Acta Pacis Westphalicae III A 6 : Die Beratungen der Städtekurie Osnabrück: 1645 - 1649 / Günter Buchstab
61. 44. Sitzung des Städterats Osnabrück 1646 Juni 5 9 Uhr
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Osnabrück 1646 Juni 5 9 Uhr
Nürnberg S I L 203 Nr. 19 fol. 112–115’ = Druckvorlage; Strassburg AA 1144 fol. 173–
176’; Ulm A 1560 o. F.; Esslingen „tomi actorum“ Bd. IV fol. 207–212; vgl. ferner Bremen
2 – X. 8. m.
Bericht über die Deputationen zu Magdeburg und Altenburg. Zurückhaltung der Endlichen Erklä
rung der evangelischen Stände zu den Gravamina durch die fürstlichen Gesandten.
Anwesend: Straßburg, Lübeck, Frankfurt, Bremen auf der Rheinischen, Regensburg, Nürnberg,
Eßlingen, Memmingen und Lindau auf der Schwäbischen Bank.
Directorium. Referiret, es seye bekannt, daß vorgestern für gut angesehen
worden, Altenburg und Magdeburg umb communication des projects nach-
einander zu ersuchen. Dieweil nun den herrn collegis belieben wollen, neben
dem herrn Nürnbergischen auch seine persohn zu den herrn Altenburgi-
schen zu deputiren, hetten sie sich alsobalden, nach verstattetem zutritt, dem
verlaß gemäß, umb communication bestmöglichst beworben. Und darauf
zur antwort erhalten, sie könnten hierinnen nicht willfahren, weiln es 1. ein
unvollkommen werkh, darüber die churfürstliche und Schwedische noch
nicht gehört worden, welches nohtwendig vorhero geschehen müßte, 2.
nicht in geheim gehalten, sondern unzeitig außbrechen und propalirt werden
dörffte, also nicht rahtsam seye, ehe mit ihnen daraus geredt sein werde,
daßelbe zu communiciren. Auf welches man ihnen geantwortet, ob es wohl
ein unvollkommen werkh, stünden doch die stätt in der beysorg, es dörffte
denen herrn churfürstlichen und Schwedischen, als wann die stätt sich in
allem darzu bekennt hetten, hinterbracht werden, trügen also nicht unzeitig
bedenken, ehe ihnen communication davon geschehen, es nomine der
fürsten und stände einigen orts überraichen zu laßen; wann es aber die fürst
liche in ihrem nahmen allein thun wollten, könnte man es ihnen nicht ver-
wehren . Die propalation und weitleufftigkeit zu verhütten, were man, die
communication in geheim und enge zu behalten, erbietig, wie mit dem
instrumento pacis auch geschehen.
Worauf sie replicirt, es hetten die herrn Kayserliche die super instrumento
pacis beschehene monita an dem tag, da sie denen herren Schwedischen
insinuirt worden, in forma gehabt und noch dazu gewust, was für formalia
bey der deputation gefallen. Welches sie, die deputati, bester form entschul-
diget und den verdacht von dem collegio zu wenden gesucht und umb eine
abschrifft, damit man sich darinnen nach nohtdurfft ersehen und selbige mit
denen instructionen conferiren könnte, nochmalen inständiges fleißes gebet-
ten , besonders weiln gestern Magdeburg die communication nicht schwer
gemacht, biß er mit ihnen, denen herrn Altenburgischen, darauß gered, da er
dann nur dasjenige, was die stätt concernire, zu communiciren sich erbotten.
Worauff Thumbshirn das begehren ad referendum angenommen und, weßen
sich die herrn fürstliche darauf erklären werden, notificiren zu laßen, sich
erbotten. Der praecedenz halben aber gesagt, er begehre denen stätten dar-
innen nicht zu praejudiciren, weiln er aber die ordnung in dem religion-
frieden also gefunden, seye er derselben billich nachgegangen, darwider
ihme abermahls genugsame remonstrationes, aber alles ohne effect, ge-
schehen .
Gestern umb 10 uhr hette er zu dem Straßburgischen geschikt und sagen
laßen, er möchte iemanden alsobald zur dictatur verordnen, so er auch
gethan. Heut habe er andeuten laßen, der herr graf von Trautmansdorff seye
der resolution gegen zwey uhr gewärtig, man solte derentwegen dahin trach-
ten , daß er selbige etwas zuvor haben und zugleich mit hinterbringen
könnte. Worüber er ihme zur antwort geben, man seye noch im abschreiben
begriffen und werde sich ein jeder vorhin darinnen ersehen wollen, habe eine
zusammenkunfft gegen 3 uhren nachmittag angestellt; bitte, sich biß dorthin
zu patientiren, solle ihme alsdann dißeitige meinung hinterbracht werden.
