Acta Pacis Westphalicae III A 3,2 : Die Beratungen des Fürstenrates in Osnabrück, 2. Teil: 1645 / Maria-Elisabeth Brunert
Sondersitzung reformierter Gesandter Osnabrück 1645 November 11/21

2

Sondersitzung reformierter Gesandter


3
Osnabrück 1645 November 11/21

4
Wetterauische Grafen ( Nassau-Dillenburg) A fol. 70–71’ (= Druckvorlage).

5
Erklärung der lutherischen fürstlichen Gesandten zu Osnabrück über die Admission der Refor-
6
mierten
zum Religionsfrieden vom 19. November 1645 [Artikel VII § 1 IPO].

7
(Im kurbrandenburgischen Quartier zu Osnabrück

7
In der Druckvorlage wird Wesenbecks Wohnung als Ort der Zusammenkunft genannt. In
8
DLöben II fol. 9’–10 ist präzisiert: Die Reformierten kamen in der taffelstuben des kurbg.
9
Quartiers zusammen. – Es wird nicht recht deutlich, wer als Direktor fungierte: Hessen-Kassel,
10
an das sich die Lutheraner als Vertreter der Reformierten gewandt hatten (s. Nr. 37), oder
11
Kurbrandenburg bzw. Pommern, vertreten durch Wesenbeck: In seinem Quartier fand die
12
Sitzung statt, und er hat anscheinend auch die Sitzung einberufen (s. S. 168 Z. 16f.).
.) Anwesend: Hessen-Kassel, Kurbranden-
8
burg / Pommern-Stettin / Pommern-Wolgast, Anhalt, Wetterauische Grafen, Stadt Bremen.

9
Hessen-Kassel. (Legatus herr Scheffer proponirt:) Notum, daß die Sueci et
10
Caesar der reformierten in ihren propositionibus gedacht , doch Caesar mitt
11
unannehmlichen terminis. Mann hette es im furstenrath gedacht, daß [ es] in
12
das fürstliche conclusum kommen möchte

14
Bei der am selben Tag vorgenommenen Verlesung des korrigierten Ersten Entwurffs der
15
Evangelischen Staende zu Oßnabrueck Gutachtens hatten die Reformierten moniert, daß
16
man ihrer in diesem Entwurff nicht gedacht habe (s. Nr. 39 bei Anm. 13).
(weil die deputati

17
Gemeint sind die Mitglieder des Ausschusses, die über den zu erstellenden Ersten Entwurff
18
beraten hatten (s. [Nr. 34 Anm. 19] ).
sich entschul-
13
digt, sie alß die wenigere hetten eß nicht dürffen einsetzen, wolten sich aber
14
ehistens erkleren

19
Scheffer hatte nach Abschluß der Beratungen über den Ersten Entwurff am 18. November
20
daran erinnert, daß nun über die Admission der Reformierten gesprochen werden müsse
21
(s. [Nr. 36 Anm. 2] ). Bereits am folgenden Tag berieten die Lutheraner über die Admission der
22
Reformierten, weil man es ihnen so versprochen habe (s. Nr. 36 bei Anm. 2).
).

15
Die Solis weren die Lutherischen beyeinander gewesen

23
Am 19. November (s. Nr. 36).
, hetten darauff Al-
16
tenburg und Braunschweig gestern ahn herrn Oxenstirn geschikt

24
Siehe Nr. 38.
, ahn ihn,
17
herrn Scheffern, aber Weinmar, Mecklenburg

25
Siehe Nr. 37.
. Der ersten verrichtung wiße
18
er nicht.

19
Die ahn ihn geschickte

26
Heher und Kayser (s. Nr. 37 bei Anm. 3).
hetten angehends contestirt de amore pacis inter nos
20
stabiliendae. Hetten die sache reifflich uberlegt und einen uffsatz

27
Gemeint ist die Erklärung der lutherischen fürstlichen Gesandten … über die Admission der
28
Reformierten zum Religionsfrieden (wie oben Anm. 1).
gemacht,

[p. 166] [scan. 184]


1
wie diser punctus beym 4. articel

29
Gemeint ist Art. 4 der schwed. Proposition II, der den Einschluß der Reformierten in den
30
Religionsfrieden postulierte, worauf die Fürstlichen in ihrem Ersten Entwurff nicht eingegan-
31
gen waren.
einzurichten. Bäten zu helffen, daß solcher
2
[ uffsatz] von den reformirten acceptirt wird. Weil wir unß aber zur Augsbur-
3
gischen confession bekentten, würden wir nicht zuwider sein laßen, einen
4
gegenschein zu geben, daß wir die Augspurgische confession ein〈führen〉
5
woltten und nirgendswo ferner reformiren woltten.

