Acta Pacis Westphalicae III A 1,1 : Die Beratungen der kurfürstlichen Kurie, 1. Teil: 1645 - 1647 / Winfried Becker
22. Sitzung des Kurfürstenrats Münster 1646 Februar 26
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Münster 1646 Februar 26
Kurmainz Rk FrA Fasz. 9 II nr. 10/11 = Druckvorlage; damit identisch Kurmainz Rs
FrA Fasz. 15 nr. 17 ( unvollständig ). Vgl. ferner Kurtrier zA ( damit identisch Kurtrier
spA p. 316–331 ); Kurköln zA I fol. 180–183’ ( damit identisch Kurköln spA I fol.
386’–395, Kurköln spA Ib fol. 404–412 und Kurköln zA Extrakt fol. 16 ); Kurbayern
K II fol. 135–145’ ( damit identisch Kurbayern spA II p. 321–351 ); Kurbayern Rp II.
Gründe für und gegen die Kriegsentschädigung Frankreichs, Schwedens, Hessen-Kassels. Bereits
erfolgte kaiserliche und reichsständische Zugeständnisse. Sicherheitsbedürfnis Frankreichs und
Schwedens. Türkengefahr. Versprechungen Frankreichs und Schwedens, auf Satisfaktion zu
verzichten. Kriegs- und Reichsrecht zur Frage der Satisfaktion. Auswirkungen auf zukünftige
Bündnisse. Notlage des Reichs. Kurtriers Sondervereinbarungen.
Differenzen mit dem Fürstenrat in Fragen der Präzedenz und der Abstimmung der Beratungen
der beiden höheren Reichskollegien.
[Im Kurfürstenratszimmer des Bischofshofs]. Vertreten: Kurmainz, Kurtrier, Kurköln, Kur-
bayern , Kurbrandenburg.
Kurmainz .
492, 21 –493, 3 Nachdem – fallen] Während Kurköln zA I, zA Extrakt, spA I, Ib die Pro-
position kürzer wiedergibt, erwähnt Kurmainz laut Kurtrier zA, spA, Kurbayern
K II, spA II, Rp II noch die Verhandlungen zwischen Schweden und Kursachsen, die Schön-
becker Traktate und den Nürnberger Tag von 1639/40, wo Landentschädigung für
Schweden bereits beschlossen worden sei. Ob aber den Schweden und Franzosen solche an-
sehentliche ertz- und stieffter, fürstenthumb undt glieder zu erhandlungh deß frie-
dens hinzugeben, deßwegen werden die vota den außschlagh machen.
Schwedischen gesanden zu Oßnabrück (maßen auch, wie sie vernehmmen,
die Frantzösische derentwegen angesucht) verglichen, zu einiger re- und
correlation nit zu schreiten, bis beyde replicen durchauß in allen puncten
berathschlaget, und es dann nunmehr ahn deme, daß nach erledigter ersten
classen, als nemblichen der amnistiae, privilegiorum et iurium statuum et
commerciorum, solchem schlueß gemeß zu der andern class, welche auf
der satisfaction der cronen, Heßen Cassel und militien bestünde, geschritten
werde, alß stünde zu der herrn gesanden belieben, anietzo sich uber den
ersten puncten derselben, und zwar uber die quaestio, an pro recuperanda
et stabilienda pace danda sit coronis satisfactio, vernehmmen zu laßen,
solchem nach zu den ubrigen puncten, alß nemblichen 2º a quo, 3º quid
und 4º quomodo danda sit satisfactio, geschritten werden könde; yedoch
wann der erste punct negative solte resolvirt werden, würden ubrige von
sich selbsten fallen.
