Acta Pacis Westphalicae III A 6 : Die Beratungen der Städtekurie Osnabrück: 1645 - 1649 / Günter Buchstab
110. 92. Sitzung des Städterats Münster 1647 Juni 17/27 8 Uhr
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Münster 1647 Juni 17/27 8 Uhr
Strassburg AA 1144 fol. 379’–386 = Druckvorlage; Ulm A 1560 o. F.
Unterhalt des Reichskammergerichts: Judencapitation und zwei Zieler, Übervorteilung der fürstlichen
und städtischen Kurie durch den Kurfürstenrat? Neutralität Speyers; Erhaltung des Reichslehens
Boxtel; Repressalien gegen die Stadt Köln aufgrund der Brabantischen Bulle.
Anwesend: Köln, Aachen, Straßburg, Lübeck, Frankfurt, Kolmar auf der Rheinischen, Augsburg,
Nürnberg und Memmingen auf der Schwäbischen Bank.
Köln als Directorium proponiert: Es wißen sich die herren abgesandten
sonders zweiffel guther maßen annoch zu erinnern, was in puncto des
Kayserlichen cammergerichts zu Speyer auff deßelben zu verschiedenen
mahlen an gesambte chur-, fürsten und stände wegen seines underhalts abge
laßene schreiben und anmahnungen in allen 3 reichscollegiis, so wohl zu
Oßnabruckh alß alhier geschloßen, wie auch, was von denenselben, des in
Brabant gelegenen reichslehens Boxtell halber, damahlen für guth angesehen
worden seye. Wann nun das Churmaintzische reichsdirectorium über diese
beede puncten etliche intercessionschreiben so wohl an die Römische Kayser-
liche Majestät alß hochermeltes löbliches cammergericht zu Speyer, so dann
auch die Spanische regierung in Brabant abgefaßt, alß seye die ansag dar-
umb geschehen, damit die herren abgesandten dieselbige abhören und ihre
beyzusetzen sein möchte, ohnbeschwert eröffnen. Worauff er selbige ver-
lesen und ferner angezeigt: Man habe sich an seitten löblicher statt Cölln
vormahls occasione des reichslehens Boxtell über die Spanische regierung in
Brabant in deme beschwärt, daß ohnlängsten ein bürger von Antorff mit
wahren von 200 reichsthalern naher Cölln ankommen, hernach aber auff an-
halten etlicher Cöllnischer kauffleuth zu Frankhfurt neben seinen güthern in
arrest genommen worden seye. Worauff gedachter bürger von Antorff bey
dem magistrat zu Cöln mit einer supplication pro relaxatione arresti einkom-
men , selbige auch under dem praetext, ob were er ein Brabantischer under-
than , consequenter vigori bullae Brabantinae arrestum zu relaxiren, erhalten.
So baldt er aber zu Brüßel angelangt, habe er eine actionem injuriarum
contra magistratum Coloniensem intendirt. Und obzwar nun der Brabanti-
schen regierung nicht ohnbekandt, daß ermelte statt Cöln mit dem privi-
legio de non evocando versehen seye, habe jedoch selbige obbesagtem bürger
auff underlaßene parition der statt Cöln ein urtheil in contumaciam contra
civitatem ertheilet und crafft derselben, so wohl judicem alß partem in 40 000
gulden condemniret.
Weiln aber löblicher statt Cöln staat und interesse zweiffelsfrey bekandt und
zu besorgen stehe, es dörfften künfftig die in die Brabantische Niederlande
negotiirende Cölnische kauff- und handelsleuthe mit ihren wahren angehalten
und arrestiret werden, alß seye nicht allein ex parte der statt Cöln, diesen
abusum bullae Brabantinae dem schreiben expresse einzuverleiben, für guth
angesehen, sondern auch in neulichkeit in hiesigem chur-, fürsten- und stätt
rath dahin geschloßen worden. Allermaßen er auch nochmahln, deßen favo-
rabiliter zu gedencken, hiemit gebetten haben wolte.