6
Er, Scheffer, habe den Deputierten geantwortet: Wüste nicht, wie das wort „un-
7
geendert“ in beruerter [ Formel]

32
Gemeint ist die von den Deputierten übergebene Erklärung (wie oben Anm. 1), deren Text
33
auch in diesem Protokoll zitiert ist (s. S. 166 Z. 17–23).
zu verstehen. Begehrte, die formular der
8
Schweden

34
Gemeint ist die in der schwed. Proposition II, Art. 4, gewählte Formulierung (s. Nr. 33 bei
35
Anm. 23).
zu behalten. Seine gnädige fürstin und frau hette vorlengst vor
9
sich und ihro hohen 〈erben〉

36
Gemeint sind Lgf.in Amalia (Amelia) Elisabeth vom Hessen-Kassel und ihr noch unmündiger
37
Sohn Prinz Wilhelm.
vom Kayser sicherheit erlangen können

38
Ks. Ferdinand III. war zu Partikularverhandlungen mit Hessen-Kassel bereit gewesen
39
(s. [Nr. 28 Anm. 19] ).
,
10
aber das pulver mehr considerirt, und würde sie befrembden, itzo von evan-
11
gelischen excludirt zu werden. Hette ihnen historiam Augustanae confessio-
12
nis erzehlt und wie die Altenburgischen, Weinmarischen mit dem churfürst-
13
lich Saxischen 1560 in eadem confessione uneinig worden und inen dise nicht
14
ad baptisma zulaßen wöllen

40
Im ernestinischen Sachsen regierte seit 1554 (allein seit 1557) bis 1567 Hg. Johann Friedrich
41
II. (1529–1595), im albertinischen (seit 1547 Kft.) Sachsen von 1553 bis 1586 Kf. August I.
42
(1526–1586). Zwischen beiden wettinischen Linien bestand neben politischen Gegensätzen
43
eine rigorose theologisch-konfessionell-kirchliche Spaltung. Im ernestinischen Sachsen pflegte
44
man das Bewußtsein, gegenüber der von Philipp Melanchthon beeinflußten kursächsischen
45
Theologie das unverfälschte Erbe Luthers zu bewahren. Von 1557 bis 1561 bestimmte dort
46
das Schulhaupt der Gnesiolutheraner, der Kontroverstheologe Matthias Flacius Illyricus
47
(1520–1575) als wichtigster theologischer Ratgeber Hg. Johann Friedrichs die Entwicklung.
48
Im sogenannten Philippismus, der sich in Kursachsen entwickelte, war einer der zentralen
49
Streitpunkte die Abendmahlslehre, was aus Sicht der Gegner Nähe zum verhaßten Kalvinis-
50
mus bedeuten konnte. Nachdem 1573, als Kf. August die Vormundschaft über die unmündigen
1
Söhne Hg. Johann Friedrichs und die ebenfalls unmündigen, später in Altenburg und Weimar
2
regierenden Söhne Hg. Johann Wilhelms führte, 177 gnesiolutherische Theologen und Lehrer
3
aus den ernestinischen Landen ausgewiesen worden waren, wurde mit Einführung der Konkor-
4
dienformel von 1577 und des Konkordienbuches 1580 ein Ausgleich der konfessionellen Ge-
5
gensätze im ev.-lutherischen Lager eingeleitet ( Stammtafeln I T. 44; Smolinsky, 9, 24f.;
6
Klein, Ernestinisches Sachsen, 9f., 19–22).
. Die reformirte hetten periculosissimo tempore
15
reformirt und sollen sich ytzo restringiren laßen, rebus Caesaris vacillantibus.
16
Diabolum sparsisse hanc dissid〈iosam〉 materiam.

17
Formalia: „Waß wegen der herren reformierten in der königlich Schwedi-
18
schen proposition und der Kaiserlichen resolution artikel 4 gemeldet worden,
19
daß nemblich dieselben in den religionfrieden mitt einzuschließen, damit sein
20
die der ungeenderten Augsburgischen confession zugethane fursten und
21
stende dergestalt einig, daß gemelte herrn reformirte selbiger constitution
22
schutzes und sicherheit gleich ihnen, den evangelischen, genießen und fehig
23
sein mögen.“

7
Dies ist der Text der Erklärung der lutherischen fürstlichen Gesandten … über die Admission
8
der Reformierten zum Religionsfrieden (wie oben Anm. 1).

