Acta Pacis Westphalicae III A 6 : Die Beratungen der Städtekurie Osnabrück: 1645 - 1649 / Günter Buchstab
63. 46. Sitzung des Städterats Osnabrück 1646 Juni 9 9 Uhr
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Osnabrück 1646 Juni 9 9 Uhr
Nürnberg S I L 203 Nr. 19 fol. 118–120’ = Druckvorlage; Strassburg AA 1144 fol.
179’–182; Ulm A 1560 o. F.; Esslingen „tomi actorum“ Bd. IV fol. 215’–218.
Bericht über Deputationen zu den altenburgischen und schwedischen Gesandten; Auslieferung der
Endlichen Erklärung der evangelischen Stände.
Anwesend (vermutlich): Straßburg, Lübeck, Frankfurt auf der Rheinischen, Regensburg, Nürnberg,
Eßlingen, Memmingen und Lindau auf der Schwäbischen Bank.
Directorium. Referirt, nachdem es sich am verwichenen sambstag mit mun-
dirung der damahlen gefaßten monitorum ziemlich lang und biß zu 6 uhren
hin verweilet, habe er selbige durch einen cancellisten denen herrn Alten-
burgischen neben dem erbieten hinterbringen laßen, zum fall sie bey einem
und dem andern noch mehrere erleuterung von nöhten hetten, daß er sich,
neben dem herrn Nürnbergischen, bey ihnen auf begehren einfinden wollte
Vgl. dazu Meiern III S. 160. Endliche Erklärung ebd. S. 160–170.
Worauf sie sich der communication bedankt mit vermelden, die zeit zur
conferenz auff folgenden sontag wißen zu laßen, welches auch geschehen,
also daß sie
allein (weil der herr Nürnbergische eben dazumahl bey herrn Oxenstirns
Excellenzen audienz gehabt) bey ihnen eingefunden, hetten sie vermeldet,
daß sie zwar die monita der erbaren stätt gelesen und allerhand gute erinne-
rungen darinnen gefunden, wollten aber noch ferner mit ihme darauß reden.
Inmaßen auch von puncten zu puncten geschehen und bey iedem die ratio,
warumb eins und das andere also gesezt, eröffnet, von ihnen aber angedeutet
worden, daß von dem begehren der vorsezung halben nach dem 21. articul
bey denen fürstlichen noch ferneres geredt werden solle. Wobey ers damals
bewenden laßen und seinen abschied wiederumb genommen.
Gestern nach 8 uhren habe er, der herr Lübekhische, ihme sagen laßen, man
were den abend zuvor bey dem Magdeburgischen beysammen gewest, und
werde die extraditio der ferneren erklärung nunmehr geschehen, stellte dero-
wegen zum nachdenken, ob man nicht vorhero zusammen tretten und sich,
was dabey zu thun sein möchte, mit einander unterreden wollte? Dieweiln
aber eodem momento auch die herrn Altenburgische seiner begehrt und die
stund von den herrn Schwedischen umb 9 uhr bestimbt gewest, als hette er
sich gegen den herrn Lübekischen dahin vernehmen laßen, weiln ihme von
gestriger handlung und consultation nichts bewust, als wollte er selbige von
den herrn Altenburgischen erst vernehmen und alßdann weiter mit ihme
daraus communiciren. Nachdeme er nun dorthin kommen, hetten sie ihme
angezeigt, daß den meisten monitis der erbaren stätt außer etlich wenigen, so
specificirt, deferirt worden seye. So viel aber die vorsezung der ritterschafft
betreffe, hette man bey den fürstlichen nicht finden können, daß die ordnung
geändert werden sollte, weiln man diß orts in declaratione und erläuterung
des religionfriedens, deme sie bey dem aufsaz nachgegangen, stünde und
sich kein exempel findete, daß die stätte der reichsritterschafft,
beeden ex professo gehandelt, weren praeferirt und vorgezogen worden, das
contrarium aber sich sowol im religionfrieden als der cammergerichtsord-
nung , bey deren aufrichtung die stätt unzweifenlich die ihrigen auch gehabt,
erzeigete. Es sollte aber bey der extradition sowohl eines als andern orts
außdrüklich erinnert werden, daß die stätte sich dieser collocation be
schwärt und nicht darein verwilliget haben, noch die fürstliche gesinnet
seyen, denen erbaren stätten in ihrer praerogatio neque ratione petitorii
neque possessorii zu praejudiciren. Stünde auch denenselben frey, hiernächst
ein ander exemplar nach belieben außfertigen zu laßen und daßelbe zu über
geben . Können sie die praelation erhalten, mögens ihnen die fürstliche wol
gönnen. Er habe darauf geantwortet, er höre es sehr ungern, daß denen
stätten in diesem ihren begehren nicht willfahret worden, möchte wünschen,
daß die zeit nicht so kurz angerennet were, sondern man mit einem geänder
ten exemplar zugleich einkommen könnte, weiln es aber damit zu spät, als
müsten die stätte ihnen ihre fernere nohtdurfft darwieder vorbehalten. Nächst
diesem hetten sie erzehlet, was die herrn Chursächsische und Brandenbur-
gische für erinnerungen bey dem concept gethan, die auch meistentheils
denenselben beygerukt worden. Indeßen seye herr Lampadius angefahren
kommen, welcher in discursu, occasione der subjectorum, so auf die hohe
und andere stiffter einzunehmen, darunter dann sonderlich der alten ge-
schlechter , doctorn und anderer qualificirten personen gedacht worden,
gesagt, es befinden sich in zahl der Rheinischen ritterschafft und sonderlich
auf dem erzstifft Mainz auch grafen und freyherrn. Ob er aber damit tacite
zu verstehen geben wollen, daß auch umb dieser ursach willen die ritter-
schafft das prae vor denen stätten haben solle, stehe an seinem orth.