Aachen. Er erinnere sich so viel 1., daß verschiedene schreiben an Ihre
Kayserliche Majestät wegen des cammergerichtlichen underhalts abgangen
und vielerley mittel, denselben zur handt zu bringen, gesucht, aber keines biß
dato gefunden worden seye, müste also nothwendig ein extraordinarium
als die Judencapitation, auff selbige auch in hiesigem stättrath das conclu-
sum hiebevor außgefallen. Weiln aber solches in praejudicium Ihrer Kayser-
lichen Majestät, alß under derer jurisdiction die meisten Juden sitzen, gerei-
chen dörffte, werde es sich auch nicht wohl practiciren laßen. Habe sonsten
an den auffgesetzten schreiben nichts zu desideriren.
Das andere betreffend: Gleich wie er darauß, daß 3 ziehler, welche auff
nächst bevorstehende Franckhforter herbstmeß erlegt werden sollen, specifi-
cirt worden seyen, vernemme, also erinnere er sich, daß der vortrag dies
orths dahin gegangen were, gantz nicht, trage also auch bedenckhen, in das
jenige, was in propositionem noch nicht kommen, jetzo zu willigen, und laße
im übrigen daßelbe schreiben ihme ebener maßen wohl gefallen.
Was 3. die baronie Boxtell anlange, erinnere er sich noch wohl, daß auch in
neulichkeit das conclusum dahin gefallen, an die Brabantische regierung
deßwegen zu schreiben und derselben, daß selbige notorie ein reichslehen
und also billich dabey zu laßen seye, bestermaßen zu remonstriren. Vermeine
aber, es seye in dem schreiben mit anführung des 1556. jahres ein error mit
undergeloffen
Vgl. ksl. Schreiben an Gf. Albert von Horn und Beaucignis, den Inhaber des Reichslehens, vom
28. Juni 1646 ( Hübner IV 1284f) sowie an der Gouverneur der spanischen Niederlande vom 20.
Juni 1646 und die Generalstaaten, die alle Anfang Mai 1647 den Reichsständen bekannt gegeben
wurden ( Meiern V S. 290 –294). Der von Aachen monierte Schreibfehler (nicht zu ermitteln)
müßte wohl in „1356“ korrigiert werden; in diesem Jahr überließ Karl IV. die Baronie dem
Theodor von Merheim (zu diesem Datum Meiern V S. 290 ).
Was endlichen 4. löbliche statt Cöln betreffe, seye nicht ohn, daß sie sich
auch jüngsthin zum höchsten beclaget, was maßen sie intuitu bullae Braban-
tinae , welche sowohl wider des heyligen Römischen reichs als der statt Cöln
privilegia selbsten directe streiten thue, zum öffteren beschwäret würden;
gestalten auch dieses gantz ohnbillich sein wolte, daß der judex, welcher ad
instantiam der arrestirten partey sich zu relaxation des arrests bewegen
laßen, hernacher allererst von eben derselben partey actione injuriarum nicht
allein convenirt, sondern auch fürters in poenam contumaciae zu erlegung
40 000 gulden condemnirt werden solle. Erachte derowegen nicht ohndien-
lich zu sein, dem sowohl im fürstlichen als stättischen collegio jüngsthin
gemachten concluso zu volg, dem Boxtellischen schreiben dieses löblicher
statt Cöln petitum einverleiben zu laßen.
Augsburg. Soviel 1. das schreiben wegen des cammergerichtlichen under-
halts betreffe, were zwar guth gewesen, wann man auch die darzu gehörige
beylagen vorhin zur hand bringen und sich darinnen hette ersehen können.
Laße es aber dahin gestelt sein und hielte dafür, es hetten sich diejenige
stände, welche vorgeschlagene Judencapitation an die hand zu nemen
haben möchten, darum deßto weniger zu beschwären, weiln ihnen solches
an ihren, dem cammergericht inskünfftig hinderstellig verbleibenden quoten
abgerechnet und dieses medium zu keiner praejudicirlichen consequenz hier
nächst angezogen werden solte. Wegen Österreich, darunder die meisten
Juden seyen, dörffte es einige difficulteten besorglich abgeben, stelle aber
dabey zum nachdenckhen, ob die von demselben beytragende portio nicht
etwa an den reichscontributionen widerum abgehen möchte. Was 2. die 3
ziehler anlange, falle ihme der zeit nicht bey, ob deretwegen dieses orths
etwas vorkommen oder geschloßen worden sein möge; hielte aber davor,
weiln die stätt an ihren quotis am wenigsten, die höhere ständ aber das
meiste schuldig seyen, es were jener billich zu verschonen, diese aber etwas
stärckher anzugreiffen, ein solches auch bey bevorstehender re- et correlation
zu erinneren. Trage im übrigen die beysorg, es werden theils seiner herren
committenten, wofern ihnen obligende beschwerden nicht benommen wer-
den , mit ihrer gebühr schwärlich einhalten, ihnen aber auch, in ansehung
ihrer ohnvermögenheit, die schuldt einiger verzögerung verhoffentlich nicht
beygemeßen werden können.