24
Kurbrandenburg, Pommern-Stettin und Wolgast. (Herr Wesen-
25
beck:) Gratias agit pro confidenti visitatione. Er bedauert die Abwesenheit
26
Sayn-Wittgensteins

9
Sayn-Wittgenstein war in Münster (Löben erhielt am 24. November einen dort abgesandten
10
Brief von ihm und schrieb ihm am selben Tag, was wegen der herren reformirten in Osna-
11
brück
vorgegangen: DLöben II fol. 10’ und 13’ s. d. 1645 XI 14 st.v.).
. Löben, der selbst Lutheraner sei, habe nicht teilnehmen
27
wollen

12
Wesenbeck hatte Löben im Namen der übrigen Reformierten eingeladen, der consultation
13
beizuwohnen. Dieser ließ sich unter Hinweis auf den ihm als kurbg. Ges. verweigerten Exzel-
14
lenztitel
entschuldigen. Wenn er aber bey deme, was sie mitteinander schlie〈ß〉en würden,
15
etwas Förderliches tun könne, sei er dazu bereit (s. DLöben II fol. 10 s. d. 1645 XI 11
16
st.v.).
. 〈Ipsum〉 nos salutare et contentum fore nomine electoris Branden-
28
burgici in conclusum, quod facturi simus.

29
Laudat laborem et relationem Hassi〈ac〉i. Reperit in conceptum

17
Gemeint ist die Erklärung der lutherischen fürstlichen Gesandten (wie oben Anm. 1).
[ !] multa
30
verba subdola et intoleranda. Suecos a prima et bona intentione amotos a
31
malevolis. Dominum Oxenstirn〈am〉 esse asperior〈em〉 domino Salvio

18
Siehe Nr. 38 nach Anm. 10.
.

32
1. Mann praesupponiert, daß mann ytzo erst einzuschliessen seye, da doch
33
100 jaar in possessione gewesen, mann hette es in petitoria et possessione
34
erhalten. Sovil chur-, fürsten [ und] stende reformirt, in comitiis Imperii 〈eti-
35
am〉 allzeit admittirt.

36
2. Von ihnen praesupponirt, quasi penes ipsos potestas 〈nos〉 excludendi,
37
quod absurdissimum.

38
3. Distinctio der geenderte und ungeenderte confession

19
Gemeint ist der Unterschied zwischen der Confessio Augustana invariata, die am 25. Juni
20
1530 Ks. Karl V. überreicht wurde, und der Confessio Augustana variata, die Melanchthon
21
1540 verfaßt hat. Diese Confessio variata wurde beim Religionsgespräch in Worms am 30.
22
November 1540 als offizielles Dokument der Protestanten übergeben. Sie enthielt u. a. Ände-
23
rungen in Art. X (Abendmahl, Zurückhaltung gegenüber Realpräsenzvorstellung), was auf
24
prot. Seite zunächst unkritisiert blieb. Beim ARF wurden die Unterschiede zwischen beiden
25
Versionen übergangen. Auf prot. Seite gerieten die Differenzen zwischen invariata und variata
26
beim Streit um das Abendmahl zwischen Gnesiolutheranern und Kryptokalvinisten ins Blick-
27
feld. Neben den Lutheranern gaben auch die Katholiken in gemeinsamer Ablehnung des Kal-
28
vinismus der invariata den Vorzug. Das Restitutionsedikt bezog sich ausdrücklich auf die An-
29
hänger der ungeaenderten Augsburgischen Konfession von 1530 ( Londorp III, 1054; Frisch,
30
193 Z. 101). Das Problem wurde 1638 bei den gescheiterten Verhandlungen um den Beitritt
31
der Lgf.in von Hessen-Kassel zum PF wieder aktuell: Der Ks. versagte seine Zustimmung zu
32
der Ansicht, daß die Reformierten zu den Augsburgischen Konfessionsverwandten zählten
33
( Dickmann, 367f.; Iserloh, 286f.; Lohse, 619, 625ff.; Rudolf Keller, 517).
seye bey dem Prager
39
friedensschluß uff〈komen〉, alias protestantes status abolen〈t〉 pacem Pra-
40
gensem, und sollen diese distinction

41
40 annehmen] Über der Zeile steht: conserviren.
annehmen.

[p. 167] [scan. 185]


1
4. „Schutzes und sicherhait zu genißen“

34
Zitat aus der Erklärung der lutherischen fürstlichen Gesandten (s. oben S. 166 Z. 22).
, 〈hoc est〉 passive 〈sibi〉 arrogant
2
ius p〈a〉t〈ronatus〉 et protectionis uber die reformirte.

3
5. Gelich

35
gelich ist eine sprachlich ältere Form für gleich ( Grimm VII, 7937).
〈i〉hnen, den evangelischen, se vocant evangelicos, quasi refor-
4
mati non essent evangelici.

