Acta Pacis Westphalicae III A 1,1 : Die Beratungen der kurfürstlichen Kurie, 1. Teil: 1645 - 1647 / Winfried Becker
Konferenz der kurfürstlichen Gesandten Münster 1645 Juni 24
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Münster 1645 Juni 24
DWartenberg III p. 1762–1788 = Druckvorlage. Vgl. ferner DKurbayern K II p. 51–63
( damit identisch DKurbayern spA I p. 801–810 ).
Sessionsordnung. Präzedenzstreit der Kurfürsten mit Venedig beim Einzug Longuevilles und
Peñarandas. Verschiedene media. Auswirkungen auf die venezianische Vermittlerrolle. Formen
der Admission der Reichsstände: Kreisvertretung, Reichstag, Reichsdeputation. Kurfürstliche
Konferenz über den Beratungsmodus. Kurkölnische Vollmacht.
Im kurkölnischen Quartier. Vertreten: Kurköln (Wartenberg, Buschmann), Kurbayern, Kur-
brandenburg (Heiden, Portmann).
Nachdem Volmar Buschmann einen Vermittlungsvorschlag im Präzedenzstreit
zwischen Venedig und den Kurfürsten gemacht hat, lädt Wartenberg Kurbayern
und Kurbrandenburg zur Konferenz auf den Nachmittag 4 Uhr.
Alß man nun umb selbige zeit zusammenkommen,
men gleich im churfurstlichen collegio gebrauchlich, also daß Ihre Hoch-
furstliche Gnaden mit dem von Haßlang und drosten Heyden oberhaubts
auff sammeten sesseln, die secundarii ad latus und die gelehrte ahn einer
gegen den principalen gesandten uber gestelt taffel gesessen, und von
wegen Churcollen die proposition dahin gethan:
Man entsinnt sich des Präzedenzstreits mit Venedig. Und ob man wol biß dato
sich beflissen, alle occasion und gelegenheit, welche offension gebähren
möchte, zu entfliehen, so wolle es doch nun fast ahn dem zu sein scheinen,
daß bey ehest erwarttender hereinkunfft des herzogen von Longeville man
benöttigt sein werde, sich ahn demjenigen zu halten, wessen die hern
churfürsten von undencklichen jahren hero ye und allezeit sich wol befugt
und berechtiget befinden, solches aber ohne offension sein Veneti, alß der
sich einer vermainten possession beruhmen darff und darauß nit sezen
laßen will, nit wol werde geschehen können. Um Vermittlungsvorschläge hat
sich Wartenberg vielfaltig bemühet; daß der Venezianer in die Kutsche des Nun-
tius einsteigt, haben beide Vermittler abgelehnt; daß der Venezianer gemeinsam
mit dem Nuntius allen anderen vorausfährt, haben die coronen difficultirt. Da
der Venezianer eher davonziehen als sich in dem Brauch gestört sehen will, wie bis-
her den Kronen immediate nachzufolgen, solches aber bey menniglich ein
groses aufsehen geben würde, alß seye Ihrer Hochfürstlichen Gnaden von
den Kayserlichen herrn abgesandten ahn die hand geben und den andern
anwesenden churfürstlichen vorzutragen begert worden, daß, weilen man
ohnedas sich veranlaset, eine conferenz mit denen zu Oßnabruck sich be-
findenden Kayserlich-, chur- und anderer zur deputation gehoriger fürst-
licher und stende gesandten in loco tertio anzustellen, solche beysammen-
kunfft eben auf den tag, wan der duca di Longevill hereinzukommen ver-
meint , vorgenommen werden möcht, wardurch der besorgend disgusto
vermitten und doch den herrn churfürsten ahn ihrer praeeminentz nichts
praeiudicirt würde. Und damit es soviel wenigern schein des weichens
habe, seyen sie Kayserliche erpiethig, sich alßdan selbsten mit zu der an-
stellenden conferenz, wan es nöttig oder begert werden sollte, hienaußzue-
begeben und benebenst zu vermittelen, daß wan der Spanischer gesandter
conte Pigneranda seinen einzug vornehmen wird, sich der Venediger
gleichfalß under anderen ihme beliebenden praetext absentire, solches aber
nit, alß wan es ex pacto dergestalt miteinander verglichen, weiln es der
Venediger nit eingehen, auch noch weniger den churfurstlichen zu rathen,
sondern daß die Kayserliche sich angehen ließen, alß wan sie den sachen
auff diese weiß ultro nachgedacht.
