Acta Pacis Westphalicae III B 1,3 : Die Friedensverträge mit Frankreich und Schweden, Teilband 3 : Materialien zur Erschließung und Register / Antje Oschmann

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III Ergänzungen und Korrekturen zu Teilband 1

1 Verbesserte Darstellung über den Rechtsvorbehalt der Reichsstände gegen die französische Territorialsatisfaktion (Teilband 1 Nr. 6 und 7)
Die zugehörigen Ausführungen in Teilband 1, IL, CX und CXXXIIIf, sind ebenfalls zu korrigieren und zu ergänzen, was hier erfolgt.
Die in Osnabrück versammelten Reichsstände haben im Spätsommer 1648 gegen die im November 1647 getroffenen kaiserlich-französischen Vereinbarungen über die Territorialsatisfaktion Frankreichs, die als §§ 69–91 Teil des IPM geworden sind, Rechtsverwahrung eingelegt. Die Urkunde darüber (Teilband 1 Nr. 6) ist auf den 22. August datiert und wurde in zweierlei Weise ausgefertigt: einmal hat allein das kurmainzische Reichsdirektorium unterschrieben und gesiegelt; unter die andere Fassung haben fünfzehn reichsständische Gesandten ihre Unterschriften und Siegel gesetzt. Zu dem Rechtsvorbehalt gehört eine Protokollnotiz (Teilband 1 Nr. 7), in welche die Texte eines Schreibens an Ludwig XIV. vom 29. September 1648 und des Rechtsvorbehalts mit den fünfzehn Gesandtenunterschriften eingefügt sind. Die einschlägigen Ausführungen zu Nr. 6 und 7 bedürfen aufgrund neuer Funde und Überlegungen einiger Korrekturen. Daraus ergibt sich:
    1
  • Es sind inzwischen sechs (statt zwei) Ausfertigungen der Nr. 6 ermittelt worden; der in Teilband 1 gebotene Text bleibt aber weiterhin gültig.
  • 2
  • Bester Text für Nr. 6 in Teilband 1 ist die Stockholmer und nicht die in Wien liegende Überlieferung.
  • 3
  • Der in Nr. 6 enthaltene Verweis auf § 106 IPM hat nicht in den am 22. August 1648 ausgestellten Urkunden gestanden, sondern ist erst nach dem 10. September eingefügt worden.
  • 4
  • Die Unterzeichnung des Rechtsvorbehalts durch die reichsständischen Gesandten ist erst im März/April 1649 vollzogen worden. Die Liste der Unterschriften (Teilband 1, 64f) gehört deshalb nicht zum 22. August 1648.
  • 5
  • Die Protokollnotiz (Teilband 1 Nr. 7) gehört nicht zum 29. September 1648. Sie ist zeitlich nach Nr. 16 einzuordnen.
Diese Feststellungen werden im Folgenden erläutert.

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    A
  • Zur Überlieferung des reichsständischen Rechtsvorbehalts und der Protokollnotiz
Die Edition des reichsständischen Rechtsvorbehalts in Teilband 1 (Nr. 6) basiert auf einer Mainzer Überlieferung mit den Unterschriften der Gesandten. Zusätzlich ist eine in Stockholm aufbewahrte Urkunde mit dem Siegel des Reichsdirektoriums
Vgl. die Angaben bei Nr. 6 (Teilband 1, 62 Z. 4–15).
herangezogen worden. Bei einer erneuten Durchsicht der kurmainzischen Akten
In HHStA Wien , MEA FrA und CorrA Die Korrespondenz der beiden kurmainzischen Vertretungen in Münster und Osnabrück mit den Mainzer Kurfürsten ist sehr unübersichtlich geordnet. Es sind zwar große Teile sowohl aus den Kanzleien der Gesandtschaften als auch aus den kurfürstlichen Beständen heute noch vorhanden. Die drei Bestände sind jedoch miteinander vermischt und nur grob chronologisch geordnet. Eine summarische Übersicht bietet das Inventar des Aktenarchivs, 203–207, 220–222.
, der kaiserlichen Überlieferung und der Handakten des Salvius
Zu der Salvius-Sammlung im Stockholmer Archiv vgl. Boëthius; ein älterer Hinweis bei Oelrichs. Die Bände E5274–E5277 dieser Sammlung enthalten, grob nach Sachbetreffen sortiert und meistens undatiert, Verhandlungsakten vom Westfälischen Friedenskongreß.
habe ich weitere Überlieferungen des Rechtsvorbehalts und der Protokollnotiz gefunden, und zwar in Stockholm eine zweite Urkunde und in Wien drei weitere Überlieferungen. Es liegen also sechs Ausfertigungen des Rechtsvorbehalts vor
Der Rechtsvorbehalt ist außerdem in vielen, auch beglaubigten Kopien überliefert. Zwei Beispiele seien genannt: eine zu den Mainzer Urkunden zählende, vidimierte Kopie innerhalb der Protokollnotiz des Reichsdirektoriums: HHStA Wien , AUR 1648 IX 29, mit den Unterschriften reichsständischer Ges. und dem Verweis auf § 106 IPM im laufenden Text, und diejenige Kopie, die wahrscheinlich dem Schreiben der Reichsstände an Ludwig XIV. von 1648 IX 29 beilag, ohne die Unterschriften der Ges. , aber mit dem Verweis auf § 106 IPM im laufenden Text ( AE Paris, Correspondance politique, Allemagne, origines-1870 vol. 109 fol. 475–476).
:
    1
  • Eine Ausfertigung mit Siegel und Unterschrift des Reichsdirektoriums und ohne den Verweis auf die Klausel in § 106 IPM in der Urkundenabteilung des Reichsarchivs Stockholm: RA Stockholm, originaltraktater Tyskland I. Tyska riket No. 8 D
    Beschreibung in Teilband 1, 62 Z. 13–15.
    . Dieses Exemplar ist für Salvius angefertigt und von diesem nach Stockholm eingereicht worden.
  • 2
  • Ein mit Nr. 1 textgleiches Exemplar in den Handakten des Salvius: RA Stockholm, E 5275 vol. 38 nr. 87/5. Dies ist vermutlich das Exemplar, das Salvius an Servien weitergeben sollte, doch verweigerte dieser die Annahme, so daß es bei Salvius verblieb.

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Hingegen enthalten die vier heute in Wien liegenden Urkunden den Hinweis auf die französische Vorbehaltsklausel, stimmen aber im übrigen im Text mit Nr. 1 und 2 überein:
    3
  • Ein in der Mainzer Urkundenserie überliefertes Stück: HHStA Wien, AUR 1648 VIII 22
    Die Zugehörigkeit zu der Mainzer Urkundenserie ergibt sich aus der Aufschrift auf dem Papierumschlag.
    . Es trägt Unterschriften und Siegel von fünfzehn reichsständischen Gesandten, die achtzehn Reichsstände vertraten. In Teilband 1 ist dieses Stück Druckvorlage für Nr. 6.
  • 4
  • Eine weitere Ausfertigung in der Mainzer Aktenüberlieferung vom Westfälischen Friedenskongreß: HHStA Wien, MEA FrA Fasz. 28 [Konv. 3] unfol. Der Text ist von einer anderen Hand als Nr. 3 geschrieben und unterscheidet sich von dieser hinsichtlich der Orthographie und der Schreibweise der Ziffern geringfügig; auch in der Unterschriftenliste finden sich (unwesentliche) Abweichungen von Nr. 3.
  • 5
  • Unmittelbar vor Nr. 4 liegt in HHStA Wien, MEA FrA Fasz. 28 [Konv. 3] unfol. eine Ausfertigung mit Unterschrift und Siegel des Reichsdirektoriums, also ohne die Unterschriften der reichsständischen Gesandten. Der Verweis auf § 106 IPM ist nachträglich auf dem linkem Rand eingefügt. Dieses Exemplar trägt oben links einen Präsentatvermerk für den 28. September 1648 von der Hand Volmars
    Rechts oben hat eine andere Hand mit einem weicheren Stift geschrieben: satisfactio Gallicana et Alsatia, und links unter dem Vermerk Volmars steht in Tinte von einer dritten Hand: Dat. 22. Aug. 1648. Diese beiden Vermerke sind sehr wahrscheinlich späteren Datums und können daher der Identifizierung des Stückes nicht dienen. Die Abweichungen im Text entsprechen denen in Nr. 4.
    .
  • 6
  • Auch in den kaiserlichen Akten ist eine Ausfertigung mit Unterschrift und Siegel des Reichsdirektoriums erhalten: HHStA Wien, Reichskanzlei, Friedensakten Fasz. 56d (Konv. 1648 IX 17–30) fol. 164–165. Sie stammt vermutlich aus den Handakten Volmars
    Auf die Rückseite der letzten beschriebenen Seite, fol. 165’, hat Volmar eigenhändig und wahrscheinlich nach Ende des Kongresses oben rechts vermerkt: statuum Imperii Osnabrugis coniunctorum cum Serviennio Galliae ministro refragantibus Caesareanis et Austriacis inita conventio, qua ratione landgraviatus Alsatiae ad Gallos spectare debeat, die 22. Augusti anni Domini 1648. Quae tamen postea nonnihil mutata fuit, ut instrumentum pacis monstrat.
    . Oben links am Kopf hat Volmar wieder einen Präsentatsvermerk für den 28. September 1648