5
6. „Genießen und fehig se〈in〉“

36
Zitat aus der Erklärung der lutherischen fürstlichen Gesandten (s. oben S. 166 Z. 22f.).
denotat usufructum 〈vel〉 proprieta-
6
〈tem〉, sed ius proprietatis sibi Lutheranos velle 〈vindicare〉. Electori h〈o〉c
7
〈communicatum〉 in h〈o〉c non consensurum

37
Kf. Friedrich Wilhelm hatte am 13. Oktober 1645 resolviert, daß die Reformierten gleich den
38
Lutheranern an der AC beteiligt seien. Seine Königsberger Resolution vom 18. November
39
1645, in der er sich enttäuscht über die Thorner Religionsgespräche, besonders über die unter
40
sich uneinigen lutherischen Theologen, äußerte, wird noch nicht am Kongreß eingetroffen ge-
41
wesen sein ( UA IV.2, 402 und 407).
. Diß werk hette ein separa-
8
tionem uff sich. Er hett nie gewöllt den uff〈satz〉 schließen, auch protestirt,
9
alles zu revociren

42
Wesenbeck hatte am 10. November erklärt, daß seines Erachtens der von dem Ausschuß erar-
43
beitete
Erste Entwurff der Evangelischen Staende zu Oßnabrueck Gutachtens nicht mehr als
44
drei Voten darstelle (s. Nr. 29 nach Anm. 17).
. Modus agendi wehre nicht gewesen, ut desideraremus,
10
non votum curiatum, sed votum utriuscumque publice. Wolten publice mit
11
ihnen agiren, si mere, si non, protestatio interponenda, non esse nos causam
12
separationis. Omnia ipsis in pro〈iecto〉 esse remonstranda. Coronas Impera-
13
tori et catholicis concedere, quid 〈igitur〉 〈illi〉 dubitent? Revers betreffend,
14
esse conditione〈m〉 turpissim〈am〉, churfürsten und fürsten conditiones
15
vor[ zu]schreiben in ihren regalien, zu exaggeriren, pro tur〈p〉i et impossibili
16
conditione zu achten. Mann 〈hette〉 sich doch nach mögligkeit [ zu] moderi-
17
ren.

18
H〈ae〉c proposuisse nomine electoris Brandenburgici ut et Pomeranici.

19
Hessen-Kassel. (Hassi〈ae〉 legat〈us〉:) Gratias agit domino Wesenbeck
20
et domino Löbenio pro salutatione, distributione in materia et modo agendi.
21
Conformire sich mit Pommern in cen〈sura〉 verborum, nur „schutz und Si-
22
cherheit“ permissive. 〈Separatio〉 〈wegen〉 evangelischen und reformirten.
23
Beßer gar nicht ein〈gesetzt〉

45
Das heißt: Es sei besser, der Reformierten gar nicht im Ersten Entwurff der Evangelischen
46
Staende zu Oßnabrueck Gutachtens (s. Nr. 38 bei Anm. 4) bzw. im Vollstaendigen Gutachten
47
der Evangelischen Staende zu Oßnabrueck (s. [Nr. 41 Anm. 1] ) zu gedenken, als die Erklärung
48
der lutherischen fürstlichen Gesandten (wie oben Anm. 1) zu akzeptieren.
, alß diß formular zu acceptiren. Trägt priva-
24
tionem iuris reformandi uff dem 〈rüken〉, weder formular noch revers zu
25
acceptiren. Modus procedendi hac in re: ohne weitleufftigkeit oder schriff-
26
wechßeln, uff eine publi〈qu〉e conferentz. Aber zuvor die gemüther zu prae-
27
pariren, Anhalt mit Weinmar

49
Das heißt: Milagius sollte mit Heher sprechen. Zwischen beiden war das Thema schon behan-
50
delt worden: Heher hatte am 19. November zugesagt, mit Milagius über die Forderungen der
51
Reformierten zu sprechen (s. Nr. 36 bei Anm. 14).
. No〈s〉 no〈vi〉sse iura ratione religionis et
28
rei publicae. Se cum Lampadio, si velimus, collatur〈um〉, quod tamen
29
〈…〉. Vor hinlegung dises zu keiner versamlung zu ko〈mmen〉, dann erst
30
den superioribus zu berichten, nimis langer fall und gebe separation, so die
31
catholischen fomentiren müsse.

32
Anhalt. Gratias agit Hassiaco pro relatione, Brandenburg, quod conferen-
33
tiam hanc maturaverit in sua domo. Se haec praevidisse, et magnam maesti-
34
tia[m].

