Acta Pacis Westphalicae II B 6 : Die französischen Korrespondenzen, Band 6: 1647 / Michael Rohrschneider unter Benutzung der Vorarbeiten von Kriemhild Goronzy und unter MIthilfe von Rita Bohlen
EINLEITUNG
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EINLEITUNG
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I. Die militärischen und politischen Rahmenbedingungen der französischen Kongreß- politik (Juni – November 1647)
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a. Der Kriegsverlauf
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b. Die Garantievertragsverhandlungen Serviens in Den Haag (Juni – Juli 1647)
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c. Die Beziehungen Frankreichs zu seinem schwedischen Verbündeten und zu Kur- bayern
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II. Die französische Gesandtschaft und ihre Korrespondenzen
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III. Die Friedensverhandlungen
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a. Die Verhandlungen mit Spanien
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b. Die Verhandlungen mit dem Kaiser
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IV. Die Einrichtung der Edition
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Der vorliegende Band umfaßt die französische Korrespondenz im Rah- men des Westfälischen Friedenskongresses vom 25. Juni bis zum 18. No- vember 1647
Der Beginn des Editionszeitraums wird durch den Abschluß des Bandes
APW II B 5 mar- kiert , der die frz. Korrespondenz für den Zeitraum vom 24. November 1646 bis zum 24. Juni 1647 enthält.
.
In diesem Zeitraum erfolgten bedeutende Weichenstellungen auf dem Friedenskongreß, die den weiteren Verlauf der Verhandlungen wesentlich bestimmten. Nachdem den französischen Gesandten Longueville und d’Avaux am 14. Juni 1647 von den Mediatoren das Trauttmansdorffia- num (IPM/T) ausgehändigt worden war, legten sie Chigi und Contarini ihrerseits am 19. Juli 1647, drei Tage nach der Abreise des kaiserlichen Prinzipalgesandten Trauttmansdorff aus Münster, einen ersten vollständi- gen französischen Entwurf (IPM/F) für den Friedensschluß mit dem Kai- ser vor. Diese beiden Gesamtentwürfe bildeten die Grundlage für die nachfolgenden französisch-kaiserlichen Verhandlungen der zweiten Hälfte des Jahres 1647, die mit der Unterzeichnung des Vorvertrages vom 11./14. November 1647 schließlich an einen wichtigen Einschnitt ge- langten . Mit der Übersendung dieses Vorvertrages am 18. November 1647 an den französischen Hof schließt dieser Band.
Während die französisch-kaiserlichen Verhandlungen nunmehr eine be- deutende Etappe erreicht hatten, war ein Durchbruch in den Verhandlun- gen zwischen Frankreich und Spanien zu diesem Zeitpunkt nicht in Aus-
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sicht
. Zwar waren bis zum 16. November 1647 bereits insgesamt 43 Arti- kel eines französisch-spanischen Friedensvertrages vereinbart worden. Entscheidende substantielle Fortschritte in den zentralen Streitfragen wa- ren jedoch nach wie vor nicht zu verzeichnen und wurden auch in der Folgezeit, wie der weitere Gang der Verhandlungen auf dem Friedens- kongreß zeigen sollte, letztlich nicht erreicht.
I. Die militärischen und politischen Rahmenbedingungen der französi- schen Kongreßpolitik (Juni – November 1647)
a. Der Kriegsverlauf
Nach der Unterzeichnung der niederländisch-spanischen Provisional- Arti- kel vom 8. Januar 1647
Zum Entstehungszusammenhang vgl.
Braun , Einleitung, CVIf.
und dem daraus resultierenden faktischen Aus- scheiden der Generalstaaten aus dem Krieg gegen Spanien mußte die fran- zösische Regierung mehr denn je darauf bedacht sein, Mittel und Wege zu finden, die nunmehr ausbleibende Unterstützung durch Truppen des nie- derländischen Alliierten zu kompensieren, um sich in den militärischen Auseinandersetzungen mit Spanien erfolgreich behaupten zu können. Dies galt insbesondere für den Kriegsschauplatz in den Spanischen Nieder- landen . Angesichts des drohenden militärischen Übergewichts der spa- nischen Flandernarmee und der inzwischen erfolgten Neutralisierung Kurbayerns durch den Ulmer Waffenstillstand vom 14. März 1647
Zur Vorgeschichte und zu den Waffenstillstandsverhandlungen selbst vgl. die grundlegen- den Ausführungen bei
Immler , Kurfürst, 309–487.
hatte Turenne, der Oberbefehlshaber der französischen Truppen im Reich, am 14. April die Weisung des Kardinalpremiers Mazarin erhalten, das Reich zu verlassen und mit seinen Truppen über den Rhein in die Spanischen Niederlande zu marschieren
Chéruel ,
Minorité II, 329ff.
. Turennes Vormarsch wurde allerdings jäh gestoppt. Nach dem Rheinübergang bei Philippsburg weigerten sich die ihm unterstellten Weimarer Truppen, d.h. die vorwiegend deutschen Söld- ner aus der ehemaligen Armee des Herzogs Bernhard von Sachsen- Wei- mar , nach Flandern weiterzuziehen und kehrten am 11. Juni wieder auf das rechte Rheinufer zurück
Höfer , 58. Am frz. Hof traf die Nachricht von der Meuterei spätestens am 25. Juni 1647 ein (vgl.
Mazarin , Lettres II, 446f;
Chéruel , Minorité II, 342). Longueville und d’Avaux erhielten diesbezügliche Informationen am 28. Juni und teilten dies Servien in ihrem Schreiben vom selben Tag mit (vgl. nr. 6).
. Turenne gelang es in der Folgezeit nicht, sämtliche Meuterer wieder in seine Armee zu inkorporieren. Ein Teil der Weimarer schloß sich dem schwedischen General Königsmarck an
Vgl. nr. 141 Beilagen 1–3.
. Damit zerschlugen sich zunächst die mit dem Eingreifen Turennes in den Spa- nischen Niederlanden verbundenen Hoffnungen des französischen Hofes
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auf eine baldige entscheidende Veränderung der dortigen militärischen Lage zuungunsten Spaniens.
Insgesamt gesehen verliefen die militärischen Auseinandersetzungen im Sommer und Herbst 1647 zwischen der französischen Flandernarmee und den spanischen Truppen unter dem Kommando Erzherzog Leopold Wilhelms zur Unzufriedenheit der französischen Regierung
. Die Bilanz, die man französischerseits am Ende des Jahres ziehen konnte, war in der Tat eher ernüchternd. Zwar war den beiden französischen Generälen Gassion und Rantzau am 13. bzw. 18. Juli die Einnahme von Diksmuide und La Bassée gelungen. Zur gleichen Zeit war jedoch sehr zum Unmut des französischen Hofes Landrecies in spanische Hände gefallen
. Immer- hin konnte mit dem erfolgreichen Abschluß der Belagerung von Lens am 3. Oktober ein weiterer Erfolg verbucht werden, der jedoch mit dem Tod Gassions teuer erkauft wurde
Lionne kommentierte den Tod Gassions ggb. Servien, indem er ein sehr negatives Urteil über die Persönlichkeit und militärischen Fähigkeiten des Generals fällte, das sogar die Unterstellung landesverräterischer Absichten enthielt (vgl. nr. 221).
. Hinzu kam, daß Erzherzog Leopold Wil- helm nur wenige Tage später, am 13. Oktober, die Rückeroberung Diks- muides gelang
Chéruel , Minorité II, 424. Angesichts der unbefriedigenden Resultate der militärischen Operationen in den Span. Ndl.n geriet Mazarin offenbar unter Rechtfertigungsdruck, denn er sah sich veranlaßt, in der Korrespondenz mit den frz.
Ges.
seine Anstrengungen hervorzuheben, die er zur Verstärkung der Flandernarmee unternommen habe (vgl. nr. 11). Wiederholt brachte er in diesem Zusammenhang sein Unverständnis darüber zum Ausdruck, daß Gassion und Rantzau trotz der zahlenmäßigen Überlegenheit der frz. Truppen keine nennenswerten Erfolge in den Span. Ndl.n erzielen konnten (vgl. nr. 162 und nr. 174).
. Auch das erfolgreiche Vorgehen Turennes in Luxemburg im Verlauf des Monats September
Vgl.
Marichal
I, 115f;
Bérenger ,
250f.
vermochte es letztlich nicht mehr, eine Entscheidung zugunsten Frankreichs herbeizuführen. Vielmehr hatte sich die militärische Lage im Reich im gleichen Monat grundlegend gewandelt, so daß ein abermaliges Eingreifen Turennes auf dem deutschen Kriegs- schauplatz erforderlich wurde.
Im Reich hatte der Ulmer Waffenstillstand, wie sich sehr bald herausstell- te , den alliierten französischen, schwedischen und hessen-kasselischen Ar- meen wichtige Handlungsspielräume verschafft. Hessen-kasselischen Truppen unter dem Kommando General Mortaignes gelang es am 4. Juli 1647, die bedeutende hessen-darmstädtische Festung Rheinfels zu er- obern
. Königsmarck, der sich Ende April von Feldmarschall Wrangel und der schwedischen Hauptarmee getrennt hatte und nach Westfalen marschiert war, erzielte dort in den Monaten Mai bis Juli mit der Ein- nahme von Vechta, Fürstenau und Wiedenbrück ebenfalls kleinere militä-
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rische Erfolge
. Wrangel selbst zog nach Böhmen. Seit dem 21. Juni ließ er Eger belagern, das schließlich am 18. Juli von den Schweden eingenom- men werden konnte
Höfer ,
75, 78 und 256 Anm. 168.
.
Daß die kaiserliche Armee unter dem Kommando Feldmarschall Holz- appels nicht rechtzeitig zum Entsatz der belagerten Stadt eintraf, hing mit einer Begebenheit zusammen, die für die politische und militärische Gesamtsituation im Sommer 1647 von großer Bedeutung war und fran- zösischerseits mit Besorgnis wahrgenommen wurde: Im Widerspruch zu den Befehlen Kurfürst Maximilians I. von Bayern hatte der bayerische Reitergeneral Jan von Werth Anfang des Monats Juli den Versuch unter- nommen , die bayerische Armee mit den Kaiserlichen zu vereinigen und zum Entsatz Egers marschieren zu lassen. Es stellte sich jedoch sehr bald heraus, daß Werths Unternehmung kein Erfolg beschieden war. Nach ei- ner gegen seinen Abfall gerichteten Gegenrevolte mußte er, inzwischen durch Kurfürst Maximilian geächtet, am 10. Juli nach Böhmen fliehen
Zum Abfall Jan von Werths vgl.
[ nr. 22 Anm. 25 ] ,
[ nr. 33 Anm. 1 ] und
[ nr. 41 Anm. 9 ] . Lon- gueville und d’Avaux meldeten dem frz. Hof den Eingang der Nachricht vom Scheitern Werths, die am 17. Juli 1647 in Münster eingetroffen war, zwei Tage darauf, am 19. Juli (vgl. nr. 55 und nr. 56). Der Hof war durch ein Schreiben vom 16. Juli 1647 aus Köln informiert worden (vgl. nr. 72).
. Im kaiserlichen Feldlager angelangt, wurde er von Kaiser Ferdinand III. zum General über die Reiterei ernannt und nahm daraufhin an dem Feld- zug gegen die Truppen Wrangels teil. Die kaiserlicherseits erhoffte Ver- stärkung der eigenen Armee durch abgefallene bayerische Regimenter, um derentwillen man den Marsch zum Entsatz von Eger verzögert hatte, leistete der Abfall Werths freilich nicht, denn nur wenige Getreue waren mit ihm in Böhmen eingetroffen. Dennoch verbesserte sich die dortige mi- litärische Lage der Kaiserlichen im Verlauf des Sommers 1647 wesentlich. Unter Beteiligung Werths erzielte die kaiserliche Kavallerie am 22. Au- gust bei Triebl einen aufsehenerregenden Erfolg gegen die Schweden
. Wrangel sah sich schließlich gezwungen, seine Truppen aus Böhmen über Thüringen bis an die Weser zurückzuziehen, wo sie Anfang November eintrafen
Zu den Marschwegen der Armee Wrangels sowie der ksl. und kurbay. Truppen im Okto- ber und November 1647 vgl.
APW
[ II C 4/1 nr. 37 Anm. 1 ] und
Höfer , 97–106.
.
Zuvor waren erhebliche Differenzen zwischen Königsmarck, der seit Au- gust zusätzlich über die Weimarer Truppen verfügen konnte, und Wran- gel aufgetreten. Königsmarck war einem Befehl des Feldmarschalls nicht nachgekommen, den westfälischen Kriegsschauplatz zu verlassen und der schwedischen Hauptarmee nach Mitteldeutschland entgegenzuziehen. Statt dessen hatte er zunächst nur einen Teil seiner Truppen unter dem Kommando Generalmajor Hammersteins zur Unterstützung Wrangels
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entsandt
Från
Femern ,
236;
Höfer ,
89f. Vgl. auch nr.n 95, 166, 177, 184 und 185 sowie ferner APW
II C 3 nr. 324, hier 592 Z. 33f; ebd.
nr. 328, hier 600 Z. 14–17.
. Hintergrund der Entscheidung Königsmarcks für einen Ver- bleib im Nordwesten des Reiches waren die am 15. August 1647 gegen- über Schweden und Hessen-Kassel erfolgte Aufkündigung des Ulmer Waffenstillstandes durch Kurfürst Ferdinand von Köln
und die militäri- schen Operationen Feldmarschall Lamboys, der die kaiserlichen Truppen im Niederrheinisch-westfälischen Reichskreis kommandierte und im Ver- bund mit kurkölnischen Truppen insbesondere Hessen-Kassel in Bedräng- nis brachte. So sah sich Königsmarck am 14. September zur Aufhebung der durch schwedische und hessen-kasselische Truppen ausgeführten Belage- rung der Stadt Paderborn veranlaßt, als Lamboy in die hessen- kasse- lischen Quartierräume in Ostfriesland eindrang
Vgl.
Salm ,
74;
Höfer ,
103; vgl. ferner nr. 144.
. In der Folgezeit setzte sich Königsmarck bei Rheine an der Ems fest
. Erst das Heranrücken Wrangels, der sich auf dem Rückzug aus Böhmen befand, und des inzwi- schen erneut vereinigten kaiserlich-kurbayerischen Heeres löste die gegen- seitige Blockade der Truppen Königsmarcks und Lamboys: Der schwe- dische General zog Anfang November zur schwedischen Hauptarmee, die sich zu diesem Zeitpunkt bei Höxter verschanzt hielt
TE
VI, 32, 136;
Höfer ,
104.
.
Damit ist bereits ein Sachverhalt angesprochen, der die politischen und militärischen Erwägungen im Spätsommer und Herbst 1647 maßgeblich prägte und für die französische Regierung eine Neuorientierung zur Folge hatte. Gemeint ist die vom 14. September 1647 datierende kurbayerische Aufkündigung des Ulmer Waffenstillstandes gegenüber Schweden sowie der damit einhergehende Kurswechsel Kurfürst Maximilians
Vgl.
[ nr. 185 Anm. 6 ] . Wrangel erhielt die Waffenstillstandsaufkündigung Kf. Maximilians am 28. September 1647 zugestellt (vgl.
TE VI, 30;
APW II C 4/1 nr. 2). Die Nachricht vom definitiven Bruch Kurbay.s mit Schweden erreichte den frz. Hof am 2. Oktober 1647 (
Riezler , Frk., 528). In Münster war sie spätestens am 28. September 1647 bekannt ge- worden (vgl.
APW III C 1/1, 365f, 1647 IX 28).
.
Bereits im Juli und August 1647 hatten kaiserliche und kurbayerische Ver- treter in Passau über eine erneute Parteinahme des Kurfürsten für den Kaiser und einen gemeinsamen Feldzug beraten
Ruppert ,
313ff;
Kapser ,
49f;
Albrecht ,
Maximilian I., 1073f.
. Die Ergebnisse der Verhandlungen wurden in dem sogenannten Rekonjunktionsrezeß vom 7. September 1647 festgeschrieben, der am 23. September ergänzt wurde und am 29. September eine neue vertragliche Fassung erhielt, die vom Kaiser schließlich am 12. Oktober in Prag und von Kurfürst Maximilian am 17. Oktober 1647 in München ratifiziert wurde
. Wenige Tage zuvor, am 12. Oktober, war die Vorhut der kurbayerischen Truppen unter dem Kommando Feldmarschall Gronsfelds, die im Gefolge der erneuerten kai-
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serlich -kurbayerischen Militärallianz die Order erhalten hatten, zur Un- terstützung der Kaiserlichen nach Böhmen zu ziehen, mit den Truppen Holzappels zusammengetroffen. Damit war die im Rekonjunktionsrezeß vorgesehene Vereinigung der beiden Armeen vollzogen
. Seit dem 29. September belagerten zudem kaiserliche und kurbayerische Truppen die schwäbische Reichsstadt Memmingen
Zum Kampf um Memmingen, der am 25. November mit dem Abzug der schwed. Besat- zungstruppen und der Übergabe der Stadt endete, vgl.
ebd. , 115–128.
.
Der französische Hof reagierte auf den Übertritt Kurfürst Maximilians auf die kaiserliche Seite und die Belagerung Memmingens mit der Wei- sung an Turenne, Luxemburg unverzüglich zu verlassen und den Rhein zu überqueren
. Angesichts der Tatsache, daß von kurbayerischer Seite wiederholt ausdrücklich betont wurde, die Aufkündigung der Neutralität beziehe sich nicht auf Frankreich, wurde der Marschall jedoch aufgefor- dert , den Bruch mit Kurbayern möglichst noch aufzuschieben
Vgl. insbes. nr. 219 und nr. 244; vgl. ferner
Riezler , Frk., 528–537.
. In der Tat dauerte es noch bis zum Ende des Jahres 1647, ehe Frankreich den Waf- fenstillstand mit Kurbayern offiziell aufkündigte
Am 29. Dezember 1647 überbrachte ein Trompeter Turennes Kf. Maximilian das frz. Auf- kündigungsschreiben (vgl.
Riezler ,
Frk., 538;
Höfer ,
151;
Albrecht ,
Maximilian I., 1078).
.
Der politisch-militärische Rückschlag infolge der kurbayerischen Neutra- litätsaufkündigung wog für Frankreich um so schwerer, als sich auch die militärische Lage an den Schauplätzen des französisch-spanischen Krieges im Sommer und Herbst des Jahres 1647 nicht wie erhofft entwickelte. Zu den Schwierigkeiten der französischen Flandernarmee, entscheidend an Boden gegenüber den spanischen Truppen zu gewinnen, kam hinzu, daß auch in Katalonien eine herbe Enttäuschung hingenommen werden muß- te : Am 18. Juni 1647 hob der französische Feldmarschall Condé die seit dem 14. Mai des Jahres währende Belagerung der Schlüsselfestung Lérida auf
Vgl. nr. 22. Seitens des frz. Hofes bemühte man sich, den damit verbundenen erheblichen Prestigeverlust für Condé abzumildern, indem man seine Entscheidung, die Belagerung nicht weiter fortzusetzen, demonstrativ guthieß (vgl.
ebd. ).
. Spektakuläre Erfolge blieben für beide Kriegsparteien auf dem ka- talanischen Kriegsschauplatz im weiteren Verlauf des Jahres aus. Die Ein- nahme Agers durch französische Truppen am 9. Oktober, weitere kleinere Erfolge Condés
Vgl. nr. 219 und nr. 257.
und die fortgesetzten Fortifikationsarbeiten trugen dazu bei, daß die Franzosen weitgehend Herr der Lage blieben. Gleichwohl vermochten es diese Erfolge nicht, das Scheitern vor Lérida militärisch zu kompensieren und die enttäuschten französischen Hoffnungen auf eine baldige wesentliche Verbesserung der militärischen Lage in Katalonien doch noch zu erfüllen.
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Vielversprechend gestaltete sich für Frankreich dagegen die politische und militärische Entwicklung in Italien. Seit dem Frühjahr 1647 entluden sich die durch zunehmenden Steuerdruck und Mißernten forcierten sozialen Spannungen in den spanischen Vizekönigreichen Neapel und Sizilien in offenen Aufständen gegen die vizeköniglichen Regierungen, die letztlich erst 1648 wieder unter Kontrolle gebracht werden konnten
. Somit stellte sich dem französischen Hof seit dem Sommer 1647 verstärkt die Frage, ob und auf welche Weise die offenkundige Destabilisierung der spanischen Herrschaft in Süditalien militärisch ausgenutzt werden könnte
Der Verlust Neapels und Siziliens sei, so die Einschätzung der Bedeutung dieser Frage durch Mazarin, gleichbedeutend mit dem
coup mortel für die span. Monarchie; vgl. Ma- zarin an Fontenay-Mareuil, Amiens 1647 Juli 25 (Teildruck:
Mazarin , Lettres II, 465f, hier 466).
.
Verheißungsvolle Eingriffsmöglichkeiten schienen sich insbesondere in Neapel zu ergeben. Fontenay-Mareuil, der französische Botschafter in Rom, stand in Kontakt mit den Aufständischen und drängte darauf, die Gelegenheit zu nutzen und möglichst bald eine französische Flotte nach Neapel segeln zu lassen
. Der französische Hof reagierte jedoch abwar- tend und ordnete ein zurückhaltendes Vorgehen an, was auch von den französischen Gesandten in Münster befürwortet wurde
Vgl. nr. 130. Longueville, d’Avaux und Servien empfahlen zwar eine militärische Unter- stützung der Aufständischen in Form von Waffen- und Munitionslieferungen, warnten jedoch den frz. Hof gleichzeitig davor, bei den Neapolitanern den Eindruck zu erwecken, Frk. wolle von der Aufstandsbewegung profitieren.
.
Die Frage, wie man militärisch auf die Ereignisse in Süditalien reagieren sollte, stellte sich erneut mit Nachdruck, als der Herzog von Guise, dem seitens der aufständischen Neapolitaner eine Führungsrolle im Kampf ge- gen Spanien angeboten worden war, die französische Regierung um ent- sprechende Rückendeckung bat
Vgl. nr. 186 und nr. 188. Zu dem letztlich erfolglosen Eingreifen des Hg.s von Guise in den Aufstand von Neapel vgl. insgesamt
Loiseleur /
Baguenault
de
Puchesse .