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    angebracht. Der Hinweis auf die Vorbehaltsklausel in § 106 IPM steht hier im laufenden Text
    Die Abweichungen im Text entsprechen denen in Nr. 3 und 4. Zusätzlich hat der Schreiber, wohl versehentlich, an der Stelle S. 63 Z. 13 mediata Imperii nobilitate statt immediata Imperii nobilitate geschrieben. In Nr. 4 ist diese Stelle nachträglich korrigiert.
    .
Für die Konstitution des Textes des Rechtsvorbehalts ergeben sich durch die neu vermerkten Überlieferungen keine Veränderungen
Bis auf einen Lesefehler: S. 63 Z. 12 erstes Wort statt sine lies sive.
.
Für die zu diesem reichsständischen Rechtsvorbehalt gehörende Protokollnotiz (Nr. 7) ist in Teilband 1 nur eine Ausfertigung aus der Mainzer Überlieferung herangezogen worden: HHStA Wien, AUR 1648 IX 29. Eine weitere Ausfertigung findet sich in den württembergischen Akten: HStA Stuttgart, A 90 D Band 23 fol. 99–104
Schon 1648 VIII 26 hatte Württemberg im FRO angeregt, den betroffenen Ständen ein (beglaubigtes) Exemplar der geplanten Deklaration auszuhändigen (Protokoll: ThStA Altenburg, Altes Hausarchiv Classe 1 E 27 fol 102’-118).
. Demnach ist die Protokollnotiz, die als Beleg für die nur bedingte Zustimmung der Reichsstände zur französischen Territorialsatisfaktion dienen sollte, nicht nur für das Reichsdirektorium und das Reichskammergericht
So im Text der Protokollnotiz selbst dargelegt: Teilband 1, 66 Z. 25–30.
ausgestellt worden, sondern auch für interessierte Reichsstände
Vermutlich enthalten deshalb auch andere reichsständische Überlieferungen, insbesondere die Unterlagen der von den frz. Gebietserwerbungen direkt betroffenen Stände, weitere Überlieferungen.
. Außerdem ist das Konzept der Protokollnotiz gefunden worden, das vor allem vom kurmainzischen Kanzler Raigersperger durchkorrigiert worden ist: es befindet sich zusammen mit einer Reinschrift des Textes in HHStA Wien, MEA FrA Fasz. 13 unfol. Die neuen Funde erlauben die Emendation einer Textstelle: in Teilband 1, 66 Z. 15 heißt es besser ut unum statt et unum.
    B
  • Der Termin der Unterzeichnung des Rechtsvorbehalts durch die fünfzehn reichsständischen Gesandten
Teilband 1 nimmt als Datum für die Unterzeichnung des Rechtsvorbehalts durch die reichsständischen Gesandten den 22. August 1648 an
Teilband 1, CXXXIV Z. 1 sowie S. 62 und 194. Die maßgeblichen Darstellungen der letzten Verhandlungsphase über die frz. Territorialsatisfaktion – Jacob, 265–281; Overmann, 117–120; Lehr, 31–41; Dickmann, 482–485, 576 – erwähnen die Unterzeichnung des Rechtsvorbehalts durch reichsständische Ges. nicht ausdrücklich. Allein Adami (1707), 444ff, druckt am Ende des Textes, der chronologisch unter 1648 VIII 22 eingeordnet ist, einen Hinweis auf die Unterzeichnung durch die Deputierten ab.
. Dieses

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Datum gilt zwar für die Ausstellung der beiden heute in Stockholm liegenden Ausfertigungen durch das kurmainzische Reichsdirektorium. Für die Unterzeichnung und Besiegelung von Nr. 6 durch die fünfzehn Gesandten ist jedoch ein erheblich späterer Termin anzunehmen: März/April 1649. Dies läßt sich aus vier Umständen schlußfolgern.
Erstens: Vergleicht
Auf das Folgende ist schon in Teilband 1, CX, hingewiesen worden.
man die Unterschriftenliste des Rechtsvorbehalts
Abdruck: Teilband 1, 64f.
mit denen anderer im Herbst 1648 von den reichsständischen Gesandten ausgestellten Urkunden
Vgl. die tabellarische Übersicht in Teilband 1, 195. Dort ist, wie sich jetzt zeigt, fälschlich der reichsständische Rechtsvorbehalt als zeitlich früheste Urkunde klassifiziert; tatsächlich gehört er an das Ende der Übersicht als die zeitlich späteste Urkunde.
, so fällt auf, daß der Rechtsvorbehalt nicht von allen am 13. Oktober 1648 bestätigten
Text der reichsständischen Vollmacht für die Unterzeichnung: Teilband 1 Nr. 26; zu den Umständen und zur Überlieferung ebenda, LIV und CXLI.
Mitgliedern der außerordentlichen Reichsdeputation unterzeichnet worden ist. Es fehlen die Signaturen und Siegel des Straßburger Gesandten Marx Otto, des braunschweig-lüneburgischen Vertreters Lampadius und des kurbrandenburgischen Rats Fromhold; hingegen findet sich die Unterschrift des kursächsischen Gesandten Leuber, der erst im November 1648 die kurfürstliche Erlaubnis erhielt, rechtsverbindliche Unterschriften für das Reich zu leisten
Dazu ebenda, LXI, und Teilband 3, 368f.
.
Zweitens unterzeichnen in Nr. 6 die welfischen Gesandten nicht in der gleichen Anzahl und Reihenfolge wie bei den Urkunden, die zwischen Oktober 1648 und Januar 1649 ausgestellt wurden
Bis 1648 XII 14 unterzeichneten sie in dieser Reihenfolge: Langenbeck für Celle, Lampadius für Grubenhagen, Cöler für Wolfenbüttel (er fehlte 1648 XII 14) und dann erneut Lampadius für Calenberg. Es handelt sich um die heute noch nachprüfbaren vier Unterschriften von 1648 X 24 (vgl. Teilband 1, 45 Z. 10 [zwei Unterschriften], 166 Z. 10–20 [eine Unterschrift], 72 Z. 6–14 [eine Unterschrift]), weiterhin um eine Unterschrift von 1648 X 26 ( ebenda, 166 Z. 10–20) und schließlich um eine Unterschrift von 1648 XII 14 ( ebenda, 81 Z. 28–35). 1649 I 29 unterzeichneten zuerst Cöler für Wolfenbüttel, dann Langenbeck für Celle und Grubenhagen und zuletzt Lampadius für Calenberg die drei Urkunden der Spezialgarantie für Frankreich ( ebenda, 89 Z. 10–16). Unseren Rechtsvorbehalt hingegen haben nur Cöler für Wolfenbüttel und Langenbeck für Celle und Grubenhagen, mit einer einzigen Unterschrift und unterhalb von Cöler, gezeichnet. Langenbeck tat dies mit Bedacht, denn in einer Ausfertigung hatte er irrtümlich zuerst oberhalb Cölers die Feder angesetzt und verbesserte sich dann selbst (vgl. ebenda, 64 Z. 33–34). In der vidimierten Kopie des Reichsdirektoriums im Anhang zur Protokollnotiz ist die Reihenfolge dieser beiden Unterschriften allerdings umgekehrt ( ebenda Z. 35–36), doch ist die Textqualität jener Akte insgesamt nicht sehr gut, so daß wohl ein Fehler des Kopisten vorliegt.
.