Auf welche antwort er gleich wieder hierher geschickt, mit begehren, die
dictatur einzustellen,
fürstliche noch keine communication davon erhalten. Solle dagegen die
consultation befördern, damit er die resolution zu bemelder zeit haben
könnte, weiln der herr graf selbige instantissime urgirte. Damit sie nun die
schuld der
trechen [!], hette er diese zusammenkunfft an- und zu der übrigen herren
gutachten stellen wollen, was bey so gestalten sachen anzufangen seye. Da
ihme aber etwas auß gedachtnuß gegangen seye und nicht in die relation
kommen were, wollte er vorderist den herrn Nürnbergischen, solches zu
ersezen, gebetten haben. Ille: wiße weiter nichts zu addirn.
Lübeck. Sagt, es komme ihm diese procedur selzam vor, wiße fast nicht,
was er dazu sagen solle. Altenburg habe mit zuziehung etlicher weniger in
die 4 wochen damit zugebracht, und die stätte sollen sich aniezo gleichsam
auß dem steigreiff resolviren, in einer sach von solcher importanz, daran
vieler tausend seelen heil und wohlfahrth haffte, die stätte sollen der fürsten
pedissequi sein und auf ihr vorläsen gleich darain gehälen. Seye zwar mit
dem werkh zu eilen und daßelbe in höchster geheim zu halten, were auch
nicht recht und redlich, wann ihrem vorgeben nach iemals etwas were
propalirt worden. Sie haben auch theils fürstliche praeterirt, soll es also nicht
achten, sondern sagen, man müße die abschrifft haben, umb selbige zu lesen,
zu ponderiren, mit denen instructionen zu conferiren und solche resolution
zu faßen, die vorderist gegen Gott, der obrigkeit und dann der lieben
posteritet zu verantworten. Wo aber die communication nicht zu erhalten,
werde man der stätte gedanken separatim faßen und a part eingeben müsen.
Man habe diß orts verstands genug darzu, wolle sein votum biß dorthin
suspendiren und sich in nichts erklären, die sach seye zu wichtig und nicht de
lana caprina zu thun.
Regensburg. Hette sich mehrer discretion zu dem Altenburgischen ver-
sehen , als daß er das erbare stättcollegium bezichtigen solle, ob propalirte es
diejenigen sachen, so in geheim zu halten, habe ein ieder seinen eidt auff sich
und er von seinem gnädigen fürsten und herrn befehl, mit den herrn Kayser-
lichen zwar auß einem und dem anderen zu communiciren, daß er aber auß
dem collegio etwas schwäzen sollte, da wolle ihn Gott dafür behüten. Were
nicht redlich gehandelt, die Kayserliche werdens nicht begehren; es seye
eine sach, die der seelen heil und seeligkeit, das gewißen, weib und kind und
die liebe posteritet betreffe. Dieweil es nun die leztere erclärung sein und
heißen solle, aut hoc aut bellum, seye er mit Lübekh einig, daß vor allen
dingen communication zu begehren, der aufsaz ad dictaturam zu geben und
sich dabey nicht zu praecipitiren seye. Wann er abschrifft erlangt haben
werde, wolle er votiren, sonsten aber nicht. Bittet dahin zu sehen, daß des
collegii respect erhalten werde.
Frankfurt. Conformiren sich mit beeden vorgehenden votis. Seye ein
schlimm ding, also in haufen hineinzureden und sagen, es kommen die
sachen von denen stätten aus. Warumb man nicht sage, wer es thue? Non
licere temere vagari cum alterius existimatione, das vorgeben habe keinen
grund, wann schon einer oder der ander zu weit gegangen were, hette man
doch das ganze collegium nicht zu diffamiren. Halten davor, daß es gegen
Altenburg zu anden und zugleich zu vernehmen were, warumb die stätt
hindan gesezt und die ritterschafft vorgezogen worden seye, es lauffe wieder
der stätt instructiones, sie haben eine starke praerogativ für jenen, ratione
sessionis et voti. Die Altenburgische werdens in ihrer instruction nicht
haben, sondern auß eigener phantasey thun. Zudeme
spizen und heiße, aut hoc aut bellum, und man solle sich gleich darauf, ohne
vorgehende communication, einlaßen. Sie machen das concept eo ipso, daß
sie es nicht herauß geben wollen, suspect; die herrn Kayserliche werden sich
vorhero wohl einbilden können, wohin der stätt gedanken gehen. In puncto
perpetuitatis et temporalitatis seyen sie nicht instruirt, were gut, wann jenes
zu erhalten, stehen aber gewaltig an, ob ihre herren und oberen wollen, daß
man deßwegen et ex hoc capite die tractaten auffstoßen laßen und den krieg
fortführen solle. In hundert jahren werden viel reichstäge angestellt, wann
selbige zu end ruken, werde alsdann, was dabey zu thun, davon zu reden
sein; sie ihres orts wollen sich von den majoribus nicht separiren. Halten
davor, daß den fürstlichen rund anzuzeigen seye, daß man sich, vor erhalte-
ner communication des concepts, nicht resolviren könne noch erklären
wolle, weil man daßelbe noch nicht gelesen, weniger der nohtdurfft nach
erwogen. Wollen sie es übergeben, mögen sie es in ihrem nahmen thun.