. Erneut zeigte sich der französische Hof skeptisch. Zweifellos hätte man lieber den von Longueville, d’Avaux und Servien geäußerten Gedanken einer militärischen Verwicklung Herzog Karls IV. von Lothringen in die süditalienischen Unruhen unter Zusiche- rung französischer Unterstützung in die Tat umgesetzt, in der Hoffnung, sich auf diesem Wege des unbequemen Nachbarn entledigen zu können
Vgl. nr.n 203, 205 und 219.
. Als jedoch Nachrichten von ersten Fehlschlägen des Don Juan José de Aus- tria , der Anfang Oktober 1647 mit einer spanischen Flotte vor Neapel ein- getroffen war
, am französischen Hof eintrafen und zudem Gennaro An- nese , der oberste militärische Befehlshaber der aufständischen Neapolita-
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ner , um französische Unterstützung bat
Vgl. nr. 244 mit Beilage 1; vgl. in diesem Zusammenhang auch die Erklärung Gennaro Anneses betr. die frz. Protektion für die Republik Neapel, [Neapel] 1647 Oktober 26 ( Ko- pie (it.):
Ass.
Nat. 273 fol. 548–548’; Druck (it.):
Siri X, 485f; (mit span. ÜS)
Abreu
y
Bertodano , 274ff).
, gelangte Mazarin in der ersten Novemberhälfte zu dem Entschluß, mittels der französischen Flotte in Neapel zu intervenieren
Vgl. das Memorandum Ludwigs XIV. für Fontenay-Mareuil, [Paris] 1647 November 15 (Teildruck:
Mazarin , Lettres II, 524f Anm. 1; vgl.
Chéruel , Minorité II, 440f).
.
Insgesamt gesehen konnte die französische Regierung zu diesem Zeit- punkt eine positive Bilanz des bisherigen Verlaufs des Aufstandes ziehen: Mit der am 24. Oktober erfolgten Proklamation Neapels zur Republik war der Bruch der Aufständischen mit Spanien endgültig vollzogen, und ein militärisches Scheitern Don Juans lag im Bereich des Möglichen. Die zukünftige Entwicklung der dortigen politischen und militärischen Lage galt am französischen Hof freilich Mitte des Monats November – gerade aufgrund der als unbeständig wahrgenommenen Haltung der Neapolita- ner
Vgl. nr. 244; vgl. auch Mazarin an Fontenay-Mareuil, Paris 1647 August 21 (Teildruck:
Mazarin , Lettres II, 474–477, hier 475).
– nach wie vor als offen. Der weitere Verlauf des Aufstandes, der im April 1648 endgültig niedergeschlagen wurde, hat mit aller Deutlichkeit gezeigt, daß die Bedenken hinsichtlich der Erfolgsaussichten der neapoli- tanischen Loslösungsbestrebungen von Spanien nur zu berechtigt waren.
Auch in Oberitalien eröffnete sich für Frankreich die Möglichkeit, offensiv gegen die spanischen Besitzungen vorzugehen, als es gelang, mit Herzog Francesco I von Modena am 1. September 1647 eine Offensiv- und Defen- sivallianz abzuschließen. Das vertraglich vereinbarte gemeinsame Vor- gehen gegen Cremona wurde jedoch zur Enttäuschung des französischen Hofes nur zögerlich in die Tat umgesetzt. Infolge sintflutartiger Regen- fälle geriet der Vormarsch der Verbündeten ins Stocken, so daß die Spa- nier ausreichend Zeit gewannen, Cremona zu befestigen und sich dort er- folgreich zu behaupten
Vgl. nr.n 209, 210 und 224;
Chéruel ,
Minorité II, 428–434.
.
Eine Gesamtbewertung des Kriegsverlaufs im Sommer und Herbst 1647 fällt im Hinblick auf die militärische Lage Frankreichs somit zwiespältig aus. Im Reich war mit dem kurbayerischen Kurswechsel zugunsten des Kaisers eine neue, für Frankreich und seine Alliierten nachteilige Konstel- lation entstanden, die eine erneute französische Truppenpräsenz auf dem deutschen Kriegsschauplatz erforderlich erscheinen ließ. Dagegen konnten in den Spanischen Niederlanden und in Katalonien, trotz des Rückschlages vor Lérida, zumindest deutliche Positionsgewinne Spaniens verhindert und sogar vereinzelt kleinere Erfolge erzielt werden. Im Hinblick auf Ober- und Süditalien schließlich war gegen Ende des Jahres noch offen, ob die günstigen Ausgangskonstellationen und die dort eingeleiteten of- fensiven Militäraktionen die erhofften Resultate zur Folge hätten. Maza-
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rin hat diesen wechselhaften Verlauf des Krieges in den Sommer- und Herbstmonaten 1647 in zutreffender Weise aus französischer Sicht bilan- ziert : Zwar empfand er die militärische Entwicklung in diesem Zeitraum angesichts der deutlichen Diskrepanz zwischen seinen ursprünglichen Er- wartungen und den erzielten Ergebnissen als unbefriedigend, doch ver- buchte er es als positives Resultat, daß die Spanier, trotz der
malignité de l’astre qui nous a traversé tout cette campaigne
Vgl. nr. 200, hier 567 Z. 5f.
, augenscheinlich nicht in der Lage waren, entscheidende Vorteile gegen die französischen Armeen zu erringen.
b. Die Garantievertragsverhandlungen Serviens in Den Haag (Juni – Juli 1647)
Ein ähnlich zwiespältiges Ergebnis wiesen auch die Verhandlungen auf, die Servien als außerordentlicher Botschafter seit Januar 1647 mit den Ge- neralstaaten in Den Haag führte und bei denen er seit dem 10. Juli durch La Thuillerie sekundiert wurde
Zu den Garantieverhandlungen Serviens in Den Haag vgl.
Arend , 696–748;
Braun , Ein- leitung , CXI–CXXIX; vgl. ferner
ebd. , LXXV, den wichtigen Hinweis auf die große Be- deutung der Korrespondenz Serviens aus Den Haag für die Genese der Korrespondenz zwischen dem frz. Hof und den
Ges.
auf dem WFK.
. Das ursprüngliche Ziel der Mission Ser- viens war der Abschluß einer unbeschränkten wechselseitigen französisch- niederländischen Garantie des – noch zu schließenden – Friedens mit Spa- nien
Dies wird zu Recht betont von
Braun , der auf das Defizit der älteren Forschung auf- merksam macht, die Frage nach den ursprünglichen Zielen der Reise Serviens in der Regel nicht sorgsam genug von der Frage getrennt zu haben, was er im Verlauf seines Aufent- halts in Den Haag tatsächlich unternommen hat, nämlich neben den Garantieverhand- lungen insbes. auch den Versuch, die ndl.-span. Friedensverhandlungen zu stören (vgl.
ebd. , CXIIf). Zu den Zielen der Mission Serviens s. auch den Instruktionsentwurf vom 10. Januar 1647 (vgl.
APW II B 5/2 Anhang, 1558–1564).
. Dieses Ziel wurde mit der Unterzeichnung des französisch-nieder- ländischen Garantievertrages vom 29. Juli 1647 erreicht. Daß Serviens Verhandlungen in Den Haag rückblickend gesehen dennoch nicht mehr als ein diplomatischer Teilerfolg für Frankreich waren, hängt wesentlich mit dem Verlauf der niederländisch-spanischen Verhandlungen seit der Jahreswende 1646/47 und der daraus resultierenden Veränderung der Voraussetzungen seiner Mission zusammen: Infolge des nach seiner Ab- reise aus Münster
Servien war am 29. Dezember 1646 aus Münster nach Den Haag abgereist (
Ogier , 176;
APW III C 1/1, 331, 1647 XII 29).
erfolgten Abschlusses der niederländisch-spanischen Provisional-Artikel habe er sich, so resümierte er in einem Schreiben an Mazarin vom 23. Juli 1647, veranlaßt gesehen, vorrangig im Sinne einer Verhinderung der niederländisch-spanischen Verständigung zu wirken
. Der Garantievertrag leistete hierzu zwar, wie im folgenden zu zeigen ist,
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einen nicht unwesentlichen Beitrag. Allerdings blieben die französischen Anstrengungen, den drohenden Separatabschluß der Generalstaaten mit Spanien doch noch abzuwenden, mittel- und langfristig gesehen vergeb- lich , wie der weitere Gang der Verhandlungen bis zum niederländisch- spanischen Friedensschluß von Münster (30. Januar 1648) offenbart hat.
Den konkreten Ausgangspunkt für die Verhandlungen Serviens mit den Kommissaren der Generalstaaten in den Monaten Juni und Juli 1647 bil- dete seine Proposition vom 22. Mai 1647
. Sie enthielt eine Bestätigung der französisch-niederländischen Allianzverträge von 1635 und 1644 so- wie eine wechselseitige Garantieverpflichtung für den Fall eines spa- nischen Angriffs. Der Geltungsbereich der Garantie, welche die General- staaten übernehmen sollten, umfaßte Frankreich, Pinerolo, Lothringen, Burgund, die Niederlande, das Roussillon und – für die Dauer des anvi- sierten französisch-spanischen Waffenstillstandes – Katalonien. Ferner soll- ten sich die Generalstaaten zu Hilfeleistungen (
secours ) für Deutschland, das Elsaß, Breisach, Philippsburg, Italien und Katalonien (im Falle, daß sich Spanien nach Ablauf des Waffenstillstandes für Katalonien weigere, diesen zu den gleichen Bedingungen zu verlängern) verpflichten. Servien hatte zunächst erklärt, mit dieser Proposition seine Vollmacht zu über- schreiten
Vgl. Servien an Brienne, Den Haag 1647 Mai 27 (
APW II B 5/2 nr. 294, hier 1365 Z. 12–23).
, jedoch den Generalstaaten am 24. Juni schriftlich die Zustim- mung des französischen Königs mitgeteilt
Vgl. nr. 1 Beilage 1. Darin enthalten war zudem das Angebot, in weitere Verhandlungen einzutreten und strittige Fragen der frz.-span. Verhandlungen einem Schiedsspruch der Gst. und Pz. Wilhelms II. von Oranien zu unterwerfen.
. Drei Tage später lag die dies- bezügliche Resolution der Generalstaaten vor: Sie erklärten sich zur Ab- fassung eines Garantievertragsentwurfes auf der Basis der Proposition vom
22. Mai bereit und wollten im Sinne einer für Frankreich zufrieden- stellenden Regelung der strittigen französisch-spanischen Verhandlungs- punkte wirken. Allerdings stellten sie gleichzeitig unmißverständlich klar, daß sie im Falle einer Ablehnung des Garantievertragsentwurfes durch Servien gezwungen seien, Separatverhandlungen mit Spanien zu führen
. Damit war zwar ein substantieller Verhandlungsfortschritt erzielt; Spiel- raum besaß Servien aber, dies wurde mit dieser Resolution deutlich, kaum noch. Hinzu kam, daß spätestens am 1. Juli die Nachricht von der Meute- rei der Weimarer in Den Haag eintraf
Servien berichtete hierüber in nr. 17.
. Hatte Servien zuvor geglaubt, angesichts des Vormarsches französischer Truppen in Richtung auf die Spanischen Niederlande eine größere Nachgiebigkeit bei seinen nieder- ländischen Verhandlungspartnern ausmachen zu können, so verschlech- terte sich seine Verhandlungsposition merklich durch die unerwarteten Schwierigkeiten, in die Turenne gelangt war
.
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[scan. 72]
Die Generalstaaten legten ihren angekündigten Garantievertragsentwurf am 2. Juli vor
Nr. 30 Beilage 1 und nr. 31 Beilage 2.
. Dieser, so lautete ihre Resolution vom 4. Juli
, sei als Maximalangebot zu verstehen und werde im Falle einer französischen Ablehnung oder einer Verzögerung der weiteren Friedensverhandlungen einen Separatabschluß der Generalstaaten mit Spanien zur Folge haben. Artikel 2 des niederländischen Entwurfs enthielt eine Garantieverpflich- tung der Generalstaaten, die sich auf Frankreich, Pinerolo, das Roussillon, Lothringen, die Eroberungen in den Niederlanden und Katalonien ( wäh- rend eines dreißigjährigen Waffenstillstandes) erstreckte
Allerdings war die Garantieverpflichtung eingeschränkt auf den Fall,
que sur telles attac- ques une rupture généralle s’en ensuive (vgl. nr. 30 Beilage 1 und nr. 31 Beilage 2, hier zit. nach der Kopie
Ass.
Nat. 278 fol. 142). Zudem bestand die Verpflichtung zum Bruch mit einem möglichen Angreifer erst nach Ablauf einer Frist von sechs Monaten vom Zeitpunkt des Angriffs auf den Vertragspartner an. Während dieser Frist sollte eine Beilegung des Konfliktes von seiten des nicht angegriffenen Vertragschließenden versucht werden (vgl. Art. 4;
ebd. fol. 142’). Die gen. Bestimmungen fanden Aufnahme in den Garantievertrag vom 29. Juli 1647.
. Gerade daß die Vertragsgarantie auch Lothringen und Katalonien einschloß, wurde fran- zösischerseits als wichtiger Erfolg angesehen
Vgl. nr.n 30, 54, 69, 84 und 85.
. Mazarin erteilte seine Zu- stimmung zu diesem Vertragsentwurf am 19. Juli und stellte Servien eine
carte blanche für die weiteren Garantieverhandlungen aus: Der Kardinal- premier äußerte seine Zufriedenheit mit den bereits erzielten Ergebnissen und schloß darin ausdrücklich auch den Fall ein, daß Servien im weiteren Verlauf der Verhandlungen nicht in der Lage sei, Veränderungen zugun- sten Frankreichs zu erwirken
.
Damit war auch die Entsendung eines Sonderkuriers an den französischen Hof faktisch obsolet geworden, die Servien und La Thuillerie zwecks Ein- holung genauer Weisungen vornahmen, als die Generalstaaten einen überarbeiteten Garantievertragsentwurf vorlegten
Vgl. nr. 44 mit Beilage 1 und
[ nr. 76 Anm. 2 ] . Dem am 15. Juli 1647 übersandten ndl. Garantievertragsentwurf war ein Garantievertragsentwurf Serviens vorausgegangen, der gleichzeitig an den frz. Hof überbracht wurde (vgl. nr. 44 Beilage 2).
. Mazarin sah sich nicht veranlaßt, die gegebene Anordnung an Servien und La Thuillerie zurückzunehmen, den Garantievertrag ensprechend den niederländischen Vorgaben zu unterzeichnen
. Gleichwohl bereitete ihm insbesondere der Artikel
5 des überarbeiteten niederländischen Entwurfes Unbehagen, da in ihm vorgesehen war, daß Frankreich
aucun de ses amis ou alliez ou autres quelz qu’ilz soient gegen die Generalstaaten assistieren dürfe
Vgl. nr. 44 Beilage 1 (hier zit. nach der Kopie
AE
,
CP
Holl.
45 fol. 143’).
. Es stand zu befürchten, daß eine solche Regelung seine Bemühungen konter- karierte , freie Hand im Hinblick auf eine militärische Assistenz für die
[p. LXXIII]
[scan. 73]
französischen Alliierten zu behalten
. Servien und La Thuillerie begegne- ten möglichen Auslegungen dieses Artikels in einem für Frankreich und seine Alliierten nachteiligen Sinne, indem sie gegenüber den Kommissaren der Generalstaaten wiederholt erklärten, daß es sich der französische Kö- nig bei Unterzeichnung des Garantievertrages ausdrücklich vorbehalte, zukünftig Schweden gegen den Kaiser und Portugal gegen Spanien zu un- terstützen
Vgl. nr. 68 mit Anm. 5, nr. 81 mit Beilage 1 und nr. 82 mit Beilage 2.
.
Insgesamt gesehen zeigte sich Servien – spätestens, seit die Aussicht auf eine rasche Verbesserung der militärischen Lage in den Spanischen Niederlanden infolge der Meuterei der Weimarer geschwunden war – als relativ nachgiebig gegenüber der nunmehr in den Garantieverhandlungen an den Tag gelegten Intransigenz der Generalstaaten. Der Grund hierfür war zweifellos seine Überzeugung, zu einem schnellen Abschluß in Den Haag gelangen zu müssen. Angesichts der schwierigen militärischen und politischen Gesamtlage Frankreichs schien ihm eine langwierige Fortfüh- rung der Garantieverhandlungen mit der vagen Aussicht, Detailfragen doch noch zugunsten Frankreichs verbessern zu können, wenig ange- bracht . Vielmehr erhoffte er sich eine schnelle und überzeugende Demon- stration eines erneuten französisch-niederländischen Schulterschlusses und somit Positionsgewinne im Hinblick auf die Friedensverhandlungen Frankreichs mit Spanien
Offenbar sah sich Servien angesichts seiner erzwungenen Nachgiebigkeit in den Garantie- verhandlungen , die von Mazarin unterstützt wurde, und der insgesamt als unbefriedigend empfundenen Resultate v.a. ggb. Brienne veranlaßt, sein Vorgehen in Den Haag zu recht- fertigen (vgl. insbes. nr. 30 mit Beilage 2).
. Wichtige Veränderungen an dem überarbeite- ten niederländischen Vertragsentwurf wurden im weiteren Verlauf der Garantieverhandlungen dementsprechend nicht mehr vorgenommen. Am 20. Juli lag der Garantievertrag unterschriftsfertig vor
; nach Klärung letzter Details
Zur Verzögerung des Vertragsabschlusses, die Servien und La Thuillerie auf das Wirken der Provinz Holland zurückführten, und zur Klärung letzter Interpretationsfragen vgl. nr. 82. Die Gst. drängten v.a. darauf, von frz. Seite eine Erklärung zu erlangen, daß der ndl. Mittelmeerhandel durch die Bestimmungen des Garantievertrages nicht beeinträch- tigt werde. Sie begnügten sich aber schließlich damit, daß dies von den frz.
Ges.
in Form einer schriftlichen Note zur Kenntnis genommen wurde und daß diese eine entsprechende Erklärung des frz. Hofes zusicherten (vgl.
ebd. mit Beilage 1).
wurde er schließlich am 29. Juli unterzeichnet
.
Der Vertrag, der im wesentlichen den Bestimmungen des niederländischen Vertragsentwurfes vom 2. Juli folgte, sah eine wechselseitige Garantie des französischen Königs und der Generalstaaten für den Fall vor, daß der spanische König, der Kaiser oder ein anderer Angehöriger des Hauses Habsburg vertragsbrüchig gegenüber einer der beiden Vertragsparteien werde, diese angreife und eine
rupture générale zwischen Spanien einer-
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[scan. 74]
seits und den Generalstaaten respektive Frankreich nachfolge (Artikel 1 und 2). Die Garantieverpflichtung der Generalstaaten sollte für Frank- reich , Pinerolo, das Roussillon, Lothringen und die Eroberungen in den Niederlanden gelten (Artikel 2) und zudem Katalonien während des an- visierten dreißigjährigen Waffenstillstandes einbeziehen (Artikel 3). Dem nicht angegriffenen Vertragspartner stand eine Frist von sechs Monaten vom Zeitpunkt des Angriffs auf die andere vertragschließende Partei an zur Verfügung, während der er im Sinne einer Beilegung des Konfliktes wirken konnte. Erst nach Ablauf dieser Frist war er verpflichtet, auf seiten des Vertragspartners militärisch einzugreifen (Artikel 4). Ferner enthielt der Vertrag die wechselseitigen Versprechen des französischen Königs und der Generalstaaten, ihre jeweiligen Alliierten
Auf Drängen Serviens und La Thuilleries, die einer zukünftigen militärischen Assistenz der Gst. für Spanien einen Riegel vorschieben wollten, hatten die Kommissare der Gst. erklärt, daß die Bezeichnung Alliierte in Art. 5 auch tous autres princes et potentatz qui ne sont point alliez
umfasse (vgl. nr. 82 Beilage 1).
nicht gegen den Ver- tragspartner zu unterstützen (Artikel 5), und die – allerdings nicht weiter spezifizierte – Bestätigung der vormaligen französisch-niederländischen Verträge (Artikel 6). In Kraft treten sollte der Vertrag bei Unterzeichnung des französisch-spanischen Friedens (Artikel 7). Die Ratifikation war in- nerhalb von zwei Monaten vorgesehen.
Im Hinblick auf Artikel 5 gaben Servien und La Thuillerie bei Vertrags- unterzeichnung erneut die Erklärung ab, daß sich der französische König eine militärische Assistenz für Schweden und Portugal ausdrücklich vor- behalte
Vgl. Anm. 64 und nr. 81 mit Beilage 1 sowie nr. 82 mit Beilage 2.
. Sie scheiterten jedoch mit dem Versuch, von den Generalstaaten eine schriftliche Bestätigung der Annahme dieser Erklärung zu erlangen
. Zwei Tage nach der Vertragsunterzeichnung, am 31. Juli, erneuerten die französischen Gesandten zudem das bereits zuvor
von Servien in Ab- stimmung mit Mazarin
Vgl. insbes. nr. 2 und nr. 24.
zur Beilegung der niederländisch-portugiesischen Differenzen vorgebrachte Angebot einer Restitution der niederländischen Besitzungen in Brasilien durch den portugiesischen König für den Fall, daß dieser in einen mehrjährigen Waffenstillstand mit Spanien einge- schlossen werde
. Hintergrund dieser französischen Proposition waren Befürchtungen, das Fortbestehen der niederländisch-portugiesischen Kon- flikte in Übersee könne eine Separatverständigung der Generalstaaten mit Spanien forcieren und zu einer zusätzlichen Belastung der niederländisch- französischen Beziehungen beitragen
Vgl. nr. 19 und nr. 69; s. darüber hinaus auch
Braun , Einleitung, CXXVIIf.
.
Daß der Abschluß des Garantievertrages in der Tat nicht alle Spannungen in den Beziehungen zwischen Frankreich und seinem niederländischen Al-
[p. LXXV]
[scan. 75]
liierten aufzuheben vermochte und daß insbesondere die Provinz Holland nach wie vor keinen frankreichfreundlichen Kurs zu steuern bereit war, wurde sehr schnell nach der Unterzeichnung des Garantievertrages deut- lich , als es noch vor der Abreise Serviens
Servien reiste am 3. August 1647 aus Den Haag ab (vgl. La Thuillerie an [Brienne], Den Haag 1647 August 5; s.