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Drittens vertritt der Gesandte Wolff von Todenwarth in Nr. 6 nur die Stadt Regensburg und nicht auch die Landgrafschaft Hessen-Darmstadt, die er in allen anderen Urkunden im Herbst und Winter 1648/49 mit zwei Ausnahmen
Die Zession des Reiches für Elsaß und Breisach und das sehr wahrscheinlich erst im Frühjahr 1649 ausgefertigte IPO für Kurbayern hat Wolff von Todenwarth nicht für Hessen-Darmstadt unterzeichnet (vgl. Teilband 1, 204).
repraesentiert hat.
Und schließlich unterscheidet sich viertens der Wortlaut der überlieferten sechs, alle auf den 22. August datierten Ausfertigungen beider Fassungen des Rechtsvorbehalts hinsichtlich eines Hinweises auf eine Vorbehaltsklausel am Ende von § 106 IPM
Gemeint ist das Ende von § 106(1) und (die Angabe in ebenda, 63 Anm. 1 ist zu korrigieren) § 106(2) IPM ganz; dies geht aus den entsprechenden Textvorschlägen Serviens ( Meiern, APWP VI, 342 ) und der Reichsstände ( ebenda, 361f) hervor.
. Dieser fehlt gänzlich in zwei Ausfertigungen, die das Reichsdirektorium allein gesiegelt hat und die für Salvius und Servien bestimmt waren, ist in einer dritten Ausfertigung am Rand nachgetragen und in den übrigen drei Ausfertigungen, von denen zwei die Unterschriften der reichsständischen Gesandten tragen, in den laufenden Text eingefügt
Darauf ist in Teilband 1, CXXXIV Z. 5–9, ohne weitere Erklärung hingewiesen worden.
. Der Hinweis auf diese Klausel lautet: ut et in clausulam „salvis tamen iis etc.“ articulo de assecuratione positam
Vgl. Teilband 1, 63 Z. 7–8. Entgegen der Darstellung dort gehören § 106 IPM und entsprechend Art. XVI,14 IPO nicht zu den Regelungen des Friedensvertrags über die Sicherung des Friedens (assecuratio), sondern zu den Vollzugsbestimmungen (executio), wie noch in den ersten Diskussionen um diese Klausel richtig gesagt wurde (vgl. Meiern, APWP VI, 342 und 344 ).
. Dieser Vorbehalt ist erst um den 10. September 1648 in den kaiserlich-französischen Vertragsentwurf eingefügt worden. Die Vorbehaltsklausel des § 106 IPM nimmt die im IPM vereinbarten Gebietsveränderungen von der allgemeinen Restitution auf den Vorkriegszustand aus und erklärt einige für Frankreich präjudizierliche Punkte im IPO für unwirksam, nämlich die Erwähnungen des Königs von Spanien und des Herzogs von Lothringen, die Verwendung des elsässischen Landgrafentitels durch den Kaiser und die Bestimmungen über die schwedische Armeesatisfaktion
Text des Vorbehalts in der Endfassung des IPM (Teilband 1, 32 Z. 6–14): salvis tamen iis, quae et quatenus in praecedentibus articulis circa satisfactionem sacrae maiestatis Christianissimae ut et quibusdam Imperii electoribus et principibus factis concessionibus et aequivalentibus compensationibus aliter excepta et disposita sunt. Nec mentio regis Catholici et nominatio ducis Lotharingiae in instrumento Caesareo-Suedico facta, minus praedicatum landgravii Alsatiae Imperatori attributum Christianissimo regi ullum praeiudicium afferant, nec ea, quae circa satisfactionem militiae Suecicae conventa sunt, ullum respectu suae maiestatis sortiantur effectum.
.

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Eine einfache Erklärung für die genannten vier Unstimmigkeiten und Unklarheiten bietet eine eher beiläufige Notiz in einem der sachsen-altenburgischen Diarien vom Westfälischen Friedenskongreß
ThStA Altenburg, Altes Hausarchiv Classe 1 E 19 fol. 1–254’; den Zeitraum 1648 VIII 22 – 1649 VII behandelt fol. 194’-254’. In der Gesandtschaft Sachsen-Altenburgs sind mindestens (vgl. APW III A 3/1, CXVII–CXX) drei Diarien geführt worden: das hier angeführte, sodann ein weiteres über die Gravaminaverhandlungen ( ThStA Altenburg, Altes Hausarchiv Classe 1 E 11; es ist nur als Fragment für die Zeit von 1645 X 10 bis 1647 VI 12 überliefert; vgl. dazu APW III A 3/1, CXXf) und ein allgemeines, das wahrscheinlich das umfangreichste der drei gewesen ist, aber bislang nicht hat wiederaufgefunden werden können; Meiern kannte es noch und druckte mehrere Auszüge daraus ab ( ebenda, CXVIII Anm. 471).
. Dort wird von der Unterzeichnung des Rechtsvorbehalts erst zum 3. April 1649 berichtet: Eodem [1649 III 24/IV 3] Churmaynzische uberschicken Altenburgicis 2 exemplaria derienigen declaration, so man von seitten der stände wegen cession Elsaß und der stiffter dem könige von Franckreich voriges jahrs zugeschickt, welche sie, Altenburgici, gleichwie andere extraordinarii deputati, underschreiben und besiegeln
ThStA Altenburg, Altes Hausarchiv Classe 1 E 19 fol. 245’.
.
Es ist kaum zu bezweifeln, daß diese Notiz den Rechtsvorbehalt der Reichstände vom 22. August 1648 meint. Zwar hat anscheinend das kurmainzische Reichsdirektorium dem Kurfürsten über diesen Unterzeichnungsakt nicht berichtet
Wenigstens steht dazu nichts in ihren Relationen von 1649 III 2, 5, 9, 12, 16, 19, 26, 30 sowie IV 2, 6, 9, 13, 16, 20, 24, 25, 27, 30 und V 4, 7 (alle Ausf.en: HhStA Wien , MEA FrA Fasz. 32 unfol.).
, ebenso verhielten sich andere unterzeichnete Gesandte
Keine Hinweise finden sich im Diarium des kursächsischen Ges. Leuber ( SHStA Dresden, Geh. Rat [Geh. Archiv], Locat 8132/3) oder in Relationen des braunschweig-lüneburgischen Ges. Langenbeck von 1649 III 23/IV 2, III 30/IV 9, IV 7/17, IV 14/24 ( HStA Hannover, Calenberg Briefschaftsarchiv 11 Nr. 512 fol. 55–62, 74–78, 104–108, 134–138), in den bayerischen (in Abschrift in: BHStA München, Nachlaß Lori Bd. 14) oder kurbrandenburgischen (in Ausf. in: GehStA Berlin, HA I Repositur 12 Nr. 137/14 und 137/15) Berichten. – Die Berichte anderer beteiligter Ges. (des Ft.s Braunschweig-Wolfenbüttel, des Hst.s Bamberg sowie der Städte Regensburg und Nürnberg) sind nicht eingesehen worden.
. Jedoch ist das Fehlen eines solchen Berichts kein zwingendes Gegenargument. Einmal lagen Umstände vor, die für eine weitgehende Geheimhaltung dieses Vorgangs sprachen – zumal die wichtigeren Gesandten auch sonst nicht über alle Einzelheiten des Verhandungsgeschehens in Westfalen an ihre Höfe berichteten
So haben die Hauptbeteiligten über Umstände und Inhalt der frz. -ksl. Satisfaktionsartikel von 1646 IX 13 wahrscheinlich nur ungenau und unvollständig berichtet (so Repgen, Satisfaktionsabkommen). Die Geschäftsführung des kurmainzischen Reichsdirektoriums unterlag in dieser Hinsicht ständiger Kritik der anderen Gesandten des Westfälischen Friedenskongresses. Das Reichsdirektorium ließ die anderen Ges. offensichtlich oft im Unklaren, welche Korrespondenzen ausgefertigt worden waren und welche nicht. Eine detaillierte Untersuchung darüber fehlt.
. Zum anderen lassen sich die

