Acta Pacis Westphalicae III B 1,1 : Die Friedensverträge mit Frankreich und Schweden, 1. Teil: Urkunden / Antje Oschmann

2 Von der Vereinbarung des IPO bis zur Deponierung der beiden Friedens-verträge beim Reichsdirektorium (15./16. September 1648)

Die vielerorts bereits als sicher erwartete baldige Unterzeichnung des IPO

Vgl. die Meldung in der in Leipzig erscheinenden Wöchentlichen Zeitung, dat. 1648 August 12 (DPF Bremen Z 59 1648/140 S. 1–2); vgl. auch Salvius an Gyldenklou, 1648 VII 24/VIII 3 (APW II C 4 Nr. 320).
blieb in den folgenden Wochen noch aus. Die schwedischen Gesandten schlugen zwar vor, das Ratifizierungsverfahren abzukürzen, in Osnabrück Pergamenturkunden auszufertigen und diese an Kaiser und Königin zur Unterzeichnung zu senden. Sie leiteten auch die Anfertigung einer dafür vorgesehenen Pergamenturkunde in die Wege

Salvius an Kg.in, 1648 VII 31/VIII 10 ( APW II C 4 Nr. 325, hier 630); Relation der schwed. Ges. an die Kg.in, 1648 VII 31/VIII 10 ( APW II C 4 Nr. 324, hier 629 Z. 3–9); Salvius an Kg.in, 1648 VIII 7/17 ( APW II C 4 Nr. 331); vgl. auch Meiern 6, 311 . Über diese Maßnahme wurde in Zeitungsmeldungen berichtet ( DPF Bremen Z 9 1648/34–II S. 3–4).
.
Auf diese Weise ging es jedoch nicht voran, weil die Verhandlungen zwischen dem französischen Gesandten und den Reichsständen stockten und Servien die Schweden schließlich dringend mahnte, von der abschließenden Fixierung ihres Vertrags zunächst einmal Abstand zu nehmen

Vgl. Salvius an Kg.in, 1648 VIII 14/24 und 21/31, an Gyldenklou, 1648 VIII 14/24, an Johann Oxenstierna, 1648 VIII 18/28 ( APW II C 4 Nr.n 338, 339, 341, 346).
. Servien hielt sich seit Juli 1648 in Osnabrück auf, um mit den auf den Abschluß drängenden Reichsständen die noch strittigen Fragen zu regeln und insbesondere ihre Zustimmung zum Ausschluß Spaniens aus dem Vertrag zu erreichen

Vgl. vor allem die beiden Erklärungen Serviens zum IPO, dict. 1648 VIII 2/12 sowie dict. 1648 VIII 16/26 (Texte: Meiern 6, 296–299 , 341f ), und das Reichsbedenken zu dem ersten Schriftsatz, dict. 1648 VIII 7/17 (Text: Meiern 6, 318–321 ). Unter anderem forderte Ser-vien die Tilgung der im IPO verwendeten ksl. Titel semper augustus und landgravius Alsa-tiae, gab jedoch schließlich im ersten Punkt nach ( Meiern 6, 358–361 ).
. Die kaiserlichen Gesandten in Münster,

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die allein Vollmacht besaßen, mit Servien zu verhandeln, weigerten sich, den Verhandlungsort zu wechseln, weil dies dem Hamburger Präliminarvertrag wi-dersprach, zumal sie von den Osnabrücker Reichsständen kaum Unterstützung für eine kaiserliche Rücksichtnahme auf Spanien erhoffen konnten

Vgl. Ruppert , 347f.
.
Die reichsständischen Gesandten gingen jedoch über diesen Einspruch hinweg und trieben die Verhandlungen mit Servien energisch voran. Mit Hilfe Salvius’ wurde in mancherlei Punkten eine Einigung erzielt, vor allem in der Assistenzfrage. Es wurde die Regelung getroffen, daß Kaiser und Reich während einer spanisch-französischen Auseinandersetzung nicht die in anderen derartigen Fällen für Reichsglieder obligatorische Hilfe leisten dürften

Der spätere § 3 IPM. Die Reichsstände stimmten dieser Regelung am 9. September zu ( Mei-ern 6, 355f ).
. Diese Einigung schnitt Spa-nien von der Hilfe des Kaisers und des Reiches ab und lag ganz im Interesse Frankreichs.
Trotz dieses Zugeständnisses konnten die Reichsstände kein Entgegenkommen zu-gunsten der durch die französische Territorialsatisfaktion betroffenen Reichs-stände im Elsaß erreichen. Servien weigerte sich strikt, die von ihnen gewünschte Interpretation der Bestimmungen des Satisfaktionsvertrags vom 11. November 1647, insbesondere des späteren § 87 IPM, anzuerkennen. Es blieb den Reichs-ständen nur der Ausweg, ihre Auffassung schriftlich niederzulegen. Dies geschah in einem auf den 22. August 1648 datierten Schriftsatz

