Acta Pacis Westphalicae III A 3,1 : Die Beratungen des Fürstenrates in Osnabrück, 1. Teil: 1645 / Maria-Elisabeth Brunert
[3.] Ausschußsitzung Osnabrück 1645 Oktober 6/16

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[3.] Ausschußsitzung


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Osnabrück 1645 Oktober 6/16

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Sachsen-Altenburg A I 1 fol. 206’–207’ (= Druckvorlage).

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Erster Entwurff der Evangelischen Staende zu Oßnabrueck Gutachtens auf der beyden Cro-
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nen Propositiones

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Gemeint sind die schwed. Proposition II von 1645 VI 11 (s. [Nr. 2 Anm. 34] ) und die frz.
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Proposition II von 1645 VI 11 (s. [Nr. 7 Anm. 53] ).
und die darauf ertheilten Kayserlichen Responsiones

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Gemeint sind die ksl. Responsionen vom 25. September 1645 (s. [Nr. 14 Anm. 2] ).
: Zu schwedischer
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Proposition II, Artikel 4 (Einschluß der Reformierten in den Frieden, hier: Conditiones, so den
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Reformirten vorgelegt worden, um in den Frieden mit eingeschlossen zu werden, sachsen-
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altenburgischer
Entwurf

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Der Entwurf konnte nicht ermittelt werden. Druck der Conditiones, so den Reformirten
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vorgelegt worden, um in den Frieden mit eingeschlossen zu werden in: Meiern II, 9ff.
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Kopien dieser Conditiones: Magdeburg F II fol. 493–494’ (dort bezeichnet als Auffsatz
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oder concept, die herren reformirten betreffend ) und in Braunschweig-Lüneburg-Ka-
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lenberg
A III fol. 299–301’ (als Beilage 1 überschickt am 17. November 1645). Schwed.
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Überlieferung: APW II C 1, 805 Beilage P (dort irrtümlich als Magdeburgischer Entwurf
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bezeichnet). Die altenburgischen Ges. haben diese Conditiones aufgesetzt (so Lampadius an
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Hg. Christian Ludwig von Braunschweig-Lüneburg, Ausf. von 1645 XI 7 [ /17] in: Braun-
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schweig
-Lüneburg-Kalenberg A III fol. 296–297, hier fol. 296) und am 19. Oktober
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1645 den magdeburgischen Ges. übergeben (s. Diarium Nr. 23 in: Magdeburg F II
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fol. 483–484, hier fol. 483 s. d. 9. [ /19.] Oktober 1645). Diese übergaben den Text den
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schwed. Ges. (nach Stockholm überschickt: 1645 X 23, s. APW II C 1 Nr. 413).
[Artikel VII § 1 IPO]).

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(Im Quartier der Sachsen-Altenburgischen zu Osnabrück.) Anwesend: Sachsen-Altenburg / Sach-
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sen-Coburg (Direktorium), Braunschweig-Lüneburg-Celle / Braunschweig-Lüneburg-Gruben-
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hagen / Braunschweig-Lüneburg-Kalenberg, Fränkische Grafen, Stadt Straßburg.

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Ad articulum 4.:

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Sachsen-altenburgisches Direktorium. Nachdem man ietzo von den
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reformirten zu reden, wurde hierin und in diesem artikel behutsam zu gehen
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sein, damit man keine separation veruhrsache. Diesestheils habe man unvor-
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greiflich zu pappier bracht

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Siehe oben Anm. 4.
, wie und uf was maße etwa a part ein vergleich
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mit ihnen eingangen werden könte, stehe auch [ zu] bedencken und gut-
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düncken.

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Braunschweig-Lüneburg-Celle, Grubenhagen und Kalenberg.
21
Er

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21 halte] In der Druckvorlage steht: halten.
halte die Calvinisten dreimal so hoch alß die Papisten

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Eine untypische Einstellung für einen Lutheraner jener Zeit. Bezeichnender ist die bei dem
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Theologen Polykarp Leyser (1552–1610), Hofprediger und Kirchenrat zu Dresden, anzutref-
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fende
Ansicht, daß die Papisten (abgesehen von den Jesuiten) den Calvinisten vorzuziehen
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seien, die Leyser in seiner 1602 verfaßten und 1620 gedruckten Erörterung Ob / wie / und
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warumb / man lieber mit den Papisten gemeinschafft haben / und gleichsam mehr vertra-
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wen zu ihnen tragen solle / denn mit / und zu den Calvinisten näher ausführte ( Hassin-
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ger
, 371; Mahlmann, 436f.).
, iedoch sei ihm auch
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nit unwißend, daß sie nit ruhen könten. In pacem publicam ließe man sie gern
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recipirn, allein sie musten die evangelischen nit vertreiben und ref[ ormiren]. Er
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habe vorigs tags mit dem herrn Caßelischen abgesanden herrn Scheffern ge-
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redet und ihm austrücklich gsagt, daß den reformirten die gwalt, unser glau-
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bensgnoßen zu vertreiben, nit könne eingeraumt werden, welcher zur antwort
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geben, wan wir evangelischen dergleichen auch nit thuen wolten.

