Acta Pacis Westphalicae III A 1,1 : Die Beratungen der kurfürstlichen Kurie, 1. Teil: 1645 - 1647 / Winfried Becker
Konferenz der kurfürstlichen Gesandten Münster 1645 April 30
10
Münster 1645 April 30
DKurbayern K I p. 274–287 = Druckvorlage; damit identisch DKurbayern spA I
p. 404–416. Vgl. ferner Kurmainz Rs FrA Fasz. 7 [ 4 ] nr. 22 ( Relation Brömser an Kf.
von Mainz, Münster 1645 V 1 ); DWartenberg II p. 1063–1073.
Komplikationen beim Einzug der kurmainzischen und kurbrandenburgischen Gesandten in Osna-
brück . Unterschiedliche Behandlung von Kurmainz und Kurbrandenburg durch Schweden in Fragen
des Zeremoniells. Vorrangstreit zwischen Kurmainz und Kurbrandenburg. Zusammensetzung der
kurbrandenburgischen Gesandtschaft. Präzedenzregeln an den Kongreßorten. Exzellenztitel für
die kurfürstlichen Gesandten in Osnabrück. Information für Wartenberg.
Im kurbayerischen Quartier. Vertreten: Kurmainz ( Brömser ), Kurköln ( Landsberg ), Kurbayern
( Haslang, J. Adolf Krebs ).
Da Wartenberg nach Wiedenbrück
angereiste kurmainzische Gesandte Brömser von Rüdesheim bei den kurbayerischen
Gesandten um eine Unterredung nach,
bergs geladen wird.
Ist durch herrn Prembßern nach abgelegeten curialien proponirt worden,
waßmasßen bei unlengst genohmmenem einzug der Churbrandenbur-
gischen gesanden
Die kurbrandenburgische Gesandtschaft war am 24. April 1645 in Osnabrück eingezogen, sie
bestand aus Johann VIII. Gf. von Sayn-Wittgenstein (1601–1657), 1652 Direktor des Wetter-
auer Grafenvereins, dem auch der ksl. Gesandte Gf. Nassau angehörte (über Wittgenstein vgl.
Grossmann , Schliephake-Menzel VI S. 540f., ADB 43 S. 619 , Stramberg 3, 1
S. 300–303), Johann Friedrich Frhr. von Löben und Dr. Petrus Fritze ( Becker S. 164f.);
für Münster waren neben Wittgenstein Friedrich von Heiden und Dr. Johann Portmann abge-
ordnet , hinzu kam Dr. Johann Fromholt. – Der Einzug in Osnabrück ist von Grossmann II
S. 98f. etwas tendenziös zugunsten der Brandenburger (aufgrund der kurbrandenburgischen Akten)
geschildert.
khens getragen, in der einbeglaidung nach deß Schwedischen legati Salvii
gutschen die ihrige gehn zu lasßen; unnd hetten sy vermeindt, dem Oxen-
stirn alß principalgesanden gebühre allein der vorzug. Inmassen sy dann
von
worden, wehren sy dahero ein zimblich stuckh weegs den Churbranden-
burgischen entgegengefahren unnd von denselbigen begehrt, ob sy in
ihre der Churmeinzischen gutschen einsizen unnd sy also sambtlich denn
einbeglaidenten gutschen vorfahren unnd daß besorgende praeiudicium
mit dem Salvio evitiren khönnden: Die Churbrandenburgische aber hetten
difficultirt, ihre gutschen zu
Churmeinzische zue ihnen in ir gutschen einsizen wolten. Darzue sye sich
erclert, und alßo die Churmeintzische ihre gutschen uber zwerchveld zu
einen anderen thor hineingehn lassen. Alß sy die Churbrandenburgische
nun neher ahn die statt khommen, wehren die Kheyserliche unnd Schwe-
dische gutschen entgegenganngen und die Churbrandenburgische in der
empfahung und congratulation in der gutschen sizen bliben. Dergleichen
modus hetten sy die Churmeinzische in ihrem einzug ebenmesßig observirt,
seye also dise einbeglaidtung im ubrigen wohl abganngen. Deß annderen
tags hetten die Kheyserliche den Churbrandenburgischen gesanden die