493, 4 –497, 24 Kurtrier – einzulaßen] Kurtrier zA, spA, Kurbayern K II, spA II mit
der Vorlage identisch; das kurtrierische Votum liegt in Kurbayern K II schriftlich bei,
während Kurbayern Rp II die – stichwortartige – Original-Mitschrift enthält; Kur-
köln zA I, spA I, Ib offenbar auf eigener Mitschrift beruhend und viel kürzer.
diene, extrahirt. Die erste frag nun, an coronis danda sit satisfactio, recht
zu resolviren, wehre wohl nöthig, in iustitiam armorum zu inquiriren, ob
den cronen ursach geben worden, ihre waffen ins reich zu pringen und ob
sie dannenhero die im reich occupirte plätz iure belli ihnen appropriiren
können. Dieweil aber auß dießer disputation in dem so hochnöthigen
friedensnegotio mehr hinderung alß fürderung entstehen würde, alß wolten
sich hierbey nit aufhalten, bevorab weiln die herrn Kayßerliche pleni-
potentiarii den punctum satisfactionis und die quaestio an insoweit mit
dennen der cron Franckreich angepottenen drey reichsbischthumber und
der cron Schweden proponirter reassumption der Schönbeckischer vorge-
weßener tractaten albereit ad motum gepracht, deme sie annoch zu insisti-
ren gemeint sein werden. Wolten allein dero bey dießem puncten zu gemüt
gehende gedancken und worüber sie instruirt, eröffnen. Sie hetten bevelch,
dahin alles angelegenen vleißes zu sehen und zu laboriren, daß Kayßerliche
Mayestät, chur-, fürsten und ständ bey ihrer hochheit, würde, land und
leuthen soviel müglich gelaßen und erhalten und vorderist die gantze
compagges imperii auff die wehrte posterität transferirt, da auch hierwider
von ein- oder außländischen zu abziehung der reichsglieder waß gesucht
würde, solches mit gueter manier und bescheidenheit, auch mit einführung
vernünfftiger, in recht und pilligkeid begründer rationen, und in specie
die cronen von dennen pro satisfactione praetendirten ahnsehentlichen
reichsfürstenthumben und landen zu divertiren und sie umb ab- und ein-
stellung dergleichen anforderung auß nachvolgenden motiven mit und
beneben andern ständen anzulangen oder des reichs guetachten ahn Ihre
Kayßerliche Mayestät darauff zu richten.
1º. Chur-, fürsten und ständ wolten sich nit versehen, daß die cronen zu
ihrer indemnität vom reich so vornehmme membra begehren und den
geist- und weltlichen ständen ihre kirchen und stammgüeter und land-
schafften entziehen werden, weiln solches ihren löblichen vorigen conte-
stationen zuewider wehre, da sie sich mehrmahls außtrücklich erclärt, daß
sie mit ihren waffen zu keinem privatnutzen, sondern allein zu defension
der ständ religion und statsfreyheit ins reich kommen, daß sie nunmehr
und zu keiner zeit bedenckens haben werden, alle dieienige orth, so im
reich occupirt, demselben bey künfftigen tractaten eines allgemeinen frie-
dens wiederumb einzuraumen; wolten auch bey abhandlung des gemeinen
friedens kein andere recompens oder indemnität praetendiren und begehren,
alß daß sie die ehr davontragen, daß sie den reichsständen auffrichtig und
mit dapferem mueth beystand und hülff geleistet haben, wodurch dann alles
mißtrawen weggeraumbt und menniglich zu erkennen geben werde, daß
die cronen keiner anderen intention die occupirte orth innenhetten, alß daß
sie damit den ständen desto beßer darauß assistiren und desto mehr Sicher-
heit verschaffen können, wann etwa daß wandelbahre glück ein enderung
verursachen und dahero folglich den cronen ungelegenheit zustehen solte,
welcher löblichen erclärung gemeß verhoffentlich die cronen sich annoch
bey schließung deß friedens bezeigen werden.
2º. Seye bekand, daß die cronen mehrentheils den krieg mit der Teutschen
guet und bluet geführt und noch darzu auß dem reich ahnsehentliche spolia
gepracht und ihnen selbst satisfaction geben.
3º. Chur-, fürsten und ständ seyen durch den langwürigen krieg dermaßen
zugrund gerichtet und in solch land- und leuthverderben gesetzt, daß es
iha wider alle vernunnfft, recht und pilligkeid wehre, fürstenthumb und
lande noch darzu in recompensam herzugeben und sich deren in perpetuum
zu enteußern.