41
34 Daß formular] So über der Zeile. Ursprünglich stand: Der uffsatz.
Daß formular

52
Gemeint ist die Erklärung der lutherischen fürstlichen Gesandten (wie oben Anm. 1).
sey gefehrlicher, alß ob’s ein Jesuit selbst thun 〈kon-
35
ten〉. Seyen mehr verfengligkeiten alß wortte, 〈diabolo〉 haec prodesse, weil
36
er mit den andern nicht können vortkommen. Lutheranos modernos tentare
37
inaudita et nos ex macello 〈a〉ddicere. Suecos bene posuisse, non quod 〈si-
38
mus〉 includendi, sed iam inc〈lusi〉 . Maiores ipsorum talia non molitos
39
anno 1566

54
Anspielung auf den Augsburger RT von 1566 (s. [Nr. 33 Anm. 53] ).
. Die iure nicht hetten durchkommen können, hetten disen prae-
40
text genommen, [ verbi gratia] Darmstadt contra Caßell

1
Der lutherische Lgf. Georg II. von Hessen-Darmstadt erstrebte im Streit mit den kalv. Lgf.en
2
von Hessen-Kassel um die Marburger Erbschaft (s. [Nr. 32 Anm. 63] ) ein für ihn vorteilhaftes
3
Resultat. Die Länder der Marburger Erbschaft hatten eine größtenteils lutherische Bevölkerung
4
( Bettenhäuser, 51). Es war also bei ihrem möglichen Übergang an das reformierte Hessen-
5
Kassel von Bedeutung, ob die Kalvinisten das Ius reformandi zugesprochen erhielten. – Der
6
hessen-kasselische Ges. Vultejus hatte im April 1645 den Eindruck, daß Schweden von Hessen-
7
Darmstadt gegen Kassel beeinflußt worden sei (August Beck, 27). Wieweit sich Hessen-Darm-
8
stadt im Werben für seine Position im Marburger Erbschaftsstreit gegenüber dem lutherischen
9
Schweden und anderen konfessionspolitischer Argumente bediente, wurde nicht ermittelt.
.

[p. 168] [scan. 186]


1
1. Solten’s laßen wie ihre maiores.

2
2. Arrogant sibi ius nos includendi in pacem religionis, bindeten den refor-
3
mirten ein große 〈last〉 uff den halß.

4
3. De abolitione pacis Pragensis fuisse actum ut et de edicto 1629

10
Gemeint ist das Restitutionsedikt, welches sich nur auf die Anhänger der ungeaenderten Augs-
11
burgischen Konfession von 1530 bezog (s. oben Anm. 23).
.

5
Zweifele, ob sie von ihren principaln uff solche wort instruirt seyen. Voluntas
6
non sufficit, ubi po〈testas〉 etiam re〈gulariter〉, vide Carpzov, ad legem re-
7
giam Germanorum

12
Bezug auf: Benedikt Carpzov (der Jüngere): Commentarius in legem regiam Germanorum.
13
Leipzig 1640 und öfter (s. BSB-AK 1501–1840 VI, 177).
. Die Lutheraner hetten die macht nicht zu excludiren.
8
Formular nach der Schwedischen proposition zu richten

14
Wie oben Anm. 14.
. Vorunderbauung
9
zu thun, er bey Sachsen Weinmar, cognationem 〈esse〉 Anhalt〈inorum〉

15
Hg. Wilhelm von Sachsen-Weimar war eng mit dem Fürstenhaus Anhalt verwandt: Seine
16
Mutter, Dorothea Marie (1574–1617), war eine geborene Prinzessin von Anhalt, eine Schwe-
17
ster des Fürsten Johann Georg von Anhalt (1567–1618), 1586–1618 regierend in Dessau. Hg.
18
Wilhelm heiratete Eleonore Dorothea Prinzessin von Anhalt (1602–1664), eine Tochter Fürst
19
Johann Georgs, also seine Cousine. Er war demnach zugleich Cousin und Schwager des zur
20
Zeit des WFK in Dessau regierenden Fürsten Johann Kasimir, seine Frau war eine Nichte des
21
in Köthen regierenden Fürsten Ludwig sowie des in Plötzkau regierenden Fürsten August und
22
eine Cousine der in Zerbst bzw. Harzgerode regierenden Fürsten Johann und Friedrich von
23
Anhalt ( Stammtafeln I T. 44, 73, 74, 76).
.
10
Weinmar wehre hiebevor andern meinung gewesen. Wilhelmum Saxonem
11
ipsi

