Acta Pacis Westphalicae III A 6 : Die Beratungen der Städtekurie Osnabrück: 1645 - 1649 / Günter Buchstab
Herr Director proponirt: Demnach denen herren Kayserlichen der articu-
lus de juribus statuum bereits recommendirt und sie auch den auffsatz wegen
der postmeister ihnen gefallen laßen, in pleno aber von Churmaintz jüngst
hin einige difficulteten deßwegen gemacht worden, alß stelle er zu der herren
abgesandten belieben, ob sie, was bey dem Churmaintzischen zumuthen zu
thun, sich ohnbeschwert vernemen laßen wolten
Zu den Differenzen zwischen Kurmainz und den Reichsstädten vgl. Meiern VI S. 86 ,87.
Lübeck. Weiln jetzo die frag, ob das Churmaintzische suchen zu attendiren
seye, halte er dafür, daß das wegen der postmeister abgefaßte memorial
denen herren Kayserlichen, chur- und fürstlichen zuzustellen und das deret-
wegen auffgesetzte formular a part zu annectiren were. Habe man nun soviel
zeitt, solches zu thun, übrig, seye es guth, wo nicht und es zur re- et correlation
ehender ankommen solte, müßte man consilium ex arena nemen und dabey
nach anleittung des memorialis sowohl deßen, was sich die herren Kayser-
lichen als Churmaintz des auffsatzes halben erclärt, gedenckhen und andeu-
ten, weiln das Churmaintzische begehren zu der stätte praejudiz außlauffen
wolle, daß man der hoffnung lebe, es werden übrige stände darein nicht
gehälen, sondern es diesfalls in vorigem standt, zumahl denenselben insge-
mein daran gelegen, lieber laßen.
Regensburg. Eß seye ein großes gravamen in pleno gestriges tages hervor-
gebracht worden, in deme die höhere zwar gesagt, die Churmaintzische
werden sich mit den stätten vergleichen, alß sie aber zu ihnen hinkommen,
seyen sie nicht angehöret, sondern vielmehr angeschnurt, und obzwar ihnen
auch zu gemüth geführet, daß das postwesen weder ein regale noch privi-
legium des churfürsten seye, sondern Ihrer Majestät interesse vornemblich
dabey versire und also gebetten worden, sie, die herren Churmaintzischen,
möchten nur sagen, worinnen Ihrer Churfürstlichen Gnaden zu Mainz prae-
tendirtes interesse eigentlich bestehe, habe doch niemandt nichts gedacht,
sondern
werckh nur für sich privato nomine durchzutreiben suche und begehre,
deßwegen man sich dann dies orths gegen ihn zu beschwären, und weiln er
gesagt, die stätte hetten die sach Ihrer Churfürstlichen Gnaden zu Maintz
heimgegeben, welches aber negirt und, daß man sich deßen nicht zu erinnern
wiße, dagegen angedeutet worden, von den herren Churfürstlichen einen
extractum protocolli umb soviel mehr, weiln Churtrier pro voto sagen laßen,
daß er des churfürsten zu Maintz interesse bey dem postwesen nicht befinden
könne, zu begehren und sich so guth, alß man könne, zu wehren, ein memo-
rial auffzusetzen, daßelbe also, daß es den chur- und fürstlichen vorgebracht
werden köndte, einzurichten und zugleich zu bedeutten hette, daß, gleich
wie man Ihrer Kayserlichen Majestät oder dero bey dem postwesen haben-
den regali zu praejudiciren nicht begehre, also auch hoffen wolle, Ihre Maje
stät, die stände contra constitutiones imperii et antiquitus obtenta privilegia
zu turbiren, nicht gemeint sein werden, so suchten auch die stätt nicht, Ihrer
Churfürstlichen Gnaden zu Maintz die bey dem postwesen habende inspec-
tion zu disputiren. Gleich wie aber dieses gravamen von Spanien herrühre,
also solte man, wofern obangezogene remonstrationes nicht helffen wollen,
an den churfürsten zu Mainz selbsten schreiben, demjenigen, was alhier
vorgangen, mit bestandt contradiciren und wann auch dieses nichts ver-
fangen solte, dem Churmaintzischen directorio eine protestationem über
geben und einhändigen.