Und weilen nun diß werck von wichtiger consideration, woruber pillich
alle herrn churfürstliche zu hören, so hetten Ihre Hochfürstliche Gnaden
die herrn Churbayer- und -brandenburgische zu dem end anhero bemuhen
wollen, diesen vorschlag ihnen zu proponiren; daß sich nun dieselbe so
gutwillig eingefunden, dafur sagten ihnen gebuhrenden danck.
Thetten ihnen benebenst zu wissen, daß ihro von den Churmainzischen
einige puncta eingeschickt, welche zu Lengerich auff deme vergleichenden
tag zur deliberation zu pringen; ob nun solches eben alßdan zu geschehen,
wan, wie vorgeschlagen, des Longeville einzug sein würde, darüber wolten
sie der herrn Churbayer- und -brandenburgischen mainung vernehmen und
mit denselben sich gern vergleichen.
Nach genommenem abtritt und vorgangener underredung:
Churbayerische bedanckten sich wegen ubernommener muhe und ange-
stelten communication, mit vermelden, daß bey empfahung des duca di
Longeville gutt were, auf ein billichmesiges und solch mittel zue gedencken,
damit einestheylß der Venetianische nit disgustirt, anderntheylß aber auch
den hern churfursten ahn ihrem herpringen kein praeiuditz zugezogen
werde.
Das von den Kayserlichen vorgeschlagene mittel befinden sie aber sehr
schwer zu practiziren, zumalen ein seltzam außdeuttung und ansehen ge-
winnen würde, wan bey solcher endgegenschickung drey der hern chur-
fursten gesandtschafften sich absentiren
7 solten] Ausführlicher in DKurbayern K II, spA I: Der Venezianer wird dies gerade
als Präjudiz betrachten, denn es allegire ohnedaß der Venetus zu einer vermeinter
possession, daß er in absentia und ehe einig churfürstliche gesande alhier gewesen,
auch in der churfürstlichen gesanden einzug selbsten, immediate den königlichen
gevolgt, da doch die absentes nicht khönnen vernachthailt werden, noch auch in
der churfürstlichen einzug einig praeiudicium vorgehn mögen.
ungewiß sein wurde, ob der Venetianische sich werde disponiren laßen
wollen, kunfftig seinestheylß auch abzupleiben, underdeßen aber den hern
churfursten hochlich praeiudicirt were. Auß ihrer instruction, wie auch
noch newlich underm 7. dieses eingelangten befelch erinnerten sie sich,
Churbayerns mainung zu sein, daß neben andern churfurstlichen abge-
sandten sie den Kayserlichen alle auß dießem werck besorgende ungelegen-
heit wol zue repraesentiren und den iüngsthin alberait ins mittel kommenen
vorschlag, daß der Venetus uno cum nuncio, tanquam mediatores, allen
andern vorfahren möchten, nachmaln bestens zu urgiren, wamit dan den
hern churfursten nicht praeiudicirt, auch der Venetianische, weiln ihm
mehrere ehr solchergestalt geschehe, sich nit würde zu beschweren haben.
Und obwolen die herrn Kayserliche sich vernehmen ließen, daß sie darüber
nicht instruirt, so solte man doch denselben remonstriren, was darauß,
wan der Venetus also disgustirt von hier sich begebe, endstehen werde.
Zwarn seye diß medium vom Venetianischen selbst recusirt und vermeldet,
daß er sich in seiner ordnung post coronas zu halten von der republica
befelcht, hielten aber doch, daß mans bey den Kayserlichen und konig-
lichen nachmaln zu stringiren, alßdan, wan es bey denen richtig, der Vene-
tus sich schon werde weisen laßen.