24
Milagius war über Weimar, Gotha und Kassel zum WFK gereist. In Weimar hatte er mehrere
25
Tage verweilt und war von Hg. Wilhelm in respect des Fürstl. Hauses Anhalt sehr gnädig
26
aufgenommen worden (s. die Relation des Milagius von 1645 VI 20 [ /30] aus Weimar an die
27
Fürsten von Anhalt in: G. Krause V.2, 1).
valedicens dixisse, solte seh〈en〉, daß beede religiones concordes

28
Hg. Wilhelm von Sachsen-Weimar teilte, ebenso wie seine Brüder, von denen Hg. Ernst „der
29
Fromme“ in religiöser Hinsicht der bedeutendste war, nicht die antikalv. Politik der alberti-
30
nischen (kfl.) Sachsen. Wilhelm räumte seiner Gemahlin, einer kalv. Prinzessin von Anhalt
31
(s. oben Anm. 38), einen reformierten Hofstaat mit reformiertem Gottesdienst und Hofpredi-
32
ger ein. Selbst unangefochten Lutheraner, wollte Hg. Wilhelm von Lehrstreitigkeiten inner-
33
halb des Protestantismus nichts wissen ( Beyreuther, 14, 21).
.
12
Canzler 〈Götz〉

34
Kanzler Sachsen-Weimars war Dr. iur. Samuel Göchhausen (1578–1658), der zugleich auch
35
dem Konsistorium als Präsident vorstand. Aufgewachsen in Stade, hatte er in Jena studiert und
36
war dort promoviert worden, hatte 1606 eine juristische Professur erhalten und war 1607,
37
zunächst als Hofrat, Mitglied des Regierungskollegiums in Weimar geworden ( Huschke,
38
111, 162, 182, 195).
[ habe] gesagt, er könte seinen herrn kein gelben

39
Gelb bezeichnet in ständischer Zuordnung unter anderem die Ketzer ( Hain, 23).
ring la-
13
ßen uffsezen, alß mann gewöllt, das 〈un〉d diff〈…〉 reformirt nennen. Die
14
vorbauung könte sobald geschehen, Suecos esse respiciendos.

15
Al〈ius〉. Hollandos etiam esse a nostris partibus

40
Holland war eine der sieben souveränen Provinzen der Ndl.; ihr Name wurde oft – und wohl
41
auch hier – synonym für die Vereinigte Republik der Ndl. gebraucht. In Holland und Seeland
42
galt seit 1575/76 der Kalvinismus als die eigentliche, wahre Konfession; 1581 wurde auch der
43
private kath. Gottesdienst verboten. Die betreffenden Bestimmungen wurden 1587 für die
44
Vereinigten Ndl. verbindlich. Die reformierte Kirche wurde so zur „Öffentlichkeitskirche“.
45
Die Katholiken konnten allerdings wegen ihres Bekenntnisses nicht verfolgt werden. Den Ver-
46
boten
der Glaubensausübung stand zumeist eine liberale religionspolitische Praxis gegenüber, so
47
daß die Katholiken weiterhin einen großen Teil der Bevölkerung stellten (nach einer nicht
48
ganz sicheren Zählung 47 Prozent im Jahre 1656). Ferner gab es einen beträchtlichen Anteil
49
anderer religiöser Gruppen, während das lutherische Bekenntnis nur geringe Relevanz er-
50
reichte
: Die Ndl. waren konfessionell pluriform mit den Reformierten als öffentlicher, privile-
51
gierter
Kirche. Bei den ndl. Reformierten galt die Confessio Belgica, deren Hauptverfasser
52
Guy de Brès (hingerichtet 1567) war. Seine Confession de la foy wurde 1561 zuerst und 1562
53
in ndl. Übersetzung gedruckt und auf der großen Synode zu Dordrecht 1619 revidiert und der
54
frz. und ndl. Text offiziell festgelegt. Sie ist kalv. geprägt und lehnt sich eng an die Confessio
1
Gallica von 1559 an, die ihrerseits eine gewissenhafte Zusammenfassung der Lehre Kalvins
2
darstellt ( Dickmann, 198; Augustijn, Brès, 181ff.; Augustijn, 479ff.; Hans Schwarz, 421
3
Z. 30–51, 422 Z. 1–9; Groenveld, 432, 437; Lademacher, 230ff., 235f.). – Die ndl., aus
4
acht Ges. bestehende Delegation traf erst am 21. Januar 1646 am WFK ein, s. Relation De
5
l’arrivée & de l’entrée de leurs Excellences Messieurs les Ambassadeurs Et Plénipotentiai-
6
res De leurs Hautes Puissances les Etats Généraux Des Provinces-Unies à Munster (NS
7
III, 396ff.). Die Ankunft des bedeutendsten Mitglieds der Gesandtschaft, des holländischen Ver-
8
treters
Dr. Adriaen Pauw, Herr zu Heemstede (1585–1653), zeigt ein Gemälde Gerard Ter-
9
borghs
und Gerard van der Horsts (Abb. in: Groenveld, 437; Detail in: Lademacher,
10
24b).
.

