenburg Rk II übereinstimmt. Für Nr. [ 94 (1646 VIII 23, S. 635) ] sind drei Propositionen vorhanden: eine kurze Zusammenfassung der Proposition in einer nur Proposition und Conclusum enthaltenden Reinschrift, ein von Raigersperger überarbeitetes Konzept und eine Reinschrift, die in Einzel- heiten sowohl vom Urtext wie vom Endtext des Konzepts abweicht und die Tendenz der Propo- sition , Bejahung der Übergabe Philippsburgs an Frankreich, etwas mildert. Vgl. auch J. Adam Krebs’ Propositionskonzepte für 1645 VII 10, 11, VIII 31, IX 2. Hier ist erst durch Wort- vergleich mit den übrigen Überlieferungen feststellbar, ob die ursprünglichen oder die von Kurmainz abgeänderten Passagen zum Vortrag gekommen sind. Durch Übernahme des von Kurmainz zum Austausch zugelassenen Propositionskonzepts wurden aber auch die anderen Provenienzen ungenau, so daß die häufig zu beobachtende Übereinstimmung zwischen dem ersten Text von Kurmainz K und anderen Provenienzen gerade an der wirklichen Fassung des kurmainzischen Eröffnungsvor- trages vorbeigehen kann. Siehe auch Nrr. [ 64 (1646 I 29) S. 427f. ] , [ 75 (1646 III 13) S. 525 ] .
Nr. [ 113 S. 750 ] : Das kurbrandenburgische Votum soll Kurmainz pro extractu faciendo zugeschickt werden.
Und zwar auch nach der Ankunft Raigerspergers (dessen Anwesenheit in der Sitzung von 1645 XII 23 erstmals vermerkt ist): Nrr. [ 66 S. 453f. ] , [ 77 (1646 III 21) S. 548 ] , [ 79 (1646 IV 10) S. 561f. ] , siehe unten S. [ CVII Anm. 2 ] .
Erklärlich aus der Bedeutsamkeit des ersten, kurtrierischen Vo- tums : Nrr. [ 68 (1646 II 14) S. 471f. ] , [ 71 (1646 II 26) S. 493–497 ] , [ 81 S. 568f. ] , wichtig auch das einzige evangelische Votum zur Amnestiefrage (Kurbrandenburg 1646 II 12) Nr. 67 S. 462–466.
So die Sitzungsprotokolle der Lengericher Konferenz (Nrr. [ 26 ] – [ 28 ] ). Für 1647 III 27 ( [ Nr. 113 ] ) hat Kurköln das kurmainzische Votum, Conclusum samt Re- und Correlation offenbar von Kurtrier kopiert; 1647 III 28 (Nr. [ 114 ] ) lautet Kurköln mit Kurtrier / Kurbranden- burg gleich. 1647 VII 10 (Nr. [ 123 ] ) ist das kurkölnische Votum – offenbar wegen Behandlung der für Kurköln wichtigen hessischen Satisfaktion – an die anderen Überlieferungen gegangen.
So gingen die Voten Kurtriers, Kurbrandenburgs und Kursachsens in der Sitzung 1647 III 18 (Nr. [ 112 ] ) auch an Kurmainz.
Eine Ausnahme macht Kurköln, das z. B. 1646 XI 8 (Nr. [ 102 ] ) das kursächsische Votum nicht übernimmt.
Nr. [ 85 ] : Einmal ist in Kursachsen freier Raum für einen Nachtrag gelassen, der in Kur- brandenburg enthalten ist, statt Kurbayern beißt es wie im kurbrandenburgischen Protokoll nur Bayern. Kurmainz ist völlig autochthon, obwohl J. Adam Krebs sonst austauschfreudig war; möglicherweise wollte Kurbrandenburg Kursachsen über die gemeinsame Protokoll-Redaktion für seinen Plan gewinnen, einen zweiten Kurfürstenrat in Osnabrück zu eröffnen.
Vgl. Nr. [ 97 (1646 IX 22) ] : kurbayerisches Votum der zweiten Umfrage mit nachträglichen Krebs-Korrekturen.
Nrr. [ 100 (1646 X 24: Pommernfrage) ] und [ 102 (1646 XI 8: Pommernfrage) ] in der Proposition, [ 117 ] (iura statuum) in der Propo- sition auch mit Kurbayern .
Nr. [ 105 (1646 XII 31: Pommernfrage) S. 691 ] : Wie vorher von Kurbayern das kurbayerische, so wird nun von Kurköln das kurkölnische Votum übernommen; Nr. 106 (1647 I 1: Pommern- frage ) S. 695ff.
S. 772–790; damit vergleichbar Nr. [ 112 (1647 III 18: Pfälzische Frage) S. 732ff. ] : Soweit es sich wegen Fehlens von Kursachsen Rs nachprüfen läßt, haben hier Kurtrier und kurbranden- burg ihre Voten ausgetauscht, Kurmainz hat die Voten dieser beiden und das Votum Kursachsens herangezogen.
KURMAINZ | KURTRIER | KURKÖLN | KURBAYERN [K] | KURSACHSEN | KURBRANDENBURG | |
Kmz. Votum | Kmz [Rp] | Ktr / Kbra | Kkö [Rp] | Kby / Ksa | Kby / Ksa [ Kmz ] | Ktr / Kbra |
Ktr. Votum | Ktr | Ktr | Kkö | Ktr | Ktr | Ktr |
Kkö. Votum | Kmz [Rp] | Ktr / Kbra | Kkö | Kkö | Ksa [Rp] | Ktr / Kbra |
Kby. Votum | Kmz [Rp] | Ktr / Kbra | Kkö [Rp] | Kby [Rp] | Ksa [Rp] | Ktr / Kbra |
Ksä. Votum | Ksa | Ksa | Kkö [Rp] | Ksa | Ksa | Ksa |
Kbra. Votum | Kmz [Rp] | Kbra | Kkö [Rp] | Kby [Rp] | Kby / Ksa | Kbra |
4. Konsequenzen für die Textgestaltung dieser Edition
Durch den zwei- oder mehrseitigen Austausch von Voten wurde die Eigenständigkeit der einzelnen Protokoll-Provenienzen relativiert, aber nicht aufgehoben. Vor allem die nachträgliche Verbesserung des eigenen Votums, nicht nur von Kurmainz geübt
Nr. [ 65 (1646 II 7: kurbayerisches Votum) S. 446.15 ] . Auch in den amtlich geführten Land- tagsprotokollen des 18. und den Kabinettsprotokollen des 19. Jahrhunderts blieb den Votanten das Recht zur Verbesserung ihrer eigenen Verlautbarungen ( Renger S. 97f., Rumpler ).
, entzog das eigene Protokoll der Kontrolle durch andere Protokollanten auch dort, wo formulierungsmäßig Angleichung erfolgt war. Kurmainz protokollierte nach anfäng- licher Zusammenarbeit mit Kurbayern und Kurbrandenburg wieder selbständig. Kur- trier , anfangs mit eigener Wortwahl und Diktion, arbeitete zumindest seit Januar 1647 mit Kurbrandenburg zusammen. Das Protokoll Kurkölns weist in der Formu- lierung viele Anklänge an
Kurbayern und
Kurmainz auf, ist aber bis Ende 1647 neben der kurmainzischen die am meisten autogene Niederschrift. Kurbayern ver- fertigte sein Protokoll meist in Redaktionsgemeinschaft mit Kur- mainz und dann mit Kursachsen, ließ aber wohl stets ein eigenes Rapular führen. Kursachsen stimmte nach anfänglicher Eigenständigkeit sein Protokoll abwechselnd mit den anderen Kur- ständen ab, wobei es mehr nahm als gab. Kurbrandenburg ließ zunächst mit Kurmainz, dann mit Kurtrier zusammenarbeiten, was es aber nicht hinderte, durch seine zahlreichen und erfahrenen Protokollanten original mitschreiben und auch konzipieren zu lassen. Überhaupt sind der Austausch und die gemeinsame Redaktion von Proto- koll -Texten wohl nur im Falle Kursachsens auf eine schwach besetzte Gesandt- schaftskanzlei zurückzuführen, obwohl auch hier die Übernahme fremder Protokoll-Konzepte mit politischer Absicht geschehen ist. Während Kurmainz sich die eigen- ständige Konzipierung des Reichsprotokolls als Recht des sozusagen amtlich bestellten Protokollführers vorbehalten zu müssen glaubte
, wird bei Kursachsen das Bemühen spürbar, ein einheitliches Protokoll des Kollegs zu erstellen, das die Mitschriften aller Einzelprotokollanten einschloß. Zu
einem Protokoll
des Kurfürstenrats an- stelle
der Protokolle
im Kurfürstenrat ist es aber von keiner der beiden Seiten gekommen: Kurmainz war nicht der einzige Protokollant des Kollegs geblieben. Ein „ideales“ Protokoll auf der Grundlage des jeweiligen Votums jeder der sechs Proveni- enzen war nicht nur technisch schwer realisierbar, denn jeder Kurstand hatte zwar ein Interesse an der Weitergabe seines eigenen Votums, nicht aber an der beständigen Wort-für-Wort-Verzeichnung aller anderen Voten; Fremdvoten wurden vor allem bei wichtigen Themen,
iura imperii, Amnestie, Satisfaktion und bei Gelegenheit programmatischer Äußerungen, die allgemein akzeptabel schienen, im eigenen Pro- tokoll zugelassen. Außerdem wollte jede Gesandtschaft die letzte Fassung des eigenen Votums, die für den Kurfürsten bestimmt war, sich offenhalten. Drittens wäre denk- bar gewesen, daß ein zwei- oder mehrseitig redigiertes Protokoll wie
Kurtrier
/
Kurbrandenburg ,
Kurbayern
/
Kursachsen die Basis eines Einheitsproto- kolls abgegeben hätte; so wurde das Osnabrücker Fürstenratsprotokoll von einem Sekretärskonsortium aus verschiedenen Gesandtschaften konzipiert, das zur Proto- kollführung abgestellt wurde
: Bei der Vielzahl der Fürstenratsvoten wäre über Votenaustausch ein gemeinsames Protokoll kaum zustande gekommen. Dieser letzte- ren Möglichkeit zur Herstellung eines Kurfürstenratsprotokolls hätte sich vor allem Kurmainz widersetzen müssen, weil es zwar nicht das einzige, wohl aber ein bevor- zugtes Protokoll führte
. Statt einer Integration der sechs Protokolle bzw. der authentischen Niederschrift eines legitimierten Protokollanten wurde im Kurkolleg gemeinsam-einheitliche Protokollführung nur in Ansätzen erreicht: in zwei- bis drei- seitiger Redaktion eines gemeinsamen Textes oder im temporären Austausch ver- schiedener Voten mit wechselnden Partnern. Erst 1648 werden die verschiedenen Kur- fürstenratsprotokolle durchweg textlich stärker aneinander angeglichen. Ihre Existenz und ihre vorwiegend partnerschaftlichen, gegenseitigen Abhängigkeiten machen deut- lich , daß die Protokollführung im Kurkolleg von den einzelnen Gesandtschaften während der ersten Jahre des Kongresses als Bestandteil ihrer sonstigen sorgfältig austarierten und abgewogenen, gleichen Prärogativen aufgefaßt worden ist.
