Acta Pacis Westphalicae III A 3,1 : Die Beratungen des Fürstenrates in Osnabrück, 1. Teil: 1645 / Maria-Elisabeth Brunert
[2.] Ausschußsitzung Osnabrück 1645 Oktober 2/12
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Osnabrück 1645 Oktober 2/12
Sachsen-Altenburg A I 1 fol. 204’–206’ (= Druckvorlage).
Erster Entwurff
Siehe [ Nr. 24 Anm. 1 ] .
nen Propositiones
Gemeint sind die schwed. Proposition II von 1645 VI 11 (s. [ Nr. 2 Anm. 34 ] ) und die frz.
Proposition II von 1645 VI 11 (s. [ Nr. 7 Anm. 53 ] ).
Gemeint sind die ksl. Responsionen vom 25. September 1645 (s. [ Nr. 14 Anm. 2 ] ).
scher Proposition II, Artikel 4 (Reichsjustizwesen [Artikel V §§ 53–58 IPO]).
(Im Quartier der Sachsen-Altenburgischen zu Osnabrück.) Anwesend: Sachsen-Altenburg / Sach-
sen -Coburg (Direktorium), Braunschweig-Lüneburg-Celle / Braunschweig-Lüneburg- Gruben-
hagen / Braunschweig-Lüneburg-Kalenberg, Fränkische Grafen, Stadt Straßburg.
Sachsen-altenburgisches Direktorium. Itzo habe man von verfaße-
ner justitz im Römischen Reich zu conferiren, und sei dieser passus iustitiae
sehr weitleufftig, auch zu bedencken, ob man nur die gravamina urgiren oder
auch ein newen modum loco remedii vorschlage. Das letzt were schwer zu
erhalten, stellten es doch dahin, ob quoad modum etwas vorzuschlagen. Ein
groß vitium sei groß weitleufftigkeit und überhauffung der sache. Groß be-
schwerligkeit werd auch den stenden durch die Keyserlichen proces zugezo-
gen . Viel der meinung, daß camerae Imperiali privativa potestas ufgetragen
und nur gewiße felle excipirt, so am Keyserlichen hofe zu tractiren. Hielten
also derfur, wan bei der itzigen norm und form zu bleiben, daß die avocatio
causarum ad aulam Caesaream gentzlich abscheedet
herren Keyserlichen legaten drumb anzusuchen. Es were hierin albereit anno
1601 von den stenden ein bedencken übergeben worden.
2.: Were auch ratione iudicantium zu suchen, daß der Keyserliche hofrath
und cammergericht mit personen von beiden religionen in pari numero zu
besetzen, welches auch churfürstliche durchlaucht zu Sachsen bei den Prager
friedentractaten statuirt
Bei den Verhandlungen zum PF hatte Kf. Johann Georg begehrt und erhalten, daß bei Kam-
merrichtern , Präsidenten und Assessoren am RKG Ausgewogenheit bez. der konfessionellen Zu-
gehörigkeit hergestellt werden sollte. Der Art. wurde aber bis zur nächsten Zusammenkunft der
Reichsstände ausgesetzt. Der Kf. hatte ähnliche Forderungen bez. konfessioneller Parität am
RHR erhoben, doch wurde diese Frage auf künftige Verhandlungen zwischen Ks. und KFR
verschoben, s. PF Abs. [26] und [28] ( BA II 10.4 Nr. 564 A, 1613f.).
heit
Das Rottweiler Hofgericht war eine Vorinstanz des RKG bei Appellationsprozessen. Es befaßte
sich vorwiegend mit Fällen der Freiwilligen Gerichtsbarkeit. Der Höhepunkt seiner Bedeu-
tung hatte im 15. Jh. gelegen, als es höchstes Reichsgericht für Schwaben gewesen war. Das
1299 zuerst urkundlich erwähnte, aber ältere ksl. Hofgericht hatte sein Zuständigkeitsgebiet
im Spätmittelalter über Schwaben hinaus nach Franken und dem Thüringer Wald im Osten,
Arlberg im Süden, die Vogesen und Köln im Westen bzw. Nordwesten ausgedehnt. Zuneh-
mende Exemtionen verkleinerten das Einzugsgebiet, und die Bedeutung des Gerichts war ins-
gesamt im Sinken begriffen ( Laufs , 1172–1176; Scheurmann , 184–187, Nr. 135–141).