3. Boxtell betreffend, habe er zwar auch, daß das 1556. jahr gesetzet worden,
vernommen, seye aber, weiln das folgende mit vorgehenden jahren nicht
übereinstimme, ein fehler mit undergeloffen. Sonsten laße er ihme beede
concept wohl gefallen.
Soviel 4. löblicher statt Cöln beschwärde antreffe, habe nicht allein das hey-
lige Römische reich, sondern auch erbares löbliches stättcollegium solches
höchlich zu anden, daßwegen zwar auch verschiedene clagen hin und wider
eingewendet, bißhero aber schlechte oder gar keine remedirung empfunden
worden. Hielte demnach für rathsam, auch angeregtes Cölnische gravamen
dem schreiben einzuverleiben. Repetire im übrigen diß sein votum auch
nomine übriger in vertrettung habender stätt.
Straßburg. Soviel 1. den modum procedendi anlange, were zu wünschen,
daß das Churmaintzische reichsdirectorium abgelesene schreiben vorhero ad
dictaturam hette kommen laßen, damit man sich darinnen, der notturfft
nach, ersehen und dißorths deßto gefaßter erscheinen können. Wann es nun
entweder bey bevorstehender re- et correlation oder anderer gelegenheit
füglich erinnert werden köndte, were es der mühe wohl werth.
Rem ipsam 2. betreffend, hette er verstanden, daß zwey mittel, dem hochlöb
lichen cammergericht satisfaction zu geben, in vorschlag kommen seyen,
deren eines extraordinarium, das andere ordinarium. Was das 1. anlange,
wiße er sich zwar wohl zu entsinnen, daß selbiges hiebevor auch in vor-
schlag gebracht, dabeneben aber, daß eine zimbliche inaequalitet darunder
steckhe und vielen ein großes praejudicium dadurch zuwachsen dörffte, ieder-
zeit davor gehalten worden seye. Nachdem er aber jetzt vernommen, daß
denen ständen, so Juden under sich haben, dasjenige, was sie zu conser-
vation des hochlöblichen cammergerichts anietzo herschießen müßen, an
ihren entweder bereits verfallenen oder künfftigen quoten hiernächst nicht
allein decourtirt, sondern auch dieser modus collectandi zu einiger conse-
quenz oder praejudiz ins künfftig nicht gezogen
dahin gestelt sein, und seye freylich das justitienwesen bestmöglichst zu
erhalten, billich und nothwendig, wann aber die ordinaria media zulänglich
sein solten, dieselben eher als die extraordinaria zu ergreiffen und darbey zu
verbleiben.
