Acta Pacis Westphalicae III A 6 : Die Beratungen der Städtekurie Osnabrück: 1645 - 1649 / Günter Buchstab
23. 6. Sitzung des Städterats Osnabrück 1646 Januar 31 15 Uhr
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Osnabrück 1646 Januar 31 15 Uhr
Nürnberg S I L 203 Nr. 19 fol. 13’–15 = Druckvorlage; Strassburg AA 1144 fol. 19–20;
Ulm A 1560 o. F.; Esslingen „tomi actorum“ Bd. IV fol. 23–25’; Lübeck Senatsakten
Reichsfriedensschlüsse 24 o. F.; vgl. ferner Bremen 2 – X. 8. m.
Konzept über das Prooemium der schwedischen Replik, Bedenken zur Amnestie.
Anwesend: Straßburg, Lübeck, Kolmar, Dortmund, Bremen auf der Rheinischen, Nürnberg,
Eßlingen, Memmingen, Lindau auf der Schwäbischen Bank.
Das Directorium zeiget an: Nachdem man soviel vernommen, daß die
fürstliche bey dem prooemio ein und anders erinnert und aber die stättische
intention dahin gehe, soviel möglich sich mit den fürstlichen zu confor-
miren , als habe er das concept, sonderlich respectu der wörtter „arma in
imperium intulerit“ und wegen des Schönebekhischen tractats umb etwas
ändern, auch zu der herren abgesanden fernerem nachdenken stellen
wollen, obs dabey verbleiben solle oder was weiters zu erinnern seye? Ward
demnach die änderung verlesen und insgesambt beliebet.
Hierauff ist man zu dem aufsaz primi membri classis primae geschritten und,
was ein oder der ander zu erinnern gehabt, alsobald im concept geändert
und zu protocolliren für ohnnöthig gehalten worden.
Dabey gleichwohl dieses zu gedenken, nachdem einer von den herren abge-
sanden gar starkh begehret, daß der cassation des Prager friedens außdrük
lich gedacht werde, daß ihme zur antwortt worden, man seye mit ihm quoad
materialia et effectum gänzlich einig, halte aber quoad modum dafür, daß es
von stärkerem nachdrukh sein werde, wann die cronen deßelben gedenken
und in puncto assecurationis expresse meldung thun.
Nota. Nach der handt hat der herr Lindauische abgesande sein votum ab-
sonderlich ad acta geliefert, wie nachfolgend zu sehen.
Lindau. Nächst vorhergehender danksagung gegen dem löblichen direc-
torio für gehabte bemühung bey dem wolverfaßten auffsaz, weiß man ex
parte Lindau nichts sonders zu erinnern, als daß 1. wegen des herzogens von
Lothringen
Karl IV., Herzog von Lothringen (1604–1675), nach der Besetzung der Herzogtümer Lothrin-
gen -Bar 1633 von den Franzosen vertrieben und zur Abdankung zugunsten seines Bruders Niko-
laus Franz (1606–1670) gezwungen, durch den Vertrag von Paris vom 2. April 1641 wieder
eingesetzt, aber schon im Juli wieder auf ksl. Seite eingeschwenkt. Gegen Frankreich beanspruchte
Karl IV. aufgrund des Nürnberger Vertrages von 1542 Schutz durch das Reich, trat aber gleich-
zeitig unter Berufung auf denselben Vertrag wie ein Souverän auf, der dem Reich eigentlich gar
nicht mehr angehöre (vgl. K.-H. Oelrich ; S. Fitte ; ADB XV S. 302f ; NBG XXXI S.
676–680; APW [ III A 1,1 S. 39 Anm. 3 ] , S. 520 Anm. 2).
leicht zu besorgen, es würd den Franzosen ins aug gegriffen und bey ihnen
offension causirt werden. Und ob er gleich ein fürst des reichs, weil er aber
das reich nicht darumb gefragt, ehe er sich mit Frankreich in so hochver-
bindlichen alienationsvergleich eingelaßen, so gibt man zu bedencken, ob
diesen paß zu umbgehen nicht rathsamer were?
2. Den Prager frieden anlangend, ob man ohne deßen außdrükliche cassa-
tion genugsam wider denselben gesichert sein könne, stehet noch zu bedenk-
ken . Man erinnert sich, was gestalten zur zeit des interims, Dr. Heinrich
mehr
catholicorum eingeführt, als nun hernach der religionsfrieden gefolget, ist
zwar, weil vermög dessen keiner seiner religion an digniteten entgelten solle,
berührte ordnung von selbsten gefallen, weil sie aber gleichwohl nicht ex-
presse auffgehoben worden, ist dannenhero erfolgt, daß sich die kayserliche
commissarii in vorgedachten reichsstätten bey den fürgangenen executions-
commissionen auff diese Haasische wahlordnung bezogen und krafft dersel-
ben den magistrat von lauter oder meistentheils catholischen subjectis mit
abschaffung der evangelischen rahtsfreund bestellet haben wollten. Möchte
also zu besorgen stehen, daß in künfftigen zeiten der Prager frieden gleicher-
gestalt zu eines oder des andern stands praejudiz angezogen werden dörffte.