16
Wetterauische Grafen. Gratias agit Hasso pro relatione, electorali pro
17
convocatione. 〈O〉ptat princip〈ales〉 leg〈es〉. Scriptum Nassov〈ii〉 le-
18
gisse a p〈agina〉 44

11
Gemeint ist ein vom Ges. Schrag unterzeichnetes, auf den 18. [ /28.] Oktober datiertes, am 1.
12
[ /11.] November 1645 präsentiertes und am 5. [ /15.] November diktiertes Memorial Nassau-
13
Saarbrückens bzw. die zugehörigen Beilagen mit Diktatvermerk vom 10. [ /20.] November
14
1645. Kopien in: Braunschweig-Lüneburg-Kalenberg A III fol. 336–339 (Memorial,
15
deß gräfflichen hauses Naßaw Sarbrügke〈n〉 absonderliche beschwerden und begeren
16
bey gegenwertigen generalfriedensßtractaten betreffendt), fol. 340–342, 343’ (Nachrichtli-
17
che specification, welchergestalt die Naßaw Sarbruckschen graflichen herrschaften, land,
18
leute und guter, auch darzugehörige lehenschafften, beederseits Reiches vor und nach
19
dem Prager friedenschlus verschiedenerweiße occupiret, confisciret und hin und wieder
20
frembden vertheilet worden, bezeichnet als Beilage A) und fol. 344–347’ (Naßaw Sarbrük-
21
ken contra Lothringen, ohne Bezeichnung, anscheinend Beilage C, s. unten). Das Memorial
22
und die beiden Beilagen hat Lampadius am 14. [ /24.] November 1645 an Hg. Christian
23
Ludwig zu Braunschweig-Lüneburg nach Hannover überschickt. Das Memorial trägt auf der
24
Rückseite den Vermerk: […] Mit beylagen A, B, C. B ist getruckt undt wirt nicht mit
25
uberschicket (s. fol. 339’). Diese Beilage B war paginiert: Im zugehörigen Memorial wird
26
mehrmals auf sie unter Angabe der Seitenzahl verwiesen (s. ebenda fol. 338: pagina 18 et
27
sequentes ). Sie bezog sich anscheinend ebenfalls auf die Forderungen Nassau-Saarbrückens ge-
28
genüber
Lothringen. Druck des Memorials (ohne die Verweise auf die Beilagen): Meiern I,
831ff. (Lemma: Graeflich Nassau=Saarbrueckisches Memoriale, desselben Restitution betref-
30
fend ). Ebenda 833–836 Druck der Nachrichtlichen specification als Beilage A. Ebenda
31
836f. ist als Beilage B ein Teil dessen abgedruckt, was in Braunschweig-Lüneburg-Ka-
32
lenberg
A III als Beilage [ C] Naßaw Sarbrücken contra Lothringen bezeichnet wird. Die
33
bei Meiern I, 837 abgedruckte Beilage C (ein von Schrag gezeichnetes Graeflich Nas-
34
sau=Saarbrueckisches Memorial, desselben Satisfaction gegen Lothringen betreffend, da-
35
tiert
auf den 18. [ /28.] Oktober 1645, diktiert am 3. [ /13.] November 1645), kann nicht mit
36
der in Braunschweig-Lüneburg-Kalenberg A III als Druck bezeichneten Beilage B
37
identisch sein.
. 〈Acquiescere〉 in monitis Hass〈iaci〉 [ et] Brand〈en-
19
burgici〉 quoad proiectum

38
Wie oben Anm. 11.
. Cum comite Wittgenstein

39
Wesenbeck begab sich am 26. November auff erforderungk Sayn-Wittgensteins nach Münster
40
( DLöben II fol. 14 s. d. 1645 XI 16 st.v.). Laut Milagius fuhr er dorthin, um mit Sayn-
41
Wittgenstein wegen der Reformierten zu beraten (Relation des Milagius an die Fürsten August,
42
Ludwig, Johann Kasimir und Friedrich von Anhalt von 1645 XI 19 [/29], in: G. Krause
43
V.2, 32–35, hier 32).
et Palatinis

44
Gemeint sind Streuff von Lauenstein, Meisterlin und Camerarius (s. [Nr. 11 Anm. 58] ). Es
45
wurde nicht ermittelt, ob mit ihnen über den Einschluß der Reformierten gesprochen worden
46
ist. Sie fehlten bei der nächsten Sondersitzung der Reformierten (s. Nr. 57). Meisterlin und
47
Camerarius nahmen erst an der Extraordinarsitzung teil, die am 1. Februar 1646 abgehalten
48
wurde (s. Nr. 91).
cito
20
conferendum pro consilio. Exclusio praetensa 〈…〉 Lutheranis probanda.
21
Ac 〈…〉 per m〈od〉um conferentiae rem in publico peragendam, tum fore
22
evidens, q〈ui〉s ad hanc rem sit instruct〈us〉 necne.