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geschilderten Unstimmigkeiten bei den Unterschriften gut erklären, wenn man den Unterzeichnungstermin auf März/April 1649 verschiebt: Denn der Kursachse Leuber war zu diesem Zeitpunkt eindeutig zur Unterschrift berechtigt; Wolff von Todenwarth hatte wahrscheinlich nicht mehr die Vertretungsvollmacht für Hessen-Darmstadt, und Otto war im Januar 1649 abgereist
Otto verließ den Kongreß 1649 I 18/28 (vgl. Teilband 1, CIX Anm. 419; seine Abrechnung über seine Kosten nennt als Zeitraum seiner Mission: 1645 III 15[/25] – 1649 I 31[/II 10]; vgl. SA Strassburg, XIII-Männer 1649–1651 fol. 123). Von da an leistete der Nürnberger Ges. Kress für ihn die nötigen Unterschriften. In den drei Ausfertigungen des Rechtsvorbehalts schreibt Kress einmal, er unterzeichne in Vertretung des Straßburger Ges. pro tempore absentis, einmal absentis und einmal nur nomine eius legati.
, so daß seine Unterschrift in diesen Urkunden fehlen muß
Unter dem reichsständischen Rechtsvorbehalt fehlt allerdings auch die Unterschrift Fromholds, obwohl er sich bis in den Sommer 1649 in Münster aufhielt.
. Auch die braunschweigischen Vertreter unterzeichneten im Frühjahr 1649 in der ihnen zu diesem Zeitpunkt gebührenden Reihenfolge, denn die Unterschriftenreihenfolge der welfischen Vertreter richtete sich nach dem Lebensalter der von ihnen vertretenen Fürsten. Der Wolfenbütteler Coeler konnte daher das Vortrittsrecht vor Langenbeck erst nach dem Tod des Herzogs Friedrich (am 10./20. Dezember 1648) in Anspruch nehmen
Vgl. Teilband 1, CXIII Anm. 440.
. Die Urkunden für Nr. 6 können folglich frühestens nach diesem Zeitpunkt ausgefertigt worden sein. Weil jedoch außerdem die Unterschrift des Lampadius fehlt, muß man einen noch späteren Zeitpunkt ansetzen, denn Lampadius nahm erst seit Ende Februar 1649 nicht mehr am Verhandlungsgeschehen teil
Sein Diarium endet am 17./27. Februar 1649. Es ist in mehreren Kopien überliefert; die wahrscheinlich beste Fassung liegt heute im Privatarchiv der Grafen von Oeynhausen-Sierstorpff (betreut vom Landesamt für Archivpflege in Münster). Die Unterschrift des Lampadius ist in den Friedensvertragsurkunden, die 1649 III 8 in einer Reichsversammlung zur Unterzeichnung vorgelegt worden waren, nicht mehr enthalten (vgl. Teilband 1, CIX Anm. 418).
und starb am 10./20. März 1649. Deshalb sind die unterzeichneten Ausfertigungen des reichsständischen Rechtsvorbehalts frühestens Ende Februar von den reichsständischen Gesandten unterschrieben und gesiegelt worden. Damit rückt man nahe an den von den Altenburger Gesandten genannten Termin, Anfang April 1649, heran
Auch 1649 III 12/22 war die Protokollnotiz sicherlich noch nicht ausgefertigt: denn als der württembergische Ges. Varnbüler an diesem Tag abreiste (sein letzter Bericht vom Morgen desselben Tag mit dieser Mitteilung: HStA Stuttgart, A 90 D Band 45 Nr. XXXVIII, Ausf.), hinterließ er Maßgaben ( ebenda Nr. XLII) für den Ges. Baden-Durlachs, wie dieser sein Votum im FR führen solle. Darin wies er ihn u. a. an, auf die Ausfertigung der declaration in puncto satisfactionis Gallicae zu dringen und drei vidimierte Kopien davon zu beschaffen. Hier ist sicher unsere Urkunde gemeint.
.

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Übrigens mindert es die Glaubwürdigkeit der Altenburger Notiz nicht, wenn man aufgrund der Liste der beteiligten Gesandten schlußfolgert, daß die Fertigstellung der beiden Ausfertigungen sich über eine gewisse Zeitspanne hinzog. Denn die Altenburger Gesandten berichten nur, sie selbst hätten am 3. April 1649 zwei Exemplare zur Unterzeichnung erhalten und diese, so wie andere Deputierte, unterzeichnet und besiegelt. Tatsächlich enthalten die Urkunden die Unterschriften der kurbrandenburgischen Gesandten Sayn-Wittgenstein und Wesenbeck sowie des bayerischen Gesandten Ernst, die Münster Ende bzw. Mitte März verlassen hatten
Zur Abreise Sayn-Wittgensteins 1649 III 29 und Wesenbecks 1649 IV 2 vgl. das Diarium Leubers ( SHStA Dresden, Geh. Rat [Geh. Archiv], Locat 8134/3 fol. 96’ und 97). Ernst reiste am 17. März ab, vgl. Krebs an Kf. Maximilian von Bayern, 1649 III 19 und 23 ( BHStA München, Nachlaß Lori 14 fol. 473–488, hier 482, und 489–504, hier 498).
. Die Urkunden für Nr. 6 sind daher den Deputierten wahrscheinlich nicht in einer gemeinsamen Versammlung zur Unterzeichnung vorgelegt worden, sondern wurden unter den verbliebenen Gesandten zur Unterzeichnung herumgereicht
Ebenso wie das IPO für Bayern von seiten der ksl. Ges. und die evangelischen Vertragsinstrumente, vgl. Teilband 1, LXXXI und LXXXVI.
.
Es sprechen also mehrere Argumente übereinstimmend dafür, daß die reichsständischen Gesandten den Rechtsvorbehalt tatsächlich erst im März/April 1649 unterzeichnet haben, und zwar nachdem Servien am 20. März 1649 aus Münster abgereist war. Betrachtet man das Verhalten der Reichsstände gegenüber der Regelung der französischen Satisfaktion seit der Schlußphase der Verhandlungen im Überblick, erscheint dieser Schritt sogar in gewissem Maße als in sich schlüssig.
    C
  • Die Reaktion der Reichsstände auf die kaiserlich-französische Vereinbarung über die französische Territorialsatisfaktion
Nachdem am 6. August 1648 zwischen Kaiser und Schweden eine verbindliche Vereinbarung über das IPO getroffen worden war
Dazu Teilband 1, XLVIIf.
, hatten die Reichsstände vier Tage später gegen den Einspruch der kaiserlichen Gesandten beschlossen, mit Servien in Osnabrück – und nicht in Münster –

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Verhandlungen aufzunehmen
Am 31. Juli/10. August 1648 ( THStA Altenburg, Altes Hausarchiv Classe I E 27 fol. 13–27).
. Zu diesem Zweck ließen sie sich seinen Entwurf für den künftigen Vertrag mit Frankreich
Servien hatte den Reichsständen zusammen mit einem Begleitschreiben, dat. Münster 1648 VII 1 (frz. Text und die lat. Übersetzung: Meiern, APWP VI, 287ff ), seinen Entwurf für ein IPM (eine Kopie in der schwed. Überlieferung nennt: APW II C 4, 653 Z. 29) übermittelt. Dieser Entwurf wurde zusammen mit dem ksl.-frz. Vorabkommen von 1647 XI 11/14 und den damals vereinbarten Zessionsformeln 1648 VII 22 und 24 in Osnabrück diktiert (vgl. die Diktatvermerke auf den Kopien in HStA Hannover, Celle Briefschaftsarchiv 12 Nr. 64 fol. 312–375’). Zu der ersten Verhandlung mit Servien s. Meiern, APWP VI, 296 .
und kurze Zeit später eine Liste der Differenzen zwischen diesem Entwurf und dem IPOm geben
Text seiner declarationes zu den Differenzen zwischen Art. I–XV IPOm und seinem Entwurf für ein IPM, dict. 1648 VIII 2/12: ebenda, 296–299. Darin hieß es (S. 297) gleich zu Anfang: Inseratur ad longum: est enim Satisfactio Gallica, de qua jam diu convenit, ut in ea nihil sit immutandum. Der frz. Entwurf für ein IPM sah (im Unterschied zur späteren Regelung) vor, daß die Bestimmungen zur frz. Territorialsatisfaktion ziemlich am Anfang des Vertrags stehen sollten, und zwar nach dem allgemeinen Friedensgebot (später § 1 IPM) und dem Assistenzverbot im frz.-span. Krieg (später § 3 IPM), noch vor dem allgemeinen Amnestiegebot (später § 2 IPM).
. Jetzt erhielten sie zum ersten Mal amtlich Kenntnis vom Wortlaut des Vorabkommens vom November 1647. Einfachhin zustimmen wollten sie dieser Vereinbarung nicht, weil einige Formulierungen nicht genügend präzise seien
Vgl. die Beratungen in den Reichsräten, 1648 VIII 3/13–5/15 ( Meiern, APWP VI, 299–301 ), sowie das Conclusum, das 1648 VIII 7/17 diktiert wurde (Text: ebenda, 318–321, hier insbesondere 318ff).
. Insbesondere meinten sie, es müsse deutlich zum Ausdruck gebracht werden, daß die Abtretungen im Elsaß nur diejenigen Gerechtsame betreffe, die das Haus Habsburg dort besessen hätte, und daß die zur Landvogtei Hagenau gehörenden zehn Reichsstädte nicht aus dem Reich entlassen würden; außerdem dürften sich die Souveränitätsrechte Frankreichs in den drei lothringischen Hochstiften nur auf deren Territorialbesitz erstrecken und nicht auf die Diözesangebiete der Bistümer übergreifen, und überdies müsse ausgeschlossen werden, daß die künftigen Rechte Frankreichs gegenüber den reichsunmittelbaren Personen und Gemeinwesen, die in den Stiftern Lehen besäßen, weiter ausgedehnt würden, als sie von den bisherigen fürstbischöflichen Territorialherren ausgeübt worden seien. Servien weigerte sich jedoch, irgendwelche Änderungen am Wortlaut des Textes zuzulassen . Als Ausweg bot er – vielleicht veranlaßt durch eine Anregung von seiten der Reichsstände
Dazu Lehr, 37.
– am 18. August 1648 an, daß

[p. 357] [scan. 385]