Kolmar. Gleich wie bekandt seye, daß gestriges tages das churfürstliche
collegium allerhandt noviteten, tam in jure eligendi telonia, quam in parti-
culari Churmaintz wegen des postwesens, gesuchet und dieser, nach dem
ihme nur das formale des auffsatzes einzurichten gegeben worden, auch
das materiale haben wollen, also werde dies orths wohl zu vigiliren sein. Was
gestalt es aber geschehen solle, seye auch gestern schon gedacht worden, daß
nemblichen das auffgesetzte memorial revidiret, anderen ad notitiam ge-
bracht und dergestalt, damit die stätt ihre desideria behaubten mögen, recom-
mendiret werden solle. Ob aber deßwegen an Churmaintz weitter etwas zu
addressiren, stehe er an, und köndte man sich hoc in passu mitt den herren
fürstlichen underreden und das memorial ad dictaturam geben. Sonsten wiße
er weitter nichts dabey zu erinnern, wolle auch, zumahln er nicht interessirt,
niemandt hierinnen vorgegriffen, sondern sich mit den majoribus gerne con-
formiret haben.
Nürnberg. Er repetire zuvorderst dasjenige, was Lübeckh und Regenspurg
in materialibus votiret, und wiße demselben nichts beyzusetzen. Seye sonsten
an sich selbsten keine geringe sach, sondern lauffe in die tractaten realiter
mitt ein und contrariire allem demjenigen, was diese zeitt über gehandelt
worden: Alß 1. dem puncto amnistiae, crafft deßen diejenigen stände, welche
occasione belli in einem und anderem gravirt worden, in vorigen stand zu
setzen, und köndte den stätten kein größeres gravamen zuwachsen, alß wann
ihnen eine gantze frembde familiam, welche man nicht kenne, in ihren ring-
mauern und zwar, intuitu Spanien, einnisten zu laßen, auffgetrungen werden
solte.
2. Dem puncto autonomiae, vermög deßen die stätt, sofern sie anno 1624
keine als ihrer religion zugethane bürger gehabt, auch noch nicht gehalten
seyen, diversae religionis cives, deren die postmeister meistentheils bey-
pflichtig, einzunemen oder ihnen aufftringen zu laßen.
3. Den juribus statuum, weiln alle stätt das privilegium haben, niemanden,
der ihnen nicht gefällig, zum bürger anzunemen.
4. Dem puncto commerciorum, zumahln leicht geschehen könne, daß von
solchen außländischen postmeistern anderen ehrlichen leuthen zu praejudiz
einige staffeta oder brief zurückhgehalten und dadurch, sonderlich in credit-
sachen, ohnschuldige ruiniret worden. Were also seines ermeßens guth, daß
das memorial alsobalden dergestalt qualificiret würde, damitt man es den
herren Kayserlichen, chur- und fürstlichen wie auch dem Monsieur le Comte
de Servien zustellen und recommendiren köndte, weiln aber darzu schwär
lich zeitt übrig sein dörffte, müßte deßelben bey bevorstehender re- und
correlation gedacht werden. Wolle sonsten nicht hoffen, daß die herren
fürstlichen ihre reflexion auff Churmaintz so sehr nemen, sondern vielmehr,
was diese tractaten ihnen an hand geben möchten, vorbehalten werden.
Bremen. Er habe zwar privata vota nicht gehöret, weiln er aber aus nechst-
abgelegtem, warum es für dießmahl zu thun und seine herren nicht sonder-
lich dabey interessiret seyen, vernommen, könne er sich mit den majoribus
gar wohl conformiren und vergleichen.