Es sei auch 3. zu erinnern, daß im Keyserlichen hofrath nicht in geheim ge-
halten , sondern mit geld erkaufft.
4.: Stehe dahin, was wegen der ordinari deputation vorzuschlagen, weil die
meisten personen catholisch
Zur Zusammensetzung der ordentlichen Reichsdeputation s. [ Nr. 2 Anm. 53 ] .
Braunschweig-Lüneburg-Celle, Grubenhagen und Kalenberg.
Die arbeit sei auch billich anzuwenden, dan was nutzten aequistimae [ ! ] leges,
wan sie nit unparteiisch exercirt wurden. Es sei zwar zu wuntschen, daß alles
in den stand, wie es anno 1618 gewesen, gesetzt werden möchte außer der
iustitz, welche solcherzeit alschon schlecht im Römischen Reich bestelt ge-
wesen . Derhalben zu bedencken, wie man unpartieisch
haben könne. In den cammergericht weren der sachen zu viel, der personen
aber zu wenig. Anno 1626 habe ihm
Lampadius war (um 1619/20) selbst Assessor am RKG gewesen (s. [ Nr. 1 Anm. 14 ] ), hatte also
Einsicht in die dortigen Verhältnisse gehabt.
bestelt, berichtet, daß 50.000 concludirte sachen
referirt
bißweilen in die 100 und mehr meil entseßen, daß der bothenlohn
kosten alß das salarium der assessorum bestunde. Die mühe wegen der ord-
nung sei verlohren, dan den personen unmuglich, die sachen zu expediren.
Wangleich die stellen ohnvorlengt alle ersetzt wurden, kemen sie doch in 100
jahren nit zu ende.
Soviel den Keyserlichen hof belange, sei die schwere quaestio circa concur-
rentiam bekant und daß dem Keyser nur 2 casus excipirt gehalten wurden,
nemlich in feudis regalibus und causis fractae pacis, und daß in denen letztern
fellen dem cammergericht die concurrentz zustehe
dem reichstag die catholischen stende gesagt, der punctus contributionis
gehöre nicht uf die reichstage, itzo sagten sie das contrarium. Summam pote-
statem iudicandi secundum leges wurde sich Keyserliche majestät nit nemen
laßen. Were solch potestas verlohren, so sei es auch mit der autoritas gesche-
hen . Drumb wol Keyserliche majestät am hofe kein revision einreumen. Er
sei der meinung, habe auch in publico scripto erhalten, man könt Keyserli-
cher majestät die concurrentz streitig machen. Er vermeine, man solle versu-
chen , daß noch ein reichsgericht ad formam wie zu Speyr angericht wurde.
Dan ihrer majestät gienge nichts ab, weil in ihrem nahmen daselbst iustitia
exercirt wurde. Ratione personarum könt geendert werden, also daß an ie-
dem ort 20 personen zu verordnen, iedem gericht gewiße creiß und dem ne-
wen gericht etwa der Ober- und Niedersäxische, auch Westphalische creiß zu
assigniren. Welche creiße sodan auch die personen zu praesentiren hetten
und könten die in camera aufgewachsene
selbe gegeben werden. Were das erhalten, so hett man in modo praecedendi
nit zu urgiren, sufficient, wan man nur promiß vom Keyser hette. Am Key-
serlichen hoffe müße man beneficium supplicationis und revisionis in causis
illustrissime spectantibus, nimirum in causis regalibus et fractae pacis, zula-
ßen . Daß übrige sei auf die reichstage und mit deputatos zu stellen, oder aber
müsten die deputati von beden religionen und in gleicher anzal verordnet
werden.