Frankreich die beiden Landgrafschaften des Ober- und Unterelsaß als Lehen vom Reich nähme, mit Sitz und Stimme am Reichstag
Vgl. Meiern, APWP VI, 322f , und den Text seiner Erklärung in Frz. und in dt. Übersetzung: ebenda, 324.
.
Zu einer Einigung gelangte man auf dieser Grundlage nicht, so daß die Reichsstände den schwedischen Gesandten Salvius um Vermittlung baten
Zu den vermittelnden Bemühungen des Salvius im ganzen vgl. seine Relationen an die Kg.in, 1648 VIII 14/24 und 21/31 (Texte: APW II C 4 Nr.n 338, 346).
. Dieser brachte den Vorschlag auf, die Reichsstände sollten eine Erklärung über ihre Interpretation des Vertragstexts abgeben und bei der Unterzeichnung des Vertrags aushändigen. Die Reichsstände griffen diese Anregung auf, modifizierten sie jedoch nach kontroverser Diskussion. Insbesondere der Städterat wollte die geplante Deklaration geradezu ultimativ Servien vorlegen lassen und verlangte die Verlegung der Verhandlungen nach Münster
Dazu zum einen die Sitzung der Reichsräte von 1648 VIII 10/20 (Bericht: Meiern, APWP VI, 325ff ; das Protokoll des FRO : ThStA Altenburg, Altes Hausarchiv Classe 1 E 27 fol. 72–91’, des Städterats: APW III A 6 Nr. 174). Zum andern die beiden Sitzungen von 1648 VIII 12/22: Meiern, APWP VI, 336 , und das Protokoll im FRO : ThStA Altenburg, Altes Hausarchiv Classe 1 E 27 fol. 92–100, 100’.
. Es wurde daraufhin beschlossen, diesen Schriftsatz sofort zu verfassen und in zwei vom Reichsdirektorium gesiegelten Exemplaren Salvius zu übergeben; ein drittes Exemplar sollten die Deputierten unterzeichnen und siegeln und dann beim Reichsdirektorium hinterlegen
Am Nachmittag des 12./22. August lautete der Beschluß nach dem Protokoll des FRO ( ThStA Altenburg, Altes Hausarchiv Classe 1 E 27 fol 100’): es solten solchen ufsaz die ordinari deputati subscribirn, morgenden tags in duplo herrn Salvio überliefern und ein exemplar bey dem reichsdirectorio verpleiben; in der Sache übereinstimmend Meiern, APWP VI, 336 , und die Einträge im Diarium Altenburg ( ThStA Altenburg, Altes Hausarchiv Classe 1 E 19 fol. 193–193’) und im Bamberger Protokoll ( StA Bamberg, Rep. 33 II Nr. 7 fol. 99’).
.
Auf der Grundlage eines Textvorschlags des sachsen-altenburgischen Gesandten Thumbshirns
Ein Arbeitsexemplar mit Thumbshirns eigh. Korrekturen und Ergänzungen liegt: ThStA Altenburg, Altes Hausarchiv Classe 1 E 10 fol. 346–346’. Jacob, 272, nennt als Konzipienten auch Lampadius.
, der in einigen Punkten vor allem auf Anregung des württembergischen Gesandten Varnbüler noch geändert wurde , wurde am Nachmittag des 22. August 1648 die Erklärung beschlossen und unmittelbar zur Diktatur gegeben.
In diesem Rechtsvorbehalt werden insgesamt sieben Bedingungen für die Zustimmung der reichsständischen Gesandten zu den Vereinbarungen über die französische Territorialsatisfaktion zusammengestellt. Die ersten

[p. 358] [scan. 386]

drei befassen sich mit der von den Reichsständen gewünschten Belehnung Frankreichs mit dem Elsaß:
    1
  • Der König von Frankreich soll mit Zustimmung des Kaisers die Landgrafschaft des Elsaß (Singular: landgraviatus Alsatiae) erhalten und das Elsaß (zusammen mit dem Sundgau und der Landvogtei Hagenau) unter Anerkennung der Oberhoheit (supremum dominium) des Reiches als Reichslehen empfangen. Voraussetzung ist, daß der Fürstbischof von Basel wegen der Grafschaft Pfirt entschädigt wird.
  • 2
  • Der König von Frankreich soll als Landgraf im Elsaß die Landeshoheit (superioritatis ius et territorii) und alle damit verbundenen Rechte in gleichem Umfang wie früher die Erzherzöge von Österreich innehaben.
  • 3
  • Der König von Frankreich soll für diese Lehen die Reichsstandschaft erhalten; über seinen Platz in der Votierordnung des Reichstages und seine künftige Kreiszugehörigkeit wird auf dem nächsten Reichstag entschieden.
In vier weiteren Punkten legen die Reichsstände eine verbindliche Interpretation einiger, wie sie sagen, zu undeutlicher (obscurius) Formulierungen des Satisfaktionsvertrags vom November 1647 und der Zessionsformulare fest:
    4
  • Der König von Frankreich als Inhaber der Oberhoheit in den Hochstiften Metz, Toul und Verdun (supremum dominium episcopatuum habere et retinere) darf diese und die königliche Rechtshoheit (regia iurisdictio) nur in dem Umfang ausüben, wie sie vor dem Krieg (ante hos motus) ausgeübt worden ist; beide Kompetenzen dürfen nicht über das eigene (proprium) Territorium hinaus ausgedehnt werden und sich insbesondere nicht auf die Gebiete erstrecken, die Reichsstände oder Mitglieder der Reichsritterschaft von den Fürstbischöfen zu Lehen getragen haben oder tragen.
  • 5
  • Vom Ober- und Unterelsaß, vom Sundgau und von der Landvogtei Hagenau ist der Krone Frankreich nur dasjenige übertragen worden, was zum Haus Habsburg gehörte und von diesem abgetreten werden konnte. Der Rechtsverzicht von seiten Habsburgs bringt keinem Reichsstand oder Mitglied der Reichsritterschaft irgendeinen rechtlichen Nachteil.
  • 6
  • Die Landstände, Landsassen und Untertanen in den Satisfaktionsgebieten behalten ihren weltlichen und geistlichen Rechtsstatus (iura, privilegia, possessiones, usus atque exercitium tam in ecclesiasticis et ipsa religione quam in politicis), wie er im Friedensschluß geregelt ist, insbesondere ihr Religionsrecht.
  • [p. 359] [scan. 387]

    7
  • Im Schwarzwald, in der Ortenau und sonstwo wird alles restituiert, was dem Haus Habsburg, einem Reichsstand oder einem Mitglied der Reichsritterschaft oder einem Mediatstand gehört.
Am 23. August 1648 erhielt Salvius die beiden vom Reichsdirektorium gesiegelten und unterzeichneten Exemplare, um eines zu seinen Akten zu nehmen und das andere Servien zu übergeben
Bericht über das Gespräch mit Salvius: StA Bamberg, Rep. 33 II Nr. 7 fol. 99–106.
. Letzeres mißlang . Zwei Tage später scheiterte auch ein Versuch der reichsständischen Deputierten, den französischen Gesandten dazu zu bringen, von der reichsständischen Auslegung der Satisfaktionsregelung offiziell Kenntnis zu nehmen oder sie stillschweigend zu übergehen
Vgl. ebenda, 339f.
. Stattdessen wies Servien sie ausdrücklich zurück. Daraufhin faßten die Reichsräte am 24. und 26. August den Entschluß, ungeachtet des Scheiterns ihrer Bemühungen die Verhandlungen mit Servien in Osnabrück fortzusetzen
Dazu und zum Folgenden: ebenda, 338f, sowie die Protokolle des FRO ( ThStA Altenburg, Altes Hausarchiv Classe 1 E 27 fol. 100’–118) und des Städterats (APW III A 6 Nr. 176).
. Sie einigten sich jedoch darauf, über ihren Vorbehalt ein Schreiben an den französischen König aufzusetzen, es ihm zusammen mit dem Vorbehaltstext zuzusenden und um dessen Genehmigung zu bitten. Außerdem beschlossen sie erneut, ein Exemplar des Vorbehalts von den Reichsdeputierten unterfertigen und beim Reichsdirektorium deponieren zu lassen; den kaiserlichen Gesandten und den Reichsgerichten sollte ebenfalls ein Exemplar des Vorbehalts übergeben werden. Schließlich stellte man in Aussicht, auch den betroffenen Ständen auf deren Antrag hin eine unterzeichnete Ausfertigung zukommen zu lassen.
Dieser Beschluß setzt voraus, daß entgegen dem Conclusum vom 22. August 1648 die Unterzeichnung des Rechtsvorbehalts am 26. August noch nicht erfolgt war. In der Folgezeit wurde jedoch auch der Beschluß vom 26. August 1648 nicht ausgeführt: die Unterzeichnung einer Ausfertigung unterblieb, und das Schreiben an den französischen König wurde ebenfalls nicht sofort ausgefertigt. Ein Grund dafür könnte neben der Weigerung Serviens ein Ratschlag des Salvius gewesen sein, der von vornherein gemeint hatte, daß die unterzeichnete Erklärung erst bei der endgültigen Unterzeichnung des Friedensvertrags bekannt zu machen sei
In der Verhandlung vom 13./23. August 1648 (wie Anm. 52) wies Salvius erneut darauf hin.
. Überdies hielten