Mit der Konferenz in Lengerich sind sie wol zufrieden, und wolten sich gern
auf negst montag, wans den ubrigen also gefellig, conformiren.
Churbrandenburgische wiederholten die proposition und das Churbayeri-
sche votum umbstendlich, finden bei dem ksl. Vorschlag rationes pro et
contra.
Rationes pro, warumb man churfürstlichentheylß darzu mochte verstehen
konnen, seyen 1º, daß man in sorgen begriffen, es dörffte der Venetus eine
offensionem darauß schöpffen, zum wegraisen ursach nehmen, und daruber
die tractatus genzlich sich zerschlagen, 2º, daß der Venetianische bey an-
kunfft des Pigneranda künfftig auch weiche und man also da pari gienge,
3º, wan die herrn Kayserliche mit den churfürstlichen sich absentirten,
daß es desto weniger schein des weichens habe.
Rationes contra, daß dieser vorschlag nit einzugehen, were 1º, daß der
Venetus außtrücklich sich erklehrt, nit zu weichen, also diß gleichsamb
confirmatio seiner angemasten possession und den herrn churfürsten sehr
praeiudicirlich sein werde. 2º wurde es bey den Franzosen keine geringe
offensam causiren, daß aniezt bey einholung des Longeville die Kayserliche
neben allen churfürstlichen ausplieben, hernegst bey ankunfft des Pigne-
randa aber alle schickten, da doch die churfurstlichen ieder absonderlichen
von den Franzosen und von den Spaniern gar nit empfangen worden; und
vermainten also, mehrere ursach zu sein, daß der Venetus sich aniezt bey
ankunfft des Longeville und hernegst die churfurstliche sich absentirten
und deßwegen die Kayserliche darunter zu ersuchen weren, ihme solches
zuzumutthen.
3. Wan man das erste mal wegpleib, werde es der Venetus fur gewonnen
spiel annehmen und hernegst sich villeicht nit absentiren wollen, da alß-
dan den herrn churfursten duplex praeiudicium zuwachsen werde.
Schliesen also, daß diß medium nit zue practiziren, es were dan, daß der
Venetus zum wegpleiben sich von den Kayserlichen erstens disponiren
liese.
Daß der Venetus aber auch dergestalt hienweggedencken, der grosen ehr,
welche die respublica ratione mediationis apud omnes Europae principes
hat, sich begeben und zugleich toti mundo, daß den herrn churfursten
gewichen, offenbar machen wollen, kondten sie nit glauben. So habe man
auch pro 2. gutte nachricht, daß die Franzosen nach sein Veneti wegziehen
soviel nit fragen und mit dem herrn nuncio allein wol die handlung werden
fortstellen wollen.
Und mochte man auf beyde vorige media anschlagen, wan deren keins
annehmblich, müssen sie um neue Instruktion einkommen .
schen deputirten sich underredet. und dergestalt votiren laßen, sie ver-
nehmen , daß die herrn churfürstliche abgesandte diesem von den Kayser-
lichen beschehenen vorschlag gar wol nachgedacht; und gleich die pro
negativa angezogene rationes relevant und wichtig, also thetten sich damit
dahin conformiren, daß die herrn Kayserliche zu ersuchen, dem Veneto
die erstmalig absentirung zuzumutthen; da er aber deßen bedenckens tra-
gen solt, würde den churfürstlichen soviel weniger zu verüblen sein, daß
sie solches ohne befelch zue thun verwaigern. Damit nun solche anzeig
mit mehrerm nachtruck geschehe, so vermainten Ihre Hochfurstliche Gna-
den , nit undienlich zu sein, daß von yeder churfurstlichen gesandschafft
einer der conferenz mit den Kayserlichen beywohnen möchte.