[ nr. 94 Anm. 8 ] ) und traf am 9. August wieder in Münster ein (vgl.
[ nr. 1 Anm. 1 ] ).
zu einem diplomatischen Eklat kam: Mathenesse und Boreel, die Deputierten der Provinz Holland in den Garantieverhandlungen, nahmen nicht an einem von Servien für seine Verhandlungspartner veranstalteten Abschiedsessen teil und verweigerten ihm das obligatorische Abschiedsgeschenk
Vgl. nr. 94;
Arend ,
747;
Dickmann ,
442.
.
Obwohl mit dem Vertragsabschluß das Vertrauensverhältnis zwischen Frankreich und den Generalstaaten offenkundig nicht gänzlich wieder- hergestellt war, glaubte Servien dennoch, in dieser Hinsicht ein positives Fazit seiner Verhandlungen ziehen zu können. Immerhin sei es wenig- stens nach außen hin gelungen, den Anschein einer französisch-niederlän- dischen
réunion zu erwecken
Dies bezeichnete Servien sogar als principal fruict
seiner Verhandlungen (vgl. nr. 119, hier 340 Z. 16f).
. Gegenüber Brienne, dem Staatssekretär des Äußeren, äußerte er überdies Zufriedenheit darüber, sich erfolgreich dem Drängen der Provinz Holland auf einen schnellen Separatfriedens- schluß oder gar eine niederländisch-spanische Allianz widersetzt zu ha- ben
. In der Tat wird man konstatieren müssen, daß das ursprüngliche Ziel der Mission Serviens, nämlich eine wechselseitige französisch-nieder- ländische Garantie gegen zukünftige habsburgische Aggressionen abzu- schließen , erreicht wurde
Braun weist bei der Bewertung der Garantieverhandlungen Serviens berechtigterweise darauf hin, daß Frk. zu noch größeren Konzessionen ggb. den Gst. bereit gewesen wäre, etwa im Hinblick auf Katalonien (
Braun , Einleitung, CXXIX).
. Gleichwohl wurde der Wert des Abkommens für Frankreich durch die Bindung seines Inkrafttretens an das Zustande- kommen des französisch-spanischen Friedens erheblich gemindert. Das französischerseits erhoffte zusätzliche Mittel, um Druck in den Friedens- verhandlungen mit Spanien auszuüben, war der Garantievertrag jeden- falls nicht.
Servien hat die Defizite und den unzureichenden Charakter der zu er- wartenden Ergebnisse seiner Verhandlungen frühzeitig erkannt. Er war jedoch trotz des für ihn unbefriedigenden Verlaufs seiner Mission bereit, gute Miene zum bösen Spiel zu machen und ostentative Zufriedenheit zu bekunden. Dieses Verhalten war zwar in erster Linie verhandlungstak- tisch bedingt. Es ist aber auch vor dem Hintergrund seiner intern geäu- ßerten Hoffnung zu sehen, Frankreich werde schon bald Möglichkeiten erhalten, die Vertragsbestimmungen im französischen Sinne zu korrigie- ren und sich für die als unwürdig erachtete Haltung des niederländischen
[p. LXXVI]
[scan. 76]
Alliierten zu revanchieren
Vgl. v.a. nr.n 18, 19, 30 und 94.
. Daß die Vertragsartikel vergleichsweise all- gemein gehalten waren, entsprach somit durchaus den französischen In- teressen , denn dies erleichterte möglicherweise zukünftige Modifikatio- nen
Vgl. hierzu die entsprechenden Ausführungen Serviens in nr. 19.
. Bereits unmittelbar nach Vertragsschluß den Versuch zu unterneh- men , konkrete Verbesserungen zugunsten Frankreichs zu erlangen, wie es Mazarin in Erwägung zog
, lehnte Servien jedoch ab
. Über Erfolg oder Mißerfolg seiner Gesandtschaft mußte somit letztlich der weitere Verlauf der Friedensverhandlungen mit Spanien entscheiden.
c. Die Beziehungen Frankreichs zu seinem schwedischen Verbündeten und zu Kurbayern
Ähnlich schwierig wie die Verhandlungen Serviens mit dem niederlän- dischen Allianzpartner gestalteten sich im Sommer und Herbst 1647 auch die französischen Bemühungen, das Einvernehmen mit dem schwedischen Verbündeten zu wahren bzw. wiederherzustellen. Insbesondere die Poli- tik Kurbayerns stellte in diesem Zeitraum eine große Herausforderung und zugleich eine schwere Belastungsprobe für die französisch-schwe- dischen Beziehungen dar. Denn Kurfürst Maximilian nahm einerseits spä- testens mit der Aufkündigung des Ulmer Waffenstillstandes im September 1647 und seiner erneuten Parteinahme für den Kaiser den Konfrontations- kurs gegen Schweden wieder auf. Er war andererseits jedoch schon im Vorfeld und ebenso in der Folgezeit darauf bedacht, es nicht zum Bruch mit Frankreich kommen zu lassen und somit indirekt auch von den offen- kundigen französisch-schwedischen Spannungen zu profitieren
Vgl. hierzu
Riezler ,
Frk.;
Dickmann ,
424–427;
Albrecht ,
Maximilian I., 1063–1079;
Tischer ,
Diplomatie, 305–310.
. Die französische Regierung sah sich daher nicht erst seit der Wiederaufnahme der militärischen Auseinandersetzungen zwischen Schweden und Kurbay- ern vor das Erfordernis gestellt, die Interessen des schwedischen Allianz- partners in Einklang zu bringen mit einer Politik, die sich die Option einer dauerhaften Instrumentalisierung Kurbayerns im Sinne einer Schwächung der politisch-militärischen Position des Hauses Österreich offen hielt. Li- onne , der Sekretär Mazarins und Königin Annas, hat diese höchst proble- matische Grundkonstellation in einem Schreiben an Servien vom 13. Sep- tember 1647 treffend zum Ausdruck gebracht, indem er, Mazarin zitie- rend , das besagte Dilemma der französischen Außenpolitik in das Bild ei- nes doppelten Abgrundes kleidete: Frankreich habe im Falle eines ausbleibenden Friedensschlusses im Reich entweder den Verlust des
[p. LXXVII]
[scan. 77]
schwedischen Bündnispartners oder ein erneutes militärisches Eintreten Kurbayerns auf kaiserlicher Seite zu befürchten
.
Die Sorge vor einem Bruch in den Beziehungen mit Schweden war in der zweiten Hälfte des Jahres 1647 in der Tat eine Konstante der außen- politischen Erwägungen der französischen Regierung. Wie ein Alpdruck lastete auf der französischen Politik die Perspektive, der schwedische Alli- ierte könne – ähnlich wie zuvor bereits die Generalstaaten – zu einer Separatverständigung ohne Einschluß Frankreichs gelangen
Vgl. z.B. nr.n 13, 35, 55, 63, 70, 79, 179, 198, 203, 219, 232 und 250.
. Grund zur Besorgnis bestand allemal, hatte man doch Schweden im Gefolge des Ulmer Waffenstillstandes in doppelter Hinsicht brüskiert, indem man die Subsidienzahlungen
Zu den frz. Subsidienzahlungen an Schweden 1647 vgl.
Lorenz , Hilfsgelder, 98, 103 und 105.
eingestellt und Turenne aus dem Reich in die Spa- nischen Niederlande beordert hatte
Zur internen Begründung dieser Entscheidung vgl. insbes. das Memorandum Mazarins für d’Avaux, Paris 1647 März 15 (APW
II B 5/2 nr. 179). Servien zählte diese beiden Punkte neben den frz.-kurbay. Allianzverhandlungen zu den choses qui leur
[i.e. den Schweden] sont les plus sensibles
(vgl. nr. 31, hier 102 Z. 35f).
. Die Revision dieser von schwe- discher Seite mit dem Vorwurf des Allianzbruchs beantworteten französi- schen Entscheidung wurde in der Folgezeit zu einer Dauerforderung des Verbündeten, die nicht zuletzt auch durch Oxenstierna und Salvius, die beiden schwedischen Kongreßgesandten, gegenüber ihren französischen Kollegen vehement vorgebracht wurde
So meldeten Longueville und d’Avaux dem frz. Hof am 1. Juli 1647, Oxenstierna habe verlauten lassen, er halte die frz.-schwed. Allianz angesichts der ausbleibenden frz. Sub- sidienzahlungen und des Abzuges Turennes aus dem Reich für beendet (vgl. nr. 13 sowie ferner nr. 78 und nr. 79).
.
Hinzu kam, daß sowohl die Ergebnisse der französisch-niederländischen Garantieverhandlungen als auch die militärischen Ereignisse in den Som- mermonaten des Jahres 1647 neues Konfliktpotential bargen, das die an- gespannten Beziehungen zwischen den beiden Kronen zusätzlich belaste- te . So gerieten die von Servien und La Thuillerie ausgehandelten Bestim- mungen von Artikel 5 des Garantievertrages vom 29. Juli 1647 zwischen- zeitlich in die Kritik des schwedischen Hofes
Zur ablehnenden schwed. Reaktion vgl. nr. 134 mit Anm. 2 und nr. 135.
. Dieser Artikel berührte unmittelbar das französisch-schwedische Verhältnis, da er die wechselsei- tige Verpflichtung der vertragschließenden Parteien vorsah, den jeweili- gen Alliierten zukünftig keine Assistenz gegen den Vertragspartner zu ge- währen . Nicht zuletzt angesichts der Fragilität des französisch-schwe- dischen Einvernehmens sah sich Servien zu einer Rechtfertigung seiner Verhandlungsergebnisse gegenüber Oxenstierna und Salvius veranlaßt und legte in einem ausführlichen Schreiben
Vgl. nr.n 151, 157 und 158, jeweils Beilage 1. Chanut meldete daraufhin am 12. Oktober 1647, daß diese
querelle vollständig aus der Welt geräumt sei (vgl.
[ nr. 253 Anm. 6 ] ).
an den französischen Ge-
[p. LXXVIII]
[scan. 78]
sandten in Stockholm, Chanut, die Genese und Bedeutung des Artikels 5 dar, um – letztlich mit Erfolg – die Bedenken des schwedischen Hofes zu zerstreuen.
Dagegen sorgte die Inkorporation der meuternden Weimarer in die Ar- mee Königsmarcks für Unmut auf seiten der französischen Regierung
Servien schloß sogar nicht aus, daß die Meuterei der Weimarer auf Anstiftung Schwedens erfolgt war (vgl. nr. 111).
. Da sehr bald offenkundig wurde, daß nicht alle Meuterer wieder zum Gehorsam gegenüber Turenne zu bringen waren, sondierten die französi- schen Gesandten in Münster und Stockholm Möglichkeiten, von Schwe- den Rekompensation für den Verlust der übergetretenen Truppen zu er- halten . Allerdings verzichtete man bewußt darauf, diesen Streitpunkt mit allem Nachdruck am schwedischen Hof vorzubringen
Longueville, d’Avaux und Servien rieten noch am 11. November 1647 ausdrücklich davon ab, eine Klärung dieses Streitpunktes mit Schweden zu forcieren (vgl. nr. 250).
, da die politische und militärische Gesamtlage im Herbst 1647 durch das Verhalten Kur- bayerns eine für die Kronen gefährliche Wendung nahm, die es nicht an- geraten erscheinen ließ, die Beziehungen zu Schweden unnötig zu bela- sten . Immerhin konnte man sich damit trösten, daß die vormaligen Trup- pen Turennes nun zu einer militärischen Stärkung des in Bedrängnis gera- tenen schwedischen Alliierten beitrugen
Vgl. nr.n 114, 147 und 161.
.
Die Frage größerer Konzessionsbereitschaft gegenüber den beiden stereo- typen Forderungen Schwedens nach einer Fortzahlung der französischen Subsidien und einem Rückmarsch Turennes ins Reich wurde für die fran- zösische Regierung in dem Moment akut, als im Gefolge der Meuterei der Weimarer Truppen und des Abfalls Jan von Werths verstärkt zu befürch- ten war, Schweden werde schnellstmöglich einen Friedensschluß mit dem Kaiser suchen
Zu den großen Sorgen, die auf frz. Seite hinsichtlich der schwed. Reaktion auf den Abfall Jan von Werths auftraten, vgl. nr.n 33, 40, 41, 43, 60 und 97.
. Gewissermaßen reflexartig reagierte der französische Hof mit der Weisung an die französischen Gesandten in Münster, im Sinne einer möglichst engen Anbindung des nordischen Alliierten an Frankreich zu wirken
Vgl. v.a. nr.n 35, 52, 53, 60 und 72.
und dazu die bewährten Mittel – die Zusicherung weiterer Subsidien sowie die Ankündigung erneuter militärischer Operationen Tu- rennes im Reich
Zur Haltung des frz. Hofes in dieser Frage im zeitlichen Umfeld des Abfalls Werths vgl. nr. 52 und nr. 53.
– einzusetzen. Einigkeit herrschte zwischen dem Hof und den Gesandten in Münster zu Anfang des Monats Juli darüber, daß neuerliche Subsidien für Schweden zwar im Falle eines schnellen Friedens- schlusses überflüssig, jedoch bei einer gemeinsamen Fortführung des Krie- ges unerläßlich seien
. Am 13. Juli, also noch vor dem Bekanntwerden des Scheiterns Jan von Werths, erging die Weisung des Hofes an Longueville
[p. LXXIX]
[scan. 79]
und d’Avaux, den schwedischen Gesandten gegebenenfalls die bis dahin zurückgehaltene Zahlung der Ende des Vormonats Juni fälligen Subsidien zuzusichern
Vgl. nr. 35. Bereits am 29. Juni 1647 hatte Brienne Longueville und d’Avaux von der Weisung an Chanut berichtet, mit der schwed. Kg.in über die Fortsetzung der frz. Sub- sidienzahlungen zu verhandeln. Diese erfolgten in der Regel halbjährlich (vgl.
Lorenz , Hilfsgelder, 98; allerdings mit Nennung des 15. Mai und des 15. November als jeweils vereinbarte Zahlungstermine) und waren 1647 für den 30. Juni und 31. Dezember vor- gesehen (vgl. nr. 35 und nr. 214).
. In der Folgezeit blieb es bei der Entscheidung, die zu- nächst ausgesetzten Hilfsgelder für Schweden vollständig nachzuzahlen. Selbst die von Chanut gemeldete Bereitschaft der schwedischen Königin Christina, auf die Hälfte des fälligen Subsidienbetrages zu verzichten, än- derte nichts mehr an der Überzeugung der französischen Regierung, zur Sicherung einvernehmlicher französisch-schwedischer Beziehungen die vereinbarten Subsidien in vollem Umfang zahlen zu müssen
Nur die Hälfte des fälligen Betrages zu zahlen, hielten Longueville und d’Avaux für ge- fährlich , da dies erneut Verstimmungen seitens des schwed. RR und der schwed. Armee nach sich ziehen könne (vgl. nr. 99).
. Am 23. August meldete der französische Hof die Übersendung der ent- sprechenden Wechselbriefe
, der französische Resident in Osnabrück, La Court, erhielt die Weisung, den schwedischen Gesandten die Zahlung der Subsidien in Aussicht zu stellen
, und am 5. September konnte Servien Chanut melden, er habe Oxenstierna und Salvius die Wechselbriefe vor- gezeigt
. Forderungen Salvius’ nach einer Erhöhung der Subsidien wur- den von französischer Seite in der Folgezeit allerdings mit der Begrün- dung zurückgewiesen, daß eine derartige Mehrbelastung angesichts der gegenwärtigen finanziellen Lage nicht getragen werden könne
Vgl. nr.n 203, 214, 215, 219, 231 und 250.
.
Daß die französische Regierung in der Subsidienfrage insgesamt gesehen merkliches Entgegenkommen demonstrierte und somit im Sinne einer Sta- bilisierung des Bündnisses mit Schweden wirkte, war angesichts der zu- nehmenden Verschlechterung der französisch-kurbayerischen Beziehun- gen im Herbst 1647 nur zu verständlich. Noch im Frühsommer des Jahres schien einiges darauf hinzudeuten, daß sogar der Abschluß einer franzö- sisch-kurbayerischen Allianz kurz bevorstehe
Angesichts der seiner Auffassung nach erkennbaren Disposition des frz. Hofes zu einem frz.-kurbay. Bündnisabschluß bezeichnete Brienne Kurbay. am 29. Juni 1647 als
desjà allié (vgl. nr. 7, hier 30 Z. 2).
. Seit dem 15. Juni verhan- delten die kurbayerischen Gesandten Krebs und Gronsfeld am französi- schen Hof mit dem vorrangigen Ziel, eine Defensivallianz zur gegenseiti- gen Garantie des auf dem Westfälischen Friedenskongreß gewonnenen
[p. LXXX]
[scan. 80]
oder angestrebten Besitzstandes abzuschließen
Zum Inhalt der Instruktion für Krebs und Gronsfeld vgl.
Riezler ,
Frk., 502ff;
Immler ,
Kurfürst, 481f;
Albrecht ,
Maximilian I., 1066f;
Pillorget ,
522.
. Bereits am 25. Juni lag ein kurbayerischer Allianzentwurf vor, der vier Tage darauf mit der Bitte um Geheimhaltung zur Begutachtung an Longueville, d’Avaux und Ser- vien nach Münster bzw. Den Haag übersandt wurde
Vgl. nr. 8 mit Beilage 3 und nr. 9 mit Beilage 2.
. Der französische Hof verzögerte zunächst die Verhandlungen, da die schwedische Ratifika- tion des Ulmer Waffenstillstandes noch nicht erfolgt war
Vgl. nr. 8. Die vom 30. Mai[/9. Juni] 1647 datierende schwed. Ratifikation des Ulmer Waffenstillstandes wurde von Wrangel erst am 2. August 1647 an Kf. Maximilian über- sandt (vgl.
[ nr. 7 Anm. 17 ] ).
und eine wei- tere Brüskierung Schwedens nicht geraten schien.
Longueville, d’Avaux und Servien reagierten einhellig mit Ablehnung auf die kurbayerische Offerte. Weder biete der Vertrag, so antwortete Servien am 9. Juli, Frankreich nennenswerte Vorteile, noch bestehe französischer- seits zum gegenwärtigen Zeitpunkt die Notwendigkeit, vor dem Friedens- schluß ein derartiges Abkommen einzugehen, das unvermeidlich den Ver- lust der bisherigen Verbündeten nach sich ziehen werde
Vgl. nr. 31; vgl. darüber hinaus auch nr. 69 sowie die am 15. Juli 1647 von Longueville und d’Avaux übersandten Observations sur le projet de Bavières
(nr. 40 Beilage 1).
. Die französi- schen Gesandten hatten erkannt, daß der Vertragsentwurf eine deutliche Stoßrichtung gegen Schweden enthielt, an der die französische Regierung aus bündnispolitischen Erwägungen kein Interesse haben konnte
So die zutreffende Bewertung bei
Tischer ,
Diplomatie, 307.
. Ma- zarin stimmte daraufhin Serviens erheblichen Bedenken, vor dem Frie- densschluß eine Allianz mit Kurbayern abzuschließen, ausdrücklich zu
. Er legte den Allianzentwurf jedoch in der Folgezeit keineswegs zu den Ak- ten , sondern richtete sein Augenmerk nunmehr verstärkt darauf, um die Zustimmung Schwedens zu einem engeren Einvernehmen mit Kurbayern zu werben, und wies die Gesandten in Münster dementsprechend an
Vgl. in diesem Kontext v.a. nr.n 97, 103, 106, 119 und 125.
. Als sich die Anzeichen
Kf. Maximilian hatte die Ratifizierung des Ulmer Waffenstillstandes ggb. Schweden ver- weigert sowie Haslang aus Münster und Krebs aus Paris abberufen (vgl. nr. 147).
nach der kurkölnischen Aufkündigung des Ulmer Waffenstillstandes und der Regelung der Pfalzfrage
im kurbayerischen Sinne häuften, daß auch Kurfürst Maximilian kurz davor stehe, erneut für den Kaiser Partei zu ergreifen, erlangte Servien bei seinen Verhandlungen in Osnabrück zu Anfang des Monats September in der Tat das grundsätz- liche Einverständnis Oxenstiernas und Salvius’ zu französisch-kurbayeri- schen Verhandlungen, um den drohenden kurbayerischen Neutralitäts- bruch doch noch zu verhindern
Vgl. nr. 133 und nr. 141.
.
[p. LXXXI]
[scan. 81]
Indes drängte Krebs
Gronsfeld war bereits am 2. August 1647 vom frz. Hof abgereist und hatte sich zur Ar- mee begeben (
Riezler , Frk., 513).
Mitte September am französischen Hof trotz der sich verdichtenden Gerüchte über einen Kurswechsel seines Dienstherren ungebrochen auf den Abschluß der projektierten französisch-kurbayeri- schen Allianz und warf in den Verhandlungen das konfessionelle Argu- ment in die Waagschale, indem er eine französische Erklärung forderte, was man im Falle einer zukünftigen Unterdrückung der katholischen Re- ligion durch Schweden und die protestantischen Reichsstände zu tun ge- denke
Vgl. nr. 147 und nr. 171.
.
Trotz des nach wie vor erkennbaren Interesses Mazarins, die Option einer Verständigung mit Kurbayern nicht zu verlieren, wurde bereits vor dem Bekanntwerden der kurbayerischen Aufkündigung des Waffenstillstandes in den Allianzverhandlungen mit Krebs und dem Residenten Mayer
Mayer war von Kf. Maximilian beauftragt worden, die Bündnisverhandlungen am frz. Hof nach der Abreise Krebs’ allein fortzusetzen (
Riezler , Frk., 526).
deutlich, daß eine verstärkte Hinwendung Frankreichs zu Kurfürst Maxi- milian nur bei einer kurbayerisch-schwedischen Verständigung zu haben war. Dies offenbarten in aller Deutlichkeit die Bestimmungen des von französischer Seite vorgelegten französisch-kurbayerischen Bündnis- entwurfes vom 18. September 1647
. Der Entwurf sah unter anderem die Ratifikation des Ulmer Waffenstillstandes mit Schweden und Hessen-Kassel durch Kurfürst Maximilian vor
und gab somit unmißverständlich zu verstehen, daß Frankreich nicht gewillt war, einen Keil zwischen sich und seine Verbündeten treiben zu lassen. In diesem Sinne äußerte sich auch d’Herbigny, der Ende August im Auftrag der französischen Gesand- ten an den kurbayerischen Hof reiste
D’Herbigny reiste sehr wahrscheinlich am 27. August 1647
(APW III C 1/1, 362, 1647 VIII 27; laut nr. 116 sollte er bereits am 26. August 1647 abreisen) an den kurbay. Hof ab und traf am 23. Oktober 1647 wieder in Münster ein (
Babel , Friedenskongreß, 25).