23
Bremen

49
Es votierte der Ges. Koch ( DGeissel fol. 72’ s. d. 1645 XI 11 [ /21] ).
. Agit gratias pro convocatione ad hunc actum. Se et collegam
24
suum

50
Liborius von Linen.
instructos [ esse], ut in puncto religionis reformati pro eius securitate
25
omnia agant. Se Suecis pro suo formulari

51
Wie oben Anm. 14.
gratias egisse. Esse sperare ipsos
26
fore constantes. Reformatos aeque laborasse pro bono publico ac Lutheranos.
27
Hoffte, sie wurden uff beßere z〈ureden〉s dies concept endern. Quosdam e
28
reformatis ad Suecos mittendos, ut sint constantes et Lutheranos in rec-
29
t〈am〉 vi〈am〉 reducant.

30
Kurbrandenburg, Pommern-Stettin und Wolgast. (Wesenbeck:)
31
Formulare omnino reiiciendum

52
Wie oben Anm. 31.
, praeliminariter die sache durch Heßen mit
32
Braunschweig und Anhalt mit Sachsen Weinmar umb modification deß con-
33
cepts. Mann könte ihn ein ander formular schiken, und zu remonstriren,
34
quam inique cum reformatis agant. Deputationem ad Oxenstiernam necesse.

35
Hessen-Kassel. (Legatus Hassiacus:) Se fuisse causam parentheseos Sue-
36
c〈icae〉

53
Scheffer hatte den Schweden vor dem 22. März 1645 Unvorgreifliche puncten, so der pro-
54
position mit einzurücken, übergeben. Diese puncte sollten der ahnwesenden herren gesand-
ten meynung nach, soviel Scheffer aus den discursen (dan sie sich formaliter noch nicht
heraußlaßen wollen) vermercken können, von den Schweden in ihrer (am 11. Juni veröf-
fentlichten
) Proposition II berücksichtigt werden (Relation Scheffers an Lgf.in von 1645 III 12
[ /22] in: Hessen-Kassel A II fol. 418–419, hier 418). Von den erwähnten Kollegen scheint
Lampadius die treibende Kraft gewesen zu sein (s. APW II C 1, 551 Z. 34–38). Die Unvor-
greifliche puncten enthalten unter Position 3 die Formulierung: die evangelische undt Augs-
purgische confessionsverwandten, darunter die genante reformirte mitbegriffen (Text:
Hessen-Kassel A II fol. 420–421, hier fol. 420; schwed. Überlieferung: s. APW II C 1
Nr. 307 Beilage 4).
. Dominus Oxenstierna dicit, ipsos ubereilt worden.

37
Conclusum: Hesßen und Anhald söllen morgen sondiren und remonstriren

Milagius zufolge war Scheffer embsig und eyferig, gleichwol auch fürsichtig, die Sache der
Reformierten zu empfehlen. Gleich ihm, Milagius, befinde er, daß eine gute moderation
hochnötig sey. Milagius selbst sprach am 29. November 1645 mit Lampadius über das Anlie-
gen
der Reformierten (Relation an die Fürsten August, Ludwig, Johann Kasimir und Friedrich
von Anhalt von 1645 XI 19 [ /29] , in: G. Krause V.2, 32–35, hier 32).
,
38
auch solte mann ein concept [ mit] 〈einer〉 andern formul insinuiren, biß

[p. 169] [scan. 187]


1
dahin, Oxenstirn zu visitiren, 〈einstellen〉, außgenommen Hesßen Casßel in
2
particulari

Oxenstierna und Scheffer sprachen am 22. November lange miteinander über die Reformier-
ten
(Relation des Lampadius an Hg. Christian Ludwig von Braunschweig-Lüneburg von 1645
XI 14 [ /24] in: Braunschweig-Lüneburg-Kalenberg A III fol. 334–334’, hier
fol. 334’).
. Darnach wehre es, so es nicht gehen wolte, uff eine amicabilem
3
conferentiam zu stellen. Ius 〈autem〉 reformandi iuri territoriali annexum
4
keineswegs zu bege〈ben〉.

5
Sachanmerkungen zu Nr. 40

Dokumente