Was nun 2. das ordinarium medium betreffe, daß 3 ziehler dem cammer-
gericht auff nechst bevorstehende Franckforter herbstmeß zu erlegen ver-
williget worden sein solten, erinnere er sich zwar, daß das churfürstliche
conclusum dahin gegangen, zu Oßnabrückh aber in beeden fürsten- und stätt
räthen nur auff zwey termin geschloßen worden seye, davon man dieß orths
deßto weniger abweichen köndte, weiln, das verwilligte zur hand zu bringen,
bey gar vielen schwär genug hergehen, wo nicht gar eine ohnmöglichkeit
sein werde und er an seinem orth darauff gantz nicht instruirt und bevelcht
seye. Sonsten habe er bey dem schreiben selbsten wahrgenommen, daß von
denen hiebevor in dieser sach stättischen theils gethanen erinnerungen keine
beobachtet und in die schreiben gebracht worden seye; wolte also nochmah-
len dafür halten, daß, wann man ie über vermögen sich angreiffen sollte,
gleichwohl auch 1. die stätte vor anderen nicht, wie bißher geschehen, zu
beschwären, sondern under den ständen eine durchgehende gleichheit zu
halten. 2. Die zu behinderung der commercien eine zeit hero zu waßer und
land hin und wider, sonderlich aber auff offenem Rhein verübte arresta und
repressalien abgestellet, und darunder sonderlich die Millendonckischen und
Wachterischen (derer in specie zu gedenckhen er von seinen herren und obe-
ren erst diser tagen special bevelch erhalten) abzustellen und hinfüro zu
underlaßen. Und 3. denen erbaren frey- und reichsstätten eben sowohl als
denen höheren ständen in ihren billichen, der cammergerichtsordnung und
anderen reichssatzungen gemäßen desideriis behörige proceß zu ertheilen
und schleunige ohnpartheyische justitia zu administriren were. Weiln son-
sten über alle maßen beschwärlich were, wann die stätt wegen des cammer-
gerichtlichen underhalts so starckh in sich setzen laßen müßten und noch
darzu nicht einmahl zur justiti gelangen köndten, weiln auch 4. hiebevor
gebetten worden, löbliche statt Speyer dahin, daß sie zu so vielfeltig gesuch-
ter neutralitet derenmahl eines und ehe sie gar zu grund gehen und die
herren camerales zugleich mitgezogen und dissipiret werden dörfften, gelan-
gen möchte, eingedenckh zu sein, alß wolle er selbiger in dem schreiben an
Ihre Kayserliche Majestät expresse zu gedenckhen, nochmahln bestes vleißes
und um soviel mehr gebetten haben, weiln ihme von gedachter statt deß
wegen erst vor wenig tagen neuer bevelch zukommen seye, maßen auch ver-
lesen .
Was schließlichen das wegen des reichslehens Boxtell verlesene schreiben
anlange, habe er nichts dabey zu erinnern, alß daß in dem stättischen collegio
zu Oßnabruckh vormahls dahin, daß der abusuum bullae Brabantinae darin-
nen gedacht werden solte, geschloßen worden seye, welches mit deßto beße
rem fueg und nachtruckh geschehen könne, weiln vermög des anno 1641
gemachten reichsabschiedes alle dergleichen thätlichkeiten, repressalien und
arresta abgeschafft werden sollen, biß dato aber nichts davon geschehen.
Köndte also sowohl im schreiben als bey bevorstehender re- et correlation
derselben wie auch des Cölnischen gravaminis expresse mitgedacht werden.
Repetirte diß sein votum auch competenti loco et ordine wegen übriger in
verdrettung habender stätt.
Nürnberg. Man erinnere sich ihrerseits ebenmäßig, was ehe deßen, sowohl
ratione der an Ihre Kayserliche Majestät wegen des cammergerichtlichen
underhalts vormals geschloßener intercessionalien als auch des reichslehens
Boxtell halber in deliberation gebracht worden seye. Was nun das 1. betreffe,
wüßte er sich nicht allein, was deßwegen vor diesem zu Oßnabruckh in deli-
beration kommen, wohl zu entsinnen, sondern habe auch, daß die vorge-
schlagene Judencapitation ein zulängliches mittel seye, denen herren came-
ralibus satisfaction zu geben, darumb nicht befinden können, weiln sie Ihre
Kayserliche Majestät als ertzhertzogen in Österreich, in deren landen die mei-
sten Juden seyen, am meisten treffen, die Juden aber, welche am Kayser-
lichen hov trefflich favorisirt, solche intention quocunque modo zu under-
schlagen sich bemühen und gevölgig auff diese weise dem cammergericht
wenig damit gedient und geholffen sein werde. Zudem könne gedachte
Juden capitation denen ständen des reichs, under welchen sie geseßen,
ratione juris collectandi zu praejudiz und nachtheil leichtlich außschlagen.