Lindau. Es werde seines dafürhaltens, daß den stätten kein praejudicium
zugezogen werde, für dießmahl wohl zu vigiliren sein, zumahln es das an-
sehen habe, ob suche Churmaintz nur so lang, biß es mit den tractaten zum
schluß komme, zeitt zu gewinnen, hernach das werckh ihme zu arrogiren
und mit den postbestellungen, was ihme beliebe, vorzunemen. In quaestione
quomodo aber, weiln die zeitt, das memorial zu rectificiren, zu kurtz, hette
man bey der re- und correlation das werckh ohnmaßgeblich dahin fürzu
tragen. Man wiße sich an seitten der stätt annoch wohl zu erinnern, daß die
herren Churmaintzische mit ihnen, wegen des postwesens einen vergleich zu
treffen, sich erbotten, obwohln man sich nun darauff bey denselben einge-
funden und das werckh juxta fundamenta tractatuum eingerichtet, habe es
doch nichts verfangen, noch dießseittigem suchen und bitten platz gegeben
werden wollen; dieweiln aber nicht allein die stätt, sondern auch die höhere
bey dieser sachen interessirt, das begehren wider des reichs herkommen, daß
die stände umb dieses regale des postwesens Churmaintz anlangen müßten,
directo lauffe und in den reichsabschieden die stätt solcher gestalt zu beschwä
ren, keine vestigia zu finden seyen, alß gebe man zu bedenckhen, ob Chur-
maintz sich deßen underfangen dörffe, mitt bitt, das werckh also, wie es
bißherigen tractaten gemäß, einzurichten. Stünde demnechst dahin, ob man,
wie es mit dem postwesen zu halten, auff nechsten reichstag anstehen laßen
und bedenckhen wolle? Wie nicht weniger, ob zu veranlaßen, daß den
höheren, umb mehrerer information willen, ein memoriale zugestellet
würde, welchen falls der herr director, umb einiges abzufaßen, zu ersuchen
were.
Herr Director. Soviel rem ipsam belange, halte er ebenmäßig dafür, daß
anietzo das rechte tempo, bey derselben zu wachen, vorhanden seye; dann es
nicht allein, wann diese occasion negligiret werden solte, für dießmahl da-
rum besorglich geschehen sein dörffte, sondern auch Churmaintz der mei-
sterschafft sich alle zeitt würde anmaßen wollen und gelegenheit erlangen,
die stätt hiernächst zum geldt außgeben zu nöthigen. Were demnach, wie
man aus diesem werckh kommen möge, zu sehen und quoad modum proce-
dendi, ob man deßelben bey der re- et correlation gedenckhen oder ob man
damitt, biß die höhere ihre antwortt gegeben, warten solle, seye er zwar
indifferent, halte aber doch, daß es vorher
Churmaintz deßwegen zu schreiben, für verfänglich, mit herrn Dr. Reigers-
pergern aber glimpfflich zu verfahren und nochmahln aus der sach zu reden,
für nicht ohndienlich, mit vermelden, daß man sich noch guther maßen
erinnere, daß zwar sowohl er als übrige seine herren collegae, wegen des bey
dem §º „Postarum magistri“ gemachen auffsatzes sich ratione formae mit
den stätten zu vergleichen, letsthin erbotten hetten, weiln man aber biß dato,
ohnerachtet der mit ihnen deßwegen gepflogener handlung, dazu nicht ge-
langen noch das jenige, was in hoc puncto geschloßen worden, erhalten
können, gleichwohl aber anietzo periculum in mora seye, also hette man,
abgefaßten auffsatz den höheren zur nachricht zu communiciren und ihre
gedanckhen darüber zu vernemen, nicht underlaßen können.
Nach vollendeter umbfrag wardt 2. von dem herrn Nürnbergischen ein
memorial wegen der in Franckhreich und die Spanischen Niderland han-
delnden kauffleuthe übergeben.