[p. 360] [scan. 388]

die kurmainzischen Gesandten sich in dieser Sache zu diesem Zeitpunkt zurück
Dazu ihre Relationen an den Mainzer Kurfürsten von 1648 VIII 20 und 24 (Ausf.en: HHStA Wien, MEA CorrA Fasz. 27 [Konv. 1] unfol.). Die Ges. machten die von der frz. Territorialsatisfaktion direkt betroffenen Reichsstände und insbesondere den Städterat dafür verantwortlich, daß die Verhandlungen mit Servien nicht zügig fortgesetzt, sondern durch die Abfassung des Rechtsvorbehalts verzögert würden. Den Reichsschluß vom 24. August 1648 interpretierten sie so, daß man es noch zur zeit bey sölcher dem herrn Salvio überreichten declaration bewenden zue laßen.
.
Die reichsständischen Verhandlungen mit Servien von Ende August bis Mitte September 1648 in Osnabrück betrafen weitere Monita des französischen Gesandten, insbesondere hinsichtlich der Exekution und der Assekuration des künftigen Friedensvertrags. Die heikelste Frage war dabei das von Frankreich verlangte Assistenzverbot des Kaisers für Spanien. In diesem Zusammenhang hatte Servien am 25. August gefordert, bei den Bestimmungen über den Vollzug des Friedens müsse im französischen Vertrag ausdrücklich alles aufgehoben werden, was im IPO oder auch im IPM selbst gegen die Regelungen der französische Territorialsatisfaktion verstanden oder vorgebracht werden könnte
Dazu Meiern, APWP VI, 340f , und der Text des von Servien projektierten Zusatzes: ebenda, 342.
. Nach mancherlei Hin und Her einigte er sich mit den Ständen schließlich am 10. September auf einen weiter gefaßten Zusatz
Text: Meiern, APWP VI, 360f ; zur Endfassung im IPM vgl. oben Anm. 26. In der am 1648 IX 15 deponierten Fassung des IPM ist die Klausel schon enthalten ( Meiern, APWP VI, 373–394 , hier 392).
, der in den später so bezeichneten § 106 eingefügt wurde
Vgl. Teilband 1, 32 Z. 6–14.
. Auf diese neue Klausel, die mit den Wörtern salvis tamen iis beginnt, wird in vier Überlieferungen des reichsständischen Rechtsvorbehalts
Oben S. 347f als Nr. 3–6 bezeichnet.
verwiesen. Sie können folglich erst nach dem 10. September entstanden sein
Im Referat des Beschlusses des FRO von 1648 IX 2/12 bei Meiern, APWP VI, 362 , ist die Bezugnahme auf die Klausel salvis tamen iis etc. ausdrücklich erwähnt.
.
Der reichsständische Rechtsvorbehalt selbst wurde in dieser Zeitspanne nicht mehr Gegenstand von Verhandlungen; bei der Deponierung des IPM am 15. September 1648, als die Aufmerksamkeit der Beteiligten stark von einem heftigen Streit über eine Klausel in Anspruch genommen wurde, welche die katholische Religionsübung in der Unterpfalz regelte , wurde er

[p. 361] [scan. 389]

nur kurz von dem Sachsen-Altenburger Thumbshirn angesprochen
Meiern, APWP VI, 370f : Wobey ich [i. e. Thumbshirn] aber in aufstehen Herrn Graff Servient erinnerte, wann die Kayserliche Majestät in die Feudalität des Elsaß verwilligte, so müste der Satisfactions-Punct in etwas geändert werden. Ich verhoffte auch, Ihre Königliche Majestät würden sich der Stände Erklärung halben, die Frantzösische Satisfaction betreffend, gewierig resolviren. Se. Excellenz antworteten das erste mit Ja. Zu dem andern aber schwiegen sie stille.
, ohne daß es zu einer Klärung kam. Immerhin geht aus dieser Episode hervor, daß wenigstens einige reichsständische Gesandte davon ausgingen, daß der Text der französischen Satisfaktionsregelung noch geändert werden könne, wenn nur der Kaiser der Belehnung Frankreichs mit den Satisfaktionsgebieten im Elsaß zustimme
Das am 25. und 26. August beschlossene Schreiben an den frz. Kg. war noch nicht abgeschickt worden. In der Sitzung des FRO von 1648 IX 2/12 hatte Thumbshirn seine Ausfertigung erneut angeregt, und zwei Tage später wurde von Kurmainz ein Textvorschlag, den die betroffenen Stände aufgesetzt haben sollen (vgl. unten Anm.en 77 und 79), zur Diktatur gebracht (Kopie: THStA Altenburg, Altes Hausarchiv Classe 1 E 10 fol. 347–348; StA Rudolstadt, Geheimes Archiv A VIII Nr. 7d Nr. 2 fol. 12–13 [mit Korrekturen in die Endfassung von 1648 IX 19/29]). Chigi übersandte 1648 IX 25 eine Kopie dieser vorläufigen Fassung ( Vatikanisches Geheim - Archiv, Segreteria di Stato, Nunziature di Paci 24 fol. 579–580) nach Rom, in der Annahme, das Schreiben sei zu diesem Zeitpunkt so abgeschickt worden (freundlicher Hinweis von Konrad Repgen).
.
Nachdem die beiden Friedensverträge am 15. und 16. September 1648 in Osnabrück versiegelt und beim Reichsdirektorium hinterlegt worden waren
Dazu Teilband 1, ILff.
, reisten die Osnabrücker Gesandten nach Münster, um die Kaiserlichen und die in Münster verbliebenen reichsständischen Vertreter zur Annahme des Verhandelten aufzufordern.
Am 21. September übergab eine Deputation den kaiserlichen Gesandten die in Osnabrück deponierte Urkunde des IPM
Zu der Sitzung: Meiern, APWP VI, 545f ; APW III C 2, 1137 Z. 35 – 1139 Z. 22.
. Dabei führte sie unter anderem aus
Text ihrer Proposition, die auch diktiert wurde: Meiern, APWP VI, 546ff .
, daß die Reichsstände die französische Satisfaktionsregelung nur unter den in ihrer Erklärung aufgeführten Vorbehalten akzeptiert hätten und daß sie deshalb bei Kaiser und französischem König vorsprechen und ihre Erklärung bei den beiden Reichsgerichten einreichen wollten
Ebenda, 547. In ihrer Antwort (Text: APW III C 2, 1137 Z. 40 – 1139 Z. 11, hier 1138 Z. 23–26) erwähnten die Ksl. auch die geplante Deponierung des Rechtsvorbehalts beim Reichsdirektorium, die demnach bis dahin noch nicht erfolgt war.
. Am 25. September, als sie die Stellungnahmen der Kaiserlichen zu dem in Osnabrück deponierten IPM entgegennahmen, stellten sie mündlich in

[p. 362] [scan. 390]