visiten geben; deß zweyten tags hernach die Schwedische gesanden eben-
mesßig von denn Churbrandenburgischen ein stundt begertt zur visiten;
dargegen die Churbrandenburgischen gegen die Schwedische glimpflich
erinnert (
meinzische zu ihnen geschickht, wie wahr geweßen, unnd selbigen andeut-
ten lassen, daß sye von den Schwedischen noch nicht visitirt. Unnd weillen
sy gleichwol vor denn Churbrandenburgischen zu Oßnabrügg ohngelanngt,
auch Ihr Gnedigster Churfürst unnd Herr primus elector unnd decanus
collegii electoralis, zuemahlen deputatus zu disen fridenstractaten seye,
alß wolten sy verhoffen, die Churbrandenburgische würden nicht zuegeben,
daß sy in der vorvisiten dergestalt praeterirt würden. Die Kurbranden-
burgischen hätten sich dann gegen den Schwedischen legatis zum dritten-
mahl also entschuldiget und gebetten, offtermelte Schwedische wolten den
Churmeinzischen vor ihnen die schuldige visiten geben. Eß hette aber
endtlich unnd zum vierttenmahl der Oxenstirn zu denn Churbrandenbur-
gischen geschickht unnd selbigen anzeigen lassen, daß er aniezo daß
letstemahl schickhe unnd fahlß sy disßmalß die visiten nit annehmen werden,
wolte er ihnnen inßkhonnfftig gar kheine thuenn. Die Churmeinzische
hetten sy in dreyen stuckhen offendirt, erstlich daß sie in ihrem einzug,
alß sy durch die entgegengeschickhte
der gutschen seindt sizen bliben: zum andern daß sye dazumahl ein gutschen
mit frauenzimer
Der kurmainzische Kanzlist Wendel Cron zählte in seinem Reisetagebuch die fhrawenzimmer
auf, die sampt anderer pagage am 20. April 1645 nach Osnabrück vorahngeschickht
wurden, allß nehmblich in suo ordine die Gattinnen Brömsers und Krebs’ allß omni excep-
tione maiores, eine Köchin und Küchenmagd Brömsers, eine Köchin und Dienstmagd Krebs’,
Brömsers Kammermagd nebst seiner tauben Elßen, und bemerkte dazu: dießes letztere
6 stück gesündtle solte man wohl soweit uff ein schawmarck jah wohl einen reichstag
führen wie die eßell uff ein roßmarck ( MEA CorrA 7b [ 3 ] fol. 195 ). Vgl. auch Sturm-
berger , Tagebuch S. 286, 280.
lassen: unnd dann drittens, daß die Churmeinzische in der Churbrandenbur-
gischen gutschen bei selbiger gesanden einzug seyen in Oßnabrügg gefah-
ren . Bei solcher beschaffenheit unnd gethannen commination hetten die
Churbrandenburgischen von den Schwedischen gesanden die visiten ahnge-
nohmen : Nach disem allem hetten offtbesagte Churbrandenburgische
zu den Churmeinzischen geschickht, ob sye sich auch wolten belieben
lassen, ihnen die visiten zu thuen, damit sy ihre revisiten geben
graf zu Wittgenstein alhie zu Münster auch seinen einzug nehmen khönde:
Inn erwegung nun die Churmeinzische
Schwedischen, wegen acceptirter vorvisiten aber von denn Churbran-
denburgischen sich affrontirt und offendirt befunden, alß hetten sy, wie
sy mit den Churcöllnischen unnd Churbeyrischen abgesandten alle negotia
unnd vorfahlenheiten vertreulich zu communiciren insonderheit instruirt,
hierinnen unnsers gueten raths pflegen wollen, wie disem werckh zu
remediren sein mochte; darneben unnß angezeigt, daß die Churbranden-
burgische zween principalgesanden bei sich hetten, den graven von Witt-
genstein und freyherrn von Lewen. Jener werde zue Münster, dießer aber
der von Lewen zu Oßnabrückh verpleiben.