Nachdem aber die höhere dahin incliniren, daß dieses mittel nicht außer acht
zu laßen seye, in mehrerer betrachtung, denen jenigen ständen, so Juden
under sich haben, die beytragende quota an ihren bey dem cammergericht
inskünfftig vorfallenden ziehlern defalcirt und solche capitatio zu keiner con-
sequenz gezogen werden solle, könne man insoweit auch darein condescen-
diren und sich mit denenselben dahin vergleichen, daß neben dem ordinario
medio auch dieses extraordinarium versuchet und damit dieses des heyligen
Römischen reichs höchstes kleinodt soviel möglich conservirt und erhalten
werden möge. Soviel aber die bewilligung der 3 zieler betreffe, wiße er sich
nichts, wohl aber deßen zu erinnern, daß zu Oßnabruckh auff zwey geschlo
ßen und damit dahin gesehen worden seye, daß ein solches bey jetzigen
schweren zeiten nicht allein genugsam sein, sondern auch von denen stätten,
zumahlen sie vorhin das meiste beygetragen haben, ein mehrers nicht be-
gehrt und denenselben zugemuthet werden köndte. Laße ihme sonsten
beede verlesene concept wohl gefallen.
Das wegen des reichslehens Boxtell abgefaßte schreiben betreffend könne
selbiges in auffgesetzten terminis wohl abgehen, weiln aber, daß man sich
darinnen nicht allein der vigore bullae Brabantinae eingerißener inconvenien-
tien in genere, sondern auch in specie des crafft derselben wider löbliche
statt Cöln verübten process halber beklagen und umb remedir- und abstel-
lung bewegliche erinnerungen zugleich einwenden solle, für guth angesehen
worden seye, könne er es auch seines theils wohl geschehen laßen. Repetirte
diß sein votum auch suo loco et ordine nomine der stätt Regenspurg,
Rothenburg, Schweinfurth, Weißenburg am Nordgau und Winßheim, we-
gen der von löblicher statt Speyer inständig suchenden neutralitet aber das
Straßburgische votum.
Lübeck. Demnach er über dasjenige, was in dem Straßburgischen voto von
allen 3 puncten vernünfftig erinnert worden, weitter nichts zu berühren hette
und eadem vel iisdem vel mutatis tantum verbis zu widerhohlen nicht gemei-
net seye, als wolle er sich auff daßelbige nicht allein verbotenus beruffen,
sondern es auch nomine Goßlar und Nordhausen suo loco et ordine hiemit
widerhohlet und allein dieses noch erinnert haben, daß in den abgehenden
schreiben der Millendonckhischen sache, deretwegen man zwar bey dem
Churmaintzischen directorio verschiedene memorialia eingegeben, aber biß
dato nichts fruchtbarliches damit außrichten können, etwas specialius ge-
dacht und dahin gesehen werden solte, damit dieselbe vor die 3 reichscollegia
gebracht, reifflich erwogen, ein formliches, conclusum darüber gefaßt und
dem cammergericht hiernächst zugeschickhet werden möchte.
Memmingen sagt: Weiln von einem und anderen, was dißmahl in delibera-
tion kommen, der notturfft nach geredet worden seye, habe er sich auch
seines theils nicht davon zu separiren, sondern vielmehr mit denen hierunder
vernünfftig abgelegten votis zu conformiren. Wolte gleichwohl singulariter
dieses andeutten, daß die statt Memmingen wegen bekandter ohnvermögen
heit weder zu zwey noch dreyen ziehlern werde verstehen können. Ob auch
gleich das hochlöbliche cammergericht der außständt halber bey Ihrer
Kayserlichen Majestät sich beclagt und deretwegen an seine herren und
oberen anmahnung beschehen seye, köndte man iedoch bey jetzigen schwä
ren kriegsläufften mit der bezahlung nicht auff kommen.