4º. Dieienige, welche de iure belli geschrieben, setzten pro regula, quod
victor, qui divitiis floret, a regula humanitatis abeat et immisericordiae
reus sit, si socium, si innocentem, si confoederatum, si consanguineum, si
ecclesiasticos bonis exuere vellet pro recuperandis belli impensis. Wie es
nun in beyden königreichen gegen dem reich ahn reichthumb und uber-
flueß ahn güeter bestellet seye, solches bedörffe keiner außführung, und
allegirtens die herrn Schwedische selbst in ihren repliquen.
5º. Dahero und weiln die cronen keiner indemnität angewender kriegscosten
vonnöthen hetten und gleichwohl auff 30 fürstenthumber zu ihrer satis-
faction begreiffen, davon könne die weit anderst nicht iudiciren, quod nulla
alia de causa attulerint statibus imperii suppetias quam studio et desiderio
proferendorum per arma finium regnorum suorum in Romanum im-
perium .
6º. Die cronen hetten bey der friedenshandlung wie noch ihnen höhers
nicht angelegen sein laßen, alß daß durch ein generalamnistia alle ständ in
rationabile ita est, quod iuris in Imperatorem et status imperii statuerint,
eodem etiam iure utantur.
7º. Durch vorenthaltung so vieler vornehmmer fürstenthümber und landen
könde kein bestendiger fried im Römischen reich widerpracht und erhalten
werden, indeme die interessirte und dero posterität, dennen daß ihrig
nullo alio iure alß per arma benohmmen wird, modis et mediis quicunque
auff die recuperation gedencken und dardurch über kurtz oder lang newe
motus und kriegsempörungen im reich erwecket werden.
8º. Die affection und daß vertrawen gegen die cronen werde durch die
gesuchte satisfaction nit wenig ietzt und bey der posterität geschwächt
werden, indeme daß reich keinen andern effectum der königlichen assistenz
in der that erfahren alß zuvorderist ein erbärmbliche reichsdevastation und
noch darzu privation und abzwackung so ahnsehentlicher fürstlicher und
andern landen, dahero dann endlich ervolgen mögte, daß, dafern chur-,
fürsten und ständ wider beßer hoffen inskünfftig vom oberhaubt oder under
sich wider recht und reichsfreyheit betrengt werden solten, ehender ihr
selbsteigener macht und defension gebrauchen oder sich dem oberhaubt
underwerffen alß bey frembden potentaten bey ihrer selbst undertruckung
dergleichen hochnachtheilige hülff und assistenz suchen mögten; dann von
außwertiger potentaten hülffleistung, die hernacher solche satisfaction be-
gehren würden, leichtlich geschehen könde, daß von den auxiliirenden
cronen und den Teutschen gesagt würde, waß die historien von den
Römern und ihren confaederirten meldeten, Romanos defendendis sociis,
totum poene devicisse orbem subiugando et socios et sociorum hostes.
9º. Die cronen geben zwar vor, sie wolten die begehrte land nit vom reich
abziehen, sondern gleich den vorigen fürsten und ständen vom reich zu
lehen recognosciren et in ea qualitate sich zu ständen des reichs machen,
wie Dennemarck
Als Herzog von Schleswig-Holstein war der König von Dänemark für das Herzogtum Holstein,
das Glied des Reiches war, Lehensmann des Kaisers und Oberst des niedersächsischen Reichs-
kreises ( Lübbing S. 56f., Handbuch 1 S. XXI, XIIIff. mit Literaturhinweisen, Terri-
torien -Ploetz S. 416–446, Loose S. 23 ).
möchte solches auch zu mehrerm splendor des reichs gereichen, wann
dieße fürstenthumb und landen dem reich apert oder sonsten, wie bey
Burgund und Dennemarck beschehen, und titulo aliquo legitimae succes-
sionis ahn die cronen devolvirt werden. Nachdeme aber solches nit seye
und die praetendirte geist- und weltliche land ihre wahre, natürliche und
rechtmeßig darzu beruffene herrn hetten, welche denselben absque summa
iniustitia nicht könden entzogen werden, also pillig dahin solte gesehen
werden, daß der fried, wann er durable sein solle, cum iustitia deßfals
tractirt und beschloßen werden solle iuxta psalmistam, iustitia et pax
osculatae sunt .