Nürnberg. Es seye die frag, ob man das Altenburgische concept allein
durchlesen oder auf der communication und dictatur beharren und in
eventum der stätte dissensum contestiren oder einen absonderlichen auffsaz
machen wolle? Conformire sich gerne mit vorgehenden votis. Das geschäfft
seye von großer importanz, treffe die seel, religion und das gewißen an, das
nicht mehrers sein könnte. Laße sich also nicht auß dem stegreif resolviren,
sondern seye auf der communication billich zu beharren. Wan selbige erlangt,
könne man von der sachen selbst reden, das concept von puncten zu puncten
durchgehen, dazu addiren, detrahiren und anderes collociren oder stätti
schen theils einen andern auffsaz machen. Seye ein haufen dings zusammen-
getragen und anderst nichts darinnen, als was in gravaminibus evangeli-
corum außgestellet, begriffen und derowegen eadem cantilena. Wann die
fürstliche solches beharren wollten, käme man in ewigkeit nicht zusammen.
Er seye nicht auf die perpetuitet instruirt, wann man allein die remotionem
clausularum erhalten könne. Seye eine große verstokung bey den leuthen,
gehen alle tag so viel 1000 seelen darüber zugrund und zu scheitern. Unter
den herrn fürstlichen selbsten seyen nicht alle mit diesen proceduren zufrie-
den . Sehe nicht, warumb Altenburg das erbare stätt collegium in verdacht
der propalation halber ziehen könne. Die herren Schwedische sagen den
herrn Kayserlichen alles, was sie von den ständen hören. Die Kayserliche
beschwären sich darob, daß man sich an die Schwedische, wider pflicht,
henge. Weiln gleichwol die Altenburgische das stättcollegium also außge
schrien und es in drukh kommen dörffte, könne man die propalation occa-
sionaliter wiedersprechen und dabey anzeigen, daß man nicht hoffen wolle,
daß sie diesen verdacht auf die stätte werden verificiren können. Seye son-
sten nochmaln auff der communication zu bestehen, das vornehmbste als
dann herauß und enger einzuziehen.
Bremen. Bekenne gern, daß er nicht alles, was vergangenen mitwoch bey
dem Magdeburgischen verlesen worden, assequiren und verstehen können,
seye eine ponderose sach, ergo nicht so schnell damit zu verfahren, sondern
also zu machen, daß es gegen Gott, der posteritet und denen oberen zu ver-
antworten ; vornehmlich
consultirt und ein solcher schluß gefaßt werde, dadurch der kirch gedienet,
die religion nicht verabsaumet, noch der posteritet praejudicirt werde. Seye
ein schwere sach und hundertjährige klag, darüber soviel bluts vergoßen
worden, treffe das gewißen an und man solle sich aniezo auß dem stegreif
resolviren und sich praecipitiren, so einmal nicht thunlich, man pflege im
sprichwort zu sagen: Canis festinans
also mit vorgehenden votis, daß auff der communication zu bestehen seye,
damit man hernacher selbe mit habenden instructionen conferiren, über
legen und was die nohtdurfft erfordert, thun möge.
Eßlingen. Je schwerer das werkh seye, ie mehr es nachdenkens bedörffe.
Halte nicht, daß damit zu eilen, sondern auf der communication zu beharren
und bedachtzeit zu begehren seye, damit man sich darinnen ersehen und, wie
weit die stätte darein consentiren können oder nicht, deliberiren möge. Es
habe sonst die meinung bey Magdeburg gehabt, daß es nicht das ultimum
sein, sondern den herrn Schwedischen ferner darinnen zu tractiren überlaßen
werden solle. Conformire sich also mit denen vorsizenden.
Memmingen. Weiln die catholische bedachtzeit genug dazu gehabt, werden
verhoffentlich sie, wie auch die fürstliche, die stätt nicht verdenken, wann
sie, sich darüber zu resolviren, auch etwas zeit nehmen. Wollte nicht gerne
sehen, daß es die herrn fürstliche a part übergeben, die herrn Kayserliche
dörfften es sonsten mit dankh annehmen, sondern seye in alle wege dahin zu
sehen, daß trennung verhütet und communication erhalten werde, treffe die
sach das gewißen und die posteritet an.