Text: Nr. 6.
, der die reichsständische Zustimmung zur französischen Territorialsatisfaktion an die Bedingung knüpfte, daß die Reichsunmittelbaren im Elsaß trotz der Errichtung eines französischen supremum dominium in ihren herkömmlichen Rechten gegenüber dem Reich unbehelligt blieben. Die Übergabe einer Ausfertigung dieser Urkunde an Servien mißlang. Die Reichsstände wandten sich daraufhin direkt an den französischen König

Mit einem Schreiben von 1648 IX 19/29; Text in Nr. 7.
und hielten das Geschehene in einer Protokollnotiz fest

Text: Nr. 7.
. Dies hat jedoch das politische Scheitern des seitens der Reichsstände gewünschten Rechtsvorbehalts nicht verhindert, zumal Servien diesem Schriftsatz im Februar 1649 einen eige-nen Protest entgegenstellte

Text: Nr. 16.
.
Mitte September 1648 war man in Osnabrück so weit einig geworden, daß nur noch die Zustimmung der in Münster weilenden reichsständischen Bevollmächtig-ten und vor allem des Kaisers ausstand. Um das Verhandelte endgültig zu sichern und die in Münster tagenden Reichsstände sowie den Kaiser ultimativ zur An-nahme zu drängen, schlugen die in Osnabrück weilenden Reichsstände vor, beide Instrumente offiziell beim Reichsdirektorium zu hinterlegen und damit die Texte

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verbindlich festzuschreiben

Vgl. für das IPO Salvius an Oxenstierna, 1648 VIII 11/21 ( APW II C 4 Nr. 335, hier 645 Z. 6–9), Salvius an Kg.in, 1648 VIII 14/24 ( APW II C 4 Nr. 338), außerdem ksl. Ges. /Osnabrück an den Ks., 1648 VIII 27 (Ausf.: HHStA Wien , RK FrA Fasz. 55b [1648 VIII] fol. 155–157’, 164). Für das IPM und allgemein für die reichsständische Initiative s. Meiern 6, 356 –365, sowie die Sitzung des FR in Osnabrück, 1648 IX 2/12 ( ThStA Altenburg, Altes Hausarchiv I E 27 fol. 164’–187).
. Die Kaiserlichen stimmten der Hinterlegung des IPO nur unter der Bedingung zu, daß dies nicht als Präjudiz für den münsteri-schen Teilkongreß verstanden werden dürfe; eine Fixierung des IPM durch Über-gabe des Textes an das Reichsdirektorium lehnten sie hingegen völlig ab. Darauf-hin wurden vom IPO, dessen Text nach dem 6. August zwischen der kaiserlichen und schwedischen Gesandtschaft erneut kollationiert worden war

Ein revidiertes Exemplar schickten die ksl. Ges. /Osnabrück 1648 VIII 31 an den Kaiserhof (Ausf. ihrer Relation: HHStA Wien , RK FrA Fasz. 55b [1648 VIII] fol. 168–171’, 174–176’, 179). Dieser Text des IPO liegt nicht mehr bei der Relation.
, durch die bei-den Kanzleien zwei Exemplare angefertigt und zunächst von den Sekretären im Beisein des kurmainzischen Reichsdirektoriums wiederum verglichen. Am 16. September 1648

Vgl. ksl. Ges. /Osnabrück an den Ks., 1648 IX 14 ( HHStA Wien , RK FrA Fasz. 55b [1648 IX] fol. 59–61’, 82–82’), 1648 IX 17 ( ebenda fol. 85–89, 90), den Eintrag im Diarium Lamberg ( APW III C 4, 192 Z. 2–5), außerdem Meiern 6, 365 , 371ff, sowie einen reichs-ständischen, von den schwed. Ges. nach Stockholm übersandten Bericht (Kopie: RA Stock-holm , DG 13 fol. 903–903’). Der Hinweis Meierns ( 6, 365 ), die deponierten Instrumente seien auch von den beiden Gesandtschaftssekretären gesiegelt gewesen, widerspricht den An-gaben der ksl. Ges.
wurden die beiden