10. Hochermelte cronen, insonderheit aber die cron Schweden, berüffen
sich auf exempla und praeiudicia, daß auff die von ihnen begehrte satis-
factiones mehrmahlen in der christenheit pacificationes beschloßen worden.
Von dem Reich Hilfe leistenden potentaten ist aber im Gegenteil nur bekannt, daß
sie in recompensam nichts von den occupirten landen behalten wollten.
Kaiser Ferdinand II. hat bey aufrichtung des Dähnischen friedens
Im Frieden von Lübeck ( 22. Mai 1629 ) verzichtete Kg. Christian IV. von Dänemark auf die
norddeutschen Stifter ( Bremen, Verden, Osnabrück ), erhielt Jütland und Schleswig-Holstein
zurück, mußte aber die ksl. Oberhoheit über Holstein und die von dem Herzogtum abhängigen
Länder anerkennen ( Lorenz S. 16f., Opel III S. 685–740, bes. S. 734–738, Wedgwood
S. 219, Polisensky S. 179f., Fridericia II S. 195f., M. Roberts II S. 381–387, Hurter
II S. 615–621, Schäfer S. 556–559 ).
setzten Länder ohne entgeld restituirt, auch die völcker ohne einige recom-
pens der ursachen abgeführt, um ein festes fundament zu bestendigem
steths wehrenden gueten vernehmmen mit dem König von Dänemark zu
legen, auch mit Rücksicht auff die posterität. Zweifellos hat er dabei das von
verschiedenen scribenten de usu victoriarum Berichtete zugrundegelegt ( wie-
wohl man ietziger zeit in solchen terminis nit begrieffen, daß daß reich aller-
dings debellirt seye), moderatae nimirum victoriae speciem praecipuam
esse, victis aut regibus aut populis relinquere quod habuerunt imperium
Francisco Suárez ( 1548–1617 ) gestand dem Sieger das Recht ad iustam vindictam et satis-
factionem et restitutionem damnorum sowie Maßnahmen zur Friedenssicherung zu, schränkte
die Wiedergutmachung aber auf die necessaria ein und verlangte vom Sieger nicht nur Erfüllung des
finis belli, sondern auch des iust[um] iudici[um] ( De triplici virtute theologica tract. III, disp.
13, conc. 7, 20, Suárez S. 180f., 196f. ). Hugo Grotius ( 1583–1645 ) empfahl maßvolle Aus-
nutzung des Sieges ( De iure belli ac pacis lib. III cap. 8, 15, 20, Grotius S. 485–487, 533–538,
558–577 ) und mahnte den Sieger, gerecht zu sein ( ebd. S. 573 ). Francisco de Vitoria ( 1492–1546 )
betonte, daß der Sieger als Richter, nicht aber als Ankläger auftreten dürfe und wohl durch den
Krieg sein Recht verfolgen, aber das unterlegene Volk nicht ins Verderben stürzen dürfe ( Vitoria
S. 155f., 148ff. ). Genügsamkeit und Maß in der Ausnutzung des Sieges fordert auch Niccolò
Machiavelli ( Discorsi lib. II cap. 27, Machiavelli S. 213–215 ).
was die Reichsstände auch von den Kronen erwarten.
11. Es beruffen sich ferner die herrn Schwedische plenipotentiarii auff
abschied, crafft deren ihnen satisfaction und reichslandschafften versprochen
sein solle, davon Churtryr nichts wißend. Und könden doch dergleichen
obligationes und verträg niemand mehr binden alß dieienige, so solche
contrahirt und eingangen.