Da eine abschließende Wiedergabe des Konferenzinhalts in Form eines einheitlichen Protokolls nicht geleistet worden ist, muß diese Aufgabe editorisch versucht werden. Die kritische Edition von Reichsratsprotokollen verschiedener Herkunft und Über- lieferungsform unterscheidet sich daher von der Edition eines autorisierten Protokolls anderer, etwa moderner Gremien, wo die Publizierung, z. B. in Form des steno- graphischen Berichts, eine wissenschaftliche Herausgabe praktisch ersetzt
Allerdings bringt die moderne Methode der Protokollierung auch besondere quellenkundliche Probleme mit sich: So finden z. B. die Reden deutscher Bundestagsabgeordneter erst nach Über- prüfung seitens der Redner im gedruckten Protokoll Aufnahme, ohne daß diese Kontrolle später aktenmäßig faßbar wäre wie die Verbesserung der Einzelvoten in den kurfürstlichen Protokollen 1645–1648.
.
1. Es geht bei Protokollen nicht um die Rekonstruktion eines einzigen Textes wie bei (Akten-)Schriftstücken, sondern um die annähernde Rekonstruktion dessen, was in den Konferenzen tatsächlich gesagt, aber in sechs eigenständigen Texten verschie- dener Provenienzen und Überlieferungsformen niedergelegt worden ist. Voraussetzung dafür ist, daß für jede Sitzung aus den überlieferten Protokoll-Provenienzen ein guter Text ausgewählt und sozusagen als Kommentar zu jeder Textstelle die sach- lichen Abweichungen der anderen Provenienzen in einem Variantenapparat vermerkt werden. Auch solche Redewendungen, die in einer Mehrzahl von Provenienzen ent- halten sind, müssen nicht wirklich gefallen sein. Bei den recht zahlreichen textlichen und sachlichen Divergenzen kann das Gesagte nicht mehr in allen Einzelheiten sicher erschlossen werden. Die Rekonstruktion muß bei dem Nachweis von Möglichkeiten stehenbleiben: Es lassen sich nur verschiedene Äußerungen oder – was häufiger ist – Nuancierungen von im Kern anscheinend klaren Aussagen dokumentieren. Zur Er- mittlung des Wirklichkeitsgrads dieser Aussagevarianten gibt es nur Anhaltspunkte, abgesehen von historischen Aussagen im Text, die in der Regel durch Anmerkungen erläutert worden sind: Wenn eine einprägsame Wendung und womöglich bildliche Umschreibung in verschiedenen, sonst textlich voneinander abweichenden Provenienzen
auftaucht, ist sie mit großer Wahrscheinlichkeit verwendet worden
Kurbayerns Vorwurf in Nr. [ 66 (1646 II 10) S. 459. 18f. ] , daß auß dem Römischen Reich ein mördergruben gemacht werde, findet sich ebenso in allen Überlieferungen, die Wendung intention in mente retenta (kurkölnisches Votum) in den sonst formulierungsmäßig voneinander abweichenden Kurmainz und Kurköln (Nr. [ 56, 1645 XI 4 S. 389. 28 ] ).
. Bei wichtigen Sonderproblemen werden die Gesandtschaftsberichte vergleichend herangezogen werden können. Auslassungen oder perspektivische Verzeichnungen und Übertreibungen, etwa in Fragen der Religion oder der französischen und schwedischen Satisfaktion, sind teilweise als Produkte der politischen Tendenz eines Protokolls zu erkennen. Ver- besserungen des eigenen Votums von der „feilenden“ Hand des votierenden Gesandten können, sofern in den anderen Protokollen sachlich nicht enthalten, als nachträgliche absichtliche Zusätze oder Streichungen angesehen werden. Schließlich ist eine sozu- sagen „vertikale“ Kontrolle des Gesagten im Fortlauf des Textes möglich, weil das Conclusum auf die Voten, die Voten auf die vorherigen Voten und auf die Propo- sition stets Bezug nehmen; deshalb ist gerade bei Konferenzen, die zäh verlaufen und der Sache nach auf der Stelle zu treten scheinen, Vorsicht gegenüber starker Kürzung des Textes geboten. Der Varianten-Apparat ist daher umfangreich.
2. Die Varianten sind auch deshalb ausführlich berücksichtigt, weil sie der edierten Quellengattung eigentümlich sind. Sie rühren meist aus technischen Gründen statt aus bewußter Verfälschung her: Hör- und Abschreibfehler, nicht wortgetreue und unvoll- ständige Wiedergabe der Vorträge sind ebenso typisch wie das an sich löbliche Streben der Protokollanten nach Abwechslung im Ausdruck und stilistischer Perfektion, das dazu bewog, den Boden einer streng neutralen Nachschrift beim Übergang vom Rapular zum Konzept zu verlassen: Nur Kurtrier und Kursachsen behalten für ihre ersten protokollierten Sitzungen den konzisen Stil einer stenogrammartigen Mit- schrift bei. Bewußte Abänderungen waren wohl am unauffälligsten durch Auslassungen zu erreichen
Vgl. DLöben II fol. 114 über die kurmainzische Wiedergabe des bayerischen Votums über die pfälzische Frage (wohl 1646 II 14 Nr. [ 68 S. 477–479 ] ): Obwohl es im kurbrandenburgischen Protokoll genau aufgezeichnet ist, will sich doch der rechte tenor in des reichsdirectorii, dem Churmeintzischen protocollo, nicht befinden, worauß abzunehmmen, daß die Bayerische mitt Meintz dergestalt correspondiren müssen, daß sie daßjenige, waß ihnen beliebedt, ins protocollum bringen, waß ihnen aber mißfälledt, herausserlassen, welches dem reichsdirectorio ubel anstehedt.
; diese werden deshalb im einzelnen angemerkt, es sei denn ein Protokoll ist überhaupt wesentlich summarischer abgefaßt. Manche Protokollisten waren auch in bestimmten Angelegenheiten, besonders solchen des eigenen Standes, hellhöriger als andere und trafen unbeabsichtigt aus solcher Disposition ihre Auswahl. In den genannten Unvollkommenheiten liegt ein wesentliches Problem der Quellenkunde: Mündliche, allerdings bei vorheriger Fixierung der Voten schriftlich abgestützte Verlautbarungen sind durch die „Auffassung“ anderer Personen als die des Vor- tragenden „hindurchgegangen“, ehe sie zum Protokoll und damit zum „Überrest“ werden.
Die Unschärfe der Protokolle ist zwangsläufig Begleiterscheinung ihrer Ent- stehung , die von mindestens zwei Personen abhängt, welche mit gewisser Eigenständig- keit arbeiten. Anders als bei der diktierten Niederschrift eines Briefs oder Beratungs- ergebnisses (Diktatur der Conclusen) oder als bei der schriftlichen Weitergabe eigener Reden kommt beim Protokoll die „fremde“ Auffassung der – einander kontrol- lierenden – Protokollanten hinzu: diese führt (selbst noch bei Verwendung des Steno- gramms ) zu Varianten. Im strengen Sinne sind bloße Nachträge des eigenen Votums, durch die zuständigen Gesandten vorgenommen, so wenig Protokolle wie Ciceros Reden. Ihre größere Ausführlichkeit im Vergleich zu den Fremdvoten ihrer Pro- venienz kann wirklichkeitsfremd sein; da es umgekehrt vorkommt, daß in einer fremden Provenienz das eigene Votum besser wiedergegeben wird als im eigenen Pro- tokoll
So das kurkölnische Votum von 1645 IX 18 besser in Kurmainz Rk als in Kurköln zA, spA (Nr. [ 43 S. 277–281 ] ), ebenso 1645 IX 28 Nr. [ 49 S. 338 ] .