Referirte demnegst des hern Volmari verrichtung zu Oßnabruck, daß
nemblich er (wie Ihre Hochfurstliche Gnaden von ihme vernommen) in
discursu mit den Kayserlichen und churfurstlichen alldort uber den reichs-
deputationtag und das von den non deputatis praetendirendes ius suffragii
dahin sich sonderbar bearbeitet, damit die consultationes nicht gehindert,
auch andere, sich zu beschweren, keine ursach haben mögen, da dan diese
drey mittel in vorschlag kommen,
1. daß yeder in seinem collegio und ordnung wie bey den reichstägen in
sessione et voto zuzulaßen,
2º daß die vota per circulos zusammenzutragen,
3º die reichsdeputation in esse verpleiben möge, doch mit dem beding,
daß mit den anwesenden craißabgeordneten der, so auß demselben zur de-
putation gehorig, allemal communiciren und undereinander eines voti sich
vergleichen solte.
Dieses leztere mittel seye den Kayser- und churfürstlichen zum besten
eingangen, weylen dabey die wenigste confusion zu befahren;
sich etliche bedingungen vorbehalten, die sie schrifftlich zu verfassen und
anherozuschicken sich erpotten, deren man erwartt und alßdan den chur-
fürstlichen communicirt werden solt.
Wegen der vorhabenden conferenz zu Lengerich, werde sich selbige mon-
tags , weiln innerhalb wenig tagen der duca de Longevill anhero gedenckt,
nit wol anstellen laßen, sondern beßer biß negst sambstag zu verschieben,
welches Ihre Hochfürstliche Gnaden, wans also gefellig, die herrn Chur-
mainzische wissen laßen wolten.
147, 28 –148, 22 Hat – vorgangen] Statt dessen in DKurbayern K II, spA I: Wartenberg
hat seine nur auf ihn ausgestellte Vollmacht vorgewissen, aber dabei vermeldet, er
werde sich einer anderen, alle kurkölnischen Gesandten umfassenden plenipotenz bedienen,
weil die Churmeinzische und Churbrandenburgische die sachen difficultirn.
Kurmainz und von Volmar nach dessen Rückkehr erfahren; habe es damit diese
beschaffenheit, daß die plenipotenz anfangs in forma consueta, alß auff
Ihre Hochfürstliche Gnaden, herrn graffen von Konigßeck, hern dhomb-
probsten von der Reck, herrn probsten von Landsperg, hern Münsteri-
schen canzlern von Merfeld und hern doctorn Buschmann canzlern zu
Paderborn gefertigt gewest, maßen Ihre Hochfürstliche Gnaden selbe den
Churbrandenburgischen in originali vorgezeigt, nachgehendts aber auf
guttachten und begehren des herrn nuncii und herrn Kayserlichen seye
darin ein und anderß geändert und sonderlich die haubtlegation auff einen,
weilen propter pluralitatem legatorum von den coronis exteris difficulteten
gemacht, restringirt und eine auff Ihre Hochfürstliche Gnaden allein, die
andere auff den graffen von Konigßeck auch mit gefertiget worden, auff
daß nach befinden ein oder die ander vorgezeigt und den außwertigen coro-
nen satisfaction geben werden konnen, im wenigsten aber nit, daß man da-
durch im reich einige newerung zu machen oder Ihre Hochfürstliche Gna-
den der commission allein sich zu underziehen gedächt. Sonsten seyen die
obbemelte Churcolnische adiuncti von den Kayserlichen, Churmainz- und
-bayerischen pro talibus erkendt und zue den consiliis bis dato uberall,
auch bei den Kaiserischen, zugelaßen, die angezogene plenipotenz auch
nur den Churmainzischen in copia zu dem end zuschickt, sich darnach,
wan von den exteris dergleichen ihnen movirt, zu richten. Wans sonst zur
collegialzusammenkunfft geriethe, alß etwa negstkunfftig zu Lengerich,
werd man sich allem brauch nach allerseiz beym directorio legitimiren
müßen, wohin dan dieser punctus gehorig. Und wolten nit zweiffeln,
gleichwie Ihre Hochfürstliche Gnaden anderer churfürstlicher abgesanden
volmacht noch nit gesehen und sie gleichwol dafur erkendt, also man auch
nit ursach haben werd, es mit den Churcolnischen anderst zu halten; wo-
rüber hiesige Churbrandenburgische sich mit dem endschuldigt, daß ihnen
unwissend, was dishalber zu Oßnabruck vorgangen.
schafft gleich alspald dem herrn Volmari anzudeutten.