12. Die cronen begehrten posten im reich nicht allein zu ihrer indemnität,
sondern auch zu ihrer und ihrer reich assecuration. Weiln aber von der
assecuration des beschließenden friedens noch zu reden sein wird, alß
könden chur-, fürsten und ständ wohl leiden, daß dieselbe aufs allercräff-
tigste und bestendigste eingericht werden. Zudeme so seyen Ihre Kayßer-
liche Mayestät, derentwegen die assecuration vornehmblich begehrt werde,
nicht allein in dero königlichen wahlcapitulation, sondern auch in dießem
proponirten und verhoffentlich concludirenden friedensarticul sehr starck
vinculirt, daß sie wider außwertige potentaten ohne consens chur-, fürsten
und ständ keinen newen krieg anfangen können noch sollen , dardurch
dann den cronen sicherheit genugsamb praecavirt. Welches alles zwar den
cronen zu remonstriren, dabey aber die herrn Kayßerliche plenipotentiarii
zu ersuchen wehren, in erwegung wohl davorzuhalten, die cronen so
schlechterdingen auß dem reich sich nit abweißen laßen werden, daß sie auff
die vorgeschlagene conditiones mit den koniglichen plenipotentiarien in der
handlung verfahren und, dafern damit uber allen angewenden vleiß sie
sich nit satisfaciren laßen wolten, alßdann auff weitere media satisfactionum
bedacht sein und dieselbige praevia communicatione mit chur-, fürsten und
ständ dergestalt abhandlen wolten, damit wegen dießes puncten der so
hochnöthig und lenger unentperliche fried nicht ferner auffgehalten, sondern
aller müglichkeid nach befürdert werde.
Dieße motiven hetten zwar sie von wegen Ihrer Churfürstlichen Gnaden
insgemein und vor alle die, welche bey dem puncto satisfactionis inter-
essirt , bey den cronen anzupringen vor guet erachtet, könden aber dabey
nicht umbgehen, soviel Ihrer Churfürstlichen Gnaden ertz- und stifft und
in specie die vestung Philipsburg cum pertinentiis angelanget, den bericht
zu geben, daß, nachdeme beyde cronen mit ihren waffen ins reich kommen
und darin große progreß gethan, höchstgemelte Ihre Churfürstliche Gnaden
auß unvermeidlicher noth und zu rettung ihrer von Gott ahnbebevohlener
land und leuth
Vgl. Schutzbündnis des Kurfürsten von Trier mit Frankreich vom 9. April 1632, durch das
Ehrenbreitstein und Philippsburg bis zur Beendigung des Krieges den französischen Truppen
überlassen, aber die Besatzung von Ebrenbreitstein auch auf Kf. Philipp Christoph vereidigt
werden sollte ( Londorp IV S. 274f., Du Mont VI S. 35f., Baur I S. 235f., 224 Anm. 1,
Knipschaar S. 13f., H. Weber , Frankreich S. 192f., 196 ), den Mainzer Neutralitätsvertrag
mit Schweden vom 22. April 1632 ( Sverges traktater V 1 nr. 83 S. 734–738, Londorp
IV S. 275–277 ), ratifiziert von Kg. Gustav Adolf am 20. Mai 1632 ( Sverges traktater V
1 S. 739–742 ) und von Kf. Philipp Christoph am 2. Juni 1632 ( ebd. S. 742–744, Baur I
S. 237f., Knipschaar S. 15, H. Weber , Frankreich S. 194–196 ), und den Vertrag mit
Turenne vom 29. November 1645, der den französischen Truppen, die gleichzeitig auf Philipp
Christoph zu vereidigen waren, Besatzungsrecht in Trier und über die Moselbrücke zugestand
( Baur II S. 117f., Nég. secr. II 2 S. 228f., falsch datiert bei Koch II S. 50 ).
verwahrt haben, daß bey abhandlung eines allgemeinen friedens die cronen
die in beyden ertz- und stifftern einhabende posten ohne einige anforderung
der kriegscosten und sonsten Seiner Churfürstlichen Gnaden libere und
ohne allen entgelt wiederumb abtretten sollen und wollen; bey welchem
speciali pacto Ihre Churfürstliche Gnaden, es werde der punctus satisfac-
tionis coronarum erörtert, wie er wolle, sich zu halten entschloßen; wüsten
sich auch mit den cronen in keine satisfaction einzulaßen.