. Er ließ dort verlauten, der baye- rische Kurfürst könne nicht gleichzeitig Schweden zum Feind und Frank- reich zum Freund haben
Vgl. nr. 179. Diese Äußerung d’Herbignys stieß allerdings auf Kritik des frz. Hofes, da sie entgegen der zum damaligen Zeitpunkt auf Dissimulierung abzielenden Politik Frk.s ggb. Kurbay. zu deutlich zu verstehen gegeben habe, daß an eine frz.-kurbay. Verständi- gung ohne Einbeziehung schwed. Interessen nicht zu denken war (vgl. nr. 209 und nr. 210).
. Als die gesicherte Nachricht am französischen Hof eintraf, daß Kurfürst Maximilian seine Neutralität gegenüber Schwe- den aufgekündigt habe
Für den Fall eines kurbay. Neutralitätsbruchs hatte man französischerseits sogar in Er- wägung gezogen, Krebs und Mayer am frz. Hof festzuhalten (vgl. nr. 176).
, erübrigten sich erst recht alle weiteren kur- bayerischen Bemühungen, Frankreich auf einen antischwedischen Kurs zu manövrieren: Die französisch-kurbayerischen Bündnisverhandlungen
[p. LXXXII]
[scan. 82]
wurden in der Folgezeit nicht mehr ernsthaft fortgeführt und blieben letztlich Episode.
Dennoch verfolgte Mazarin auch nach der Klärung der Lage eine lavie- rende Politik. Einerseits zielte er nach wie vor darauf ab, daß der bayeri- sche Kurfürst Frankreich möglichst gewogen bleibe, und versuchte dement- sprechend , die schwedische Zustimmung zum Aufschub eines schnellen, de- finitiven Bruchs Frankreichs mit Kurbayern zu erlangen
Vgl. z.B. nr. 219 und nr. 232.
. Dies verweist nachdrücklich auf die Bedeutung, die der Kardinalpremier der politischen und militärischen Rolle Kurfürst Maximilians beimaß: Weder konnte Frankreich es sich nach Mazarins Ansicht leisten, unvorbereitet militärisch gegen die kurbayerischen Truppen zu agieren, noch wollte er leichtfertig diejenigen Möglichkeiten aus der Hand geben, die sich aus einem probaye- rischen außenpolitischen Kurs zu ergeben schienen
Vgl. hierzu die Ausführungen Mazarins über die Bedeutung des Kf.en in nr. 232.
. Andererseits wurden Longueville, d’Avaux und Servien seit Anfang Oktober angesichts der erneut akuten Gefahr überstürzter schwedischer Reaktionen angewiesen, bereits aufkommenden Gerüchten
energisch entgegenzusteuern, die kur- bayerische Aufkündigung der Neutralität sei im Einverständnis mit Frank- reich erfolgt
Vgl. hierzu v.a. nr.n 187, 210, 231 und 239. Mitte November 1647 wurde zudem La Court angewiesen, ggb. Oxenstierna und Salvius ausdrücklich die frz. Bündnistreue her- vorzuheben (vgl. nr.n 250, 253, 254, 255 und 261).
. Zudem hatte sich zu diesem Zeitpunkt am französischen Hof die Überzeugung durchgesetzt, daß es infolge der Kehrtwendung der kurbayerischen Außenpolitik zwingend erforderlich sei, sich verstärkt an den schwedischen Bedürfnissen zu orientieren
So wurde u.a. der Vorschlag Salvius’ positiv aufgenommen, einen frz.-schwed. Garantie- vertrag nach dem Vorbild des zwischen Frk. und den Gst. abgeschlossenen Garantieab- kommens in die Wege zu leiten (vgl. nr. 216).
, wollte man die Allianz nicht gefährden. Dies schloß ausdrücklich die Bereitschaft zum Bruch mit Kurbayern ein, sollte Schweden dies verlangen
Vgl. insbes. nr.n 187, 244 und 257.
.
Die Ereignisse der Sommer- und Herbstmonate des Jahres 1647 verdeut- lichen somit nachdrücklich die Prioritäten, die Mazarins Gestaltung der französischen Außen- und Bündnispolitik im Spannungsfeld von Alli- anztreue gegenüber Schweden einerseits und Wahrung der Handlungs- spielräume im Hinblick auf Kurbayern andererseits in diesem Zeitraum zugrunde lagen: Alles in allem dachte man in der französischen Regierung 1647 an nichts weniger als an eine Distanzierung von Schweden
Tischer , Diplomatie, 309.
Tischer verweist jedoch in diesem Zusammenhang zu Recht auf die abweichende Haltung d’Avaux’, der Schweden phasenweise vorwarf, keinen Frie- denswillen erkennen zu lassen, und vor diesem Hintergrund die Allianz der Kronen in Frage stellte (
ebd. , 151 und 307f; vgl. hierzu insbes. auch nr. 132).
.
Daß diese außenpolitische Grundausrichtung jedoch keinesfalls gleichbe- deutend war mit einer vorbehaltlosen Unterstützung der schwedischen
[p. LXXXIII]
[scan. 83]
Interessen
So stand man französischerseits beispielsweise einem weiteren schwed. Machtzuwachs im Reich ablehnend ggb. (vgl. nr. 35). Dies zeigt deutlich die interne frz. Reaktion auf den Anfang August 1647 geäußerten Vorschlag Oxenstiernas einer Fortführung des Krieges auf der Grundlage einer erneuerten frz.-schwed. Allianz mit dem Ziel, die territorialen Satisfaktionsbestimmungen für Frk. und Schweden auszuweiten (vgl. nr.n 90, 103 und 104).
, zeigte sich in der zweiten Jahreshälfte 1647 nicht nur in bündnispolitischer Hinsicht, sondern auch im Rahmen der Verhandlungen auf dem Westfälischen Friedenskongreß, die es nachfolgend noch zu schil- dern gilt.
II. Die französische Gesandtschaft und ihre Korrespondenzen
Zur Struktur und Zusammensetzung der frz. Gesandtschaft insgesamt, zur Quellenlage und zum Quellenwert der Gesandtschaftskorrespondenzen sowie zur Arbeitsweise der Kanzleien Longuevilles, d’Avaux’ und Serviens sei auf die Einleitungen der vorangegan- genen Bände der frz. Korrespondenz
APW II B 1 – 5 verwiesen, insbes. auf die ausführ- liche Darstellung in
APW II B 5, deren Ergebnisse auch für den hier vorliegenden Band Gültigkeit beanspruchen können und daher hier nicht im einzelnen wiederholt werden (vgl.
APW II B 5/1, LXXIV–LXXXIV). Zu den einzelnen Korrespondenzsträngen und zur politischen Entscheidungsfindung am frz. Hof vgl. auch
Tischer , Diplomatie, 14–24.
Während der Sommer- und Herbstmonate des Jahres 1647 ergaben sich im Hinblick auf die personelle Zusammensetzung der französischen Ge- sandtschaft auf dem Westfälischen Friedenskongreß – abgesehen von der Wiederaufnahme der Tätigkeit Serviens in Münster
Vom 3. bis zum 7. September 1647 hielt sich Servien allerdings zu Verhandlungen mit Oxenstierna und Salvius in Osnabrück auf (vgl.
Babel , Friedenskongreß, 24).
nach Abschluß der Garantieverhandlungen in Den Haag – keine grundlegenden Verände- rungen . Auch wenn somit vordergründig das Moment der personellen Kontinuität dominierte, traten bereits in diesem Zeitraum Interessen und Konflikte deutlich zutage, die schließlich im Februar bzw. März 1648 die Abreise Longuevilles und die Abberufung d’Avaux’ vom Westfälischen Friedenskongreß
Zu den Hintergründen vgl.
Tischer , Diplomatie, 103, 113f und 171–180.
nach sich ziehen und die Struktur der französischen Gesandtschaft fundamental verändern sollten.
In ganz augenfälliger Weise wird dies in der Korrespondenz Longuevil- les
Zur Korrespondenz Longuevilles vgl. allgemein
Braun , Einleitung, LXXVIII.
mit Mazarin greifbar, die im vorliegenden Band Aufnahme gefun- den hat. Der französische Prinzipalgesandte, von dessen Ungeduld, nach Frankreich zurückzukehren, Servien schon im März 1646 berichtet hatte
Vgl. das Memorandum Serviens für Lionne, Münster 1646 März 24
(APW II B 3/1 nr. 189, hier 650 Z. 26ff; vgl.
Tischer , Diplomatie, 102 Anm. 22).
, drängte seit dem Frühjahr 1647 auf seine Abreise vom Friedens- kongreß
Vgl. bereits Longueville an Mazarin, Münster 1647 Mai 20
(APW II B 5/2 nr. 280, hier 1322 Z. 8–12); vgl. ferner auch
Braun , Einleitung, LXXXIII.
. Dahinter stand einerseits die Überzeugung, daß seine weitere
[p. LXXXIV]
[scan. 84]
Anwesenheit in Münster nicht erforderlich sei
. Andererseits mani- festierte sich in seinem Abreisewunsch wohl auch das grundsätzliche Be- dürfnis , seine Gesandtschaftstätigkeit, die de facto einem politischen Ab- stellgleis gleichkam
Vgl.
Dickmann ,
196;
Tischer ,
Diplomatie, 100.
, gegen die Möglichkeit einzutauschen, verloren- gegangenes Terrain am französischen Hof zurückzugewinnen. Mazarin zögerte in dieser Frage. Zwar hatte er am 8. Juni sein Einverständnis mit einer Reise Longuevilles nach Frankreich bekundet
Vgl. Mazarin an Longueville, [Amiens] 1647 Juni 8
(APW II B 5/2 nr. 317).
. Er bemühte sich aber in den folgenden Wochen und Monaten, ihn zum Verbleib auf dem Friedenskongreß zu bewegen, weil er fürchtete, daß die Abreise des fran- zösischen Prinzipalgesandten als Zeichen fehlenden französischen Frie- denswillens interpretiert würde
Vgl.
ebd. und
Braun , Einleitung, LXXXIII. Auch Servien arbeitete gezielt darauf hin, Longuevilles Abreise, die seiner Ansicht nach einen Verhandlungsstillstand zur Folge ha- ben würde, nach Möglichkeit zu verhindern (vgl. insbes. nr. 111). Eine Abreise des Prin- zipalges . wurde zudem im Hinblick auf die Arbeit innerhalb der frz. Gesandtschaft als nachteilig angesehen, da in einem solchen Falle große Probleme angesichts der Feind- schaft zwischen d’Avaux und Servien zu erwarten waren (vgl. die Andeutungen Briennes ggb. d’Avaux in nr. 5). Servien gab ggb. Lionne zu bedenken, er wisse aufgrund des Verhaltens d’Avaux’ gar nicht, wie er mit diesem zukünftig noch zusammenarbeiten solle, falls Longueville abreise (vgl. nr. 101).
. Da Ende August erneut Bewegung in die französisch-spanischen Verhandlungen kam
Vgl. hier insbes. nr. 117.
und zudem auch die Mediatoren und die Generalstaaten Longueville zu verstehen gaben, daß sie die Fortsetzung seines Wirkens auf dem Friedenskongreß wünschten, rang sich der Prinzipalgesandte schließlich spätestens Anfang September zur Freude Mazarins
dazu durch, die geplante Reise nach Frankreich vorerst aufzuschieben
Vgl. nr.n 118, 131 und 142. Noch am 30. August 1647 rechnete Mazarin offenbar mit der Abreise Longuevilles vom Friedenskongreß (vgl. nr. 126).
.
Dieser Entschluß Longuevilles wirkte sich auf sein persönliches Verhältnis zu Mazarin zweifellos positiv aus. Noch zu Anfang des Monats Juli hatte der Prinzipalgesandte den Verdacht des Kardinalpremiers, er, Longuevil- le , mache die Weisungen des Hofes für das bisherige Ausbleiben eines Friedensschlusses verantwortlich
Vgl. Mazarin an Longueville, Amiens 1647 Juni 22
(APW II B 5/2 nr. 341).
, entschieden zurückgewiesen und gleichzeitig auf eine persönliche Aussprache mit Mazarin gedrängt
. Die- ser brachte daraufhin sein Bedauern über diesen Vorfall zum Ausdruck
, und er war auch in der Folgezeit sehr darauf bedacht, einer weiteren Ver- schlechterung des gegenseitigen Verhältnisses entgegenzusteuern. Demon-
[p. LXXXV]
[scan. 85]
strative Zufriedenheit und Lob äußerte Mazarin beispielsweise, als er Longueville Anfang August von dem freundlichen Empfang berichtete, der ihm gemeinsam mit dem französischen König in der Normandie be- reitet worden war, was er ausdrücklich mit dem dortigen Wirken Longue- villes in Zusammenhang brachte
Longueville war seit 1619 Gouverneur der Normandie. Zum Empfang in Dieppe vgl.
[ nr. 100 Anm. 1 ] .
. Es fügt sich in dieses Bild ein, daß sich der Kardinalpremier auch darüber hinaus erkennbar darum bemüht zeig- te , gute Beziehungen zu Longueville herzustellen
Servien hatte Mazarin wiederholt gemeldet, daß Longueville an guten Beziehungen zu Mazarin interessiert sei (vgl. v.a. nr.n 111, 194 und 206).
. Dieser war offenbar zunächst unzufrieden damit, wie seine Dienste am französischen Hof ge- würdigt wurden
. Er ließ jedoch seine Dankbarkeit gegenüber Mazarin verlauten
, nachdem er im September die Grafschaft Joux
Vgl. hierzu nr.n 175, 176, 194, 195 und 206.
in Aussicht gestellt bekommen und überdies die Zusicherung Königin Annas erhalten hatte, daß seine Ämter nach seinem Tode auf seinen Sohn übertragen wer- den sollten
.
Von einem ähnlich einvernehmlichen, wenn auch nicht spannungsfreien
Verhältnis wie zwischen Longueville und Mazarin kann im Hinblick auf die Beziehungen des Kardinalpremiers zu d’Avaux in den Sommer- und Herbstmonaten des Jahres 1647 keine Rede sein, wie die in diesem Band edierte Korrespondenz verdeutlicht
Zur Korrespondenz d’Avaux’ allgemein vgl.
Braun , Einleitung, LXXVIIf. Aufgenom- men sind in vorliegendem Band Korrespondenzen d’Avaux’ mit Mazarin und Brienne, nicht aber seine Schreiben an den
surintendant des finances d’Emery (vgl. hierzu nr. 115), die zumeist lediglich Verhandlungsinformationen enthalten, die auch anderweitig über- liefert sind.
. Auch d’Avaux, der ebenso wie Longueville an der Spitze eines eigenen Klientelsystems stand und ins- gesamt gesehen als politischer Konkurrent Mazarins um den Führungs- anspruch am französischen Hof anzusehen ist
Vgl. hierzu insges.
Tischer , Diplomaten, sowie die biographischen Skizzen Longuevilles und d’Avaux’ bei
Tischer , Diplomatie, 99–105 bzw. 105–118.
, war Ende Juni mit dem heftigen Vorwurf konfrontiert worden, er laste Mazarin die Schuld dafür an, daß noch kein Friedensschluß erfolgt
sei
Vgl. nr. 15 und
Braun ,
Einleitung, LXXXIIIf.
. Zwar sah der Kardinalpre- mier zunächst noch von einer Abberufung d’Avaux’ ab
. Die Über- legung , ihn von den Friedensverhandlungen zu entfernen, war damit je- doch nicht ein für allemal ad acta gelegt, wie das vom 20. September 1647 datierende Schreiben Lionnes an Servien, der zuvor ausgiebig von der
[p. LXXXVI]
[scan. 86]
vermeintlichen Intriganz seines Kollegen berichtet hatte, belegt
Die Tatsache, daß Longuevilles Abreise vom Kongreß noch zur Diskussion stehe, halte, so Lionne, Mazarin vorerst davon ab, den Gedanken einer Abberufung d’Avaux’ in die Tat umzusetzen (vgl. nr. 163).
. Zwei- fellos verschärfte die Einflußnahme Serviens in diesem Kontext den Konflikt, wurde er doch nach seiner Rückkehr aus Den Haag in seinen Schreiben an Lionne nicht müde, Mazarin über die seiner Ansicht nach offenkundigen Intrigen und Verfehlungen d’Avaux’ zu informieren sowie den angeblichen persönlichen Haß seines Kollegen auf den Kardinalpre- mier herauszustellen
Vgl. z.B. nr.n 101, 111, 143, 207 und 239. Servien bediente sich bei der Darstellung der Defizite d’Avaux’ regelmäßig heftiger Worte und bezeichnete dessen Intrigen beispiels- weise als
maligne und
criminelle (vgl. nr. 207, hier 586 Z. 4f). So habe d’Avaux verlauten lassen, er könne sich an Mazarin rächen, indem er vom Kongreß abreise und der schlech- ten Regierung des Kardinalpremiers hierfür die Verantwortung zuweise. Ferner, so wußte Servien über vermeintliche Äußerungen Salvius’ zu berichten, sei d’Avaux die Kardinals- würde von seiten Trauttmansdorffs, Chigis und Wartenbergs dafür in Aussicht gestellt worden, daß er sich im Gegensatz zu seinen Kollegen für die kath. Religion eingesetzt habe (vgl.
ebd. ).
.
Während Mazarin seinerseits darauf bedacht war, Versuchen d’Avaux’ zu begegnen, Longueville und Servien verhandlungsrelevante Informationen vorzuenthalten und zunächst lediglich in seiner Partikularkorrespondenz mit dem Kardinalpremier zur Sprache zu bringen
Vgl. nr. 110. Lionne informierte Servien daraufhin über die Sondierungen d’Avaux’ (vgl. nr. 128).
, nutzte er nach wie vor vor allem die vertrauliche Korrespondenz zwischen Lionne und Ser- vien
Nach der Wiederaufnahme der Tätigkeit Serviens in Münster rückte eindeutig seine Kor- respondenz mit Lionne in das Zentrum seiner Berichterstattung an Mazarin (vgl. Ser- viens Ankündigung in nr. 101). Dies führte sogar dazu, daß sich der Kardinalpremier mitunter veranlaßt sah, Servien ausdrücklich anzuweisen, seine Bedenken weniger im Rahmen seiner vertraulichen Korrespondenz mit seinem Neffen zu äußern, sondern stär- ker in die an den Kg. gerichteten Memoranden einfließen zu lassen, damit er, Mazarin, nicht in die Verlegenheit gerate, erst einen Weg finden zu müssen, wie er seine diesbezüg- lichen Absichten auch an Longueville und d’Avaux gelangen lassen könne (vgl. nr. 221).
, um diesem nötigenfalls einen Informationsvorsprung gegenüber seinen Kollegen in Münster zu verschaffen
So informierte Lionne Servien am 13. September 1647 vertraulich über Ansichten Maza- rins , die offenbar auch den Überzeugungen d’Avaux’ entsprachen, um zu verhindern, daß Servien seinem Kollegen in diesem Punkte widerspreche und somit gleichzeitig auch in Gegensatz zu Mazarin gerate (vgl. nr. 150).
: Servien war und blieb als
créature Mazarins derjenige französische Kongreßgesandte, der über den besten Informationsstand verfügte und letztlich auch am intensivsten in den politischen Entscheidungsfindungsprozeß der französischen Regierung einbezogen wurde
Dies gilt auch für die Zeit des Aufenthaltes Serviens in Den Haag, während der er über die Korrespondenz zwischen dem frz. Hof und Münster bzw. Osnabrück auf dem lau- fenden gehalten wurde. Von den in der Regel von Lionne konzipierten, inhaltlich durch Mazarin geprägten Memoranden, die im Namen des frz. Kg.s an die Gesandtschaft in Westfalen abgingen, erhielt Servien während seiner Abwesenheit vom Friedenskongreß Duplikate, die von Brienne unterfertigt waren (vgl. nr.n 8, 22, 35, 52 und 72; nr. 52 war zugleich auch für Servien gedacht, was im Kopfregest dadurch gesondert vermerkt ist, daß dessen Name in runder Klammer hinzugefügt ist; zu diesem Verfahren, das schon in APW II B 5 Anwendung fand, vgl.
Braun , Einleitung, LXXIV Anm. 4). Diese kgl. Memoranden wurden als Beilagen zu entsprechenden Anschreiben Briennes an die
Ges.
übersandt. In der vorliegenden Edition werden sie nur dann eigens als Beilage aufge- führt , wenn das jeweilige Anschreiben Briennes explizit die Übersendung eines kgl. Me- morandums erwähnt (vgl. nr.n 34, 146 und 171). Gewissermaßen das Gegenstück bilde- ten die an den frz. Kg. gerichteten Memoranden der
Ges.
in Münster, die jeweils gemein- sam mit einem entsprechenden Anschreiben an Brienne übersandt und ebenfalls ab- schriftlich Servien mitgeteilt wurden, als er sich in den Ndl.n aufhielt. Einen weiteren wichtigen Korrespondenzstrang während der Garantieverhandlungen in Den Haag, der nicht zuletzt im Hinblick auf die Abstimmung der auf dem Friedenskongreß und in den Ndl.n verfolgten frz. Politik von konkreter Bedeutung war, bildete der Schriftwechsel zwischen Servien und seinen Kollegen in Münster. Ediert sind im vorliegenden Band au- ßerdem Partikularkorrespondenzen Serviens mit Brienne, Mazarin, Lionne und La Court sowie ein kurzes Schreiben Serviens an Chanut, mit dem eine für das Verständnis der frz. Kongreßpolitik wichtige Beilage übersandt wurde (vgl. nr. 135).
.