Aussicht
Text dieser Erklärung, dat. 1648 IX 15/25: Meiern, APWP VI, 554ff .
, den kaiserlichen Gesandten, wie sie sagten, auf deren eigenen Wunsch eine Ausfertigung der Deklaration zuzustellen, damit sie diese genehmigen und den Kaiser und die Mediatoren informieren könnten
Ebenda, 556 (erster Absatz): Betreffend dann a parte der Stände über die Frantzösische Satisfaction, und dabey gewisser Fürsten und Stände, der Immedietät halben, mit unterlauffendes hohes Interesse, gethane münd- und schrifftliche Declaration, welche Ihro Excellenz im Nahmen mehr-Allerhöchst-gedachter Ihro Kayserlicher Majestät nicht allein zu adprobiren verlangen, sondern auch ein Original davon zu dem Ende desideriren, damit sie Ihro Kayserlichen Majestät dieselbe überschicken, und auch denen Herren Mediatoribus dieses Orts davon communication thun können; So ist man a parte der Stände, und in specie des Reichs-Directorii erbietig, Hoch-wohl-ermeldten Herrn Kayserlichen dieselbe zu mehrerer der interessirten Stände, ja des gantzen Reichs Versicherung, demnechst einzuhändigen. In den ksl. Notae (vgl. Anm. 70) wurde der reichsständische Rechtsvorbehalt nicht erwähnt, ebenso nicht, nach dem Bericht Volmars (vgl. APW III C 2, 1141 Z. 11–34, und die dort, Z. 35, erwähnte Relation), in der Konferenz mit den reichsständischen Ges.
. Die Aushändigung erfolgte am 28. September
Den ksl. Ges. wurde jetzt auch die mündliche Antwort vom 25. September in schriftlicher Form überreicht; vgl. Anm. 71. Das Vorhandensein von zwei Ausfertigungen mit den datierten Präsentatvermerken Volmars, von denen bei einer der Verweis auf die Vorbehaltsklausel in § 106 IPM am linken Rand ergänzt, in der anderen in den laufenden Text eingefügt ist (vgl. oben, 347f, Ausfertigungen 5 und 6), läßt sich vielleicht so erklären, daß die Ksl. zuerst die nachträglich korrigierte Fassung erhielten, diese dann zurückgaben und gegen eine „saubere“ austauschten. – Der Schreiber des Altenburger Diariums maß der Übergabe des Rechtsvorbehalts an die Kaiserlichen große Bedeutung zu, denn er hob den Vermerk darüber durch besondere Kennzeichnungen am linken Rand des Textes hervor ( Thsta Altenburg, Altes Hausarchiv Classe 1 E 19 fol. 199’).
; am Tag darauf sandten die Kaiserlichen eine Kopie an den Kaiserhof
Vgl. APW III C 2, 1144 Z. 21–24.
.
Zur selben Zeit, Ende September 1648, wurde auch das Schreiben an den französischen König endlich abgesandt
Text: Teilband 1, 66 Z. 37 – 68 Z. 20, dort auch zur Überlieferung.
, dessen Entwurf der Straßburger Gesandte Otto verfaßt haben soll
Nach Jacob, 278 Anm. 4. – Mit der Eingabe des reichsständischen Schreibens von 1648 IX 19/29 und des beigelegten Rechtsvorbehalts war der in Paris für mehrere Auftraggeber tätige Agent Jordan Guesont durch den Ges. Baden-Durlachs, Merckelbach, beauftragt worden; so auch schon Pufendorf, Liber XX § 190; Bougeant / Rambach IV, 114f. Guesont berichtete diesem 1648 X 13/23, daß er versucht habe, das Schreiben dem frz. Staatssekretär Brienne zu übergeben, von diesem aber, ebenso wie von Longueville, mit Vorwürfen konfrontiert und dann vertröstet worden sei (vgl. APW II C 4, 768 Z. 36–37); dasselbe berichtete Guesont dem Hg. von Württemberg 1648 X 7/17: HStA Stuttgart, A 90 D Bd. 13 p. 803–805, hier 805, eigh. Ausf.). Der frz. Staatssekretär Brienne informierte Servien über die Initiative Guesonts 1648 X 16, 23 und 30 (in AE Paris, Correspondance politique, Allemagne, origines-1870 vol. 122 fol. 474–481’, 521–525’, 619–625 und vol. 123 fol. 121–138, Ausf.en; vgl. auch Saint - Prés, 38) und kündigte eine dilatorische Reaktion an. Guesont selbst zeigte sich von Anfang an skeptisch, ob er jemals eine Antwort der frz. Regierung erhalten würde.
. Dem Schreiben war eine Kopie

[p. 363] [scan. 391]

des Rechtsvorbehalts beigefügt
Vgl. oben Anm. 5.
. Die lange Verzögerung ist wahrscheinlich vor allem auf die kurmainzischen Gesandten zurückzuführen
Die Kurmainzer Ges. verteidigten sich gegenüber dem Kurfürsten, der durch das Schreiben an den frz. König den schnellen Abschluß des Friedens mit Frankreich gefährdet sah, mit dem Argument, sie hätten das Schreiben möglichst lange hinausgezögert, hätten aber auf Drängen der betroffenen Stände, die schließlich ein eigenes Konzept vorgelegt hätten (s. Anm. 65), sich dazu gezwungen gesehen. Sie hofften, daß es erst nach der Unterzeichnung der Verträge in Paris eintreffen werde (vgl. ihre Relationen von 1648 IX 29 und X 9; Ausf.en: HHStA Wien , MEA CorrA Fasz. 27 [Konv. 1] unfol.).
. Die Absendung erfolgte unter der Hand; Servien erhielt erst vierzehn Tage später davon Nachricht
Vgl. seine Relation von 1648 X 13 (Ausfertigung: AE Paris, Correspondance politique, Allemagne, origines-1870 vol. 112 fol. 316–323’).
.
Bei den in Münster geführten Verhandlungen bis zur Unterzeichnung der Friedensverträge am 24. Oktober 1648 stellte die französische Territorialsatisfaktion nur eines unter mehreren Problemen dar und noch nicht einmal das wichtigste. Die Diskussion darüber konzentrierte sich einseitig darauf, daß die Stände eine Klausel über eine mögliche, später zu verhandelnde Belehnung Frankreichs mit dem Elsaß in den Friedensvertragstext einfügen lassen wollten, was aber am Einspruch Serviens scheiterte
Vgl. die Verhandlung der Ksl. mit Servien von 1648 X 10: APW III C 2, 1147 Z. 40 – 1149 Z. 5; s. auch Meiern, APWP VI, 576 .
. Bei der Unterzeichnung der Friedensverträge selbst wurde der Rechtsvorbehalt der Reichsstände, soweit zu sehen, nicht erwähnt. Da die reichsständischen Gesandten nicht unmittelbar am kaiserlich-französischen Unterzeichnungsakt teilnahmen, hatten sie keine Gelegenheit, die Bedingungen ihrer Unterzeichnung öffentlich und rechtswirksam kundzutun, selbst wenn sie es gewollt hätten. Ob das der Fall war, steht dahin
Am frühen Morgen des 24. Oktober 1648 fuhren reichsständische Ges. zu Servien und wiesen ihm die Ausfertigungen zweier von ihm geforderten Urkunden vor ( Meiern, APWP VI, 615f ). Den reichsständischen Rechtsvorbehalt haben sie bei dieser Gelegenheit nicht angesprochen.
, denn Servien hatte ihnen gegenüber immer wieder deutlich gemacht, daß er auf seiner strikten Weigerung beharren würde und es auf die Zustimmung des Pariser Hofs ankomme. Die Rechtsverbindlichkeit des reichsständischen Rechtsvorbehalts blieb deshalb ungewiß.
Während das Schriftstück dem schwedischen Gesandten Salvius mehr oder minder offiziell übergeben worden war, hatten es die kaiserlichen Gesandten nur zur weiteren Stellungnahme in Empfang genommen. Diese fiel im

[p. 364] [scan. 392]

Kern negativ aus
Auf ihre Briefsendung vom 29. September 1648 (oben Anm. 74) erhielten die ksl. Ges. am 23. Oktober 1648 die Antwort aus Wien, datiert 1648 X 12 (APW III C 2, 1159 Z. 10–14; Text: HHStA Wien, Reichskanzlei, Friedensakten Fasz. 92 XVI fol. 644–645): der Ks. wies sie an, in diesem Punkt beim November-Abkommen von 1647 zu bleiben, notfalls allerdings, wenn die Reichsstände auf ihrem Anliegen beharrten und Servien dem zustimme, mit diesen zusammenzugehen. Im Diarium Volmar ist nicht vermerkt, ob die Ksl. den Inhalt dieser Weisung den reichsständischen Ges. mitgeteilt haben. Nötig war es nicht, da Serviens Haltung andere Initiativen obsolet machte.
. Der Kaiser wollte die Position der Stände jedenfalls nicht stützen und hätte sich nur im äußersten Fall und nur sehr ungern ihrer Meinung angeschlossen. Da seine Gesandten ihm vom Widerspruch Serviens berichtet hatten, beließ er es bei den einmal verhandelten und beschlossenen Regelungen des Novembers 1647, um den Abschluß des Friedens nicht zu gefährden. Außerdem hatte der Kaiserhof die Belehnung Frankreichs mit dem habsburgischen Elsaß und die politisch damit fast unumgänglich verknüpfte Reichsstandschaft schon im Verlauf der Satisfaktionsverhandlungen abgelehnt
Vgl. Ruppert, 135, 187.
.
So kam alles auf die Antwort aus Paris an. Diese jedoch ist nie erfolgt
Der Agent Guesont berichtete 1648 XI 18/28 dem Hg. von Württemberg sogar, er habe aus Münster Weisung erhalten, die Antwort der frz. Regierung ferners nit zu urgiren ( HStA Stuttgart, A 90 D Bd. 13 p. 873–876, hier 876, eigh. Ausf). Wer das angeordnet hat (in Frage kommen der baden-durlachische, der württembergische oder die kurmainzischen Ges. ) und wie es dazu gekommen ist, wurde nicht ermittelt.
, zumal Servien dringend davon abriet
Vgl. in seinem Bericht an den Kg. von 1648 X 13 ( AE Paris, Correspondance politique, Allemagne, origines-1870 vol. 112 fol. 316–323’); vgl. auch schon sein Schreiben von 1648 VIII 24 (Textauszug: Overmann, 140–143, hier 143).
. Servien nahm die Erklärung der Reichsstände nämlich sehr ernst und verlangte deshalb, sie müsse vor dem Austausch der Ratifikationsurkunden widerrufen werden
Unter den Punkten, deren Erledigung Servien vor dem Austausch der Ratifikationsurkunden verlangte, praes. 1648 XII 23/1649 I 2, befand sich auch der folgende (Text: Meiern, APWP VI, 755f, hier 755 ): Cessio [gemeint ist: Alsatiae, d. h. die geforderte verbindliche Abtretungsurkunde, vgl. Teilband 1 Nr. 13] Statuum Imperii in eadem forma, irritis & annulatis quibuscunque declarationibus, explicationibus aut literis in contrarium aut seorsim factis, quae per tractatum prohibentur, & nulla declarantur.
. Die Stände jedoch beharrten auf ihrem Standpunkt
Auf diese Forderung hin legte der sachsen-altenburgische Ges. Thumbshirn Servien die Haltung der Stände erneut und ausführlich dar ( Meiern, APWP VI, 756f ).
. Deshalb sah Servien sich veranlaßt, seinerseits einen Rechtsvorbehalt einzulegen
Text: Teilband 1 Nr. 16; dazu ebenda, LXXIII, CXXXIVf. Eine Kopie dieses frz. Rechtsvorbehalts, die Volmar 1656 in Frankfurt, wahrscheinlich auf dem dortigen Reichsdeputationstag, herausgab, findet sich heute in den sachsen-altenburgischen Akten ( ThStA Altenburg, Altes Hausarchiv Anhang Classe XIV Nr. 3 fol. 415–415’, der entsprechende Vermerk auf dem Dorsal fol. 416’).
. Dies tat er beim