Als man nun darauf zu den herrn Schwedischen hingefahren, seyen, nechst
den
sorgfalt und befürderung des gemeinen evangelischen wesens und ange-
hengter fernerer recommendation, 4 haubtpuncten in die proposition ge-
bracht worden
Vgl. J. Oxenstierna und Salvius an Kgin. Christina vom 8./18. Juni 1646 APW [ II C 2 nr. 130 S. 329–334 ] .
dahin zu laboriren, daß die Spanische krieg mit der Teutschen friedens-
handlung nicht vermenget, noch einige hindernus daraus genommen werde;
2. daß sie sich in dem aufsaz begehrter vollmacht in puncto ratificationis
ersehen und mit denen herrn Franzosen darauß communiciren; 3. mit denen
herrn Kayser- und catholischen in puncto gravaminum noch fernere hand-
lung und den evangelischen ständen iedesmahl, wie weit es darinnen ge-
bracht worden, communication gedeyen laßen wollten; so dann 4. seye auch
der differenz, in welcher die stätt mit denen fürstlichen wegen der reichs-
ritterschafft angemaßter praecedenz stehen, dergestalt gedacht, daß die stätte
mit gedachter ordnung und collocation nicht zufrieden seyen noch ihnen
dadurch praejudiciren laßen wollen. Inmaßen auch die fürstliche daßelbe zu
thun nicht, sondern allein bey der im religionfrieden gebrauchten ordnung
zu verbleiben, gemeint seyen.
Auf die drey ersten puncten hetten sich die herren Schwedische nach genom-
menem abtritt willfährig resolvirt, bey dem leztern aber sich vernehmen
laßen, es were ihnen lieb gewesen, wann diese differenz unter denen ständen
selbsten were assopirt und beygelegt worden. Demnach sie aber an sie gelan-
get , hetten sie gestern das der ritterschafft halben überraichte memorial dem
Nürnbergischen herrn abgesanden zu dem end communicirt, damit man sich
auf einen gegenbericht gefaßt machen könne, den sie auch erwarten wollten.
Hetten zwar vernommen, daß die reichsritterschafft dem fürstlichen collegio
etwan adjungirt gewesen, vor langen jahren aber wiederumb davon abkom-
men seye und krafft des Braunschweigischen herrn abgesanden selbsteigener
bekenntnus in 200 jahren keine session und stimm mehr im fürstenraht
gehabt habe, da hingegen die stätte der dignitet eines stands würklich
genüßen und deßwegen der ritterschafft zu praeferiren seyen.
Nachmittag umb 4 uhr seye die extraditio bey den herrn Kayserlichen gesche-
hen , welche nicht viel wesens dabey gemacht, sondern gesagt, sie wollten
sich darinnen ersehen, mit denen herrn catholischen darauß communiciren
und alsdann sich ferner vernehmen laßen.
Nach welchem der differenz zwischen denen stätten und der ritterschafft
zwar auch, wie bey denen herren Schwedischen gedacht, von herrn grafen
von Trautmansdorff aber ein schlechter vorbescheid dahin gegeben worden,
es seye erst billich, daß man in dergleichen aufsäzen bey dem herkommen
verbleibe, die stätte möchten gleichwohl das petitorium und possessorium
mit der ritterschafft verfechten. Das seye, was sich seit der lezten zusammen-
kunfft verloffen, deßen abgang der herr Nürnbergische ersezen werde.
Nürnberg. Dankt für abgelegte außführliche relation, sagt, wiße nichts
weiters zu addiren, als daß die herrn Schwedische, da man sie gebetten, mit
denen herrn Kayserlichen noch ferner in puncto gravaminum zu handeln,
zur antwort gegeben: Man habe nicht ursach, der perpetuitet halben sich viel
aufzuhalten, weiln die
34–38 catholischen – verbinden] Änderung in Druckvorlage, ursprünglicher Text in Strass-
burg , Ulm , Esslingen wan sie schon nicht genöttiget, dannoch nach ihrem belieben
thun werden. Weiln sie den Pabst zum haubt haben und mit einer neuen liga umb-
gehen , dahero nöthig sein werde, sich allhier a zu verbünden.
a Strassburg ebenmäßig.
versprechen, dannoch nach ihrem belieben wiederumb thun werden, ange-
sehen sie den Pabst zum haubt haben, der sie absolviren könnte, auch ohne
daß mit einer neuen liga umbgehen. Dahero nöhtig sein werde, sich alhie
ebenmeßig evangelischen theils zu verbinden, wann man anderst gehalten
wolle, was bey diesen trctaten geschloßen und verabschiedet worden.
Herr Director sagt hierauf, es werde nunmehr davon zu reden sein, was
hierbey noch ferner zu thun sein wolle? So viel die herren Schwedische
betreffe, bestehe der gegenbericht auf beantwortung des communicirten
memorials und deren in die relation mit eingeloffenen fundamenten. Davon
aber alsdann werde zu reden sein, wann man sich in dem memorial werde
ersehen und denen neuerlichen fundamenten nachgedacht haben. Was bey
herrn grafen von Trautmansdorff zu thun, stehe ebenmäßig zu fernerem
nachdenken und könne man sich darüber bey nechster zusammenkunfft
eines gewiesen miteinander entschliesen. Und indeßen ein jeder seine gedan-
ken zusammentragen, weiln die zeit für dißmal fürüber und passirt seye.