Lindau. Weiln es ein schwärwichtig werkh und das ultimum, ob fried oder
krieg sein solle, anhand zu geben, habe man sich nicht zu übereilen, sondern
auf die communication zu dringen. Halte nicht rahtsam zu sein, daß die
stätt ihre nohtdurfft absonderlich übergeben und sich von den fürstlichen
separiren.
Die materialia belangend werden über 3 oder 4 von denen fürstlichen nicht
sein, die, auf anno 1618 und den extremis zu bestehen, instruirt sein. Gleich
wie nun die fürstliche mit den Chursächsischen darauß communiciren
wollen, also halte er, daß auch diß orts, wie ingleichen mit denen übrigen
fürstlichen, so anderer meinung sein, zu thun seye, wann sie sehen werden,
daß die majora anderst außschlagen wollen, dörfften sie sich auch anderst
und beßer resolviren.
Directorium. Seine gedanken gehen auch dahin, daß ohne vorgehende
communication weiter nicht zu progrediren seye, zumahl weiln mit denen zu
Münster noch nichts hierauß communicirt, die catholische zimliche zeit
darzu gebraucht, und in alle weg nöhtig sein wolle, daß das concept mit den
instructionen conferirt und gesehen werde, wieweit sie miteinander
und einschlagen möchten; es seye ein schwerwichtiges, weitauß
sehendes und auf die extrema zielendes werk, da spitz oder knopff bey-
sammen stehen, aber kein periculum renunciationis obhanden. Weiln es
denen herrn Kayserlichen ohne das soll eingehändiget werden und sie
vorhin wohl, wohin die gedanken der evangelischen außlaufen werden,
absehen können und durch die herrn Schwedische selbsten ein und anders
ihnen eröffnet wird. Halte davor, daß noch eine deputation zu denen herrn
Altenburgischen zu machen und ihnen anzuzeigen sein werde, daß man sich
ohne vorhergehende communication nicht erklären könne, mit anführung
vorerzehlter ursachen und angehenkter bitt, diesen tag noch einzuhalten,
man wolle sich diß orts dergestalt befördern, daß ihnen morgen die resolu-
tion und erklärung hinterbracht werden möge. Der propalation halben wiße
man diseits niemanden schuldig, wann aber etwas vorgangen, sollte man den
reum nahmhafft machen, andere könnens auch thun. Die herrn Schweden
nehmen kein blatt fürs maul, sondern halten denen herrn Kayserlichen haar-
klein vor, was ihnen von denen ständen hinterbracht worden. Halte be
schließlichen davor, daß bey denen herrn Altenburgischen zugleich zu
sondiren were, was sie für eine meinung bey dieser erklärung führen, ob sie
lieber krieg führen als in etwas davon abweichen wollten. Vielleicht habe es
die meinung, denen herrn Schwedischen zu überlaßen, wie weit sie das
werkh bringen können, damit denen ständen kein ungemach darob entstehe,
noch die verantwortung heimwachse. Wann sie nicht begehren, darauf
praecise und finaliter zu bestehen, habe man sich von ihnen nicht zu sepa-
riren . Sollten sie aber wider beßere zuversicht darauf beharren wollen, hette
man ihnen anzuzeigen, daß die stättische mehrentheils anderst instruirt
seyen. Der geistlichen güter halber weren diese tractaten lenger nicht auf-
zuhalten und das Römische reich in fernerer combustion zu laßen, wann nur
die catholische ihre beschwerliche exceptiones und cautelas, dardurch sie
alles wieder nehmen, was sie zuvor gegeben, fallen liesen. Herr Oxenstirn
habe sich rund vernehmen laßen, daß sie auf der perpetuitet nicht begehren
zu bestehen. Das stärkste argument, so die fürstlichen haben, seye diß, daß
gleich wie der religionsfrieden ewig, also auch die declaration deßelben nicht
temporal sein könne. Hingegen sagen die herrn Franzosen, daß die catholi-
sche , wann sie schon auf ewig ihren ansprachen renunciiren sollten, zu
halten nicht verbunden weren, sondern sich eines andern, so offt sie wollten,
resolviren könnten. Fragt hierauf, wer zu deputiren sein möchte?
Lübeck. Weiln die materia eine continuationem mit der vorgehenden habe,
als wolle er beede vorige herrn, nemlich Straßburg und Nürnberg, noch-
maln ernennet und dazu gebetten haben, sich ferner employren zu laßen.
Dieweiln nun die übrige dem anspruch insgesamt gefolgt, als ist es auch
dabey geblieben.