Was das Rothweiler gericht anlange, darin hetten wir evangelischen nit zu
schreiben
Das Rottweiler Hofgericht war kath. geprägt: Das Erbhofrichteramt bekleideten bis 1687 die
hochadeligen und streng kath. Gf.en von Sulz. Die Assessoren waren grundsätzlich Rottweiler
Bürger, Bürgerrecht erhielt nur, wer kath. Glaubens war. Die Hofgerichtsschreiber waren
gleichzeitig Rottweiler Stadtschreiber, hatten oder erwarben das Bürgerrecht und waren somit
auch kath. ( Grube , 94f., 110, 132, 152ff.).
Fränkische Grafen. Diser punct lieffe in gravamina und sei wol fomes
materiarum belli. Distinguendum esse inter processum et iurisdictionem, die-
ses sei zu urgiren und in ordinem zu redigiren. Derhalben habe man zu su-
chen , daß die avocation
Avocation (dt.: abforderung ) bedeutet, daß das übergeordnete Gericht eine Streitsache, die an
einem untergeordneten anhängig ist, an sich zieht ( Frühneuhochdeutsches Wörter-
buch I, 113ff. s. v. abfordern Punkt 3 und s. v. abforderung Punkt 2). Der Ks. zog immer
wieder Prozesse, die am RKG anhängig waren, an den RHR , was die Reichsstände abzustellen
verlangten ( Sellert , 113f.; Dick , 76).
in gleicher anzal verordnet wurden, auch dieselbe auf die reichsconstitutiones
schweren musten. Bei den formalibus iurisdictionum habe man auf dem jung-
sten deputationtag zu Franckfurt nichts erhalten können
Auf dem Frankfurter Reichsdeputationstag, auf dem eigentlich das Reichsjustizwesen beraten
werden sollte (s. [ Nr. 1 Anm. 19 ] ), wurden nur Vorarbeiten für eine Neuordnung von RHR und
RKG geleistet ( Kietzell , 118f.).
gen des fürstlich Braunschweigischen vorschlag wegen multiplication der ge-
richte gefallen.
Stadt Straßburg. Dieser punctus sei bei diesen tractaten billich zu urgiren.
Wie es aber anzustellen, wurden vielleicht die Franckfurter deputationsacta
erleuterung geben. Halte darfur, wan man bei Keyserlicher majestät sum-
mam iudicandi potestatem laße, wurde umb soviel mehr die monarchia be-
stetigt .
Das Rothweiler hofgericht sei bishero etwas stil gewesen, habe aber sonsten
den stenden in obern creyse groß beschwerung zugefugt. Vermeint, sei hier-
von hier nicht zu tractiren, wolle [ aber ] doch indifferent sein.
Die deputatio ordinaria sei sehr begünstigt, derhalben, wie vorsitzende
erwehnet, auf eine gleicheit der personen von beiden religionen es anzu-
stellen .
Multiplicationem iudiciorum halte er mit Braunschweig nötig, vermein aber,
wan an einem ort eines zu erhalten, es solte auch wol noch ein anders alß
zum Fränckischen creiß zu erlangen sein.
Sachsen-altenburgisches Direktorium. Es sei numehr dahin ge-
schloßen , daß die quaestio de concurrentia nicht zu moviren, sondern
vielmehr denen herren Keyserlichen vorzustellen, wan iustitia recht ad-
ministrirt werden solte, weren mehr iudicia anzuordnen. Dannenhero auch
vorzuschlagen, daß etwa 4 reichsjudicia sein könten, 1. der Keyser-
liche reichshofrath, denen der Österreichische und Beyerische creiß zuzu-
legen , 2. das cammergericht, welches den churfursten- oder Oberreini-
schen , Niederreinischen und Burgundischen creiß behielte, 3. eins über
den Fränckischen und Schwäbischen und dan das letztere über die Ober-
und Niedersaxischen, auch Westphelischen creißen. Jedes were etwa mit
16 oder 22 personen, und zwar Teutschen, auch von beiden religionen in
gleicher anzal, zu besetzen, welche iurisdictionem privative zu exerciren.
Jedoch die nomination stünde ieden creiß bevor und muste einerlei proceß
an allen sein.
Sachanmerkungen zu Nr. 25