Kurköln . Wehre der proponirte punct sehr schwehr und umb soviel
unvermuethet, weiln beyde cronen sich yedesmahls vernehmmen laßen, daß
dießes eintzig und allein daß obiectum ihres kriegs seye, daß sie die ständ
zu ihren privilegiis, auch land und leuth wiederumb restituirt sehen mögten,
allermaßen sie dann bey underschiedlichen conventen und noch bey dießen
tractaten selbsten außtrücklich gesagt, von dem reich keine satisfaction zu
praetendiren. Sehen sie also ihrestheils nit, warumb sie solche satisfaction
begehren, bevorab weiln der krieg mehrentheils auß des Römischen reichs
mitteln und Teutschen völckern geführt worden. Und wann es allein umb
ein lohn zu thun, so scheine es andern vielen vorgangenen exempeln und
hoher potentaten in dergleichen fällen erzeigten generosität zuwider, welche
ihre vornembste glori dahin gesetzt, den betrangten die hand zu pieten.
So sehen sie auch nit, wie solche satisfaction zu des reichs securität ange-
sehen , zumahln
von Schweden begehrten landen mit gueten augen nit ansehen könden.
Solten nun auß dießen und andern ursachen selbige königreichen und herr-
schafften mit Schweden in krieg kommen, wehre nichts gewißers, alß daß
Teutschland abermahl daß theatrum des kriegs sein werde. Es wehre auch
ihr petition so enorm und exorbitant, daß man sich in einige handlung ein-
zulaßen verzweiveln solte; werden sich dergleichen auch besorgentlich nit
behandlen laßen. Derowegen sie darfürhielten, die Kayßerlichen gesanden
zu ersuchen, dieße handlung soviel alß müglich in die enge zu pringen,
und wofern die cronen von ihrem begehren nit zu divertiren, doch daß
werck uf ein erträgliches zu moderiren und demnechst, worauf sie ver-
meinen , daß es zu richten, den ständen zu ihrem guetachten hinwider zu
hinderpringen. Und wan man sehen werde, umb welches stifft, fürsten-
thumb oder landschafft es zu thun, so werde man, nachdem der inter-
essirte stand genugsamb vernohmmen, umb sowiel beßer mit guetachten
sich heraußlaßen können.
Bey den Frantzosen hette daß ansehen, daß sie weniger alß Schweden, weil
sie von keinem theil berueffen worden, begehren könden. Stelten also auch
dahin, waß die Kayßerliche angestelte oder noch anstellende negotiation
mit sich pringen werde, warnach die consilia auch zu richten.
Kurbayern . Die quaestio an betreffend, da hetten sie auß der vorstim-
menden votis vernohmmen, auß waß ursachen Tryr der bestendigen mei-
nung , daß man weder ein noch anderer cron einige recompens schuldig,
weil die cronen sich entsprechend und dahingehend geäußert haben, mit der ehr,
die ständ wider in alte libertät gesetzt zu haben, sich zu contentiren. Und
hetten die cronen die mittel selbsten auß dem reich genohmmen, daß
Teutschland erarmbt und den reichthumb in Schweden geführt. Sie mögten
zwar wünschen, daß die cronen sich mit dießer ehr contentiren ließen,
allein trügen sie sorg, es werde solches schwehrlich geschehen, sondern
große remora deß friedens sein, dann zu ermeßen, daß die cronen so under-
schiedlich in handen habende orth, auß dennen sie ihren krieg führen
theten und ihre königreich in rhue ließen, ohne vortheil nit cediren werden.
Solte nun daß Römische reich die resolution faßen, die cronen mit gewalt
darauß zu pringen, so sehen sie nit, wo die ruinirte ständ die mittel darzu
werden können nehmen, consequenter sie in die gedancken gerathen müsten,
daß einige temperamente zu suchen, wie man sich mit den cronen abfinden
könne. Die Schweden, wie sie sich vernehmmen laßen, wolten von den
Schönbeckischen tractaten, da ihnen geld angepotten worden, nit hören,
sagten auch, es wehre kein geld im reich, bestünde also ihre satisfaction
ahn land und leuth. Ihr Gnedigster Herr befinde dem reich wie auch der
gantzen christenheit nichts nöthigers alß fried, dann bekand, waß der
Türck vor große praeparatoria mache,
Italien geschehen
Die Hohe Pforte machte 1646 im Krieg gegen Venedig besonders in Dalmatien und im östlichen
Mittelmeer Fortschritte ( Leo V S. 670f., Eickhoff S. 26, 43ff., 83ff., Odhner S. 125,
Zwiedineck-Südenhorst , Zeitungen S. XXXIII ); die Türkengefahr wurde auch auf
protestantischer Seite öfters beschworen ( Ernstberger nr. 181 S. 188 ). Vgl. Meienberger