, wäre das „Idealprotokoll“, bestehend aus der Selbstprotokollierung der eigenen Verlautbarungen, gerade kein ideales Protokoll.
3. Ein vollständiger Querschnitt durch alle Protokoll-Provenienzen ist auch deshalb für jede Sitzung notwendig, weil statt der Korrespondenzen aller am Friedenskongreß beteiligten Reichsstände nur ihre Protokolle zur Edition in den
APW vorgesehen sind
. Diese Zeugnisse müssen möglichst exakt wiedergegeben werden, weil sie das Handeln der Reichsstände nur auf der offiziellen Ebene ihrer zuständigen Korpo- rationen komprimiert fassen. Die verschiedenen Auffassungen des Geschehens, die der Vergleich der Protokolle verschiedener Herkunft zutage bringt, gehören zu diesem Geschehen selbst. Da die einzelnen Mitglieder des Kurkollegs gleichberechtigt Proto- kolle führten, verdient auch jede ihrer Auffassungsweisen gleiche Beachtung.
4. Die Varianten sind für die Verfassungsgeschichte der Reichsversammlungen be- deutsam . Aufzeichnung oder Nicht-Aufzeichnung von Kurialien oder Kollegial- rechten , etwa des kursächsischen Umfragerechts, aber auch der gesamten rechtlichen Prozedur der Sitzungen, wirkte sich langfristig auf die Rechte und auf die Stellung einzelner Reichsstände aus, ebenso wie die mehr oder weniger ausführliche Behandlung ihrer territorialen Angelegenheiten in den Reichsräten. Die Aufnahme eines An- spruchs oder Protests in eines der Protokolle lag in ihrer rechtlichen Bedeutung zwar unter vertraglich-urkundlicher Verbriefung, aber über unverbindlicher Erinnerung, die nur mündlich geltend zu machen war.
Nr. [ 65 (1646 II 7: kurbayerisches Votum) S. 446.15 ] . Auch in den amtlich geführten Land- tagsprotokollen des 18. und den Kabinettsprotokollen des 19. Jahrhunderts blieb den Votanten das Recht zur Verbesserung ihrer eigenen Verlautbarungen ( Renger S. 97f., Rumpler ).
Allerdings bringt die moderne Methode der Protokollierung auch besondere quellenkundliche Probleme mit sich: So finden z. B. die Reden deutscher Bundestagsabgeordneter erst nach Über- prüfung seitens der Redner im gedruckten Protokoll Aufnahme, ohne daß diese Kontrolle später aktenmäßig faßbar wäre wie die Verbesserung der Einzelvoten in den kurfürstlichen Protokollen 1645–1648.
Kurbayerns Vorwurf in Nr. [ 66 (1646 II 10) S. 459. 18f. ] , daß auß dem Römischen Reich ein mördergruben gemacht werde, findet sich ebenso in allen Überlieferungen, die Wendung intention in mente retenta (kurkölnisches Votum) in den sonst formulierungsmäßig voneinander abweichenden Kurmainz und Kurköln (Nr. [ 56, 1645 XI 4 S. 389. 28 ] ).
Vgl. DLöben II fol. 114 über die kurmainzische Wiedergabe des bayerischen Votums über die pfälzische Frage (wohl 1646 II 14 Nr. [ 68 S. 477–479 ] ): Obwohl es im kurbrandenburgischen Protokoll genau aufgezeichnet ist, will sich doch der rechte tenor in des reichsdirectorii, dem Churmeintzischen protocollo, nicht befinden, worauß abzunehmmen, daß die Bayerische mitt Meintz dergestalt correspondiren müssen, daß sie daßjenige, waß ihnen beliebedt, ins protocollum bringen, waß ihnen aber mißfälledt, herausserlassen, welches dem reichsdirectorio ubel anstehedt.
So das kurkölnische Votum von 1645 IX 18 besser in Kurmainz Rk als in Kurköln zA, spA (Nr. [ 43 S. 277–281 ] ), ebenso 1645 IX 28 Nr. [ 49 S. 338 ] .
5. Auch wenn das wirklich Gesprochene nicht durchweg rekonstruierbar ist, so wird doch durch die verschiedenen überlieferten Protokoll-Provenienzen ein Feld von Aus- sagen abgesteckt, die möglich gewesen sind. Nuancierte Bezeichnungen politischer Sach- verhalte , Synonymität und Vieldeutigkeit der Begriffe kommen zum Ausdruck: Erst über die Varianten erschließt sich der Formenschatz barocker Aktensprache; erst die gleichmäßige Heranziehung aller Protokolle läßt das Schwanken zwischen einer „diplomatischen Sprache“ mit hintergründiger Aussage und der „lingua deli- berativa “
, die wegen gemeinsamer Interessen der Beratenden offener sein kann, im
Kurfürstenrat erkennen. Die Sprache dient in diesen Protokollen nicht nur der Infor- mation , sondern sie zeigt gerade auch da, wo sie diplomatisch-verhüllend sein will, „Redundanz“ und Wortreichtum.
Welche Protokoll-Provenienz jeweils für die einzelnen Sitzungen zum Abdruck kommt, wird nach zwei Gesichtspunkten entschieden.
Grundsätzlich ist das kurmainzische Reichsprotokoll vorrangig zu berücksichtigen, und zwar 1. wegen seiner reichsrechtlichen Valenz, die von den anderen Reichsständen anerkannt
und auch in der Staatsrechtsliteratur des 17. und in den Aktenpublikationen des 18. Jahrhunderts
zugestanden worden ist. 2. In Kurmainz sind nur wenige Sitzungen nicht enthalten; es gibt kein durch das Fehlen des Votanten bedingtes Fehlen der Protokolle, weil Kurfürstenratssitzungen nicht ohne den kurmainzischen Direktor stattfinden konnten. 3. Vom kurmainzischen Protokoll sind die durchweg originalen Überlieferungsformen der Konzepte bzw. Reinkonzepte erhalten. 4.
Kurmainz Rk ist auch da, wo es mit anderen Protokollen kontaminiert wurde, eigenständig. Für die Sitzungen der Lengericher Konferenz mit ihrer guten Überlieferungslage wird beson- ders deutlich, daß das Direktorium um eine möglichst neutrale, protokollgerechte Wiedergabe der Voten sich offenbar absichtlich bemüht hat.
Schon um eine Aufschwemmung des Variantenapparats zu vermeiden,
ist in zweiter Linie die Güte des jeweiligen Sitzungsprotokolls für den Abdruck maßgebend, d. h. seine Vollständigkeit und sein inhaltlicher Gehalt und Umfang. Diese Ent- scheidung mußte für jede Sitzung neu getroffen werden, weil die Qualität der Pro- venienzen zwischen 1645 und 1647 schwankend ist: So besteht
Kurmainz Rk 1647 bei unwesentlich erachteten Themen nur aus einem Protokollregest ohne Voten;
Kur- mainz ist teilweise knapper als
Kurköln und
Kurtrier , wenn es auch nicht so wesentliche Auslassungen enthält wie
Kurbayern und
Kursachsen
.
Kurmainz scheidet da für den Druck aus, wo es fehlt, fragmentarisch ist oder zu große und zu viele Lücken aufweist. Hier wird in der Regel der inhaltlich beste Text abgedruckt: Das Springen zwischen den Überlieferungen erscheint gerechtfertigt, weil die einzelnen Provenienzen, wie geschildert, bereits im Zeitpunkt ihrer Entstehung eng mitein- ander zusammenhängen.
Das Verhältnis des jeweils gedruckten Protokolls – meist
Kurmainz Rk zu den nicht gedruckten Texten – wird nach folgendem Schema erfaßt:
Identisch
sind Texte immer dann, wenn (kollationierte) Abschriften vorliegen (
Kurköln spA) oder wenn zwei eng verwandte Entstehungsstufen überliefert sind: Konzept und Reinkonzept bzw. Reinschrift (
Kurmainz K, Rk); beim Übergang vom Rapular zum Konzept wird die Identität in der Regel nicht gewahrt, weil es sich um die Ausarbeitung einer Mitschrift handelt. Dabei muß keineswegs die ab- schriftlich vorliegende Überlieferungsform einer Provenienz auf eine gleichfalls erhal- tene Abschrift oder auf ein vorliegendes Konzept der gleichen Provenienz direkt zurückgehen. Die Zwischenglieder können, wie im Fall von
Kurtrier zA, spA,
Kurköln zA, spA, Rs,
Kurbayern K, spA verlorengegangen sein.