Den gen. Berichten zufolge wurden in der Tat zu diesem Zeitpunkt zwei Exemplare des IPO beim Reichsdirektorium deponiert. In einem späteren, wahrscheinlich von reichsständischer Seite verfaßten Verhandlungsbericht über 1648 IX 29/X 8 wird von drei verwahrten Exem-plaren gesprochen, die Salvius nach Prüfung der Siegel dem ihm vom kurmainzischen Kanzler überreichten Umschlag entnommen habe (Kopie: RA Stockholm , DG 13 fol. 1002–1004’, hier 1004; vgl. APW II C 4, 777 Z. 37f).
Exemplare im Quartier des kaiserlichen Gesandten Lamberg in Anwesenheit etlicher reichsständischer Deputierter zusam-men in ein Paket gepackt, welches anschließend von Salvius, Lamberg und dem kurmainzischen Kanzler Raigersperger versiegelt und dem Reichsdirektorium zur Verwahrung übergeben wurde.
In dieser Sitzung protestierten die kaiserlichen Gesandten mündlich erneut gegen die Deponierung des IPM; auch verwahrten sie sich gegen jeglichen Vorgriff und bestanden auf der Zustimmung der in Münster tagenden Reichsstände zu den Os-nabrücker Verhandlungsergebnissen. Außerdem wiederholten sie ihre Erklärung, daß unter dem von den Schweden als Verbündeten genannten König von Portu-gal der spanische König Philipp IV. zu verstehen sei. Sie erreichten sogar, daß ihrem Exemplar des IPO ein entsprechender Schriftsatz beigelegt wurde, der sich somit ebenfalls in dem Paket befand, das versiegelt dem kurmainzischen Reichsdi-rektorium übergeben wurde

Kopie: HHStA Wien, RK FrA Fasz. 92 XVI fol. 377. – In der Sitzung vom 16. September 1648 wurden außerdem in XV,13 IPO die Wörter conventuique huic insinuata hinzugesetzt und von den ksl. Ges. jetzt, nach diversen Disputen in der Zeit davor, angenommen.
.

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Nicht die gleiche rechtliche Verbindlichkeit, jedoch umso größere politische Be-deutung hatten einige Vorbehalte

Vgl. dazu die von den schwed. Ges. hrsg. Liste (Kopie: HHStA Wien , RK FrA Fasz. 55b [1648 IX] fol. 93; APW II C 4, 714f, irrtümlich als PS eines Schreibens Salvius’ an Oxen-stierna eingestuft), dazu auch eine um einen Punkt erweiterte (wohl Anfang Oktober aktuali-sierte) und mit Marginalien Salvius’ versehene Fassung (Text: ST 6.1, 331f).
, die Salvius vortrug und die er wenig später – ohne es den kaiserlichen Vertretern offiziell mitzuteilen – dem Reichsdirektorium schriftlich übermittelte. Insbesondere erneuerte er die schwedische Intervention zugunsten der Militärsatisfaktion Hessen-Kassels

Schwed. Vorbehalt zugunsten der Militärsatisfaktion Hessen-Kassels (Kopie: HHStA Wien , RK FrA Fasz. 55b [1648 IX] fol. 99). Wohl um dieselbe Zeit gab auch die hessische Seite einen Schriftsatz mit entsprechendem Inhalt heraus (Kopie: ebenda fol. 95).
, forderte mehrere Attestate zu-gunsten kleinerer Reichsstände und wollte sich die schwedische Interpretation der Regelung über die Stadt Bremen (X,8 IPO) bestätigen lassen

Schwed. Entwurf für ein Attestat der Ksl. und des Reichsdirektoriums betr. die Stadt Bremen (X,8 IPO) (Kopie: HHStA Wien , RK FrA Fasz. 55b [1648 IX] fol. 97–97’).
. Außerdem sprach er Unklarheiten und offene Fragen hinsichtlich der Bezahlung und Verpflegung der schwedischen Truppen an. Trotz der offiziellen Verabschiedung des IPO-Textes hielt sich Schweden damit die Tür zu weiteren Verhandlungen offen.
Die Hinterlegung des Friedensvertrags mit Frankreich war gegen den offiziellen Einspruch der kaiserlichen Gesandten einen Tag vorher, am 15. September 1648, vorgenommen worden, obwohl manche Punkte noch strittig oder ungeklärt wa-ren

Strittig blieb ein Vorbehalt zugunsten der kath. Religionsausübung in der Unterpfalz, der schließlich, wie in der verglichenen Fassung vermerkt wurde ( Meiern 6, 378 ), auf die weitere Entscheidung Frankreichs ausgestellt wurde. Noch nicht fertig ausgehandelt waren die späteren §§ 96 und 97 IPM, die Oberitalien betreffen ( ebenda, 390).
. Auch hier wurden zwei Exemplare – das eine war in der kurmainzischen, das andere in der französischen Kanzlei ausgefertigt worden – in einen Umschlag zusammengelegt, den Servien und der kurmainzische Kanzler versiegelten

Vgl. die reichsständischen Berichte über die Textkollation und die Versiegelung, 1648 IX 1/11, 4/14 und 5/15 ( Meiern 6, 358 –361, 366–371), die Relation Serviens, 1648 IX 19 (Ausf.: AE Paris , CP All 112 fol. 254–260’) sowie den Bericht der bay. Ges. , 1648 IX 18 ( BHStA München, Kurbayern Äußeres Archiv 3070 fol. 29–39). Die deponierten Texte wurden nicht von Kurmainz gegengezeichnet, wie Becker, 320, annimmt.
. Der Text des IPM wurde wenige Tage später über die Reichsdiktatur verbreitet

Am 12./22. September 1648, Text: Meiern 6, 373–394 .
.

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