[p. LXXXVII]
[scan. 87]
Diese Schlüsselstellung Serviens entsprach bekanntlich nicht seinem Rang innerhalb der französischen Gesandtschaft
Vgl. hierzu die entsprechenden Äußerungen Serviens in nr. 239.
und kollidierte immer wieder mit den Ansprüchen d’Avaux’
Zum Streit zwischen d’Avaux und Servien vgl.
Tischer , Diplomatie, 127–157.
. Schon sehr bald nach Serviens Rückkehr aus Den Haag stellten sich die gewohnten Differenzen mit dem Zweitbevollmächtigten ein
Ein frühes Beispiel ist in nr. 120 im Kontext der Bewertung des frz.-ndl. Garantivertrages geschildert.
, die sowohl in den grundverschiedenen Persönlichkeiten als auch den nicht selten divergierenden politischen Interessen und Überzeugungen der beiden Gesandten gründeten. Wäh- rend die Zusammenarbeit Serviens mit Longueville im Sommer und Herbst 1647 allem Anschein nach weitgehend problemlos verlief
In den Schreiben Serviens an Lionne finden sich in diesem Zeitraum wiederholt wohl- wollende Äußerungen über Longueville (vgl. z.B. nr. 195 und nr. 239), die mitunter al- lerdings mit einer Kritik an der Verhandlungsführung des Prinzipalges. einhergingen (vgl. insbes. nr. 228).
, häuf- ten sich mit der Zeit die Klagen Serviens über die Intriganz d’Avaux’, ohne daß es allerdings zu einem offenen Eklat im Hinblick auf ihre ge- meinsame Arbeit gekommen wäre
Die Darstellung der vermeintlichen Intriganz und Unfähigkeit d’Avaux’ bildete auch in der zweiten Jahreshälfte 1647 einen zentralen, immer wiederkehrenden Bestandteil der Berichterstattung Serviens an Lionne (vgl. z.B. Anm. 161). Servien wußte überdies von dem schlechten persönlichen Verhältnis zwischen Longueville und d’Avaux zu berichten (vgl. nr. 101 und nr. 183 sowie ferner auch nr. 246). Freilich sah er Anfang Oktober noch ausdrücklich davon ab, die Frage einer möglichen Abberufung d’Avaux’ eindeutig zu bejahen, da eine solche Entscheidung nachteilige Folgen für die Friedensverhandlungen erwarten ließ (vgl. nr. 183).
. Hinzu kam, daß d’Avaux in einer Angelegenheit auf Konfrontationskurs zu Servien ging, die dieser mit Nachdruck zu eigenen Gunsten betrieb. Es handelte sich dabei um die Prätentionen Serviens auf die in den französisch-spanischen Verhandlun-
[p. LXXXVIII]
[scan. 88]
gen umstrittene Grafschaft Charolais, deren Erwerb er vor allem mit dem Ziel anvisierte, eine persönliche Standesaufwertung zu erlangen
. Während er seine diesbezüglichen Ansprüche über Lionne bei Mazarin vorbringen ließ
Vgl. insbes. nr. 163 mit Anm. 6 sowie nr.n 183, 195, 201, 207, 212, 216 und 221.
, wirkte d’Avaux im Sinne einer Verleihung der Graf- schaft an einen anderen Prätendenten, nämlich den Herzog von Atri und Melfi
. Servien setzte sich schließlich durch und erhielt Ende Oktober 1647 die Zusicherung, daß ihm – allerdings erst nach einem Friedensschluß mit Spanien – die Grafschaft übertragen werde
.
Ein wichtiger Informant und Verbündeter im Rahmen der internen Machtkämpfe Serviens mit d’Avaux war im hier behandelten Zeitraum der von ihm protegierte Resident in Osnabrück, La Court
Zum Stellenwert La Courts vgl.
Tischer ,
Diplomatie, 163–167;
Braun ,
Einleitung, LXXVII.
, auch wenn Servien mit dessen Berichterstattung nicht immer zufrieden war
Vgl. nr. 247; vgl. auch den Entwurf eines nicht abgesandten Schreibens Serviens an La Court aus dem November 1647 (eigh. Konzept:
AE
,
CP
All. 90 fol. 137–138).
. Im Unterschied zu APW II B 5 kommt die Korrespondenz La Courts, die er während seiner Anwesenheit in Osnabrück
La Court hielt sich im hier behandelten Zeitraum bis zum 19. Juli (vgl. La Court an Servien, [Münster] 1647 Juli 19; Ausf.:
AE
,
CP
All. 88 fol. 514–514’), vom 26.–31. Juli, vom 12.–24. August, ca. vom 24.–26. September (vgl. nr. 168 und La Court an [Lionne], Osnabrück 1647 September 30; Ausf.:
AE
,
CP
All. 85 fol. 243–246’) sowie vom 12.–23. Oktober 1647 in Münster auf (
Babel , Friedenskongreß, 22–25).
mit den französischen Ge- sandten und separat mit Servien führte, im vorliegenden Band größten- teils zum Abdruck, da in ihr wichtige Informationen über die dortigen Verhandlungen und jeweiligen Stimmungslagen enthalten sind und sie darüber hinaus auch aufschlußreiche Einblicke in die konkrete Gestaltung der französisch-schwedischen Beziehungen gewährt
Nicht zum Abdruck kommen jedoch – mit einer Ausnahme (nr. 236 Beilage 1) – die Schreiben des frz. Res.en in Münster, Saint-Romain, da die dort enthaltenen Informatio- nen zumeist ebenfalls in der Gesandtschaftskorrespondenz aus Münster enthalten sind.
. La Court äußerte sich im Sommer und Herbst 1647 sehr unzufrieden über seine Tätigkeit in Osnabrück
Vgl. z.B. La Court an [Lionne], Osnabrück 1647 August 26 und September 2 (Ausf.en:
AE
,
CP
All.
85 fol. 116–120’;
ebd. fol. 151–153).
und mußte überdies Ende Oktober 1647 sogar hinnehmen, daß die ihm in Aussicht gestellte baldige Übernahme des Botschafter- postens in Den Haag auf unbestimmte Zeit verschoben wurde
Vgl. nr. 229 und nr. 234. Die von La Court erhoffte Entsendung nach Den Haag wurde nicht realisiert. Als 1648 der Botschafterposten in Den Haag infolge der Abreise La Thuilleries vakant wurde, blieb La Court als Vertreter Frk.s in Osnabrück (
Tischer , Diplomatie, 166).
. Da zu- dem auch die Abreisegedanken Longuevilles und die Abberufungserwä- gungen Mazarins im Hinblick auf d’Avaux vorläufig nicht in die Tat um-
[p. LXXXIX]
[scan. 89]
gesetzt wurden, blieben Umstrukturierungen innerhalb der französischen Kongreßgesandtschaft zunächst aus. Erst die Abreise Longuevilles aus Münster am 3. Februar 1648 stellte in dieser Hinsicht eine wichtige Zäsur dar.
III. Die Friedensverhandlungen
a. Die Verhandlungen mit Spanien
Die im vorliegenden Band edierte Korrespondenz belegt nachdrücklich, daß die französische Regierung im Sommer und Herbst 1647 Spanien als Hauptkriegsgegner ansah und folglich den Verhandlungen der französi- schen Gesandten mit den spanischen Bevollmächtigten in Münster große Bedeutung beimaß. Dieser herausragende Stellenwert des Faktors Spanien im außenpolitischen Kalkül der französischen Diplomatie während der zweiten Jahreshälfte 1647 resultierte auch und gerade aus der Beurteilung der Kräfteverhältnisse zwischen den beiden Linien der Casa de Austria: Während man französischerseits zu erkennen glaubte, daß Spanien das habsburgische Gesamthaus unangefochten dominiere, neigte man gleich- zeitig dazu, die Rolle des Kaisers auf die eines Erfüllungsgehilfen spa- nischer Zielsetzungen zu reduzieren
Die stereotype Schilderung der vermeintlichen Dominanz der Spanier im Hause Öster- reich und ihrer als maßgebend angesehenen Rolle im Rahmen der Gestaltung der ksl. Politik durchzieht die frz. Korrespondenz in den Sommer- und Herbstmonaten 1647 wie ein roter Faden: Der span. Staatsrat beherrsche die ksl. Politik (vgl. nr. 117), der ksl.
Ges.
Volmar sei gänzlich von dem span. Prinzipalges. Peñaranda abhängig (vgl. nr. 105), und Terranova, der span.
Ges.
am Ks.hof, regiere Ks. Ferdinand III. (vgl. nr. 219).
. Die Spanier seien lediglich darauf bedacht, ihre speziellen Anliegen zu verfolgen, und im Zweifelsfall stets bereit, die Interessen ihrer Verbündeten zu opfern
Vgl. z.B. nr.n 35, 103 und 147.
.
Die prinzipielle Annahme spanischer Suprematie im Hause Österreich, die sich nach französischer Wahrnehmung auch auf die Friedensverhandlun- gen des Kaisers mit Frankreich erstrecke
, bildete den argumentativen Hintergrund der Stellungnahmen der französischen Kongreßgesandten zu der während der Sommer- und Herbstmonate 1647 wiederholt erörter- ten zentralen Frage, ob ein gleichzeitiger Friedensschluß mit Spanien und dem Kaiser anzustreben sei bzw. welchem Separatfrieden gegebenenfalls der Vorrang eingeräumt werden müsse. Grundsätzlich herrschte französi- scherseits Einigkeit darüber, daß ein allgemeiner Frieden etwaigen Sepa- ratabkommen vorzuziehen sei. Sollte aber ein Friedensschluß pari passu nicht möglich sein, so hatte nach Ansicht der französischen Gesandten der Frieden mit Spanien Priorität
Vgl. insbes. die entsprechenden Stellungnahmen der frz.
Ges.
in nr. 41 und nr. 170. Ser- vien wies zudem ausdrücklich darauf hin, daß ein vorzeitiger Separatfriedensschluß Frk.s mit Ks. und Reich eher nachteilig sei (vgl. nr. 47).
. Der Primat einer möglichst auf der
[p. XC]
[scan. 90]
Grundlage einer
paix générale erfolgenden Verständigung mit Spanien stand jedoch keinesfalls alternativlos da. Vielmehr zeugen die in der Kor- respondenz zwischen dem französischen Hof und der Kongreßgesandt- schaft greifbaren internen Erörterungen davon, daß im Sommer 1647 pha- senweise auch das Modell eines auf die Niederlande beschränkten Separat- friedens mit Spanien ernsthaft in Erwägung gezogen wurde
. Ein solches Separatabkommen sei allerdings, so resümierte Servien, nur als letztes Mittel anzusehen, um im Fall des Scheiterns eines allgemeinen Friedens- schlusses überhaupt noch zu einer Verständigung zu gelangen
Vgl. hierzu Serviens Votum in nr. 69.
.
Daß die französische Regierung gleichwohl davon überzeugt war, nicht um jeden Preis einen Frieden mit Spanien schließen zu müssen
Gerade auch die Aufstände in Neapel und Sizilien sowie der Abschluß des Garantiever- trages mit den Gst. am 29. Juli 1647 (vgl. hierzu
[ S. LXVIIIf ] bzw.
[ LXX–LXXVI ] ) waren wichtige Faktoren, die aus frz. Sicht im Sommer 1647 gegen einen schnellen, möglicher- weise übereilten Friedensschluß mit Spanien sprachen und von denen keine zwingende Friedensnotwendigkeit für Frk. ableitbar war.
, stand in engem Zusammenhang mit der Wahrnehmung der militärischen Kräf- teverhältnisse
Vgl. etwa die Betonung der militärischen Überlegenheit Frk.s in nr. 187.
. Die noch nicht entschiedenen und wechselhaften, ins- gesamt aber zuungunsten Spaniens verlaufenden militärischen Ausein- andersetzungen an den verschiedenen Kriegsschauplätzen bedingten je- denfalls eine grundsätzliche Verhandlungsdisposition des französischen Hofes, der die Annahme zugrunde lag, Spanien sei einerseits aufgrund seiner geschwächten militärischen und finanziellen Lage auf einen Frie- densschluß angewiesen
Vgl. hierzu die prägnanten Äußerungen Mazarins in nr. 75.
, andererseits jedoch offenkundig nicht willens, Frieden mit Frankreich zu schließen. Vielmehr ziele der spanische Hof, angetrieben von seinen
desseins ambitieux
Vgl. nr. 12, hier 45 Z. 29.
und der
haine implacable
Vgl. nr. 253, hier 747 Z. 29.
gegen Frankreich, auf eine Separatverständigung mit den Generalstaaten ab, die es ermöglichen solle, den Krieg gegen Frankreich mit Nachdruck fortzusetzen
Die Klagen über die vermeintlich fehlende Bereitschaft Spaniens, Frieden mit Frk. zu schließen, und über die daraus resultierende Intransigenz der span.
Ges.
in den Verhand- lungen mit ihren frz. Kollegen auf dem
WFK
waren fester Bestandteil der Korrespondenz zwischen dem frz. Hof und der Gesandtschaft in Westfalen; vgl. hierzu und zur grund- sätzlichen Wahrnehmung der span. Politik auf frz. Seite
Rohrschneider , Tradition, hier 268ff.
. Entgegenkommen in den Verhandlungen mit Frankreich sei demgegenüber nur im Falle einer zwingenden Notwendigkeit
( néces- sité )
Vgl. nr.n 35, 117 und 153.
für Spanien zu erwarten.
In dieses Bild des fehlenden Willens Spaniens zur Verständigung mit Frankreich fügten sich im Verlauf des Sommers und Herbstes 1647 Ereig-
[p. XCI]
[scan. 91]
nisse und Nachrichten ein, die den französischen Hof in der Tat in dem Eindruck bestärken konnten, weniger denn je ernsthaften spanischen Ver- handlungswillen voraussetzen zu können. So reagierte man mit besonde- rer Empörung
Lionne berichtete Servien vertraulich über Details der aufgedeckten Intrigen, die nach seinem Dafürhalten so verwerflich seien, daß er seinen Onkel aufforderte, sein Schreiben nach der Lektüre zu verbrennen, damit die Nachwelt keine Kenntnis von den beschrie- benen Vorgängen erlange (vgl. nr. 115).
, als zu Anfang August Nachrichten über geplante Um- sturzversuche in Frankreich am Hof eintrafen, die man spanischer Initia- tive zuschrieb
Vgl. nr.n 97, 103, 114, 115, 117, 130 und 133.
. Für den Gang der französisch-spanischen Friedensver- handlungen in Münster waren diese Vorfälle nicht unwesentlich, da die französischen Gesandten aus diesen landesverräterischen Intrigen ver- meintliche Verhandlungsverzögerungen durch die spanische Kongreß- gesandtschaft ableiteten
. Darüber hinaus stellte man französischerseits einen direkten Zusammenhang her zwischen der spanischen Unnachgie- bigkeit in den Friedensverhandlungen mit Frankreich und der politisch- militärischen Entwicklung im Reich, die im zeitlichen Umfeld der kur- bayerischen Aufkündigung des Ulmer Waffenstillstandes eine für Frank- reich ungünstige Wendung zu nehmen drohte: Spanien arbeite gezielt auf eine schnelle Verständigung der katholischen und protestantischen Reichs- stände hin, deren Zielsetzung es sei, unter der Führung des Kaisers eine prononciert antifranzösische und -schwedische Politik zu betreiben
Vgl. v.a. nr. 147 und nr. 166.
. Als dann Ende Oktober zudem Nachrichten darüber eintrafen, daß König Philipp IV. von Spanien den Staatsbankrott erklärt und sämtliche Schul- denzahlungen auf Kosten der Gläubiger eingestellt habe, deutete man dies auf französischer Seite dementsprechend nicht als Zeichen der Schwäche des Kontrahenten, sondern als nunmehr offenkundige Bereitschaft der spanischen Krone, die verbliebenen finanziellen Ressourcen zu mobili- sieren und den Krieg gegen Frankreich zu forcieren
Vgl. nr. 219 und nr. 250.
. Daß die Spanier ferner sogar, wie Anfang November aus Paris nach Münster gemeldet wurde, die streng geheimen Korrespondenzen der französischen Kongreß- gesandtschaft mit dem Hof in ihre Hände gebracht hatten
Vgl. nr.n 231, 232, 233, 252 und 253 und
[ S. CX ] ; vgl. ferner
CDI
83, 127;
ebd.
84, 8f und 12;
Bosbach ,
Kosten, 215;
Tischer ,
Diplomatie, 33;
Braun ,
Einleitung, CXXXVIII.
, fügte sich nahtlos in das negative Bild ein, das man von der Verständigungsbereit- schaft des Kriegsgegners gewonnen hatte, und ließ überdies unmittelbar nachteilige Konsequenzen für den weiteren Verlauf der Friedensverhand- lungen befürchten.
Diese Meldungen, die einen baldigen Friedensschluß in scheinbar weite Ferne rücken ließen und Anlaß zu neuem Mißtrauen waren, trugen ins- gesamt gesehen dazu bei, den nachteiligen Eindruck zu bestätigen, den
[p. XCII]
[scan. 92]
man von seiten Frankreichs gerade auch von der konkreten Verhand- lungsführung der spanischen Gesandten auf dem Friedenskongreß gewon- nen hatte. Daran änderte selbst die Tatsache nichts, daß die französisch- spanischen Verhandlungen nach langem Stillstand
Peñaranda hatte sich zeitweise nicht in der Stadt Münster, sondern in einem nahegelege- nen Landhaus aufgehalten (vgl. insbes. nr.n 117, 141 und 154).
angesichts der bevor- stehenden Rückkehr der niederländischen Gesandten nach Münster
Die ndl.
Ges.
kehrten bis Anfang September wieder zum Friedenskongreß zurück (vgl. nr.n 88, 129 und 141), nachdem sie nach Abschluß der ndl.-span. Provisional-Art. zu Be- ratungen in die Ndl. abgereist waren (vgl.
APW II B 5/1, hier insbes.
[ nr. 86 Anm. 5 ] und nr. 224). Laut Servien drängten v.a. die Mediatoren im August 1647 darauf, noch vor der Rückkehr der ndl.
Ges.
einen Abschluß der frz.-span. Verhandlungen herbeizuführen (vgl. nr. 101).
Ende August unter der Vermittlung der Mediatoren
Vgl. in diesem Zusammenhang
Braun , Einleitung, CLVff. Darüber hinaus spielten im Editionszeitraum Erwägungen eine Rolle, die strittigen Fragen der frz.-span. Verhand- lungen einem Schiedsspruch der Gst. oder Pz. Wilhelms II. von Oranien anheimzustellen (vgl. z.B. nr.n 35, 141, 219, 228, 244 und 246).
wieder in Gang gekommen waren
Vgl. v.a. nr. 117 und nr. 130. Unmittelbar zuvor hatten sich Kontakte zwischen d’Avaux und dem span.
Ges.
Brun ergeben, bei denen sogar eine persönliche Unterredung anvi- siert worden war. Mazarin riet d’Avaux jedoch nachdrücklich davon ab, sich auf ein solches Treffen einzulassen (vgl. nr. 110 und nr. 127).
. Aktueller Handlungsbedarf ergab sich für die fran- zösische Regierung, gerade weil die niederländisch-spanischen Verhand- lungen im Laufe des Monats September deutlich voranschritten und ein entsprechender Separatabschluß in greifbare Nähe zu rücken schien: Vom 12. September 1647 datiert die niederländische Verhandlungspropositi-
on
, zehn Tage darauf erfolgte die spanische Responsion
und weitere sechs Tage darauf, am 28. September, die niederländische Replik
. Eine schnelle Verständigung blieb allerdings aus, so daß die niederländischen Gesandten Pauw, Knuyt und Clant am 16. Oktober aus Münster zur Be- richterstattung nach Den Haag abreisten
. Als zentraler Streitpunkt hatte sich die geistliche Jurisdiktion in der Meierei von ’s-Hertogenbosch herauskristallisiert, über welche die Spanier nichts vereinbaren wollten
Vgl. nr.n 153, 170, 182, 183, 192, 231, 244 und 250.
. Am französischen Hof machte man sich indes keine Illusionen darü- ber , daß diese Frage kein unüberwindbares Hindernis auf dem Weg zu einem baldigen niederländisch-spanischen Separatfrieden darstellte. Zu fest war man von der spanischen Konzessionsbereitschaft – auch in Religi- onsfragen – zur Realisierung des Separatabkommens mit den Vereinigten Provinzen überzeugt; zu eindeutig erschien der französischen Regierung das spanische Ziel, einen Keil in die französisch-niederländische Allianz zu treiben, als daß man noch ernsthaft in Betracht gezogen hätte, daß
[p. XCIII]
[scan. 93]
Philipp IV. die machtpolitischen Gesamtinteressen der spanischen Krone zugunsten der Sicherung der katholischen Religion in der Meierei von ’s-Hertogenbosch zurückstelle
Dahinter stand der traditionelle frz. Vorwurf, Spanien sei – trotz seines Selbstverständ- nisses als
monarquía católica – jederzeit bereit, Religionsfragen zugunsten machtpoliti- scher Interessen zu opfern (vgl. hierzu allgemein
Rohrschneider , Tradition, 277–280), der auch im hier behandelten Zeitraum, insbes. im Kontext der Erörterung der ndl.-span. Verhandlungen über die Meierei von ’s-Hertogenbosch, nachweisbar ist (vgl. nr.n 179, 182, 231, 244 und 250).
.
Dessenungeachtet ließ die sich anbahnende niederländisch-spanische Ver- ständigung verstärkt die Frage in den Mittelpunkt der Erwägungen des französischen Hofes rücken, ob größere Nachgiebigkeit in den Verhand- lungen mit Spanien den niederländischen Bündnispartner doch noch von der drohenden Separation abzubringen vermöge. Am entschiedensten lehnte Servien ein stärkeres Entgegenkommen gegenüber Spanien ab
Zu Serviens Ablehnung größeren Entgegenkommens in den frz.-span. Verhandlungen vgl. z.B. nr.n. 1, 31, 158, 195 und 228.
. Nach seinem Dafürhalten war eine solche Verhandlungsführung lediglich dazu angetan, neue spanische Forderungen zu provozieren, so daß das Ziel eines französisch-spanischen Friedensschlusses in immer weitere Ferne rüc- ke
Mazarin stimmte dieser Einschätzung ausdrücklich zu (vgl. nr. 176).