Gleichlautend
sind Protokolle dann, wenn sie nahezu miteinander übereinstimmen oder doch in Wortwahl und Satzbau gemeinsame oder sehr ähnliche Formulierungen aufweisen. Da Identität meist für ganze Serien von Sitzungen und für verwandte Protokollreihen zutrifft, ist sie im Kopfregest angegeben. Gleichlautende Formu- lierungen dagegen sind in der Regel in den Varianten angemerkt, weil sie zeitweise – von Sitzung zu Sitzung und innerhalb der Sitzungen wechselnd – immer dann auf- treten , wenn ein mehr oder weniger intensiver Votenaustausch stattgefunden hat. Gleichheit der Formulierungen war bei unabhängigen und eigenständigen Protokollen nicht von vornherein gegeben, sonst gäbe es keine nur sachlich und nicht auch formu- lierungsmäßig übereinstimmenden Protokoll-Provenienzen
. Der Rückgang formu- lierungsmäßiger Abweichungen bis hin zum gleichlautenden Text, die steigende Anzahl gleicher und ähnlicher Formulierungen, sind auch Anzeichen dafür, daß das Thema einer Sitzung für besonders wichtig erachtet wurde und daß zur Vermeidung späteren Auslegungsstreits sachliche Differenzen, die sonst zu Varianten führten, durch gegen- seitige Abstimmung der Protokolle ausgeräumt wurden
Deutlich bei der Beratung über die Amnestie 1646 II 10 (Nr. [ 66 S. 452ff. ] ) im Vergleich zu den vorherigen Beratungen über den modus consultandi. Siehe auch Nr. [ 117 S. 773ff. ]
.
Bei identischen Texten werden kleinere Abweichungen, meist Abschreibfehler und Irrtümer in der Wiedergabe von einzelnen Wörtern, und abschreibbedingte Aus- lassungen (bei
Kurköln zA manchmal mehrere Sätze) nur zur Demonstration vorhandener bzw. nicht vorhandener Filiationen aufgeführt
Nr. [ 68 S. 476 ] . 27: Keine direkten Beziehungen zwischen Kurtrier zA und spA, ebenso nicht zwischen Kurköln zA und spA.
. Auslassungsvermerke bei Reinkonzepten, die für später herzustellende und zu übersendende reinschriftliche Extrakte bestimmt sind, werden ebenfalls aufgenommen. Da bei identischen Texten im Vergleich zu ihrer Vorlage nur beabsichtigt oder unbeabsichtigt Fehlendes be- merkt werden kann, wird auf Zusätze nur hingewiesen, wenn sie im Konzept als solche kenntlich und für Votenaustausch bedeutsam sind.
Bei gleich- und anderslautenden Texten müssen vor allem sachlich-inhaltliche Ab- weichungen , Auslassungen und Zusätze notiert werden, bei gleichlautenden Texten aus textkritischen Gründen der Rekonstruktion auch Abweichungen der Formulierung, zumal wenn sie Abweichungen in der Sache einschließen. Die Beziehungen zwischen formulierungsmäßig übereinstimmenden Texten, etwa zwischen dem kurmainzischen Konzept und der davon abhängigen Fremdprovenienz
Kurbayern K, Rp, werden erst
durch die genaue Verzeichnung von Formulierungsgemeinsamkeiten und -abweichungen transparent. Im Hinblick auf die tatsächlich vorgebrachten Passagen sind hier vor allem Auslassungen und Zusätze wichtig. Aus Gründen der Kürze und um inhalt- lich gleiche Zusätze mehrerer Provenienzen zusammenfassen zu können, werden diese Varianten teilweise in Regestenform wiedergegeben. Starke Auslassungen in einer Minderheit nicht gedruckter Protokolle werden nur summarisch verzeichnet, weil sie durch die Qualität der betreffenden Protokolle bedingt erscheinen: Wenn in den anderen Provenienzen oder Überlieferungsformen, zumal im Verhältnis Rapular-Konzept, ein inhaltlich umfangreicherer Befund gegeben ist, kommt diesem faktisch die größere Wahrscheinlichkeit zu, und es kann angenommen werden, daß die summarischen Protokolle den Inhalt der Sitzungen unvollkommener reproduzieren
Das Votenprotokoll rückt dann in die Nähe des summarischen begriffs (Proposition und Conclusum der CC -Sitzung von 1645 XI 19 in MEA CorrA Fasz. 10 [C]) bzw. des sum- marischen protocolls mit Einträgen verschiedener Conclusen ( ebd. nr. 53), vgl. auch unten Nr. [ 27 S. 185. 1 ] .
.
Enthalten Protokolle, wie im Regelfall, einen anderen Text als das Protokoll der Druckvorlage, so bedeutet das Auswerfen eines Zusatzes, einer Auslassung oder Abweichung gegenüber einem Satz oder Satzteil des gedruckten Textes nur, daß an dieser Stelle inhaltlich etwas fehlt oder hinzuzusetzen ist, nicht aber, daß die Texte über die im Kopfregest oder in den Anmerkungen hinaus gemachten Angaben identisch oder gleichlautend wären. Rapulare, beispielsweise
Kurbayern Rp für Nr. 125–128, werden zum Textvergleich nur dann herangezogen, wenn die betreffende Prove- nienz außerdem keine Überlieferung mehr bietet und die Überlieferungslage für die betreffende Sitzung ohnehin schlecht ist oder wenn Rapulare, wie bei der Lengericher Konferenz, über das Verhältnis einzelner Provenienzen zueinander etwas aussagen.
Im Apparat werden an Kennzeichnungen gebraucht
Gerade weil der gedruckte Text durch den Variantenapparat erheblich verlängert wird, erscheinen Kürzungen in Regestform angebracht. Regestierung im Text wird im wesentlichen nach den Grundsätzen vorgenommen, die
F.
Wolff für die Edition der
CC
-Protokolle aufgestellt hat; auf sie sei der Kürze halber verwiesen
. Da die Kurz- regesten im laufenden Text Überflüssiges aussparen – wie Titel und Höflichkeits- floskeln –, werden dazu in der Regel keine Varianten angegeben. Wiederholungen werden da, wo sie thematisch, etwa für das Reichstagszeremoniell, bedeutsam sind und bestimmte Punkte scheinbar stagnierend, aber bekräftigend oder interpretierend umkreisen, nicht regestiert: so bei den Verhandlungen über die Amnestie, während der die Katholiken die Tür zu interkonfessionellen Verhandlungen nur einen winzigen Spalt breit öffnen wollten
. Manchmal wirkt die kurmainzische Überlieferung, die größtenteils Druckvorlage ist, selbst wie ein Regest der wortreicheren anderen Proto- kolle , besonders im Conclusum, so daß sich die Regestierung seitens des Bearbeiters erübrigt. Die
recapitulation der Voten, in
Kurmainz K, Rk, Rs meist nur ohne nähere inhaltliche Angaben kurz vermerkt, wird aus den anderen Provenienzen dann in die Varianten übernommen, wenn sie nötig ist, um die kurmainzischen Anteile am Conclusum zu verdeutlichen oder die Formierung eines Conclusums
per maiora, das aus den vorherigen Voten nicht zwingend hervorgeht, verständlich zu machen.
Ergänzungen, erschlossene Ortsangaben, aufgelöste Abkürzungen, vor allem aus dem Rapular, sind in eckige Klammern [ ] gesetzt, desgleichen Auslassungen [...]. Runde Klammern im Text sind original; erscheinen sie nach Votenangabe – z. B.
Kurmainz (Raigersperger) – und im Kopfregest, so bedeutet dies, daß die beigesetzten Namen in einem der Protokolle der betreffenden Sitzung auftauchen und übersichts- halber an dieser Stelle mitgeteilt werden. Ist eine Variante, die wörtlich mitgeteilt wird, sinngemäß in mehreren Überlieferungen enthalten, so richtet sich der Text nach der ersten der für die Variante angegebenen Überlieferungen. Im Kopfregest und in den Varianten werden die Protokolle in folgender Reihenfolge bezeichnet: Provenienz (z. B.
Kur- mainz ), Überlieferungsform/Entstehungsstufe (z. B. Rk), Band oder Faszikel der betreffenden Überlieferungsform (bei geschlossenen Protokollbänden eigene Zählung: z. B.
Kurköln spA I, sonst Archivsignatur:
FrA
= Friedens- akten
Fasz.
9
). Ist bei den Diarien die Überlieferungsform nicht angemerkt (z. B.
Diarium
Wartenberg ), so wurde stets das Original (Konzeptstufe) benutzt.
5. Rechtsgeltung und Aussagekreis der Kurfürstenratsprotokolle
Die Rechtsgeltung von Sitzungsprotokollen ist geringer zu veranschlagen als das Recht der Verträge. Diese allgemeine Feststellung trifft auch für die Kurfürstenrats- protokolle zu. Allerdings erlangt jede protokollierte Äußerung eine gewisse Verbind- lichkeit . Sie legt ihren Urheber in gewisser Weise für den Augenblick und vor der Nachwelt fest
Kf. Anselm Casi- mir (1645 XI 29) lobte seine Gesandten in Münster dafür, daß sie befehls- gemäß in den protocollo dergestalt versehen, daß bey der wehrten posteritet wir einigen verweiß nit haben noch hinder unß laßen mögen ( MEA CorrA Fasz. 10 [C]). Raigers- perger (an Kf. Anselm Casimir, 1645 XII 26) bedauerte, daß eine Verwahrung gegen die an- maßende Ansage der Fürstlichen zum Reichsrat in Osnabrück nicht protokollkundig geworden sei, weil die Ansage den prothocollis und relationibus einverleibt pleibet und nichst dagegen einzuwenden ist ( MEA CorrA Fasz. 11 [1] nr. 6 ).