Und 3. von dem herrn directore ein concept schreibens an den churfürsten
zu Brandenburg, das Mechlenburgische aequivalent betreffend
Dem Hg. von Mecklenburg ging es um eine Entschädigung für die an Schweden abgetretenen
Gebiete (seine Forderungen Meiern VI S. 86 , vgl. auch S. 100, 102). Hg. Adolf Fried-
rich I. von Mecklenburg-Schwerin und Mecklenburg-Güstrow (1588–1658), seit 1592 regierend,
seit 1608 selbständig, 1628 durch den Kaiser geächtet, wieder eingesetzt durch Gustav II. Adolf
(ADB I S. 119f. ; H. Schreiber; Isenburg I T. 122; APW [II C 2 S. 120 Anm. 2] , [S. 282 Anm. 3] ; APW [II C 3 S. 148 Anm. 2] ), erhielt schließlich durch Vermittlung Brandenburgs
zusätzlich einige Domherrenstellen (Regelung der Entschädigung in Art. XII IPO), während die
Schweden in den Zollfragen ihre Position durchsetzten (vgl. zu den Auseinandersetzungen Meiern
V S. 829f. ; VI S. 521–540 ; E. F. Chr. Brückner S. 65ff.; H. Schnell-Güstrow).
und darauff das conclusum folgender gestalt eingerichtet.
Conclusum. Man erinnert sich des von den Churmaintzischen herren ge-
sandten am verwichenen sambstag gethanen erbietens, mit den stätten sich
einer formul, wie des postwesens in dem instrumento pacis zu gedenckhen,
zu vergleichen, weiln aber darzu ohngeacht handlung deßwegen gepflogen
worden, nicht zu gelangen, noch das jenige, was in puncto amnistiae, auto-
nomiae, de juribus statuum et commerciis bereits geschloßen, zu erhalten
gewesen und dabeneben periculum in mora, indem gestriges tages die sach
abermahls vorkommen, alß hat man einen kurtzen auffsatz gemacht, mitt
denen herren Kayserlichen communicirt und, daß sie ihres theils damitt zu-
friden seyen, vermerckht, bey dieser occasion auch beeden höheren collegiis
zur approbation recommendiren wollen, bevorab, weiln derselbe weitter
nicht, als auff das verglichene gehet, und nicht den stätten allein, sondern
auch den höheren ständen daran gelegen, daß dieses neue und große gra-
vamen abgestelt und auff andere weeg gerichtet werde, damitt es nicht, wann
der anfang mit den stätten gemacht, weitter umb sich greiffe. Angeregte be
schwärungen nur mit wenigem zu berühren, bestehen dieselbe darinn, daß
sie 1. den stätten wider ihren willen, jura, privilegia et conventiones, duran-
tibus hisce belli motibus, obtrudiret worden, 2. keine eingeseßene und begü
therte bürger, sondern 3. frembder nation und 4. aller beschwärden frey sein,
5. hingegen aller commoditeten genüeßen, wirtschafften zu anderer abbruch
treiben und sich 6. jurisdictioni magistratus subtrahiren wollen. Dahero
dann 7. geschiehet, daß sie eine offene handt behalten, allerhand exceß im-
pune zu verüben und ehrliche leuth, sonderlich in creditsachen zu verkürt
zen. Auff den ohnverhofften fall, da dem werckh auff vorgeschlagene oder
eine andere ohnverfängliche maß nominatim nicht remedirt werden solte,
müßten die stätt ihnen vorbehalten, dasjenige, was dies orths in obange-
regten puncten generaliter geschloßen, wider dergleichen de facto auffge-
trungene postmeister vorzunemen und werckhstellig zu machen. In hoff-
nung, sie werden daran nicht frevlen, wann sie sich ihrer
sondern vielmehr dabey von Ihrer Kayserlichen Majestät und den höheren
ständen gehandhabt und secundirt worden.