. Dennoch gab er zwischenzeitlich zu bedenken, ob nicht doch ein Nachgeben in Fragen von untergeordneter Bedeutung aus verhandlungs- taktischen Gründen, gerade auch im Hinblick auf die verständigungs- bereite Haltung der Generalstaaten gegenüber Spanien, förderlich sei
Vgl. nr. 94. Hierzu zählte Servien savoyische Fragen, die Freilassung Eduards von Bra- gança und die Prätentionen des Hg.s von Atri und Melfi.
.
Dieser sich hier andeutenden Ausrichtung der Friedensverhandlungen mit Spanien – einerseits Konzessionsbereitschaft in den umstrittenen Fragen von zweit- oder drittrangiger Bedeutung, andererseits Intransigenz in den zentralen Verhandlungspunkten, deren Regelung im französischen Sinne als conditio sine qua non eines Friedensschlusses mit Spanien an- gesehen wurde – entsprach grundsätzlich auch die tatsächliche französi- sche Verhandlungsführung im Herbst 1647. Vordergründig deutete alles darauf hin, daß sich beide Parteien nach der Wiederaufnahme der Ver- handlungen Ende August mit großen Schritten einem baldigen Friedens- schluß näherten. Die französischen Gesandten präsentierten den Media- toren am 10. September 1647 einen Entwurf der Artikel 1–21 eines fran- zösisch-spanischen Friedensvertrages, der eine Überarbeitung und Erwei- terung des am 10. April 1647 von Chigi und Contarini übergebenen Textentwurfes der ersten 20 Artikel war
Vgl.
[ nr. 153 Anm. 11 ] ; zur Bewertung der April-Art., die eine span. Überarbeitung des frz. Gesamtentwurfes vom 25. Januar 1647 (vgl.
[ nr. 47 Anm. 2 ] ) waren, vgl. ferner
Tischer , Diplomatie, 394f;
Braun , Einleitung, CXXXVIf.
. Nach Verzögerungen infolge der Anfertigung einer spanischen Übersetzung
Vgl. nr. 166 und nr. 167.
und unter vorläufiger
[p. XCIV]
[scan. 94]
Ausklammerung des noch umstrittenen Artikels 18
Vgl. nr. 166 und Anm. 219.
unterzeichneten die beiden Gesandtschaftssekretäre Boulanger und Fernández del Campo gut zwei Wochen später, am 27. September, die in französischer bzw. spa- nischer Sprache abgefaßten und bei Chigi deponierten Artikel 1–17 und 19–21
Vgl. nr. 178 mit Anm. 1 sowie nr. 179 Beilagen 2 und 3. Diese Art. umfaßten allgemeine Erklärungen bzw. Vereinbarungen über die Friedens- und Freundschaftsabsichten der beiden Kriegsparteien, die Einstellung der Feindseligkeiten, die Vertragsratifikation, die Assistenzfrage und die Zusicherung immerwährenden Vergessens (Art. 1–4), ferner über die Aufhebung von Sanktionen und Repressalien ggb. den Untertanen und Handelsleu- ten des vormaligen Kriegsgegners (Art. 5–17 und 19) sowie über die Besitz- und Nut- zungsrechte an Pfründen (Art. 20–21).
. Das Procedere wiederholte sich, als über die folgenden Artikel verhandelt wurde. Die französischen Gesandten legten den Vermittlern am 10. Oktober Entwürfe des Artikels 22 und der Artikel 23–34, 36–40 und 42–48 sowie noch vor Monatsende einen überarbeiteten Entwurf der Artikel 23–24, 27–34, 37–40 und 42–48 vor
. Die Spanier ihrerseits präsentierten den Mediatoren am 17. Oktober einen Entwurf der verhan- delten Artikel in spanischer Sprache
, und auf der Grundlage dieser Entwürfe unterzeichneten wiederum die beiden Gesandtschaftssekretäre am 16. November insgesamt 23 Artikel, die ebenfalls bei Chigi hinterlegt wurden
Art. 18, 23–25, 27–34, 37–40 und 42–48; vgl. nr. 261 Beilagen 5–7. Diese Art. regelten die Restitution von Flüchtlingen (Art. 18), den Verzicht des span. Kg.s auf Rechte und An- sprüche hinsichtlich der elsässischen Abtretungen, des Sundgaus und Breisachs (Art. 23), die Aushändigung der erforderlichen Dokumente hinsichtlich der an Frk. zu zedierenden Eroberungen (Art. 24), die Restitution des F.en von Monaco (Art. 25), kirchenrechtliche Fragen, insbes. im Hinblick auf Katalonien (Art. 27–29), den über Katalonien laufenden Handel (Art. 30–33), it. Angelegenheiten (Art. 34 und 38–40; vgl. hierzu die Ausführun- gen weiter unten mit Anm. 243), die Differenzen in bezug auf Graubünden und das Veltlin (Art. 37), die gegenseitigen Rechtsvorbehalte in Entsprechung zu den Bestimmun- gen des Friedens von Vervins (1598) und den Verzicht auf eine gewaltsame Verfolgung von Rechtsansprüchen (Art. 42–43), die Freilassung von Kriegsgefangenen (Art. 44–45), die Bestätigung des Friedens von Vervins (Art. 46), die Exekution der Friedensschlüsse von Cateau-Cambrésis (1559) und Vervins (Art. 47) sowie die Abordnung von Kommis- saren zur genauen Grenzziehung (Art. 48).
.
Obwohl nunmehr bereits 43 Artikel vereinbart worden waren und auch die Verhandlungen über die nachfolgenden Artikel sogleich in Gang ge- setzt wurden
Vgl. nr. 261; Saint-Romain an [Chavigny], Münster 1647 November 18 (eigh. Ausf.:
AE
,
CP
All.
90 fol. 96–97’);
Tischer ,
Diplomatie, 399f.
, ließen die französischen Gesandten in ihrer Berichterstat- tung keine Zweifel darüber aufkommen, daß trotz des äußerlichen Fort- schreitens der Verhandlungen bislang noch kein nennenswerter Fortschritt erzielt worden sei
Vgl. z.B. nr.n 178, 179, 180, 195, 214, 224 und 261.
. In der Tat waren zentrale Streitfragen nach wie vor ungelöst. Dies betraf unter anderem wesentliche Aspekte der französisch-
[p. XCV]
[scan. 95]
spanischen Verhandlungen über portugiesische Angelegenheiten. So wur- den im Sommer und Herbst 1647 weder eine Annäherung im Hinblick auf die von Frankreich, Schweden und Portugal geforderte Freilassung des in Mailand inhaftierten portugiesischen Prinzen Eduard von Bragan- ça
Vgl. nr.n 137, 153, 155, 195 und 224.
, des Bruders König Johanns IV., erzielt, noch fand sich eine für beide Kriegsparteien akzeptable Regelung in der Frage zukünftiger militärischer Assistenz Frankreichs für Portugal
Zur Assistenzfrage vgl. grundsätzlich
Tischer ,
Diplomatie, 396f;
Braun ,
Einleitung, CXXXVII, CLIV–CLIX.
.
Hintergrund des letztgenannten Streitpunktes waren die Bemühungen der französischen Regierung, Portugal auch nach einem französisch-spa- nischen Friedensschluß in seinem seit 1640 währenden Unabhängigkeits- kampf gegen Spanien militärisch zu unterstützen
Der frz. Hof war davon überzeugt, daß militärische Unterstützung für Portugal zwin- gend erforderlich für dessen Behauptung gegen Spanien sei. Im Falle eines frz. Assistenz- verzichts sei der Ruin des port. Kg.s unausweichlich, heißt es in nr. 8.
, ohne daß dies als Friedensbruch angesehen werden könnte. Grundsätzliches Ziel der fran- zösischen Politik war es in diesem Kontext, über ein geeignetes militäri- sches Druckmittel zur Friedensassekuration zu verfügen, das Spanien zu- künftig von einer Revision etwaiger Friedensvereinbarungen abhalten sollte
Zur grundsätzlichen frz. Haltung in der Assistenzfrage vgl. etwa
APW II B 5/2 nr. 267 und nr. 277; vgl. ferner
Sonnino , Prelude, 229f;
Braun , Einleitung, CLIV.
.
Die Verhandlungen über diesen Punkt gestalteten sich schwierig, aber nicht aussichtslos. Zwar waren substantielle Verhandlungsfortschritte zu- nächst ausgeblieben, nachdem Chigi und Contarini den Spaniern am 28. Mai 1647 Entwürfe für einen entsprechenden Friedensvertragsartikel (Artikel 3) sowie für ein von französischer Seite gefordertes Attestat der Mediatoren zur außervertraglichen Zusicherung des französischen Assi- stenzrechts für Portugal präsentiert hatten
. Die Assistenzfrage rückte jedoch im Gefolge der Wiederaufnahme der französisch-spanischen Ver- handlungen während des Sommers erneut in das Zentrum der Unterhand- lungen der französischen und spanischen Gesandten mit den Mediatoren. Am 22. August 1647 wurde immerhin eine Vereinbarung über den kon- kreten Wortlaut des Artikels 3 erzielt, der die Frage der Assistenz der bei- den Vertragspartner für ihre jeweiligen Alliierten allgemein regelte, Por- tugal jedoch nicht namentlich aufführte
Vgl. nr. 130 mit Beilage 2.
. Damit war das Problem nicht gelöst, sondern nur verlagert. Es zeigte sich, daß sich die spanische Seite hartnäckig weigerte, einem Attestat der Mediatoren zuzustimmen, das, dem französischen Wunsch folgend, im Hinblick auf den Assistenzartikel eine Erklärung über den Einschluß Portugals enthalten sollte
Vgl. v.a. nr. 31 mit Beilage 1 und nr. 130 mit Anm. 13 und Beilage 3.
. Vielmehr
[p. XCVI]
[scan. 96]
brachte der spanische Prinzipalgesandte Peñaranda seinerseits ein zusätz- liches Zertifikat Chigis und Contarinis ins Gespräch, das die ausdrückliche spanische Absicht dokumentieren sollte, keinesfalls zuzulassen, daß es französischen Truppen in Portugal künftig erlaubt sei, Spanien – unter welchem Vorwand auch immer – anzugreifen
: Der Hof in Madrid war augenscheinlich nach wie vor nicht bereit, vertragliche oder außervertrag- liche Regelungen zu konzedieren, die Frankreich die Möglichkeit belie- ßen , nach einem Friedensschluß mittels Auxiliartruppen für Portugal auf der Iberischen Halbinsel zu intervenieren. Da man jedoch französischer- seits von der Forderung nach einem Assistenzrecht für Portugal als Mittel der Friedensassekuration nicht abrücken wollte
Gleichwohl gab Servien grundsätzlich zu bedenken, ob nicht angesichts der nahenden Separatverständigung der Gst. mit Spanien ein Verzicht auf die Attestat-Forderung in Erwägung zu ziehen sei (vgl. nr. 170).
, gerieten die Verhand- lungen erneut in eine Sackgasse. Anfang September wurde daher verein- bart , weitere Gespräche über den genauen Wortlaut des anvisierten Atte- states vorerst zurückzustellen und zunächst mit den übrigen noch offenen Streitpunkten fortzufahren
.
Hierzu zählte in der zweiten Jahreshälfte 1647 neben den genannten por- tugiesischen Fragen auch die Auseinandersetzung über die von Spanien an Frankreich abzutretenden Eroberungen
Vgl. hierzu den frz. Entwurf von Art. 22 des frz.-span. Friedensvertrages, den die Media- toren den span.
Ges.
am 10. Oktober 1647 aushändigten (vgl.
[ nr. 203 Anm. 8 ] ). Rückblic- kend gesehen stellte dieser Streitpunkt ein Haupthindernis der gesamten frz.-span. Ver- handlungen dar (vgl. hierzu
Tischer , Diplomatie, 379, 399, 409f und 421).
. Nicht daß Spanien französische Eroberungen an den Kriegsgegner zedieren sollte, war zu diesem Zeitpunkt noch umstritten, sondern Gegenstand der Verhandlungen war die Fest- legung des konkreten Umfanges der abzutretenden Eroberungen. Als Kernproblem kristallisierte sich hierbei heraus, daß das französische Maxi- malziel einer Einbehaltung der eroberten Orte und befestigten Plätze in- klusive der davon abhängigen Gebiete
(dépendances) mit dem spanischen Streben unvereinbar war, die Zessionen auf den jeweiligen Ort bzw. befe- stigten Platz zu beschränken
D’Avaux wies Mazarin in diesem Zusammenhang ausdrücklich darauf hin, daß sich in den ndl.-span. Verhandlungen eine Lösung dieses Problems abzeichnete, die der frz. In- terpretation entsprach, so daß Spanien in den Verhandlungen mit Frk. folglich kein an- deres Vorgehen beanspruchen könne (vgl. nr. 182 und nr. 200).
. Die französische Verhandlungsposition in dieser Frage war im Sommer und Herbst 1647 allerdings noch nicht aus- gelotet . Vielmehr bestand gerade im Hinblick auf die Details der hierbei zu verfolgenden Verhandlungstaktik durchaus noch Klärungsbedarf, wie die internen französischen Diskussionen über mögliche Tauschprojekte
Eingehend erörtert wurde in der Korrespondenz der frz. Kongreßgesandtschaft mit dem frz. Hof im Herbst 1647 z.B. ein Tausch Kortrijks gegen Plätze in der Gft. Artois (vgl. nr.n 192, 209, 210, 224, 244, 253 und 261).
[p. XCVII]
[scan. 97]
oder über das Erfordernis einer abgestimmten Vorgehensweise in bezug auf die Eroberungen in den Spanischen Niederlanden und Katalonien
Vgl. nr.n 224, 244 und 261.
ver- deutlichen . So blieb nach wie vor unklar, wie man hinsichtlich derjenigen
dépendances der von Spanien abzutretenden Orte oder Plätze vorzugehen gedachte, die ihrerseits befestigt und mit spanischen Garnisonen versehen waren. Auch die Frage, ob und in welchem Maße in den Spanischen Nie- derlanden und in Katalonien in dieser Frage gleiche Maßstäbe anzulegen seien, war bis zum November 1647 noch nicht hinlänglich geklärt
Vor die Wahl gestellt, in dieser Frage auf einem der beiden Kriegsschauplätze Zugeständ- nisse machen zu müssen, votierten die frz.
Ges.
dafür, im Zweifelsfall eher dafür Sorge zu tragen, daß sich Frk. in Katalonien fest etablieren könne (vgl. nr. 261).
.
Katalonien blieb noch in einer weiteren Hinsicht auch über den Editions- zeitraum hinaus Streitpunkt der französisch-spanischen Verhandlungen. Die spanischen Gesandten lehnten nach wie vor vehement die von Frank- reich vorgebrachte Forderung ab, während der vorgesehenen dreißigjäh- rigen Waffenruhe Befestigungen in Katalonien vornehmen zu dürfen, ohne daß dies als Vertragsbruch anzusehen wäre
Vgl. hierzu den frz. Entwurf von Art. 26 des frz.-span. Friedensvertrages, den die Media- toren den span.
Ges.
am 10. Oktober 1647 aushändigten und der für Katalonien u.a. eine dreißigjährige Waffenruhe (trêve) unter Wahrung des am Tage der öffentlichen Bekannt- machung gegebenen Besitzstandes vorsah (vgl.
[ nr. 203 Anm. 8 ] ). Contarini bezeichnete die Frage der katalan. Befestigungen sogar als
poinct plus malaisé à surmonter que tous les autres (vgl. nr. 224, hier 652 Z. 18f).
. Nicht zuletzt ange- sichts der Tatsache, daß der französischen Haltung in dieser Frage auch von seiten der Mediatoren und der Niederländer Widerstände entgegen- gebracht wurden
Vgl. z.B. nr. 2 und nr. 30.
, sah sich der Hof im Verlauf des Herbstes veranlaßt, in dieser Frage Konzessionsbereitschaft zu signalisieren. Für den Fall, daß dieses Problem den Friedensschluß aufhalte, wurden Longueville, d’Avaux und Servien ausdrücklich zu einem stufenweisen Verzicht auf die Forderung bevollmächtigt, während der geplanten Waffenruhe neue Befestigungen vornehmen zu dürfen. Lediglich das Recht, die zuvor be- gonnenen Fortifikationsarbeiten abzuschließen, sollte gewahrt bleiben
Vgl. nr.n 209, 210 und 244. Servien hatte angesichts der zu erwartenden Schwierigkeiten, die frz. Position in diesem Verhandlungspunkt durchzusetzen, frühzeitig darauf ge- drängt , schnellstmöglich neue Fortifikationen in Katalonien in die Wege zu leiten, die dann nach Einsetzen der Waffenruhe nur noch fertigzustellen waren (vgl. nr. 2).
. Aus verhandlungstaktischen Gründen verzichteten die Gesandten jedoch Ende Oktober vorerst darauf, von dieser Vollmacht Gebrauch zu machen, da sie keinen ernsthaften spanischen Verhandlungswillen zu erkennen vermochten und davon ausgingen, daß ihre Kontrahenten lediglich auf Zeit spielten
Vgl. nr. 224 und nr. 228.
.
Während Longueville, d’Avaux und Servien Mitte des Monats November die Haltung Spaniens in diesem verbliebenen katalanischen Verhand-
[p. XCVIII]
[scan. 98]
lungspunkt als unnachgiebig einschätzten, ließ ihre Berichterstattung eine baldige Klärung der noch offenen italienischen Streitfragen erhoffen
. Immerhin waren bereits zu diesem Zeitpunkt wichtige Vertragsartikel über italienische Angelegenheiten vereinbart worden, die lange Zeit um- stritten gewesen waren. Hierzu zählen die Vereinbarungen über die Re- stitutionen an Savoyen und Mantua (Artikel 34 und 40), die Exekution des Friedens von Cherasco (Artikel 38) sowie die Errichtung einer italie- nischen Liga zur Friedensassekuration (Artikel 39 und 40)
. Und auch die Verhandlungen über die beiden noch verbliebenen Artikel zu italie- nischen Streitpunkten seien, so berichteten die französischen Gesandten, in der Zwischenzeit fortgeschritten: Im Hinblick auf Artikel 35, der Rege- lungen in bezug auf einzelne befestigte Plätze vorsah und zunächst zurückgestellt worden war, wolle man, allerdings erst gegen Ende der Verhandlungen, entsprechend den Weisungen des französischen Hofes nachgeben; und hinsichtlich der Restitution Casales sei nur noch die von französischer Seite vorgeschlagene dreißigjährige Übergangsregelung um- stritten
.
Zeichnete sich also die Perspektive einer baldigen Lösung der italienischen Differenzen ab, so waren dergleichen Fortschritte in bezug auf Lothrin- gen , die nach Auffassung Serviens wichtigste und um jeden Preis zu be- hauptende Eroberung Frankreichs
, während der zweiten Jahreshälfte 1647 nicht zu verzeichnen. Diese zentrale Streitfrage, die nicht zuletzt deshalb als Hauptschwierigkeit wahrgenommen wurde, da sie gleicherma- ßen die Verhandlungen Frankreichs mit Spanien und mit dem Kaiser be- traf
Vgl. etwa die Einschätzung Serviens in nr. 195.
, sollte mit Artikel 41 des französisch-spanischen Friedensvertrages beigelegt werden
. Entsprechende Artikelentwürfe wurden jedoch im Sommer und Herbst 1647 zwischen der französischen und der spanischen Kongreßgesandtschaft nicht ausgetauscht. Erst gegen Ende des Jahres ist die Lothringenfrage wieder Gegenstand ernsthafter Verhandlungen zwi- schen Frankreich und Spanien geworden
Vgl.
Tischer , Diplomatie, 400ff. Da die frz. Verhandlungen mit Spanien über Lothrin- gen nicht isoliert von den einschlägigen Verhandlungen mit den Ksl. verstanden werden können, werden sie im folgenden Kapitel behandelt.
.
Insgesamt gesehen waren die konkreten Erwartungen positiver militäri- scher Entwicklungen und der fehlende Glauben an aufrichtige spanische Friedensbereitschaft die Hauptgründe dafür, daß die französische Regie- rung in der zweiten Jahreshälfte 1647 nicht willens war, Spanien in
[p. XCIX]
[scan. 99]
zentralen Streitfragen deutlich entgegenzukommen. Die selbst in Phasen vordergründiger Verhandlungsfortschritte immer wieder geäußerte Skep- sis , angesichts des vermeintlich fehlenden Friedenswillens Spaniens einen wirklichen Durchbruch in den Verhandlungen erzielen zu können, war daher eine wichtige Konstante der französischen Kongreßpolitik. Die Ent- wicklung der Folgemonate bis hin zum gänzlichen Scheitern eines franzö- sisch-spanischen Friedensschlusses in Münster hat diese Einschätzung bestätigt. Wichtig ist in diesem Zusammenhang jedoch, daß die interne französische Diskussion über die gegenüber Spanien zu verfolgenden Kriegsziele, ungeachtet der beständigen Überzeugung mangelnder spa- nischer Friedensbereitschaft, während der zweiten Hälfte des Jahres 1647 deutlichen Schwankungen unterworfen war. Äußerungen Mazarins und Serviens, vorrangig die Sicherung des Status quo zu betreiben
Vgl. nr. 127 und nr. 216.
, finden sich ebenso wie unverkennbare Anzeichen dafür, die sich anbahnenden Möglichkeiten zusätzlicher territorialer Expansion ausnutzen zu wollen
Vgl. z.B. die frz. Haltung hinsichtlich der
dépendances, die erkennbar darauf abzielte, die Option zu wahren, in den Span. Ndl.n zukünftig weiter territorial vordringen zu können. Vgl. ferner auch die Bemühungen Mazarins Anfang Oktober 1647, Friedensver- tragsregelungen herbeizuführen, welche die erwarteten frz. Eroberungen im Mailändi- schen nicht beeinträchtigten (vgl. nr. 188).
. Welche dieser beiden grundsätzlichen Tendenzen für die weitere Gestal- tung der französischen Kongreßpolitik maßgeblich werden sollte, war ge- gen Ende unseres Editionszeitraumes noch offen.
b. Die Verhandlungen mit dem Kaiser
Mit dem Trauttmansdorffianum
Beide Entwürfe waren am 24. Juni 1647 (vgl.
APW II B 5/2 nr. 345) von Longueville und d’Avaux an den frz. Hof und am 25. bzw. 28. Juni 1647 an Servien nach Den Haag übersandt worden (vgl. nr. 6 Beilage 3 und nr. 3 Beilage 1).