Frankfurt . Er habe auch die zwey sowohl an Ihre Kayserliche Majestät als
das cammergericht zu Speyer wegen ihres underhalts abgefaßte schreiben
verlesen hören. Gleichwie nun selbige meistentheils die restanten betreffen,
seine herren und oberen aber, weiln sie ihre quotas bißhero entrichtet, nicht
darunder begriffen seyen, bleibe sein votum deßwegen in suspenso und
begehre niemanden dadurch zu praejudiciren. Könne sich sonsten mit vor-
geschlagenem medio ordinario wohl conformiren. Was aber die Juden capi-
tation betreffe, wolle er die zu Oßnabruck deßwegen hiebevor angeführte
rationes negativas hiehero widerholet haben und, gleich wie es in aequitate
nicht radicirt, daß ein standt, der nichts schuldig seye, etwas für andere
bezahlen solle, also werde man auch demselben und in specie der statt Franck-
fort dißfalls nichts zumuthen können. So werde auch dem cammergericht
mit gedachter Juden capitation darum nicht gedient sein, weiln 1. selbige
nicht viel außtragen könne, 2. nur darzu anlaß geben werde, daß die restan-
ten under dem vorwandt, daß die Juden vor sie bezahlet, mit abrichtung
ihrer quoten zuruckhbleiben und hiernächst nichts beytragen werden. Was
nun seine herren und oberen, welche nichts zu erlegen restiren, betreffe,
wolle er sich, auff den fall man auch denenjenigen, die keine restanten seindt,
etwas zumuthen wolte, protestando verwahret und denenselben alle fernere
notturfft hiemit reservirt und vorbehalten haben. Bate daneben abgelesene
schreiben ad dictaturam zu geben.
Bey denen wegen des reichslehens Boxtell abgehenden schreiben habe er
anderst nichts zu erinnern, alß daß man die occasione bullae Brabantinae
eingerißene abusus und in specie die Millendonckische sach dabey beobach-
ten und dahin trachten solle, daß, nachdem man stättischen theils bey dem
Churmaintzischen directorio mit verschiedenen memorialien deßwegen
einkommen, es einmahl ad consultationem der dreyen reichscollegien ge-
bracht , ein conclusum darüber gefaßt und also diese sach deren mahl eines
zum effect vermittelt werden möge. Repetirte diß sein votum auch nomine
der stätt Worms, Fridtberg, Wetzlar, Gelnhausen und Herforth.
Kolmar. Legte erstlich im namen seiner herren und oberen bey dieser, nach
seiner widerherokunfft erstmahls besuchten session gewöhnliche curialia ab,
sagte zugleich dem löblichen stättcollegio für die zeit seiner abwesenheit
gegen seinen herren principalen rühmlich erwiesene sorgfalt gebührenden
hohen danckh. Anlangendt aber die ad consultationem gebrachte schreiben
halte er, weiln das meiste schon erinnert worden, seines theils, ein mehrers
beyzusetzen, außer dem, daß, weiln löbliche statt Colmar zwey ziehler jüngst
hin abgestattet, sie sich zu einem weitteren nicht werde verstehen können,
für einen überfluß. Was die baronie Boxtell betreffe, were daßelbe billich
widerum zu vindiciren und occasione deßelben petiti auch der abusuum
bullae Brabantinae, wie nicht weniger derer deßwegen von dem herrn
Straßburg- und Franckhfortischen angeführten monitorum und endtlichen
auch der Speyerischen neutralitet in dem concluso und bey bevorstehender
re- et
auch suo ordine et loco, nomine Hagenau, Schlettstatt, Münster in St. Gre-
gorienthal , Oberehenheim, Roßheim, Türckheim und Kaysersberg.
Directorium. Wegen Cöln habe man kein bedenckhen, demjenigen, was in
vernünfftig abgelegten votis in einem und anderem erinnert worden, aller-
dings beyzustimmen, dabenebens aber auch anzudeuten, daß in hiesigem
stättcollegio wegen der dreyen zieler weder deliberirt, viel weniger etwas
geschloßen worden, sondern die majora dahin gegangen seyen, man köndte
das löbliche cammergericht vor dißmahl nicht allein keines gewißen verlaß
versicheren, seye auch, gewiße termin oder zieler zu bewilligen, nicht instru-
irt . Zweiffle gleichwohl aber dabey nicht, daß seine herren und oberen, was
ihnen moderno rerum statu dißfalls möglich zu effectuiren, nicht underlaßen
werden.