. Der Gesandte, der im Reichsrat etwas zu Protokoll gab, tat weder eine bloß private diplomatische Äußerung
, noch führte er eine Art mündlicher Korrespondenz. Während seine brieflichen Mitteilungen, von ihm selbst klar eingrenz- bar , ihn nur gegenüber einem Empfänger, gleich ob einer natürlichen oder einer juri- stischen Person, verpflichteten, wurde nun ein ganzes Gremium Zeuge seines viel elastischeren gesprochenen Worts. Es verlieh einen Spielraum, der seine Position stärken oder sie verwundbar machen konnte. Zwar war sein Votum an Vollmacht und Instruktion gebunden
, was sowohl Absicherung als auch unerwünschte Festleg- barkeit bedeuten konnte. Das Medium des gesprochenen Worts entwickelte jedoch eine Eigengeltung, die nur noch begrenzt vom fernen Auftraggeber kontrolliert werden konnte. Um mißliche Interpretationen der eigenen und der gehörten Äußerungen zu
verhindern, mußte das Protokoll zunächst gegenüber den einzelnen Gliedern des Rats mit einer gewissen Autorität, was seinen Wahrheitsgehalt betraf, ausgestattet sein. Bereits bei wichtigen Visiten und Konferenzen, sie mochten zwischen kaiserlichen und kurbayerischen, schwedischen und kurbrandenburgischen Räten stattfinden, wurde Wert auf ordentliches Protokollieren seitens der Gesandten oder ihrer Sekretäre gelegt
Vgl. den Bericht des bayerischen Kammerpräsidenten Johann Mändl aus Prag (1648 II 17): Weilen der Kayserlichen deputirten vier gewesen und ein yeder geredt und gemerkht, waß er gewölt, ich aber allein ware, alß hab ich ihnen allen nit red und antwordt geben und zugleich alles minutim prothocolliren khünden. Aber weilen ihre sachen und reden so fleissig prothocolirt, speciosi herfürgestrichen und zu ihrem glimpf andern communicirt, waß ihnen in ihr kram gedaugt, alß währe ihnen wol angestanden, daß sy auch dasyenige, was für Kurbayern eingewendet worden ist, prothocolliert und andern gesagt hetten ( MEA CorrA Fasz. 21 tom. 4 ). Bei Visiten brachte Kurbrandenburg bis zu drei Sekretäre mit ( DLöben I fol. 46 ), in wichtigen Konferenzen gebrauchte sich auch Salvius seiner schreibtaffel, obwohl der schwedische Sekretär protokollierte ( ebd. II fol. 62). – Ein Sonderfall war die Herausgabe der schwedischen Replik (1646 I 7) in Form eines Protokolls, das nit allein in substantialibus, sondern sogar auch in formalibus kollationiert werden mußte ( RK FrA Fasz. 50 b fol. 18–19, DLöben II fol. 52).
. Visitenprotokolle der einzelnen Kurstände galten aber immer noch weniger als ordent- liche Reichsratsprotokolle
, sie wurden nicht miteinander abgestimmt, dienten haupt- sächlich zur eigenen Information und gingen nicht auf einen bestallten Protokollführer zurück. Wurde Kritik an unliebsamen Beschlüssen oder Kollegialschreiben laut, so sah sich das Direktorium gezwungen, die Richtigkeit seines Protokolls zu betonen, den anderen Ständen nicht den Rückzug in die Unverbindlichkeit zu gestatten, ihre Mitwirkung herauszustellen
Die haltung richtigen prothocolls mit deutlicher Aufzeichnung der Voten diente vor allen dingen zu versicherung des kurmainzischen directorii ( MEA CorrA Fasz. 24 [1], Kur- mainz /Münster an Kurmainz/Osnabrück 1647 IV 19). Die Kurbrandenburger verlangten den Umlauf der von Kurmainz konzipierten Kollegialschreiben unter allen Gesandtschaften, die Abfassung allein durch das Direktorium aufgrund von dessen Protokoll genügte ihnen nicht ( DLöben I fol. 145).
. Die Rechtskraft des Protokolls ergab sich gerade daraus, daß es gemeinsam zu verantwortendes Handeln bezeugte und so geeignet war, das Direktorium gegen den Vorwurf der Eigenmächtigkeit zu schützen. Aber der Streit um rechtswirksame Beschlüsse führte auch die einzelnen Kollegglieder dazu, die Gültigkeit des Protokolls zumindest vorauszusetzen: Ein beliebtes Mittel, Mehr- heitsbeschlüssen vorzubeugen, die eigene Interessen und Rechte zu beeinträchtigen drohten, war der Protest eines Standes in offener Sitzung
Die iedeßmalß in voto incontinenti vorgebrachten Proteste (Protestation Bischopings von 1648 IV 1, MEA CorrA Fasz. 19 [2]), durch die abgelegte vota et prothocolla gnug- samb an tag geben (Kurmainz/Münster an Kf. Johann Philipp, 1648 VII 20, MEA CorrA Fasz. 16 [5]), konnten durch gedruckte oder schriftlich eingereichte Proteste, die dem reichs- protocollo beigelegt wurden (Kf. Maximilian an Kf. Johann Philipp, Salzburg 1648 X 3, MEA CorrA Fasz. 22,5), bekräftigt werden. Jeder Protest gewann durch repetiren und aus- bleibenden Reprotest. Vgl. auch DLöben II fol. 161, I fol. 124.
. Diese förmliche Geltend- machung eines Rechtsvorbehalts mußte normalerweise aufgezeichnet werden, so daß auch die Neigung zu Protest und Reprotest die Protokolle aufwertete. Die Kurfürsten
Philipp Christoph von Trier
Kurtrier/Münster an Kf. Philipp Christoph, 1646 VII 24 ( MEA CorrA Fasz. 12 [2] fol. 75’): Der Kurfürst und seine Stifter werden ungeachtet ihres ad prothocollum gebrachten dissensus quoad vinculum et observantiam pacis publicae unßers unvergreifflichen ermeßens allezeit gleich anderen ständen obligirt sein unndt verbleiben müßen.
und Johann Philipp von Mainz suchten ihren proto- kollierten Protest sogar gegen die Entwürfe der Friedensinstrumente auszuspielen, obwohl ihre eigenen Gesandten dies unwirksam fanden und die angegriffenen Friedens- bestimmungen voll rechtskräftig fanden
Den Auftrag des Kf. Johann Philipp (an Kurmainz/Osnabrück, 1648 III 21, MEA CorrA 18 [4]), das – nicht zugestandene – ius reformandi über Erfurt mittels anderwerttigen sal- vationen unnd heylßamen reservaten bey der dictatura und den reichßprothocollis sich auszubehalten, konterkarierte Raigersperger mit dem lapidaren Nota Bene: frustranea sunt.
. Das Kurfürstenratsprotokoll vermochte lediglich in umstrittenen Rechtsfragen, die nicht zwischen den eigentlichen Friedens- kontrahenten vertraglich entschieden wurden, einzelnen Ständen ihre Rechtsansprüche zu gewährleisten. Darüber hinaus konnte es Streitfälle in herkommensrechtlichen Fragen entscheiden und, wie andere Protokolle auch, bei späteren Interpretationen der Friedensinstrumente als Auslegungsinstanz herangezogen werden
Im Streit um die Auslegung des Präliminarschlusses von 1641 lehnten es die Kaiserlichen ab, fremde Protokolle gegen den Vertragstext gelten zu lassen, weil sie nur annotationes privatae seien, bezogen sich aber auf ihre eigenen Protokolle, die mit der kaiserlichen Auslegung des Ver- trages übereinstimmten ( Gärtner III nr. 116 S. 788).
.
Maßgeblich war das kurmainzische Reichsprotokoll
Von dem authentico Moguntino prothocollo imperii konnte vidimata copia genommen werden, um Zweifel des Kommittenten am eigenen (hier kurtrierischen) Protokoll auszuräumen ( MEA CorrA Fasz. 12 [2] fol. 17’), vgl. auch MEA CorrA Fasz. 18 [3], 1648 VI 29, Beilage L. Churbeyerische baten umb abschrifft vom kurmainzischen Protokoll (der Sitzung 1647 III 18, aus der sie selbst ausgeschlossen waren, Kurmainz/Osnabrück an Kurmainz/Münster, 1647 III 21, MEA CorrA Fasz. 24 [1]). Bei der Beratung der Assistenzklausel 1648 waren die geschriebene, zweifelsohne annoch auch bei der Curmeinzischen reichscanzelei befindtliche prothocolla der Assistenzberatungen, die 1548, 1550, 1552 wo nit per directum saltem per indirectum stattgefunden hatten, noch von Bedeutung (Philipp von Vorburg an Kf. Johann Philipp, 1648 undatiert, MEA CorrA Fasz. 19 [2]).
. Hier mußten andere Kurstände, selbst wo es um ihre eigenen Voten ging, Streichungen und Zusätze erbitten und vom Direktorium genehmigen lassen
Raigersperger beurkundete auf Antrag Kurtriers, im kurtrierischen Votum (von 1646 II 26) statt der Worte foederibus gesetzt zu haben: mit gewißen capitulationibus assistentiae et neutralitatis (1646 IV 19, MEA FrA Fasz. 13, 2, vgl. MEA CorrA Fasz. 16 fol. 103’, 12 [2] fol. 261). Der vom Kollegium befürworteten Änderung des Wahlprotokolls von 1636 (Zustimmung Kurtriers) widersetzte er sich allerdings unter Hinweis auf die Wahlbestätigung, die der Kurfürst von Trier bei seiner Entlassung abgegeben und der Kaiser dem Erzkanzlerarchiv in perpetuam rei memoriam überlassen habe (Raigersperger/Münster an Kf. Anselm Casimir, 1647 I 11, MEA CorrA Fasz. 25 [2]).