S. 116f.
vergleichen, da der Türck intentionirt, daß gantze under sich zu pringen;
und wehre zu besorgen, wann dieße innerliche unrhue continuirt werden
solte, daß der Türck endlich zum meister in der christenheit sich machen
würde, wehre dahero beßer, daß christenbluet gegen den Türcken zu
sparen. Waß der Türck thun solte, exequirten die christen zuvor under
sich, evacuirten Europam und machten dem Türcken thür und thor offen;
und wehre zu besorgen, fals man nit andere mittel faßen solte, es mögte
Gott endlich ein unglück uber die christenheit verhengen. Waß vor mittel
anzuwenden, da hielten sie, den Kayßerlichen gesanden daß gantze weßen
nachmahls per deputatos beweglichst zu remonstriren und dieselbe zu er-
suchen , weiln der winter verfloßen, die campagne herbeynahe, der Türck
anziehe, einige mittel zu ergreiffen, wie mit den cronen vortzukommen,
29–30 solches – pringen] Fehlt in den anderen Überlieferungen. Laut Kurbayern
K II, spA II weist Kurbayern noch auf die bevorstehende Ankunft Trauttmansdorffs hin;
laut Kurtrier zA, spA, daß Kurbayern sein Votum ausdrücklich als Beitrag quoad
propositionem an versteht: wahn es zu den andern kommet, will sich weiters ver-
nehmen laßen.
handlung zu pringen.
Kurbrandenburg . Ihre Churfürstliche Durchlaucht zu Brandenburg wer-
den wenigers nit gern sehen, wann die cronen durch so stattlich ange-
führte motiven sich von ihrer satisfaction bewegen laßen werden. Es wehre
aber zu besorgen, sie werden sich von solchem vornehmmen nit abwendig
machen laßen, sondern mögten dieselbe dafürhalten, es wehre die sach also
bewand, daß ihnen satisfaction zu geben und daß solche quaestio an albereit
resolvirt, weiln Trautmanßdorff Franckreich albereit Metz, Tull und Ver-
dün angepotten, den Schweden auch dabevorn geld offerirt worden, welches
sie aber nit annehmmen wollen, sonder daß ihnen wegen mangel gelds land
und leuth gegeben werden müsten, sich vernehmmen laßen. Es wehre
bekand, daß dagegen allerhand rationes angeführt worden, die cronen zu
divertiren, aber alles umbsonst geweßen, dahero zu befahren, sie werden
annoch dabey bestehen und durch dergleichen rationes nur die friedenstrac-
taten verschoben werden. Zue Regenspurg wehre geschloßen worden,
dafern die Schweden vom reich nit zu weichen gedächten, daß beßer ihnen
etwas, yedoch nit auß schuldigkeid, sondern daß reich zu retten, zu geben
Kf. Georg Wilhelm von Brandenburg hatte auf dem Nürnberger Kurfürstentag von 1640 grund-
sätzlich seine Bereitschaft gezeigt, Rügen und Stralsund pfandweise gegen eine Landentschädigung
aus geistlichen Gütern oder den ksl. Erblanden Schweden zu überlassen, während die ksl. Pläne
darauf hinausliefen, Brandenburg mit einer von den Protestanten aufzubringenden Geldsumme für
den Verzicht auf Vorpommern zu entschädigen. Auch die Reichsstände waren mit einer Teil-
zession Pommerns an Schweden einverstanden, dennoch kam es weder auf dem Nürnberger Kur-
fürstentag noch auf dem folgenden Regensburger Reichstag 1640/41 zu Beschlüssen in dieser Frage;
der seit 1640 regierende Kf. Friedrich Wilhelm von Brandenburg setzte darauf, in zweiseitigen
Verhandlungen mit Schweden Vorpommern für Kurbrandenburg zu retten ( Brockhaus S. 41–
44, 59–72, 73, 97, 135–143, 267, Bierther S. 96–101, 320f., Breucker ).