Halte im übrigen für eine hohe notturfft, die in dem Straßburgischen voto
beygebrachte erinnerungen dem concluso nicht allein specifice einzuverlei-
ben , sondern auch bey ankommender re- et correlation noch weiters zu
deduciren. Hiebey wolle er noch dieses wenige erinnern, daß hiebevor in
vorschlag kommen, weiln die media ordinaria zwar am sichersten weren, bey
diesen betrübten zeiten aber nicht eingehen und man also nothwendig auff
ein extraordinarium medium bedacht sein müße, ob nicht die sportulae am
cammergericht einzuführen sein möchten? Weiln dadurch die herren came-
rales trefflich stimulirt, die muthwillige appellanten abgeschreckht und denen
besorgenden inconvenientien tali modo vermuthlich abgeholffen würde.
Man habe aber dabeneben für nöthig angesehen, daß dem cammergericht
darunter vorderst zuzuschreiben were, ob und wie sich solches mittel füglich
practiciren laßen möchte.
Was wegen des reichslehens Boxtell angeführet worden, conformire er sich
deßwegen mit vorgehenden vernünfftigen votis.
Schließlichen bedancke er sich, daß man, seiner herren und oberen ange-
legenheiten zu beobachten, sich erbietig gemacht und stelte dabeneben
zum nachdencken, ob es, wann man gleich der Millendonckhischen sache
in dem schreiben specifice gedenckhe, auch etwas fruchten und nicht beßer
sein werde, daß die interessenten dieselbige a part urgiren theten?
Ist demnach das Conclusum dahin gestelt worden: Alß in des heyligen Römi
schen reichs erbarer frey- und reichsstätt löblichen collegio alhier zu Münster
drey conceptschreiben, so an die Römische Kayserliche Majestät, das Kay-
serliche cammergericht zu Speyer, die regierung in Brabant und stände der
Vereinigten Niederländischen Provincien, respective hochermeltes gerichts
underhaltung und das reichslehen Boxtell betreffend, außzufertigen, abge-
lesen worden, hatt man zuvorderst der vorigen dißfalls gemachten schlüß
und zwar erwehnter underhaltung halben, was nun etlich mahl in puncto der
Judencapitation loco extraordinarii medii vor guth angesehen worden, sich
genugsam erinnert, auch wann die höhere ständ darzu einstimmen, es bey
dem auffsatz (in hoffnung, daß die interessirte dergestalt befridiget sein kön
nen ) durchgehendt gelaßen, außer daß an seitten des heyligen reichs statt
Franckhfort alle fernere notturfft darwider vorbehalten.
Der dreyer zieler abstattung aber ist ex parte des heyligen reichs erbarer
frey- und reichsstätt biß dahero nicht eingewilliget, sondern deroselben zu
Oßnabruckh wegen kundtbarer ohnvermögenheit und anderer billichen
ursachen widersprochen und auff zwey zieler berathschlaget worden, wel-
che , daß ihre herren principalen und committenten nach eines jeden bester
möglichkeit in bevorstehender herbstmeß ohnfehlbar erlegen werden, die
anwesende räth, bottschafften und gesandten annoch davor halten wollen,
jedoch dergestalt, daß 1. eine gleichheit under den hohen und niederen
ständen observirt, 2. einem wie dem anderen processus erkandt, 3. die noto-
rie ruinirte und verdorbene in mitleidenliche obacht genommen, und 4. die
auff dem freyen Rheinstrom angelegte, zu der interessirten eußerstem scha-
den und verderben gereichende arresta vor allem cassirt und abgeschaffet
werden, dabey auch ferners erinnert, insgesambt zu cooperiren, damit des
heyligen reichs statt Speyer in einen neutralstandt gesetzet, zumahlen son-
sten die herren cameralen selbsten einiger beständiger sicherheit sich schwär
lich würden zu getrösten haben.
Wegen des reichslehens Boxtell bleibts bey dem von einem löblichen Chur-
maintzischen reichsdirectorio verfaßten auffsatz, allein wirdt selbiges gebüh
rend ersucht, was von ohnleidenlichem mißbrauch der bullae Brabantinae
gegen des heyligen reichs und deßen angehöriger stände freyheit in jüng
sterem schluß begriffen, dem concept miteinzuverleiben und daß an die
Brabantische regierung um billiche abschaffung all solcher abusuum ernst-
lich geschrieben werde.