Uf die proposition haben wür mit dem probst Lanndesperg einen khurzen
abtritt genohmmen unnd unnß nachvolgender resolution verglichen, so
in nahmen der Churcöllnischen unnd unnserer von mir doctor Khrebsen
nach den gegencomplimenten proponirt worden. Eß wehre unnß zuvorder-
ist leidt, diß unbilliche begegnus; und hörten sehr ungern, daß einige der-
gleichen difficulteten sich eben aniezo erzeigeten, da mann täglich beeder
cronnen propositiones erwarttet. Wür wehren der meinung, eß khöndte
in allem also glimpflich gehandelt werden, alß es immer möglich, damit
daß bonum publicum hierinen in kheinerley weeg leide oder die fridens-
handlung dardurch retractirt würde. Vermeinten dahero ohne masßgebung,
falß die Churbrandenburgische gesande uber dißen ganzen actum ein
schrifftlichen schein von sich geben, eben uf maß unnd weiß, wie sye ihre
enntschuldigung biß dato mündtlich gethan, und daß es nicht im bösen
oder zum praeiudicio beschehen, wie wür dann nicht sehen, daß Chur-
brandenburg alß ultimus elector Churmeinz, dem ersten churfürssten,
in einicherlay weeg in seiner praerogativa und praeeminentz zue praeiu-
diciren gedenkhen khan, daß weilln eß ohnedaß ein geschehene sach, mann
eß darbey neben albereiths gethonner starkher andtung bewenden lassen
8 khönnde] Laut Kurmainz Rs wird der kurbrandenburgische Revers noch deshalb für not-
wendig gehalten, weiln gleichwohll in praeteritione Euwer Churfurstlichen Gnaden
gesandten deroselben undt aller dero hochloblichsten hern mitchurfursten hocheit
undt praeeminentz notorie laedirt, solche aber vor allen dingen sovill muglich zu
conserviren undt zu beobachten, sambtlicher churfurstlichen gesandtschafften Schul-
digkeit erforderen thete.
schein difficultiren, stelten wür dahin, ob sie die Churbrandenburgische
unnd Churmeinzische ihre visiten und gegenvisiten gahr suspendiren
wollen, biß sie eß beederseiths ihren Kurfürsten berichtet hetten, iedoch daß
sie hinzwischen den consultationibus beiwohnen und dardurch in kheinerley
weeg die publica verhindert werden. Die Schwedische gesannden belangent,
befinden wür unnßerstheils disen modum nicht undienlich, daß falsß die
Schwedische zu den Churmainzischen schickhenn, umb sy zu visitiren, sye
sich dahinn ercleren khünden, daß ihnen dise visiten sehr lieb und ahnge-
nehmb , allein vermeinen sy, auß obigen dreyen erheblichen motiven,
17–22 sye – sein] Laut Kurmainz Rs soll Kurmainz eine entsprechende declaration von
Schweden verlangen und sich seinerseits begangener vehler glimpflich entschuldigen, die-
weiln man es in den schwedischen Gesandten mit uberauß hochmüthigen undt häcklich-
sten leuthen zue tuhen und auf die schwedische Proposition hofft.