. Die Aufnahme einer Verbesserung ins Reichspro- tokoll stand über der Absicherung eigener Rechte im eigenen Protokoll. Die juri- stisch gebildeten kurmainzischen Räte wußten, warum sie fremde Voten in Auszügen oder zur Gänze wörtlich einbauten. Sie machten ihr eigenes Protokoll unangreifbarer: Die Existenz eines quasi amtlichen Protokolls brachte bereits dessen relative Rechts- geltung mit sich. Dem kurmainzischen Protokoll, das im Kurfürstenrat vergleichs- weise weniger galt als das österreichische oder salzburgische Direktorialprotokoll im
Fürstenrat, ging aber ein letzter Grad von Authentizität ab
So genügte es nicht, die nachträgliche Wahlbestätigung Kurtriers allein in daß Churmayntzisch prothocoll clanculum einzuschieben, sie war auch in pleno, darmit eß in aller churfürsten prothocolla eingerücket, vorhero offentlich zu verleßen (Kf. Philipp Christoph an Kur- trier /Münster, 1646 IV 23, MEA CorrA Fasz. 16 fol. 111’).
, der durch das Vor- handensein der übrigen Kurfürstenratsprotokolle selbständiger Herkunft ausgeglichen wurde. Diese rangierten zwar, wenn sie nicht untereinander oder mit Kurmainz abge- stimmt wurden, unter dem Reichsprotokoll, hatten aber doch auch Teil an jener Rechtsgültigkeit, die im Falle der Einigung auf ein gemeinsam zu verfassendes und mit Autorität zu versehendes Wortprotokoll auf dieses allein gefallen wäre. Auch in sich selbst waren die Protokolle von unterschiedlicher Rechtsgeltung. Äußerungen
im ordentlichen votiren galten mehr als das
nur inter discursum
Gesagte. Be- merkenswerterweise enthält Kurmainz durchweg keine inoffiziellen Mitteilungen, die außerhalb der Voten gefallen sind. Die geringste Verbindlichkeit hatte das
a part gesprochene Wort, das den Ohren der Unbefugten und der Sekretäre verborgen blieb oder bleiben sollte.
Die Rechtsverbindlichkeit der Protokolle, schwer greifbar und nur fallweise zu ent- scheiden , ist nun nicht getrennt von der dort behandelten Thematik zu sehen: Materien des Reichsrechts, des Territorialrechts, der Verträge, des Religionsstandes, des Völ- kerrechts . Meist standen die Interpretation und die Gültigkeit vergangener Ab- machungen zur Debatte. Nur wenige Beratungsgegenstände waren in einem positiv- rechtlichen Sinne festgelegt; auch die Frage, wie verflossene Reichsabschiede und -gesetze gelten sollten, war kontrovers. Jedes reichs- oder völkerrechtliche Argu- ment , das vorgebracht wurde, war ebenso aus dem Kontext und der Situation heraus zu verstehen wie die Regelungen, auf die es sich bezog. Es waren nicht ver- fassung und Konstitution, aus der Vernunft und dem Volkswillen hergeleitet, die den historischen Rechten Geltung verschafften, sondern ihr historisches Schicksal mit allen wechselnden Konjunkturen und der zähe Behauptungswille derjenigen, die wohler- worbene Rechte bedroht sahen. Deshalb müßte jede Dokumentation über die Gesamt- lage des Reichs, die in notwendiger Beschränkung einen zeitlichen Querschnitt legt, ergänzt werden durch die Edition aller diplomatischen
handlungen, Protokolle und Abschiede, die als historische Bezugspunkte im Argumentationsfluß der Einzelvoten auftauchen. Sachliche Anmerkungen bieten nur einen unvollkommenen Ersatz und können dem Leser die Aktenkenntnis der Gesandten, die aus Gedächtnisleistung, Findigkeit und Geschäftserfahrung herrührte, nicht ersetzen. Die Fülle der Ver- handlungsgegenstände , immer nur in einer Zeitsituation vorfindbar und in der verti- kalen Dimension des historischen Zeitablaufs veränderlich, läßt sich so wenig wie die allgemeingeschichtlichen Bezüge in einem institutionsgeschichtlichen Rahmen verorten; ja über diesen führt auch die reine Betrachtung der Institution (Kurfürstenrat) hinaus, weil jede Institution, selbst in ihren perennierenden Elementen, wirkender Faktor im historischen Geschehen ist: reagierend oder als treibende Kraft
. Die ahistorisch deutbare Struktur jeder technischen „Amtsführung“ transzendiert sich, als Teilstück
eines umfassenderen Ganzen gesehen, selbst. Die Gesandten im Kurfürstenrat han- delten als einzelne und als Beauftragte, korporativ miteinander und mit den Gesandten der anderen Reichsräte zusammen und waren dabei eingebunden in das Gesamtgeflecht der handelnden Mächte, deren Einflüsse auf die Prozedur im Rat zurückwirkten. Kaum anders steht es mit den juridischen Aussagekomplexen, die auch nicht nur für sich genommen werden dürfen: Aber weder durch Rückbeziehung auf ihnen zugrunde- liegende historische Sachverhalte noch durch Deduktion aus der zeitgenössischen Rechts- wissenschaft noch durch Einbindung in politische Zeitkonstellationen werden sie vollends begreiflich, geschweige „positiv-rechtlich“ definierbar. Sie sind hineingestellt in eine epochale Totalität: Hinter der ausgiebigen Behandlung der Rang- und Titel- fragen , der Freude an der Selbstdarstellung verbirgt sich barockes Rollenspiel. Diplo- matische Distanzierung und literarische Spielhaltung scheinen sich in jenen kunst- vollen Beweisketten zu begegnen, die bewußt an der Oberfläche bleiben und arcana aussparen. Oder: Ohne die epochale Wirkung der Reformation ist die zustimmende Haltung der katholischen Reichsstände zur Veräußerung von Reichsgut nicht zu verstehen. Die Edition stellt eine zerfließende Vielfalt historischer Konkretionen bereit, die, obwohl sie unsere Kenntnis des Westfälischen Friedens ergänzen, selbst wieder in hohem Grade ergänzungsbedürftig sind. Der Historismus hat das Sche- matische , Mechanisch-Demonstrationshafte quasi naturgesetzlicher Geschichtserklä- rung dem „approach“ an die Komplexität des historischen Geschehens mit seinen prinzipiell gleichwertigen Teilkomponenten geopfert. Wir können uns dieser wissen- schaftlichen Tradition nicht entziehen. Aber müssen wir uns deshalb an die nimmer- satten Einzelheiten der Protokolle ausliefern? Zwei Versuche der Lösung dieses Dilemmas mögen angeboten werden.
a) Der Aussagekreis der Protokolle läßt sich abstecken unter dem traditionellen Aspekt einer an Epochen orientierten Geschichtsbetrachtung. Sie stellt die existen- tielle Verbindung zwischen gleichzeitig bestehenden Lebenserscheinungen über deren kategoriale Trennung: Die Fakten der politischen Geschichte, der Rechts-, Sozial-, Geistes- und Kulturgeschichte gehören primär dem Entwicklungsstand eines Kultur- kreises an und sind dadurch zumindest ebenso geprägt wie durch ihre überhistorisch kategoriale Herkunft. Als gemeinsame Produkte des politischen Bewußtseins ver- schiedener – nicht nur personhafter – Individualität erschließen sich die Protokolle der geisteswissenschaftlichen Analyse: Vernunft und Herkommen, Ratio und Tra- ditio werden im Kurfürstenrat als legalisierende Instanzen beschworen; ihr Neben- einander als übergeordnete Bezugssysteme berührt die Problematik, die darin liegt, natürliche Vernunft und Tradition zu historischen Prinzipien der Periodisierung, etwa der Abgrenzung von Mittelalter und Neuzeit, zu erheben. Das Ideenpotential der Menschheit wird vielleicht doch weniger sukzessive ausgeschöpft, als es manche fortschrittliche Geschichtsbegeisterung des 19. Jahrhunderts annahm: Warum sollte jede Epoche es nicht prinzipiell in voller Breite reproduzieren können? Mitwirkungs- ansprüche , gegenseitige Zubilligung originärer Rechte, rational gedachte Harmonie- vorstellungen werden am Ende dreier grausamer Kriegsdekaden zu einer reichspatrio- tischen Programmatik entfaltet, mit der das Urteil
Kohns , in Deutschland habe
anders als in Westeuropa „ein rationaler Begriff von der Gesellschaftsordnung“
nicht aufkommen können, unvereinbar ist.