[p. 365] [scan. 393]

Austausch der Ratifikationsurkunden gegenüber den Kaiserlichen, die diesen Protest akzeptierten und damit indirekt die reichsständische Auslegung des Friedensvertrags beseitigten. Gegenüber den reichsständischen Gesandten erwähnte Servien am 18. Februar 1649 seinen Rechtsvorbehalt nicht, sondern übergab die französische Ratifikationsurkunde für das Reichsdirektorium ohne jeden Kommentar und ohne jede Bedingung. Jedoch hat er vierzehn Tage später den kurmainzischen Gesandten eine Kopie seines Rechtsvorbehalts mit der Bitte übermittelt, sie bei den offiziellen Schriften aufzubewahren
Insoweit ist die Darstellung in Teilband 1, CXXXV, zu korrigieren. Kopien des Schreibens Serviens und des frz. Rechtsvorbehalts sind als Beilagen der Relation der kurmainzischen Ges. von 1649 III 2 überliefert: HHStA Wien, MEA FrA Fasz. 32 unfol. Beide Aktenstücke sind, den Angaben auf dem Deckblatt zufolge (Ähnliches vgl. Teilband 1, CXXXVI Anm. 136) im Jahr 1792 dem kurmainzischen Geheimen Staatsrat Johannes von Müller für einige Monate ausgeliehen worden, waren also damals zumindest bekannt. Das Begleitschreiben Serviens lautet: Je vous envoye la protestation que j’ay donnée à messieurs les plénipotentiaires de l’Empereur et qu’ilz ont acceptée le jour mesme de l’eschange des ratifications. C’est affin qu’il vous plaise de la faire insérer dans les registres de l’Empire ou la garder en sorte qu’on puisse s’en servir en temps et lieu, s’il s’agissoit de quelque nouveauté contraire au traicté public. Je sçay bien que vous ne devriez pas la recevoir, mais puisqu’elle ne tend qu’à conserver la [!] traicté en son entier et annuller tous les actes qui pourroient luy faire quelque préjudice, ce sera travailler à l’exécution et seureté du traicté de faire ce que je vous propose qui est conforme à la raison et à la justice, et comme tel ne peult estre refusé à qui que ce soit […].
. Da das Reichsdirektorium diesen Schriftsatz nicht zurückwies, hatte er auf diese Weise nicht nur gegenüber dem Kaiser, sondern auch gegenüber den Reichsständen die französische Rechtsposition eindeutig abgesichert
Immerhin blieb der Gedanke an die für Frankreich nachteilige Interpretation der Satisfaktionsbestimmungen durch die Reichsstände unter frz. Reichspolitikern virulent: der 1653 nach Regensburg geschickte frz. Ges. Vautorte rechnete sicher – wie sich später herausstellte, irrtümlich – damit, daß die Reichsstände auf dem Reichstag durch die Beschwerden einiger elsässischer Stände, insbesondere der Dekapolis (vgl Ohler, 98ff, 108–112), gegen die frz. Inanspruchnahme der Souveränität über das Elsaß veranlaßt würden, den Rechtsvorbehalt vom 22. August 1648 zu bestätigen (vgl. NS III, 589).
.
Die kurmainzischen Gesandten haben den Schriftsatz des französischen Gesandten nicht zurückgegeben, obwohl Kurfürst Johann Philipp von Schönborn sie dazu auf ihre Anfrage hin angewiesen hat
Vgl. die kurfürstliche Weisung von 1649 III 10 (Ausf.: HHStA Wien, MEA CorrA Fasz. 28 [Konv. 2] unfol.).
. Sie meinten jedoch, daß es ausreiche, wenn sie den französischen Protest geheim hielten

[p. 366] [scan. 394]

und Servien nicht, wie von ihm gewünscht, die Annahme der Erklärung bescheinigten
Vgl. die beiden Relationen der kurmainzischen Ges. von 1649 III 2 und 19 (Ausf.en: HHStA Wien , MEA FrA Fasz. 32 unfol.). In der erstgen. Relation weisen die Ges. darauf hin, daß der Protest Serviens sich gegen die reichsständische Deklaration von 1648 VIII 22 richte, die, wie sie sagen, dem schwed. Ges. überreicht und an den frz. Kg. überschickt worden sei. Eine Unterzeichnung durch die Reichsdeputierten oder die Deponierung der Urkunde beim Reichsdirektorium erwähnen sie also nicht ausdrücklich.
.
Für den 3. April 1649, also vier Wochen, nachdem Servien seinen Rechtsvorbehalt dem Reichsdirektorium übergeben hatte, berichtet das Altenburger Diarium, wie geschildert, von der Unterzeichnung zweier Urkunden des reichsständischen Rechtsvorbehalts
Oben Anm. 28.
. Anlaß oder Begründung für die späte Unterzeichnung der weiterhin auf den 22. August 1648 datierten Urkunden wie auch für den Umstand, daß zwei Exemplare ausgefertigt wurden und zusätzlich eine Protokollnotiz verfaßt wurde, werden nicht genannt; sie können deshalb nur erschlossen werden.
Dabei ist davon auszugehen, daß der Beschluß, wenigstens eine Ausfertigung des Rechtsvorbehalts von den reichsständischen Deputierten unterzeichnen zu lassen, mehr als ein halbes Jahr zurücklag und seitdem nicht grundsätzlich in Frage gestellt worden war
Nach dem Bericht der Kurmainzer Ges. (1649 III 2, s. Anm. 92) bestanden vor allem die protestantischen Stände mordice auf dem Rechtsvorbehalt. Die Protokollnotiz mit ihren Anlagen erschien auch als Flugschrift: SBPK Berlin in Jagiellonenbibliothek Krakau, Historische Flugschriften 1648 Nr. 19.
. Als plausibel erscheint uns die Annahme, daß es sich um eine unmittelbare Reaktion auf Serviens Übersendung des französischen Rechtsvorbehalts an das Reichsdirektorium handelt. Vielleicht sahen sich die Kurmainzer Gesandten selbst dazu veranlaßt, vielleicht drängten betroffene Stände, wie Württemberg, darauf. Denn nach dem Verhalten Serviens war klar, daß die Reichsstände eine Antwort aus Paris nicht mehr erhalten würden.
Warum eine zweite Ausfertigung des reichsständischen Rechtsvorbehalts im März/April 1649 ausgestellt worden ist, läßt sich ebenfalls nur vermuten. In den reichsständischen Beratungen im August 1648 und in der Proposition vor den kaiserlichen Gesandten am 21. September 1648 war davon die Rede, daß der reichsständische Rechtsvorbehalt nicht nur allen Vertragsparteien übergeben, sondern auch den beiden Reichsgerichten amtlich mitgeteilt werden solle
Oben Anm.en 55 und 68.
. In der Protokollnotiz wird der Reichshofrat nicht mehr erwähnt, so daß neben der schwedischen, der kaiserlichen und

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der französischen Gesandtschaft allein das Reichskammergericht als praesumtiver Empfänger übrig blieb
Teilband 1, 66 Z. 29–30.
. Daher handelt es sich bei der zweiten überlieferten Ausfertigung wahrscheinlich um eben jene Urkunde, die nach Speyer hätte übersandt werden sollen, wozu es aber nicht gekommen ist.