hetten sollen vor den Churbrandenburgischen visitirt werden; weillen eß
yedoch ein geschehene sach und sye nicht verhoffen, daß die cronn Schwe-
den Churmeinz hierinen einig praeiudicium gedenckhe zuzeziehen, sonnder
daß villmehr die praeterition auß mißverstandt und ungleichen rela-
tionibus herrihere, also liessen sy es ahn sein orth gestelt sein. Warbey
insonderheit dahin zu sehn wehre, damit alle weitere offensiones vermitten
bleiben und die negotia publica in allem vilmehr befürdert alß verhindert
werden. Mit der gegenvisiten khönden sye hernacher ganz stillschweigendt
und dissimulirendt ebensolanng einhalten, alß aniezo die Schwedische
thuen; oder wolten sy zu vermeidung alleß disgoust ein tag acht darmit
allem zuruckhhalten, stüende es zue ihrem belieben. Solten dann, gegen
verhoffen, die Schwedische gar kheine visiten thuen, wehren sy auch dahin-
gegen zu kheiner verobligirt und hetten gleichwoll albereith von ihnen die
ehr der einbegleidtung empfangen. Sie khöndten auch einen weeg alß den
anderen in allen negotiis progrediren, weilln ohnedaß die propositiones
unnd handlungen den Kheyserlichen eingehendiget, hernacher durch sy
den churfürstlichen communicirt undt proponirt, endtlich gesambter handt
deliberirt werden. Die drey von den Schwedischen geandete puncten
betreffent, sehen wür nicht, wie die Schwedische legati erstlich mit der frau-
enzimmer gutschen offendirt, weilln selbige durch ein andre pforten zue
Osßnabrügg eingefahren: Daß bei ihrer empfahung die Churmeinzische
nicht auß der gutschen gestigen, hetten eß die Churbrandenburgische eben-
sowenig gethan.
ankhommene gesandte in actu der empfahung abgestigen: Im dritten
puncten mechten villeicht die Schwedische am meissten offendirt sein,
weillen mit dem Salvio gleichsamb dardurch tacite competirt würdt,
welcher doch dem Oxenstirn gleich alß auch ein principalgesandter trac-
tirt sein will, auch biß dahero von den Kheyserlichen unnd allen anderen
alßo gehalten unnd tractirt worden; inmassen dann alhier die Kheyser-
liche und khönigliche legati eben solches suechen und practiciren, auch in
dergleichen actibus daß Kheyserlichen gesanden Volmari gutschen imme-
diate deß graven von Nasßau und daruf allererst die khönigliche gutschen
volgen. Yedoch wehre dises ein geschehene sach, so nicht mehr zu ver-
enderen .
Hierauf hat sich der Churmeinzische abgesandte höchlich bedanckht;
hielte darfür, die vorgeschlagene modi werden am bessten zue practiciren
sein, wolle alles hinderbringen undt sye also glimpflich procedirn, alß es
ia immer möglich, damit kheine weitere offensiones ervolgen, vill weniger
die fridenshandlung retardirt werde. Die sachen wehren ihnen also von den
Kheyserlichen gesandten zu Osßnabrügg angeben; sy wolten sonnsten in
allem gehrn gethan haben, waß von ihnen desiderirn mögen.
24–28 Es – erwartten] Eigenhändige Einfügung von J. Adolf Krebs; statt dessen in DWar-
tenberg : Falls die Schweden Kurmainz den Exzellenztitel verwaigern solten, hielten
dafur, daß ihnen ebensowenig […] bey den correlationibus oder conferentiis den
titulum „Exzellenz“ zu attribuiren, in sonderbarem bedencken, daß etwa die Schwe-
dische die gekorne chur- und fursten den gebornen nachzusezen vermainen, welchen-
falß das alte herkommen und die churfürstliche praeeminentz zue beobachten were.
die Schwedische den Churbrandenburgischen, nemblich dem graven von
Wittgenstein undt dem von Lewen die „Excellentz“ geben; ob sie dem
herrn graff Cratzen, welcher es auch praetendiret, ohnerachtet selbiger
geistlich, eben dergleichen praedicat geben werden, stehet zue erwartten.
Enndtlich hat brobst Landtsperg begertt, ob dem Churmeinzischen gevöl-
lig , ihme ein schreiben an herrn bischoffen zu Osßnabrügg zu hinderlassen,
waß er alhier ahngebracht, damit er selbiges Ihrer Fürstlichen Gnaden nach
Wittenbrügg uberschickhe und selbige sich villeicht selbsten widerumb
schrifftlich gegen die Churmeinzischen abgesanden ercleren khönden; hat
er also von unnß seinen abschidt widerumb genohmmen.