b) Die Krise der historischen Bewußtseinsbildung erstreckt sich heute auch auf die regulativen Ideen, mittels derer beispielgebend
Ranke im Fluß des uferlos sich dar- stellenden historischen Geschehens, dem der Historismus zur Gänze sich zuwendete, Ordnungsmarken setzte. Wenn ein kultureller Konsens über die großen Ideen und Zusammenhänge, über die „herrschenden Tendenzen in jedem Jahrhundert“
, die Quell- punkte des vielfältigen Lebens, nicht mehr erzielt werden könnte, ergäbe sich der ordnende Zugang zu den Quellen wiederum aus der Sachlogik sozialwissenschaftlicher Spezialdis- ziplinen . Die Kurfürstenratsprotokolle bieten empirisches Material für strukturelle so- zialgeschichtliche Fragestellungen der Friedensforschung und der Diplomatiegeschichte. Werden Herstellung und Bewahrung des Friedens, Beilegung gewalttätiger Konflikte nach einem „System von Regeln“
, zu zentralen Gegenständen der politischen Wissen- schaft erklärt, dann sind die hier edierten Friedensakten unabhängig von ihrem Alter eminent politisch. Sie enthalten bereits das ungelöste dialektische Problem, ob nicht zur Zurückdämmung der Gewalt selbst wieder Gewalt in irgendeiner Form eingesetzt werden müsse
: im Arrangement der Gesprächspartner, durch Hinweise auf den Fortgang der
campagna. Die Protokolle zeigen, daß ein Friede ohne Gerechtigkeit für unvollkommen gehalten wurde, daß ein Friedenszustand in totaler Wertfreiheit nicht erstrebenswert schien, daß ein friedlicher Ausgleich den „einigermaßen natür- lichen Einklang“ zwischen den „Rechtsbeziehungen, Kräfteverhältnisse(n) und Macht- bedürfnisse (n) der europäischen Staatengesellschaft“
voraussetzte. Die Affinität der Föderativstruktur zum europäischen Frieden wird deutlich: Macht und Recht mußten zum Ausgleich kommen, ohne wechselseitige Respektierung des Eigenstands der Staaten und ohne Eindämmung frühabsolutistischer Macht war ein multilateraler Friedensvertrag nicht möglich. Andererseits förderte die innerstaatliche absolutistische Konsolidierung des Rechtswesens die Ausbildung eines europäischen Völkerrechts, das willkürliche Fehden und Austräge zurücktreten ließ
.
Obwohl die Protokolle im Vorfeld eines Epochenereignisses stehen, bieten sie selbst keinerlei epochal deutbaren Resultate. Die korporative Willensbildung der Reichsräte im Interaktionsprozeß der Friedensfindung vollzog sich weniger ostentativ als die bilateralen Gespräche der Reisediplomatie im Jet-Zeitalter; das scheinbar ergebnis- lose Ringen um diplomatische Ausgangspositionen an einmal festgelegten Kongreßorten hatte seine Bedeutung, als die Wege noch weiter waren. Auch das heute so sehr disku- tierte Spannungsverhältnis zwischen innerer Verfassung und äußeren Beziehungen der Staaten klingt in den Protokollen an. Es war damals so wenig wie heute durch eine
„science conjecturale“
aufzulösen. Die Diplomaten des 17. Jahrhunderts haben keine grundlegenden Veränderungsstrategien, wohl aber erfolgreiche Methoden und Techniken des Friedensschlusses entwickelt und auf pragmatische Weise planend in das Chaos der politischen Machtrivalitäten eingegriffen. Sie lehren uns bereits die Taktik der begrenzt öffentlichkeitsbezogenen Deklamation, des Rekurses auf allgemein Aner- kanntes , sie haben mit der harten Selbstbehauptung staatlicher Souveränität so gut ihre Erfahrung gemacht wie mit der dynamischen Dialektik des Kompromisses. Sie zeigen uns, wie geschichtliche Erfolge aus erlernbaren Geschäften wachsen. Gerade
Droysen gibt eine historische Methode an, die Geschäfte der Geschichte in einem gewissen Sinne nutzbar zu machen: „Die
diskussive Darstellung wendet die Fülle des Erforschten, diese Lichter wie in einem Hohlspiegel sammelnd, auf einen bestimmten Punkt der Gegenwart [...], auf eine Frage, die zu entscheiden, eine Alternative, in der ein Entschluß zu fassen, eine neue Erscheinung, deren Verständnis zu erschließen ist.“
Wir sindnichtzukunftsfeindlich, wennwir weit zurückliegende Erfahrungen übernehmen.
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Den Personen und Institutionen, die mich bei der Bearbeitung dieses Bandes unter- stützt haben, spreche ich meinen herzlichen Dank aus. Die Archivdirektoren Frau Dr. Grete Weiser (Deutsches Zentralarchiv Merseburg, Historische Abtei- lung II), Herr Professor Dr. Richard Blaas (Haus-, Hof- und Staatsarchiv Wien), Herr Dr. Hermann-Joseph Busley (Bayerisches Hauptstaatsarchiv München, Ge- heimes Staatsarchiv), Hochw. Herr Engfer (Dombibliothek Hildesheim), Herr Dr. Franz-Josef Heyen (Staatsarchiv Koblenz) haben sich persönlich um die Bereit- stellung der Quellen gekümmert. Persönlich geholfen haben mir auch Herr Dr. Wilhelm Engels vom Hauptstaatsarchiv Düsseldorf und Herr Ernst Punke von der Fürstlichen Archiv- und Bibliotheksverwaltung Büdingen (Hessen). Für ihre Unterstützung danke ich auch dem Staatsarchiv Dresden, dem Bistums- und dem Stadtarchiv Trier.
Kollegiale Ratschläge haben mir Frau Ursula Irsigler, Frau Dr. Roswitha von Kietzell-Philippe, Herr Dr. Joachim Förster, Herr Dr. Gottfried Lorenz ( seiner- zeit alle Bonn) erteilt; für eine wichtige Auskunft danke ich Herrn Dr. Helmut Urban (Staatsbibliothek München). Beim Abschreiben der Protokolle half mir Frau Hella Haupts. Eine besondere Dankespflicht habe ich gegenüber Herrn Dr. Fritz Wolff (Marburg), dem Bearbeiter der Protokolle des Corpus Catholicorum. Als der Erfahrenere hat er seine Kenntnisse in sehr kollegialer Weise weitergegeben. Vor allem aber danke ich meinem Lehrer, Herrn Professor Dr. Konrad Repgen. Er hat die ersten Archivrecherchen für diesen Quellenband selbst ausgeführt und die Edi- tion in wissenschaftlicher und organisatorischer Hinsicht hervorragend betreut. Seiner Geduld und seinem ermutigenden Zuspruch, seinem Gewährenlassen und seinem kompe- tenten Eingreifen, seinem Anspruch und seinen zahlreichen Anregungen, Hilfen, Hinweisen verdanke ich mehr, als äußerlich sichtbar werden kann. Mir ist jene Füh- rungskunst des akademischen Lehrers zugute gekommen, die wissenschaftliches Ar- beiten mehr fördert, als der Zeitgeist wahrhaben will.
BERICHTIGUNGEN
1. identische Texte | 2. gleichlautende Texte | 3. anderslautende Texte |
a) Abweichungen formaler Art | a) Abweichungen formaler und inhaltlicher Art | a) Abweichungen inhaltlicher Art |
b) Auslassungen | b) Auslassungen inhaltlicher Art | b) Auslassungen inhaltlicher Art |
c) Zusätze | c) Zusätze inhalt- licher Art | c) Zusätze inhaltlicher Art |
Deutlich bei der Beratung über die Amnestie 1646 II 10 (Nr. [ 66 S. 452ff. ] ) im Vergleich zu den vorherigen Beratungen über den modus consultandi. Siehe auch Nr. [ 117 S. 773ff. ]
Nr. [ 68 S. 476 ] . 27: Keine direkten Beziehungen zwischen Kurtrier zA und spA, ebenso nicht zwischen Kurköln zA und spA.
Das Votenprotokoll rückt dann in die Nähe des summarischen begriffs (Proposition und Conclusum der CC -Sitzung von 1645 XI 19 in MEA CorrA Fasz. 10 [C]) bzw. des sum- marischen protocolls mit Einträgen verschiedener Conclusen ( ebd. nr. 53), vgl. auch unten Nr. [ 27 S. 185. 1 ] .
a) für Abweichungen: | |
Statt dessen ...: | Dieser bewußt neutrale Ausdruck, durch den eine Festle- gung auf die Art der Änderung vermieden werden soll, berücksichtigt Unwägbarkeiten der Formulierung und Syn- onymität . Er wird meist bei kleineren Abweichungen ver- wendet oder bei solchen, wo es Interpretationssache wäre zu sagen, ob eine Verknappung oder eine Änderung vorliegt. |
Abweichend ...: | Wird verwandt, wenn die Änderung klar als Alternative zum Text zu qualifizieren ist. |
Deutlicher ...: | Dies bedeutet eine Präzisierung (oder schon nähere Aus- führung ) des im gedruckten Text Enthaltenen. |
b) für Auslassungen: | |
Knapper (kürzer) ...: | teilweise mit Hinweis darauf, was in den anderen Proto- kollen stehengeblieben ist. Natürlich läuft jedes Mehr oder Minder auf eine Änderung hinaus, solange aber die Ab- weichung nicht erkennbar gewollt ist, wird unter dem neu- tralen Gesichtspunkt der Vollständigkeit nur ein Mehr oder Weniger konstatiert. |
Wesentlich knapper | |
(kürzer) ...: | ohne weitere Angaben, siehe oben. |
Fehlt ... | |
c) Zusätze: | |
Zusätzlich ...: | mit Präzisierung, was auf ein ausgeworfenes Wort oder einen Satz(-Teil) der Druckvorlage in anderen Überlieferungen noch folgt. |
Ausführlicher ...: | wenn umfangreiche Zusätze vor allem auch in mehreren Über- lieferungen anfallen. Danach werden außer den betreffenden Überlieferungen/Provenienzen keine weiteren Angaben mehr gemacht, wenn die größere Ausführlichkeit, ebenso wie die wesentliche Kürzung in b), auf die Qualität des Protokolls zurückzuführen ist. |
Ergänzt ...: | Hier werden ein Wort oder eine Zeile (Zeilensprung bei Abschrift) aus identischem oder gleichlautendem Text in die Vorlage, falls sie dort fehlen, eingesetzt. |
Eingesetzt ...: | desgleichen, nur daß ein irrtümlicher bzw. fehlerhafter Aus- druck der Vorlage aus einer identischen Überlieferungsart (spA für zA, Rk für K, Rs für Rk einer Provenienz) ersetzt wird. |
Kf. Anselm Casi- mir (1645 XI 29) lobte seine Gesandten in Münster dafür, daß sie befehls- gemäß in den protocollo dergestalt versehen, daß bey der wehrten posteritet wir einigen verweiß nit haben noch hinder unß laßen mögen ( MEA CorrA Fasz. 10 [C]). Raigers- perger (an Kf. Anselm Casimir, 1645 XII 26) bedauerte, daß eine Verwahrung gegen die an- maßende Ansage der Fürstlichen zum Reichsrat in Osnabrück nicht protokollkundig geworden sei, weil die Ansage den prothocollis und relationibus einverleibt pleibet und nichst dagegen einzuwenden ist ( MEA CorrA Fasz. 11 [1] nr. 6 ).