3. Die restitution und amnisti betreffend, ist quoad bona ecclesiastica die
restitutio
contrariorum vonnöhten sein, daß gleich wie für die evangelicos die abge-
nommene geistliche gütter gefordert, also auch der auffgetrungenen be-
schwerden , Capuziner und Jesuiten orden und von ihnen geführter gebäu,
angerichteter schulen, angestellter creuzgäng, prozessionen und anderer der-
gleichen neuerungen dahin gedacht werde, damit sie denen evangelischen
ständen gleicher gestalt abgenommen und sie hierwider in den stand, darin-
nen sie sich anno 1618 befunden, restituirt werden.
4. Was die restitutionem bonorum politicorum concernirt, ist nicht ohne,
daß man die res judicatas in politicis nicht wohl durchgehend zu cassiren
begehren kan. Dieweil aber die herren Schwedische die generalregul ge-
macht haben, daß sowohl in politicis als ecclesiasticis alles restituirt werden
solle, so stünde zu bedenken, ob man nicht umb mehrerer sicherheit willen bey
dieser regul bleiben und davon diejenige res judicatas, welche man ver-
meint , daß sie nicht wohl zu cassiren seyen, per modum exceptionis a regula
außscheiden und namhafft machen könne. Oder, da man solches nicht practi-
cirlich befindet, so kann doch die cassatio und aufhebung nicht wohl allein
auff die jenige res judicatas, welche occasione belli erfolgt seindt, citra peri-
culum gerichtet werden. Dann, wie die gravati allezeit fürwenden werden,
sie seyen occasione belli mit solchen rebus judicatis beschwäret worden, also
werden es hingegen die gravantes allezeit negiren und, cum pro his stet prae-
sumtio , den gravatis das onus probandi, neue rechtsstreitt und weitleufftig-
keiten aufwachsen, also darüber die verhoffte restitutio eludirt werden.
Will derowegen eine nohturfft sein, daß man sich dißorts ex parte evangeli-
corum wohl in acht nehme und besonders genugsam definire und circum-
scribire , was man stättischen theils dafür achte, daß es occasione belli abge-
sprochen oder eludirt worden seye. Außer deßen würden diese wort „ occa-
sione belli“ nur pro materia litis serviren.
Und were vielleicht nicht unthunlich, daß man die unterschiedlich hin und
wider fürgangene modos, sowohl nullitatis processus (maßen vom vortreff-
lichen herrn Nürnbergischen abgesanden zum theil geschehen) als auch
coactionis, vis et metus mehrers specificiren und solche (wie mit benahmsung
verschiedener stätte im bedenken bereits geschehen) exemplificiren würde.
Und dieß zwar umb soviel meher, weiln man der herren Schwedischen Inten-
tion ebenmäßig dahin vernimt, daß wie sie bißher allein regulas generales
und damit den grund gelegt hetten, also müßte darauff ad specialia sowohl in
puncto amnistiae als gravaminum geschritten und selbige alle entweder in
das instrumentum pacis oder ie in gewiße nebenreceß nominatim gebracht
werden. Man könnte auch zu denen wortten „occasione belli“ hinzusezen
„oder auß solchen respecten, die entweder die religion oder den staat und
libertet des gravirten standts betreffen“.
Beym § „Es wird fürs ander“ ibi „und was sonsten“ möchte es das ansehen
haben, als wann verba praecedentia, ibi „transactiones und accord“ dahin zu
verstehen weren, daß allein diejenige transactiones, accord, oblationes,
welche in ansehung des edicts beschehen, gemeint würden; quo sensu dann
dasjenige, was vor dem edict vorgegangen, gut geheißen wurde. Wirdt
derowegen gebetten, hinzuzusezen, „vor und nach dem edict“.
Wegen reluition der pfandschafften möchte nicht schaden, sie reichspfand-
schafften zu nennen und zu addiren: „sonderbaren Kayserlichen confirma-
tionen und privilegiis de non
Bey benahmsung der evangelischen burgerschafften zu Ravenspurg und
Kauffbeyren seye zu wißen, daß sie zwar in puncto amnistiae wohl fundirt
sein, aber Biberach werde per hoc medium schwerlich zu helffen sein, stehe
derowegen dahin, ob mans dabey stehen laßen wolle.
Beym § º „und diese amnisti“ wirdt nicht allein der privat persohnen, son-
dern auch der stände selbst zu gedenken sein, sie seyen gleich auff Kayser-
licher oder der frembden cronen seiten gestanden, daß sie sämbtlich ohn
unterschied der amnistiae und restitution geniesen sollen.