Da nun solches derzeit also guetbefunden worden und die sachen im
Römischen reich sich inmittels nit gebeßert, so werde man auch ietzo uff
solchem concluso bestehen und die quaestio an, fals sich die cronen nit
abwendig machen laßen werden, resolviren und so leicht als immer müglich
mit ihnen handlen laßen müßen.
sich nit gefast gemacht, so wolten ihre fernere considerationes vorbehalten.
Kurmainz . Recapitulirten kürtzlich der herrn vorstimmenden vota. Sie
sind angewiesen, mit und beneben andern chur-, fürsten und ständen dahin
zu trachten, wie durch allerhand dienliche mittel und weg die frembde
cronen von ihrem ubermeßigen begehren der satisfaction abgewießen und
solche fürstenthumber und landen bey dem reich erhalten werden mögten.
Weiln sie aber erwogen, daß in der sachen albereit zimblich weit verfahren
und Franckreich auf Metz, Toul und Verdun verwiesen, Schweden aber bey den
Schönbeckischen tractaten Geld angeboten worden ist und also res nit mehr
integra, so besorgten, es werden sich die cronen hiervon schwerhlich
divertiren laßen. Verglichen sich also mit den herrn Churtryr-, -cölln- und
-bayerischen gesanden, daß den Kayßerlichen herrn commissarien dießfals
die notturfft zu remonstriren und dieselbe zu ersuchen, dießen punctum
satisfactionis mit den frembden cronen zu incaminiren und denselben soviel
müglich abzuhandlen; falls die ksl. Gesandten dies veranlassen, ist dann auch von
den andern puncten zu reden. Yedoch wolten sie zuvorhero die herrn Chur-
brandenburgische nachmahls hierüber vernehmmen.
Kurbrandenburg . Sie vernehmmen, daß die maiora vorhanden, die Kay-
ßerlichen herrn commissarien zu ersuchen, den punctum satisfactionis zu
incaminiren, damit darin mittel vorgeschlagen und hiernechst den ständen
communicirt werden mögten. Sie wolten sich zwar von der vorstimmenden
meinung nit abwendig machen laßen, gleichwohl ihr votum so weit in
integrum halten, bis sie mit ihrem mitabgesanden, dem herrn graven von
Witgenstein, hierauß communicirt.
17–23 Dießem – wolten] Fehlt in Kurtrier zA, spA, Kurköln zA I, spA I,
Ib, Kurbayern K II, spA II. In Kurköln folgt statt dessen aber noch: Nach Kur-
brandenburgs Weggang verliest Kurmainz den übrigen kurfürstlichen katholischen Gesandten die
den Franzosen neben den gegengravamina zu übergebenden erinnerungspuncta; deren Mit-
teilung an die übrigen Stände wird beschlossen. Um den Präzedenzstreit zwischen den Se-
kundargesandten der Kurfürsten und den fürstlichen Primargesandten bei Übergabe ietz-
gedachter gravaminum zu vermeiden, wird stante pede zwischen den Direktoren, vor-
behaltlich der Ratifikation seitens der fürstlichen Gesandten, ausgemacht, daß den primariis
electoralibus allein der Churmaintzische cantzler beygeordnet würde, deme der
vortritt mit konne gestattet werden. Die Übergabe in Osnabrück an Schweden kann
durch das kurmainzische und österreichische Direktorium allein vorgenommen werden.
wider daß Österreichische directorium in beysein deß Österreichischen,
Salzburg- und Bambergischen gesanden, daß dasselbe die vom Maintzi-
schen directorio zur deliberation gestelte materi im fürstenrath nit, sondern
dem herkommen zuwider andere beliebige puncten zur umbfrag gestelt;
protestirte darwider, mit dem bedeuten, da inskünfftig dergleichen mehr
beschehen solte, sie solche conclusa vor nichtig und crafftlos halten wolten.