Vgl. den Bericht des bayerischen Kammerpräsidenten Johann Mändl aus Prag (1648 II 17): Weilen der Kayserlichen deputirten vier gewesen und ein yeder geredt und gemerkht, waß er gewölt, ich aber allein ware, alß hab ich ihnen allen nit red und antwordt geben und zugleich alles minutim prothocolliren khünden. Aber weilen ihre sachen und reden so fleissig prothocolirt, speciosi herfürgestrichen und zu ihrem glimpf andern communicirt, waß ihnen in ihr kram gedaugt, alß währe ihnen wol angestanden, daß sy auch dasyenige, was für Kurbayern eingewendet worden ist, prothocolliert und andern gesagt hetten ( MEA CorrA Fasz. 21 tom. 4 ). Bei Visiten brachte Kurbrandenburg bis zu drei Sekretäre mit ( DLöben I fol. 46 ), in wichtigen Konferenzen gebrauchte sich auch Salvius seiner schreibtaffel, obwohl der schwedische Sekretär protokollierte ( ebd. II fol. 62). – Ein Sonderfall war die Herausgabe der schwedischen Replik (1646 I 7) in Form eines Protokolls, das nit allein in substantialibus, sondern sogar auch in formalibus kollationiert werden mußte ( RK FrA Fasz. 50 b fol. 18–19, DLöben II fol. 52).
Die haltung richtigen prothocolls mit deutlicher Aufzeichnung der Voten diente vor allen dingen zu versicherung des kurmainzischen directorii ( MEA CorrA Fasz. 24 [1], Kur- mainz /Münster an Kurmainz/Osnabrück 1647 IV 19). Die Kurbrandenburger verlangten den Umlauf der von Kurmainz konzipierten Kollegialschreiben unter allen Gesandtschaften, die Abfassung allein durch das Direktorium aufgrund von dessen Protokoll genügte ihnen nicht ( DLöben I fol. 145).
Die iedeßmalß in voto incontinenti vorgebrachten Proteste (Protestation Bischopings von 1648 IV 1, MEA CorrA Fasz. 19 [2]), durch die abgelegte vota et prothocolla gnug- samb an tag geben (Kurmainz/Münster an Kf. Johann Philipp, 1648 VII 20, MEA CorrA Fasz. 16 [5]), konnten durch gedruckte oder schriftlich eingereichte Proteste, die dem reichs- protocollo beigelegt wurden (Kf. Maximilian an Kf. Johann Philipp, Salzburg 1648 X 3, MEA CorrA Fasz. 22,5), bekräftigt werden. Jeder Protest gewann durch repetiren und aus- bleibenden Reprotest. Vgl. auch DLöben II fol. 161, I fol. 124.
Kurtrier/Münster an Kf. Philipp Christoph, 1646 VII 24 ( MEA CorrA Fasz. 12 [2] fol. 75’): Der Kurfürst und seine Stifter werden ungeachtet ihres ad prothocollum gebrachten dissensus quoad vinculum et observantiam pacis publicae unßers unvergreifflichen ermeßens allezeit gleich anderen ständen obligirt sein unndt verbleiben müßen.
Den Auftrag des Kf. Johann Philipp (an Kurmainz/Osnabrück, 1648 III 21, MEA CorrA 18 [4]), das – nicht zugestandene – ius reformandi über Erfurt mittels anderwerttigen sal- vationen unnd heylßamen reservaten bey der dictatura und den reichßprothocollis sich auszubehalten, konterkarierte Raigersperger mit dem lapidaren Nota Bene: frustranea sunt.
Im Streit um die Auslegung des Präliminarschlusses von 1641 lehnten es die Kaiserlichen ab, fremde Protokolle gegen den Vertragstext gelten zu lassen, weil sie nur annotationes privatae seien, bezogen sich aber auf ihre eigenen Protokolle, die mit der kaiserlichen Auslegung des Ver- trages übereinstimmten ( Gärtner III nr. 116 S. 788).
Von dem authentico Moguntino prothocollo imperii konnte vidimata copia genommen werden, um Zweifel des Kommittenten am eigenen (hier kurtrierischen) Protokoll auszuräumen ( MEA CorrA Fasz. 12 [2] fol. 17’), vgl. auch MEA CorrA Fasz. 18 [3], 1648 VI 29, Beilage L. Churbeyerische baten umb abschrifft vom kurmainzischen Protokoll (der Sitzung 1647 III 18, aus der sie selbst ausgeschlossen waren, Kurmainz/Osnabrück an Kurmainz/Münster, 1647 III 21, MEA CorrA Fasz. 24 [1]). Bei der Beratung der Assistenzklausel 1648 waren die geschriebene, zweifelsohne annoch auch bei der Curmeinzischen reichscanzelei befindtliche prothocolla der Assistenzberatungen, die 1548, 1550, 1552 wo nit per directum saltem per indirectum stattgefunden hatten, noch von Bedeutung (Philipp von Vorburg an Kf. Johann Philipp, 1648 undatiert, MEA CorrA Fasz. 19 [2]).
Raigersperger beurkundete auf Antrag Kurtriers, im kurtrierischen Votum (von 1646 II 26) statt der Worte foederibus gesetzt zu haben: mit gewißen capitulationibus assistentiae et neutralitatis (1646 IV 19, MEA FrA Fasz. 13, 2, vgl. MEA CorrA Fasz. 16 fol. 103’, 12 [2] fol. 261). Der vom Kollegium befürworteten Änderung des Wahlprotokolls von 1636 (Zustimmung Kurtriers) widersetzte er sich allerdings unter Hinweis auf die Wahlbestätigung, die der Kurfürst von Trier bei seiner Entlassung abgegeben und der Kaiser dem Erzkanzlerarchiv in perpetuam rei memoriam überlassen habe (Raigersperger/Münster an Kf. Anselm Casimir, 1647 I 11, MEA CorrA Fasz. 25 [2]).
So genügte es nicht, die nachträgliche Wahlbestätigung Kurtriers allein in daß Churmayntzisch prothocoll clanculum einzuschieben, sie war auch in pleno, darmit eß in aller churfürsten prothocolla eingerücket, vorhero offentlich zu verleßen (Kf. Philipp Christoph an Kur- trier /Münster, 1646 IV 23, MEA CorrA Fasz. 16 fol. 111’).
S. 4.38 | 13. Oktober 1630 statt 13. Oktober 1635 und 6. April 1631 statt 6. April 1635 |
S. 22.40/41 | nordöstlich Bersenbrück statt (heute .... 1077) |
S. 26.39 | eingenommen statt eingenommne |
S. 43.21 | praedicato statt pradicato |
S. 59/60.45/36 | Würzburg statt Osnabrück |
S. 93.30 | consultationibus statt consultatonibus |
S. 186.18 | Stände statt stände |
S. 201.22 | tractiren statt tracticen |
S. 223.30 | clausulam statt clasulam |
S. 258.1 | gestellt statt gestellt |
S. 289.29 | der statt dnr |
S. 343.30 | silentium statt siltentium |
S. 367.16 | Osnabrück statt Oßnabrück |
S. 369.8/9 | unpraeiudicirlich statt unpraeiiudicirlich |
S. 372.41 | Administrator statt Aministrator |
S. 381.24 | ius statt ins |
S. 483.41 | Friedrich III. statt Friedrich II. |
S. 522.31, 728.24 | Frankreich statt Franckreich |
S. 524.41 | Regensburger statt Nürnberger Kurfürstentag |
S. 532.6 | restituiren statt restituiten |
S. 538.33 | „nec statt nec |
S. 626.17 | am Anfang der Zeile zu setzen: Kurmainz |
S. 631.24 | Seehäfen, statt Seehäfen |
S. 648.43 | portugiesischer statt protugiesischer |
S. 720.42 | Augsburger statt Speyerer Reichstag |
S. 792.23 | Kurbrandenburg statt Kurbrandenburn |
S. 792.27 | Kurköln statt Kurtrier |