[p. 384] [scan. 528]


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Sonst sei erinnerlich, daß Churbrandenburg sich bishero löblich verhalten

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Kf. Johann Sigismund von Brandenburg (1572–1620, Kf. seit 1608) hatte seit 1613 das refor-
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mierte Bekenntnis angenommen, während die Mark und Preußen lutherisch waren. Der Kf.
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mußte den Ständen gegenüber 1615 die Fortdauer des lutherischen Kirchenwesens anerkennen.
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Seither hatte sich eine im Grundsatz auf Bikonfessionalität angelegte Religionspolitik entwik-
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kelt. Kf. Friedrich Wilhelms Kirchenpolitik war anfangs durchaus parteiisch zugunsten der
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Reformierten, soweit dies mit den verbrieften Rechten der Lutheraner, die er respektierte, zu
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vereinbaren war ( Leube, 164; Opgenoorth I, 56; Schultze, 475f.; Heinrich, 114f.).

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und den evangelischen in sein landt kein uberlast

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uberlast bedeutet übergroße Last, in verengtem Sinn Unrecht ( Grimm XXIII, 367 s. v.
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Überlast).
gthan, welches dan in dem
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bedencken billich austrücklich zu rühmen, dabeneben auch zu bitten, daß
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andere reformirten dergleichen thuen wolten. Jetzo entstehe die frag, ob man
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sie generaliter in den religionfried mit einnehmen solle. Dieweil sie nun die
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herren Keyserlichen in ihr resolution albereit eingenommen, könte man’s da-
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bei bewenden und generaliter geschehen laßen, iedoch aber a part mit ihn[ en]
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sich vergleichen. Welcher vergleich glimpflich, prudentissime und also einzu-
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richten, damit sie zufrieden sein könten. Es frage sich auch, durch wen mit
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ihn[ en] zu tractiren, welches dan durch die Schwedischen herren plenipoten-
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tiarii geschehen muste, alß welche die interpretation ihrer proposition zu ma-
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chen. Er vermeine, wolten die reformirten das publicum exercitium ihren
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evangelischen unterthanen [ nicht] verstatten, musten sie doch exercitium pri-
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vatum zulaßen auch am ende, do es zuvor nit eingeraumt worden. Die von
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Altenburg aufgesetzte puncta könten in deliberation gezogen werden.

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Fränkische Grafen. Befinde diesen punct von groß importants. Man
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muße der reformirten macht gleichwol consideriren und daß sie in vielen
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glaubensartikeln mit uns einig. Dahero mit ihnen behutsam zu tractiren, und
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daß solches 1. ohne praejudi〈tz〉 der evangelischen religion, dan auch 2. im-
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mediate per Suecios [ !] legatos und damit 3. die catholischen nit causam com-
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munem draus machten, noch sich drauf ihrseits auch bezögen, geschehen.
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Stelle zu bedencken, ob’s nit etwa auf ein ander zeit zu verschieben.

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Stadt Straßburg. Es sei schwer, sich hierin zu resolviren, dan wan die
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reformirten simpliciter in den religionsfrieden solten aufgenommen werden,
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wurden sie es nit beßer machen alß die catholischen. Sie grieffen umb sich
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wie der krebs, welches man zu Franckfurt am Main

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Nach Frankfurt a. M. waren seit 1554 in mehreren Wellen Reformierte aus den Span. Ndl.n
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eingewandert, die neue Gewerbe- und Handelszweige sowie eine innovative Produktionstech-
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nik und Produktionsorganisation in die Reichsstadt gebracht hatten, was Neid und soziale
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Abwehrreaktionen bei den Einheimischen geweckt und wirtschaftliche und soziale Spannungen
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verstärkt hatte. Dauerndes Streitthema war die Zulassung des reformierten Gottesdienstes in
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der Stadt. 1594 wurde der ndl. reformierten Gemeinde, 1596 der frz. reformierten Gemeinde
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der private Gottesdienst untersagt ( Schindling, 224–230). Aus dem Jahr 1645 oder aus der
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Zeit unmittelbar davor sind keine besonderen Entwicklungen oder Vorfälle innerhalb der re-
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formierten Gemeinden bekannt, auf die der Ges. hier Bezug genommen haben könnte (freund-
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liche Mitteilung von Prof. Dr. Dieter Rebentisch, Institut für Stadtgeschichte Frankfurt, vom
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5. November 1996).
und anderorten wol
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sehe. Derowegen man sich mit gwißen cautelis verwaren muste, derzu der
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Altenburgische aufsatz dienen könte. Man muße zwar dahin trachten, daß sie
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nit von uns abalienirt

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abalieniren bedeutet entfremden ( Campe I, 117).
wurden, ihnen doch auch nit zuviel einraumen. Die
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tractaten mit ihn〈e〉 musten durch die herren Schwedischen geschehen, dar-
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umb sie in geheim durch ein oder ander person anzulangen.

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Sachsen-altenburgisches Direktorium. Der schluß gehe dahin, daß
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1. churfürstlicher durchlaucht zu Brandenburg moderation in puncto refor-
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mationis expresse in dem bedencken zu erwehnen, zu loben und sie ümb con-
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tinuation zu bitten;

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2. es beßer sei, wan mit den herren reformirten durch die königlich Schwedi-
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schen tractirt und sich mit ihnen per modum reversalium verglichen wur-
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den.

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3. Dieser vorschlag seie in höchster geheim an die herren Schwedischen zu
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bringen und dan

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4. der entworffene auffsatz zu communiciren und zu bedencken.

[p. 385] [scan. 529]


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Sachanmerkungen zu Nr. 26

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