, das Chigi und Contarini am 11. bzw. 12. Juni 1647 in zwei Versionen
In der Chigi ausgehändigten Fassung (IPM/T–II) des ksl. Gesamtentwurfes, in welcher der Papst als Friedensvermittler ausdrücklich gen. wurde, waren alle diejenigen Art. und Klauseln des umfangreicheren, für Contarini bestimmten Entwurfes (IPM/T–I) ausgelas- sen , an denen der Heilige Stuhl aus kirchenrechtlichen Gründen Anstoß nehmen konnte. Die frz.
Ges.
folgten diesem Verfahren und übergaben ihren Friedensvertragsentwurf ebenfalls in zwei Versionen (IPM/F–I und IPM/F–II).
präsentiert und den französischen Ge- sandten am 14. Juni durch die Mediatoren ausgehändigt worden war, lag ein kaiserlicher Gesamtentwurf für den Frieden mit Frankreich vor, der aus französischer Sicht zwar erheblich überarbeitet werden mußte
Vgl. die Memoranden Longuevilles und d’Avaux’ für Ludwig XIV. vom 17. und 24. Juni 1647 (
APW II B 5/2 nr. 332 und nr. 345); vgl. ferner nr. 3 und nr. 22.
, je- doch als Ausgangspunkt weiterer Verhandlungen geeignet erschien
Vgl. hierzu die Einschätzung in
Braun , Einleitung, CLXIII.
. Longueville und d’Avaux, die nach Erhalt des Trauttmansdorffianums ih-
[p. C]
[scan. 100]
rerseits begonnen hatten, einen französischen Gegenentwurf zu erarbei- ten
Vgl.
APW II C 3 nr. 259a;
APW II B 5/2 nr. 332 und nr. 345. Ein direkter Einfluß Serviens, der sich zu diesem Zeitpunkt in Den Haag aufhielt, auf die Ausformulierung des IPM/F ist anhand der frz. Akten nicht nachweisbar. Wohl aber ist eine Kopie des IPM/T–II mit eigh. Marginalien Serviens erhalten (vgl. nr. 3 Beilage 1).
, verzögerten nach dessen Fertigstellung einstweilen die Aushändi- gung
Sie folgten damit nach eigenem Bekunden dem Wunsch der schwed.
Ges.
, die vor der Übergabe des IPM/F die Satisfaktion Hessen-Kassels geregelt wissen wollten (vgl. nr. 26 und nr. 41).
. Nach Beschwerden der Kaiserlichen und angesichts der wachsen- den allgemeinen Unzufriedenheit auf dem Friedenskongreß über das französische Procedere entschlossen sich die beiden Gesandten jedoch, am 10. Juli die französischen Satisfaktionsartikel vorzulegen
Vgl. nr. 41 mit Beilage [1]. Den ksl.
Ges.
wurde dieser Schriftsatz am 11. Juli 1647 durch die Mediatoren ausgehändigt. Vier Tage darauf, am 15. Juli, präsentierten sie Chigi und Contarini ihre
Notationes circa articulum satisfactionis Gallicae
(vgl. nr. 63 Beilage 1), die Longueville und d’Avaux am 22. Juli an den frz. Hof übersandten.
. Am 19. Juli händigten sie den Mediatoren schließlich – ebenfalls in zwei Versionen – ihren Gesamtentwurf für einen Friedensvertrag mit dem Kaiser aus
IPM/F–I bzw. IPM/F–II (vgl. Anm. 251 sowie nr. 56 und nr. 64 mit Beilagen 1 und 2). Die ksl.
Ges.
Nassau und Volmar präsentierten den Mediatoren daraufhin am 27. Juli 1647 ihre
Notationes ad instrumentum Gallicum, welche die frz.
Ges.
am 5. August 1647 an den Hof sandten (vgl. nr. 89 mit Beilage 1).
.
Drei Tage vorher, am 16. Juli, war mit der Abreise des kaiserlichen Prinzipalgesandten Trauttmansdorff ein – schon seit längerer Zeit erwar- tetes
Vgl. hierzu
Braun ,
Einleitung, CLXIVf;
Repgen ,
Trauttmansdorff, 349ff.
– Ereignis eingetreten, das im Hinblick auf die konkrete Gestal- tung der französischen Kongreßpolitik als bedeutende Zäsur zu werten ist
Zu den Motiven Trauttmansdorffs für seine Abreise – die fehlende Aussicht auf einen baldigen Friedensschluß, seine schlechte Gesundheit und möglicherweise auch der Wunsch, die sich abzeichnende Separation der beiden Linien des Hauses Österreich nicht mittragen zu müssen – vgl.
Repgen , Trauttmansdorff, 350f.
. Denn die Tatsache, daß der Kaiser seinen wichtigsten politischen Berater vom Kongreß abzog, ließ aus französischer Sicht die Aussicht auf einen baldigen Friedensschluß vorläufig schwinden und überdies verstärkt Befürchtungen aufkommen, daß sich die verbliebenen kaiserlichen Ge- sandten künftig mehr denn je als Vertreter spanischer Interessen erweisen könnten
.
Gleichwohl reagierte man auf französischer Seite mit Erleichterung dar- auf , daß die Abreise Trauttmansdorffs vonstatten gegangen war, ohne daß zuvor eine infolge des massiven Drängens Oxenstiernas und Salvius’
Die Schweden instrumentalisierten in dieser Phase z.B. die Frage der schwed. Militärsa- tisfaktion , in der sie ein Entgegenkommen ggb. den ksl.
Ges.
signalisierten, um Druck auf Longueville und d’Avaux auszuüben (vgl. nr. 13). Die frz. Haltung in dieser Frage war davon geprägt, daß man die diesbezüglichen schwed. Forderungen als exorbitant emp- fand und eine Mäßigung für erforderlich hielt (vgl. nr. 147), jedoch angesichts ungünsti- ger militärischer Entwicklungen phasenweise davor zurückschreckte, die schwed. Militärs gegen Frk. aufzubringen (vgl. nr. 166).
be-
[p. CI]
[scan. 101]
fürchtete Separatverständigung Schwedens mit dem Kaiser erfolgt war
Vgl. nr.n 50, 55 und 56. Auf schwed. Seite sei die Enttäuschung über die Abreise Trautt- mansdorffs und das Scheitern einer schnellen Verständigung mit dem Ks. so groß, wußten die frz.
Ges.
am 19. Juli 1647 zu berichten, daß die Schweden in Anlehnung an die mili- tärische Niederlage vom 5./6. September 1634 von einer
journée de Nordtlinghen sprä- chen (vgl. nr. 56, 166 hier Z. 34f).
. Paradoxerweise habe, so berichteten Longueville und d’Avaux, gerade das Verhalten der spanischen Gesandten, die Trauttmansdorff mit Erfolg zur Abreise genötigt hätten, um einen Friedensschluß im Reich zu verhindern, dem französischen Streben in die Hände gespielt, einen überstürzten Frie- densschluß Schwedens mit dem Kaiser zu verhindern
Vgl. nr. 41 und nr. 56; vgl. ferner auch nr. 72.
. Hatte man franzö- sischerseits angesichts der drohenden kaiserlich-schwedischen Separatver- ständigung zunächst in Erwägung gezogen, notgedrungen ebenfalls einen schnellen Abschluß mit dem Kaiser herbeizuführen
Vgl. etwa die diesbezüglichen Erwägungen Longuevilles und d’Avaux’ in nr. 13.
, so konnten die fran- zösischen Gesandten nun unverändert den vorrangig angestrebten gleich- zeitigen Friedensschluß mit Spanien und dem Kaiser betreiben
Vgl. hierzu
[ S. LXXXIXf. ] Bemerkenswert ist darüber hinaus, daß man auf frz. Seite be- wußt den Eindruck vermeiden wollte, das bisherige Ausbleiben eines Friedensschlusses sei auf das frz. Streben nach einem gleichzeitigen Friedensschluß mit dem Ks. und Spanien zurückzuführen; vgl. das Memorandum Ludwigs XIV. für Longueville und d’Avaux vom 22. Juni 1647 (APW II B 5/2 nr. 339) sowie nr. 13.
.
Dem standen jedoch nicht nur die Schwierigkeiten in den französisch-spa- nischen Verhandlungen entgegen, sondern auch die Tatsache, daß Trautt- mansdorff insofern eine schwere Hypothek für die weiteren Verhandlun- gen hinterlassen hatte, als das Trauttmansdorffianum in zentralen Streit- fragen inhaltliche Veränderungen gegenüber den Vereinbarungen der französisch-kaiserlichen Satisfaktionsartikel vom 13. September 1646 auf- wies
Vgl.
Repgen ,
Satisfaktionsartikel, 200.
. Damit war zugleich den Bemühungen der französischen Gesand- ten Vorschub geleistet, ebenfalls Modifikationen an den Bestimmungen der Übereinkunft des Vorjahres vorzunehmen
Vgl. die in nr. 41 geschilderte Reaktion Chigis und Contarinis auf den Inhalt der Art. des IPM/F betr. die frz. Satisfaktion: Da sich die ksl.
Ges.
die Freiheit herausgenommen hät- ten , Veränderungen an den Vereinbarungen des Vorjahres vorzunehmen, könne man nicht tadeln, daß auch die frz.
Ges.
versuchten, Korrekturen zugunsten Frk.s herbeizuführen.
.
Insgesamt gesehen stagnierten die französisch-kaiserlichen Verhandlungen im Zeitraum von der Abreise Trauttmansdorffs bis Anfang November 1647. Die französische Seite führte dies in erster Linie auf den vermeintlich fehlenden kaiserlichen Friedenswillen zurück, als dessen wesentliche Ursa- chen die Dominanz spanischer Interessen
Vgl. z.B. die Berichterstattung der frz.
Ges.
in nr. 166 oder auch die Stellungnahme Ser- viens in nr. 170.
sowie die Erwartung möglicher politischer und militärischer Entwicklungen zugunsten des Kaisers angese-
[p. CII]
[scan. 102]
hen wurden
Vgl. die Mitte des Monats September 1647 auf frz. Seite geäußerten Befürchtungen im Hinblick auf eine angeblich von Spanien veranlaßte Verständigung der prot. und kath.
Rst.
, der eine Stoßrichtung gegen Schweden und Frk. unterstellt wurde (vgl. nr.n 146, 147, 148, 149 und 150).
. Servien wußte zudem davon zu berichten, daß die von den Kaiserlichen an den Tag gelegte Unnachgiebigkeit wesentlich auf Äuße- rungen d’Avaux’ gegenüber Trauttmansdorff zurückzuführen sei, die den Anschein erweckt hätten, der französische Hof wolle keinen Frieden
Vgl. nr. 228 und nr. 239.
.
Ungeachtet dieser Schwierigkeiten gelang im August 1647 die Regelung der Pfalzfrage
Vgl. die konzise Darstellung bei
Repgen , Hauptprobleme, 420ff. Zuvor, Ende Juni 1647, war ein wichtiger Streitpunkt zwischen Schweden und Kurbay. beigelegt worden, als sich die schwed. Seite bereit erklärte, auf den Anspruch zu verzichten, den Vorsitz im
FR
zu übernehmen, und sich damit zu begnügen, dort künftig den fünften Platz einzunehmen. Zu den Hintergründen der schwed.-bay. Präzedenzstreitigkeiten, deren Beilegung die frz.
Ges.
in nr. 13 meldeten, vgl. nr. 8 mit Beilage 1 und Anm. 15.
. In diesem Punkt konnten die französischen Gesandten ihre schwedischen Kollegen zu einer Haltung bewegen, die letztlich einen Abschluß der Verhandlungen mit dem Kaiser über die pfälzischen Streit- fragen im Sinne französischer Interessen erlaubte
Vgl. hierzu die entsprechende Einschätzung Serviens in nr. 101.
. So meldeten Longue- ville und d’Avaux bereits am 8. Juli, daß in wesentlichen Punkten eine Übereinkunft mit den Schweden erzielt worden sei
Lediglich die von frz. und schwed. Seite angestrebten ksl. Unterhaltszahlungen an die Mutter und die Schwestern Pgf. Karl Ludwigs und die Vereinbarungen über die Aus- übung der kath. Religion in der Unterpfalz seien noch strittig (vgl. nr. 26). In nr. 78 wiesen Longueville und d’Avaux außerdem auf den noch klärungsbedürftigen kurbay. Anspruch auf die Gft. Cham hin.
, die dem französi- schen Wunsch einer Klärung dieses Verhandlungsproblems zur kurbayeri- schen Zufriedenheit entspreche
Zu den grundsätzlichen frz. Motiven, die Pfalzfrage im kurbay. Sinne zu regeln, vgl.
Albrecht , Pfälzische Frage, 465f.
. Eine schriftliche Fixierung der bisher in dieser Frage erzielten Ergebnisse, auf welche die französischen Gesandten drängten, da sie Kurfürst Maximilian keinen Anlaß zum erneuten Über- tritt ins kaiserliche Lager verschaffen wollten, wurde durch die schwe- dischen Gesandten zunächst noch herausgezögert
. Doch am 12. August 1647 lag Longueville, d’Avaux und Servien schließlich der durch den schwedischen Gesandtschaftssekretär Mylonius unterschriebene Artikel zur pfälzischen Restitution in Münster vor
Vgl. nr.n 99, 100 und 101.
. Bis zum 26. August erhiel- ten die Mediatoren die entsprechenden Schriftsätze der französischen und kaiserlichen Seite
, und d’Herbigny wurde an den kurbayerischen Hof entsandt, um die französischen Verdienste bei der Regelung dieses Ver- handlungspunktes herauszustellen
Vgl. Anm. 122 und nr. 108.
. Es zeigte sich allerdings sehr bald,
[p. CIII]
[scan. 103]
daß die Anstrengungen in der Pfalzfrage zugunsten Kurbayerns nicht die von der französischen Regierung erhoffte Wirkung hatten: Kurfürst Ma- ximilian ließ sich nicht dauerhaft von einer erneuten Parteinahme zugun- sten des Kaisers abhalten. Verärgert über die kurbayerische Aufkündigung des Ulmer Waffenstillstandes, ließ der französische Hof daher Anfang No- vember 1647 Gerüchte ausstreuen, welche die Bereitschaft zu einer voll- ständigen Restitution Pfalzgraf Karl Ludwigs signalisieren und Kurbayern somit wieder auf einen frankreichfreundlichen Kurs lenken sollten
Vgl. nr. 231 und nr. 250.
. Die Vereinbarungen des Monats August wurden jedoch letztlich nicht angeta- stet und fanden in modifizierter Form Eingang in die Friedensverträge vom 24. Oktober 1648
Vgl.
Repgen ,
Hauptprobleme, 421.
.
Waren in den übrigen französisch-kaiserlichen Verhandlungspunkten im Verlauf der Sommermonate des Jahres 1647 zunächst kaum nennenswerte Fortschritte zu verzeichnen, so änderte sich die Situation, als es der fran- zösischen Kongreßgesandtschaft zu Anfang des Monats November geraten schien, über die Mediatoren eine Bestätigung der in den französisch-kai- serlichen Satisfaktionsartikeln vom 13. September 1646 erzielten Ergeb- nisse anzuregen. Konkreter Anlaß war die geplante Reise des kaiserlichen Gesandten Volmar nach Osnabrück. Sie ließ aus französischer Sicht eine schnelle Verständigung Schwedens und der protestantischen Reichsstände mit dem Kaiser befürchten
Vgl. nr. 236 und nr. 250.
. Da zudem die französisch-spanischen Ver- handlungen zum damaligen Zeitpunkt in den erstrangigen Streitfragen stagnierten, überdies der baldige Separatfriede der Generalstaaten mit Spanien zu erwarten war und sich die Lage im Reich nach dem Übertritt Kurbayerns auf die kaiserliche Seite tendenziell zuungunsten Frankreichs entwickelt hatte, knüpften die französischen Gesandten an die Verein- barungen des Vorjahres an und betrieben nunmehr eine Politik der Siche- rung des Erreichten. Damit beschritten sie einen Weg, der keine Verbes- serung der im September 1646 für Frankreich erzielten Resultate ver- sprach , sondern eher einer nachdrücklichen Demonstration des französi- schen Friedenswillens gegenüber der Kongreßöffentlichkeit in einer schwierigen politischen und militärischen Lage gleichkam
Dies ist gerade vor dem Hintergrund der Tatsache zu sehen, daß eine zuvor von frz. Seite initiierte gemeinsame frz.-schwed. Erklärung über den Friedenswillen der beiden Kronen nicht zustande kam und somit verstärkter Bedarf bestand, die Kongreßöffentlichkeit von der Ernsthaftigkeit der frz. Verständigungsbereitschaft zu überzeugen (vgl. nr. 236 und nr. 250).
. Mit der Wie- deranknüpfung der Verhandlungen ging die Hoffnung der französischen Gesandten einher, die eigene Verhandlungsposition insofern zu konsoli- dieren , als man zum einen mit Initiativen in den zentralen Streitpunkten Reaktionen der kaiserlichen Gesandten provozieren wollte, die es erlaub- ten , die Schuld für das bisherige Ausbleiben eines Friedensschlusses auf die
[p. CIV]
[scan. 104]
habsburgische Politik abzuwälzen. Zum anderen eröffneten wesentliche Fortschritte in den Verhandlungen mit dem Kaiser die Perspektive, daß sich auch Spanien zu größerer Verständigungsbereitschaft gegenüber Frankreich genötigt sehen könnte
Vgl. nr. 236 und nr. 250 sowie darüber hinaus Saint-Romain an [Chavigny], Münster 1647 November 11 (eigh. Ausf.:
AE
,
CP
All. 90 fol. 50–51’).
.
Das Ergebnis der zu Anfang November auf französische Initiative
Longueville, d’Avaux und Servien stellten in diesem Zusammenhang heraus, daß es ih- nen gelungen sei, nach außen hin den Anschein erweckt zu haben, die Initiative zu den Verhandlungen mit den Ksl. sei von seiten der Mediatoren erfolgt. Somit habe man mög- lichen Beschwerden der frz. Alliierten über die Verzögerung der geplanten Reise Volmars nach Osnabrück entgegengewirkt (vgl. nr. 250).
hin eingeleiteten Verhandlungen war der französisch-kaiserliche Vorvertrag, der am 14. November von den französischen und kaiserlichen Gesandt- schaftssekretären Boulanger und Geych unterzeichnet, auf den 11. No- vember zurückdatiert
Servien zufolge ist man bereits am 11. November zur Unterschrift des Vorvertrages be- reit gewesen, jedoch davon abgehalten worden, da die Mediatoren darauf gedrängt hät- ten , zusätzlich einen Art. zur frz. Türkenhilfe, über den im Vorjahr Geheimhaltung ver- einbart worden war, zu unterzeichnen (vgl. nr. 253).
und bei Contarini
Chigi hatte gegen den Ausschluß der Schutzklausel für die päpstlichen Rechte in den lo- thringischen Bt.ern protestiert, so daß die Ausf.en der Vereinbarungen vom 11./14. No- vember 1647 bei Contarini hinterlegt wurden (vgl. nr. 253 mit Anm. 12;
Repgen , Salvo iure, 579ff, 592f;
Oschmann , Einleitung, XLV Anm. 8).
hinterlegt wurde
Vgl. nr. 261 mit Beilagen 1–4;
Oschmann , Einleitung, XLIV Anm. 8. Zum Verhältnis des Vorvertrages zu den frz.-ksl. Satisfaktionsartikeln vom 13. September 1646 vgl. ferner
Repgen , Hauptprobleme, 433.
. Ihm waren entsprechende französische Entwürfe vorangegangen
, die in mehreren Konferenzen der Mediatoren mit den französischen bzw. mit den kaiserlichen Gesandten durchgesprochen und schließlich nach Klärung letzter Streitfragen in eine unterschriftsreife Form gebracht worden wa- ren . Die Vereinbarungen vom 11./14. November umfaßten: 1) den
Punctum satisfactionis coronæ Galliæ, der eine redaktionelle Überarbei- tung der Satisfaktionsartikel von 1646 war, keine zeitliche Befristung ent- hielt , unverändert in den Friedensvertrag übernommen werden und von der weiteren Entwicklung des Krieges somit unberührt bleiben sollte; 2) die Vereinbarung über die Zessionsurkunde von Kaiser und Reich für Moyenvic, Pinerolo, Breisach, die elsässischen Abtretungen, den Sundgau und die Abtretung der Drei Bistümer; 3) die Vereinbarung über die Zes- sionsurkunde der Erzherzöge von Österreich für das Elsaß; 4) eine fran- zösische Erklärung über die Führung des Titels
Landgravius Alsatiae so- wie 5) eine kaiserliche Erklärung über den Umrechnungskurs der Livres tournois zum Reichstaler für die Zahlungsverpflichtungen Frankreichs an Erzherzog Ferdinand Karl von Tirol
Vgl. nr. 261 Beilagen 1–4. Der Schriftsatz über den Umrechnungskurs der Livres tournois wurde erst am 25. November 1647 an den frz. Hof übersandt (vgl.
[ nr. 260 Anm. 5 ] ).
.
[p. CV]
[scan. 105]
Dieser Vorvertrag ist auch und gerade im Kontext der vier wesentlichen Streitpunkte zu sehen, die seit der Übergabe der Instrumenta im Juni bzw. Juli in das Zentrum der französisch-kaiserlichen Verhandlungen ge- rückt waren: erstens die elsässischen Fragen und hierbei insbesondere die französische Forderung nach einem Verzicht des Kaisers, zukünftig den Landgrafen-Titel zu führen, zweitens die Zessionsbestimmungen im Hin- blick auf die lothringischen Bistümer Metz, Toul und Verdun, drittens die zu treffenden Regelungen über Herzog Karl IV. von Lothringen und viertens das französische Streben nach einem Verbot zukünftiger kaiserli- cher Assistenz für Spanien.
Die internen französischen Diskussionen über die elsässischen Zessions- bestimmungen waren im Verlauf des Sommers 1647 noch einmal grund- sätzlich in Bewegung geraten, als Salvius für den Fall einer Lehnsnahme des Elsaß reichsständische Unterstützung der französischen Forderung nach einem Verbot kaiserlicher Assistenz für Spanien in Aussicht gestellt hatte
. Während der französische Hof Anfang Juli zu der Lösung ten- dierte , das Elsaß doch als Reichslehen zu übernehmen
, entschlossen sich Longueville und d’Avaux, diese Frage aus verhandlungstaktischen Grün- den vorerst zurückzustellen. Ihrer Ansicht nach war die in diesem Punkt anvisierte Neuorientierung beim damaligen Verlauf der Verhandlungen nicht angebracht und ließ überdies nachteilige Folgen für die Glaubwür- digkeit des französischen Friedenswillens erwarten
– ganz abgesehen davon, daß die Frage, ob die Übertragung der an Frankreich zu zedieren- den Besitzungen und Rechte im Elsaß in Form einer Lehnsnahme oder in voller Souveränität erfolgen solle, zu diesem Zeitpunkt innerhalb der französischen Gesandtschaft umstritten war
.
Einigkeit herrschte französischerseits allerdings in der Einschätzung des kaiserlichen Anspruchs, trotz der elsässischen Abtretungen weiter den Titel
Landgraf im Elsaß zu führen. Eine solche Forderung sei zurückzuweisen, denn sie gebe zu der begründeten Vermutung Anlaß, der Kaiser wolle auch künftig Ansprüche im Elsaß erheben
Vgl. nr. 80 und nr. 103. Auf den Vermittlungsvorschlag der Mediatoren, der darauf ab- zielte , daß der Ks. den Titel
Landgraf im Elsaß lediglich in Verhandlungen mit Frk. nicht benutzen dürfe, reagierten Longueville und d’Avaux mit der Drohung, Frk. werde die vorgesehenen Entschädigungszahlungen an Ehg. Ferdinand Karl nicht leisten, wenn der Ks. diesen Titel behalten wolle (vgl. nr. 90).
. Zudem glaubten Longuevil- le , d’Avaux und Servien an ein Nachgeben der kaiserlichen Gesandten in dieser Frage
.
Diese erklärten im Vorfeld der Vereinbarungen vom 11./14. November zunächst, nicht bevollmächtigt zu sein, in dieser Frage den Forderungen
[p. CVI]
[scan. 106]
Frankreichs zu entsprechen. Eine Lösung des Problems zur französischen Zufriedenheit
Vgl. hierzu die Einschätzung der frz.
Ges.
in nr. 261, die das schließlich vereinbarte Pro- cedere im Hinblick auf den Lgf.en-Titel und den Umrechnungskurs der Livres tournois als frz. Erfolg verbuchten.
ergab sich jedoch, als Volmar seinerseits die Forderung einer ausdrücklichen Fixierung des Umrechnungskurses für die vereinbar- ten Entschädigungszahlungen Frankreichs an Erzherzog Ferdinand Karl vorbrachte. Beide Seiten erklärten sich nunmehr mit einer jeweiligen Vor- behaltserklärung des Vertragspartners einverstanden: Die entsprechende französische Erklärung band die Gültigkeit der getroffenen Satisfaktions- bestimmungen an das Versprechen der kaiserlichen Gesandten, daß weder der Kaiser noch irgendein anderes Mitglied des Hauses Österreich zukünf- tig den Landgrafen-Titel verwenden werde; und laut der damit korre- spondierenden kaiserlichen Erklärung sollten die Satisfaktionsverein- barungen nur im Falle eines Versprechens der französischen Gesandten Gültigkeit erlangen, daß die Entschädigungszahlungen Frankreichs auf der Grundlage der Umrechnung der Livres tournois zum Reichstaler im Verhältnis von zweieinhalb zu eins erfolgen werde
. Da darüber hinaus durch die am 11./14. November 1647 erfolgte Vereinbarung der Zessions- urkunden sowie die gleichzeitige Festschreibung der Satisfaktionsregelun- gen gemäß den Bestimmungen der September-Artikel des Vorjahres kaiserlichen Revisionsversuchen in der elsässischen Frage ein Riegel vor- geschoben war, konnte die französische Regierung am Ende unseres Editionszeitraums das Elsaß-Problem im wesentlichen als in ihrem Sinne geklärt ansehen.
Ahnlich verhielt es sich im Hinblick auf die lothringischen Bistümer Metz, Toul und Verdun. In dieser Frage hatte die Rückkehr zum Status quo ante durch die faktische Bestätigung der Satisfaktionsartikel von 1646 im Rah- men des Vorvertrages vom 11./14. November zur Folge, daß die im Trauttmansdorffianum enthaltenen Abweichungen
Im IPM/T hatten die Ksl. die reichsständischen Lehen im Bezirk der Bt.er mittels einer ausdrücklichen Garantieklausel sichern wollen, was von seiten Frk.s zurückgewiesen wurde (vgl. insbes.
[ nr. 1 Anm. 17 ] ; vgl. ferner
Repgen , Salvo iure, 574ff).
von den September-Artikeln vom Tisch waren. Die französische Seite hatte in den Sommer- und Herbstmonaten unverändert auf ihrem Rechtsstandpunkt beharrt, daß nicht nur die reichsrechtlich als Hochstifte bezeichneten weltlichen Herrschaftsbereiche der Drei Bistümer an Frankreich zu zedieren seien, sondern das gesamte Diözesangebiet. Alle Reichsstände, die Lehensträger in den Diözesen der Drei Bistümer waren, sollten folglich zukünftig der französischen Oberhoheit unterstehen
Vgl. in diesem Zusammenhang die ausführlichen Darlegungen Serviens, der auf der vor- behaltlosen und vollständigen Zession der Rechte des Reichs an den Drei Bistümern be- harrte , in nr. 1 und nr. 46; vgl. darüber hinaus auch
Braun , Einleitung, CLXI.
. Servien hat diese Interpretation der Rechtslage im September 1647 in einem bemerkenswerten Memoran-
[p. CVII]
[scan. 107]
dum ausführlich dargelegt und zu einem Zeitpunkt an den französischen Hof gesandt
Vgl. nr. 170 mit Beilage 1.
, als erkennbar wurde, daß sich von reichsständischer Seite Widerstand gegen die französischen Zessionsformeln formierte
Vgl. nr.n 133, 151, 156, 159, 164 und 170. Servien sprach ggb. La Court von einer
résolu- tion estrange der
Rst.
(vgl. nr. 151, hier 426 Z. 15f), die jedoch seiner Ansicht nach letzt- lich nichts an dem zu ändern vermöge, was in den frz.-ksl. Verhandlungen beschlossen worden sei (vgl. nr. 164).
. Auch vor diesem Hintergrund war der Rückgriff auf die September-Artikel von 1646 für die französischen Gesandten letztlich ein Akt der Absiche- rung der Abreden des Vorjahres, der es erlaubte, auch künftig die fran- zösische Deutung der lothringischen Zessionsbestimmungen aufrechtzuer- halten
Vgl. hierzu die entsprechenden Ausführungen der frz.
Ges.
in nr. 250.
.
Das erwähnte Memorandum Serviens enthält neben der ausführlichen Schilderung der Genese der Satisfaktionsartikel von 1646, welche die Be- rechtigung der französischen Auslegung der Zessionsbestimmungen unter- mauern sollte, auch eine eingehende Darlegung der Rechtsstellung Herzog Karls IV. von Lothringen gegenüber Frankreich, die zu den umstritten- sten Punkten der gesamten Friedensverhandlungen zu zählen ist. Der Herzog war während der zweiten Hälfte des Jahres 1647 in dreifacher Hinsicht zentrales Thema der Verhandlungen Frankreichs mit dem Kaiser und Spanien: es ging um die Frage seines von habsburgischer Seite betrie- benen Einschlusses in den Frieden, ferner um das noch ungelöste Problem seiner Restitution und darüber hinaus um das französische Drängen auf ein Verbot habsburgischer Assistenz für den Lothringer.
Die französischen Korrespondenzen aus den Sommer- und Herbstmona- ten des Jahres 1647 belegen den hohen Stellenwert, den die französische Regierung einer Regelung des Lothringen-Problems im Sinne der franzö- sischen Interessen beimaß. Das Schreiben Lionnes an Servien vom 8. No- vember 1647, in dem jener die Haltung Mazarins in dieser Frage referiert, dokumentiert diesen Sachverhalt in eindrucksvoller Weise: Sollte es erfor- derlich sein, in den Verhandlungen Nachgiebigkeit zu zeigen, so solle dies eher im Hinblick auf spanische Interessen als in der Frage der französi- schen Einbehaltung Lothringens erfolgen. Denn Herzog Karl könne Frankreich im Falle seiner Restitution mehr Schaden zufügen als der Kai- ser
.
Allgemeiner Konsens herrschte auf französischer Seite in der zweiten Hälfte des Jahres 1647 darüber, daß sowohl der Kaiser als auch Spanien im Zweifelsfall bereit seien, die Forderungen Herzog Karls ihren eigenen Interessen unterzuordnen und in den lothringischen Streitfragen letztlich gegenüber den französischen Forderungen zurückzuweichen
Vgl. insbes. nr.n 22, 228, 231, 253 und 257.
. Diese An- nahme bildete die Grundlage für die konkrete Gestaltung der in der
[p. CVIII]
[scan. 108]
Lothringenfrage nach außen hin stets um die Demonstration von Unnach- giebigkeit bemühten französischen Kongreßpolitik
Vgl. nr.n 103, 192, 228, 236, 246, 250 und 253. Die internen Diskussionen im frz. Lager offenbaren dagegen ein weit weniger geschlossenes Bild; vgl. hierzu
Tischer , Diploma- tie , 367–374, sowie die Vermutungen Serviens über die von seinen Überzeugungen ab- weichenden Zielsetzungen d’Avaux’ in nr. 228.
.
Noch vor der Rückkehr Serviens aus Den Haag waren Longueville und d’Avaux in diesem Verhandlungspunkt initiativ geworden. Am 19. Juli 1647 händigten sie Chigi gemeinsam mit ihrem Gesamtentwurf für den Friedensvertrag mit dem Kaiser einen Schriftsatz über das Lothringen-Problem aus, der jedoch von Herzog Karl abgelehnt wurde und in den nachfolgenden französisch-kaiserlichen Verhandlungen keine wesentliche Rolle spielte
Vgl.
[ nr. 64 Anm. 29 ] und
Tischer , Diplomatie, 400 mit Anm. 299. Dieser Schriftsatz enthielt das Angebot einer jährlichen frz. Apanage für Hg. Nikolaus Franz und Hg.in Nicole sowie einer Restitution
de l’ancien Duché & Souveraineté de Lorraine nach Ab- lauf von zehn Jahren nach erfolgtem Friedensschluß an den zu diesem Zeitpunkt Erbbe- rechtigten bei Schleifung aller Festungen. Voraussetzung war jedoch eine vollständige Entwaffnung und Exilierung Hg. Karls IV. Im Falle einer Zurückweisung dieses Ange- botes durch den Hg. sollten der Ks. und die
Rst.
versprechen, ihm weder direkt noch indirekt Assistenz zu leisten (vgl.
NS IV, 375).
.
Im unmittelbaren Vorfeld der Vereinbarungen vom 11./14. November 1647 wurden die französischen Gesandten in dieser Frage erneut aktiv, als die kaiserlichen Gesandten verlauten ließen, nur dann mit Frankreich verhandeln zu wollen, wenn gleichzeitig der Frieden mit Spanien ge- schlossen und eine Übereinkunft in bezug auf Herzog Karl getroffen wer- de
Vgl. nr.n 241, 242 und 250.
. Mit dem Ziel, die Reichsstände für sich einzunehmen und deren Un- mut über die vermeintliche Verzögerung des Friedensschlusses durch spa- nische Interessen auszunutzen, präsentierten die Franzosen den Media- toren am 7. November den Entwurf eines Artikels zur Assistenz des Kaisers für Herzog Karl und Spanien
Vgl. nr. 236 und nr. 250 mit Beilage 1.
. Dieser Entwurf demonstrierte er- neut in aller Deutlichkeit, daß man französischerseits nur dann zu einem Friedensschluß bereit war, wenn militärische Assistenz des Kaisers für den Lothringer zukünftig ausgeschlossen war.
Mit Blick auf die Reichsstände setzten die französischen Gesandten indes nicht geringe Hoffnungen in das zugleich vorgelegte Angebot, die eben- falls umstrittene Frage, ob der Kaiser in seiner Eigenschaft als Erzherzog von Österreich dem spanischen König nach dem Friedensschluß militäri- sche Assistenz leisten dürfe
Eine Darlegung der grundsätzlichen frz. Position in diesem Verhandlungspunkt enthält nr. 135 Beilage 1.
, einem Schiedsspruch der Kurfürsten und Fürsten des Reiches zu unterwerfen
Vgl. hierzu nr.n 203, 219 und 250 mit Beilage 1.
. Diesem Streitpunkt kam in den internen französischen Erörterungen über die konkrete Ausrichtung der
[p. CIX]
[scan. 109]
Kongreßpolitik während der zweiten Hälfte des Jahres 1647 große Bedeu- tung zu, ging es für die französische Regierung in diesem als entschei- dend
Vgl. etwa das Urteil Longuevilles und d’Avaux’ in nr. 63.
angesehenen Punkt der Friedensassekuration doch ganz maßgeb- lich darum, die erhoffte Separation der spanischen und der deutschen Li- nie des Hauses Österreich,
dont l’union est indissoluble
So die Einschätzung der frz.
Ges.
in ihrem Memorandum für Ludwig XIV. vom 14. Oktober 1647 (vgl. nr. 203, hier 572 Z. 20).
, nach Möglich- keit friedensvertraglich zu sanktionieren.
Die Haltung des französischen Hofes in dieser Frage war durchaus Schwankungen unterworfen und ließ in Zeiten nachteiliger politisch- mili- tärischer Entwicklung die Bereitschaft zu nicht unwesentlichen Konzessio- nen erkennen
Das kgl. Memorandum vom 16. August 1647 erteilte den frz.
Ges.
die ausdrückliche Voll- macht , die Verhandlungsführung in der Assistenzfrage der jeweiligen Lage anzupassen (vgl. nr. 103).
. Mitte des Monats Juli 1647 wurden Longueville und d’Avaux sogar bevollmächtigt, äußerstenfalls für den aktuellen Krieg nach Ablauf von sechs Jahren militärische Assistenz des Kaisers als Erz- herzog von Österreich für Spanien zu gestatten
. Die französische Regie- rung rückte davon jedoch bezeichnenderweise sogleich wieder ab, als sich eine Besserung der Gesamtlage zugunsten Frankreichs abzeichnete
Vgl. nr. 72. Zuvor hatte sich Servien eindeutig gegen eine solche Regelung ausgesprochen (vgl. nr. 45).
. Da auch die Kaiserlichen kein Entgegenkommen zu erkennen gaben, blieben wesentliche Fortschritte in den Verhandlungen über die Assistenzfrage vorläufig aus. Bekanntlich blieb dieser Streitpunkt noch ein weiteres Jahr auf der Agenda des Friedenskongresses und wurde erst dann im französi- schen Sinne geklärt, als am Kaiserhof kein anderer Ausweg mehr gesehen wurde, als
das Unaufschiebbare anzupacken
und sich zur Unterzeich- nung eines Friedensvertrages durchzuringen, von dem Spanien aus- geschlossen blieb.
IV. Die Einrichtung der Edition
Zu den Grundsätzen der Edition der französischen Korrespondenzen im Rahmen der
Acta
Pacis
Westphalicae – insbesondere den Kriterien zur Textauswahl
, den Prinzipien der Regestierung
Vgl. hierzu auch Anm. 165.
und der Behandlung der Beilagen – sowie zur Auswahl der benutzten archivalischen Bestände sei generell auf die Einleitungen der Vorgängerbände verwiesen und spe- ziell auf die Einleitung des Bandes 5 dieser Serie, an dessen Vorgehens- weise sich der vorliegende Band orientiert.
[p. CX]
[scan. 110]
Ergänzend ist im Hinblick auf die benutzten Archivalien zu erwähnen, daß später angelegte Kopiensammlungen entsprechend dem Verfahren in den Vorgängerbänden in der Regel nur dann herangezogen werden, wenn zeitgenössische Überlieferungen fehlen. Dies betrifft die seit 1656 unter der Leitung Colberts für Mazarin angefertigten Kopien
AE
,
CP
All. 94, 95, 96 und 97. In einem Fall (nr. 157) ist die Colbert-Kopie jedoch in Ermangelung weiterer Überlieferungen die Druckvorlage eines edierten Schreibens. Zum Quellenwert der Colbert-Kopien insgesamt vgl.
Braun , Einleitung, CLXXf.
und die Ab- schriftensammlung von Korrespondenzen Chanuts
aus den
Archives
diplomatiques
du
Ministère
des
Affaires
Etrangères
Zu den Beständen des Pariser
AE
über die Verhandlungen auf dem
WFK
vgl. den all- gemeinen Überblick bei
Richefort .
sowie ferner das auf die Papiere La Thuilleries zurückgehende Manuskript F10 der
Bi- bliothèque -
Médiatèque
d ’
Evreux
Der Empfehlung von
Braun folgend (vgl.
Braun , Einleitung, CLXXV Anm. 670), wird das Manuskript
BME, F10 jedoch bei den Nachweisen von Verhandlungsakten mit be- rücksichtigt . Vgl. auch Chronologisches Register
[ S. 795 Anm. 2 ] .
.
Auf die Aufnahme der Abschriften französischer Korrespondenzen in der Sección Nobleza
des
Archivo
Histórico
Nacional
AHN, SN DF 36/1. Es handelt sich hierbei um die frz. Korrespondenzen, die 1647 ab- schriftlich in span. Hände gelangt waren (vgl.
[ S. XCI ] ). Nachgewiesen ist freilich ihr span. Druck in
CDI 82 und 83.
sowie der Ko- pien von Verhandlungakten in der niederländischen Überlieferung
wird verzichtet, da sie keine für die vorliegende Edition relevanten Er- gänzungen zu den Überlieferungen französischer Provenienz aufweisen. Ergänzend herangezogen werden dagegen einige auf die Vermittlungs- tätigkeit Chigis auf dem Westfälischen Friedenskongreß zurückgehende Bestände der
Vatikanischen
Bibliothek
Chig.
lat.
A I 11,
ebd. Q
III 57 und
ebd.
Q III 58.
und des
Vatikanischen
Geheim -
Archivs
,
die gerade im Hinblick auf die Datierung von Ver- handlungsakten Aufschlüsse ermöglichen, die anhand der französischen Akten nicht zu erlangen sind.
In Abkehr von dem sonst üblichen Verfahren der Edition der französi- schen Korrespondenzen im Rahmen der
Acta
Pacis
Westphalicae ist bei Schreiben Serviens mitunter das Konzept – trotz jeweils vorliegender Kopie – als Druckvorlage ausgewählt worden
Vgl. nr.n 111, 120, 133, 143, 158, 170, 183, 195, 207 und 228.
, da sich die abschriftliche Überlieferung in diesen Fällen als zu fehlerhaft erwiesen hat
Dies lag erkennbar in den Transkriptionsproblemen des Kopisten infolge der schwer les- baren Handschrift Serviens begründet. Zum Quellenwert und den Überlieferungsproble- men der Servien-Papiere vgl.
Tischer , Einleitung, LXIXf;
Sonnino , Documentation.
.
Hinzuweisen ist schließlich noch darauf, daß im Sachkommentar die Wen- dungen wurde nicht ermittelt / konnte nicht ermittelt werden
in Entspre-
[p. CXI]
[scan. 111]
chung
zu der Definition
Oschmanns
Vgl. APW
II A 5, LXXIIIf.
und Begriffe zur Kennzeichnung der Plausibilität von Aussagen in Anlehnung an die diesbezügliche Skala
Repgens
Vgl. APW
III C 1/1, XLIf.
verwendet werden.
***
Abschließend ist es mir ein besonderes persönliches Anliegen, mich bei all denjenigen Personen und Institutionen herzlich zu bedanken, die mich bei der Bearbeitung dieses Bandes unterstützt haben. Gedankt sei zunächst also den Mitarbeitern der von mir benutzten Archive und Bibliotheken für ihre tatkräftige Hilfe und die Bereitstellung der für diese Quellenedi- tion erforderlichen Bestände.
Besonderen Dank schulde ich auch allen studentischen und wissenschaftli- chen Hilfskräften der Vereinigung zur Erforschung der Neueren Ge- schichte e.V., die mir in den vergangenen Jahren behilflich gewesen sind. Zu großem Dank verpflichtet bin ich ferner meinen derzeitigen und vor- maligen Kolleginnen und Kollegen in der Vereinigung zur Erforschung der Neueren Geschichte e. V. für ihre vielfältige Unterstützung und freundliche Hilfe. Frau Rita Bohlen danke ich sehr dafür, daß sie mir ihre sprachliche Kompetenz und editorische Erfahrung zur Verfügung ge- stellt und mir insbesondere bei der Abschrift und Kollationierung der Ser- vien -Konzepte mit Rat und Tat zur Seite gestanden hat. Herrn Dr. Guido Braun verdanke ich wichtige Starthilfen und zahlreiche Hinweise, mit de- nen er meine Arbeit wesentlich gefördert hat. Herzlich danken möchte ich insbesondere auch Frau Dr. Maria-Elisabeth Brunert für die jahrelange kollegiale Zusammenarbeit und viele wertvolle Ratschläge, die mir ein großer Rückhalt gewesen sind. In meinen Dank einschließen möchte ich Herrn Dr. Thomas Brockmann und Frau Dr. Anuschka Tischer für ver- schiedene Anregungen und Hinweise.
Besonderer Dank gebührt Frau Dr. Antje Oschmann, Geschäftsführerin der Vereinigung zur Erforschung der Neueren Geschichte e. V., die mit ihrer großen Hilfsbereitschaft, ihrem kompetenten Rat und ihrer vielfälti- gen Unterstützung maßgeblich zum Entstehen dieses Bandes beigetragen hat.
An erster Stelle möchte ich jedoch Herrn Professor Dr. Dr. h.c. Konrad Repgen, dem Herausgeber der
Acta
Pacis
Westphalicae , danken, der mir sein Vertrauen geschenkt hat, indem er mir die Bearbeitung des vor- liegenden Bandes übertrug, und mir in der Folgezeit in vielfacher Hinsicht seine Unterstützung und Förderung zuteil werden ließ.
Michael Rohrschneider