Acta Pacis Westphalicae II A 2 : Die kaiserlichen Korrespondenzen, Band 2: 1644 - 1645 / Wilhelm Engels mit einem Nachtrag von Karsten Ruppert
277. Lamberg und Krane an Ferdinand III Osnabrück 1645 November 2
Osnabrück 1645 November 2
Ausfertigung: RK , FrA Fasz. 48a, Konv. c ( September – Dezember 1645 ) fol. 126–128’,
[ praes. 1645 November 13 ] = Druckvorlage – Kopie: ebenda Fasz. 92 VI ad nr. 885b
fol. 399–401; Den Haag A IV 1628 nr. 18; Giessen 206 nr. 122 S. 800–807 – Druck:
Gärtner VI nr. 131 S. 607–611.
Schwedische Forderung nach Geleitbriefen für die Mediatstände. Admissio exclusorum. Frank-
reichs Hoffnung auf Erlangen der Reichsstandschaft mit Hilfe der Protestanten.
Ewer Kayserliche Mayestätt geruhen ihro auß beyverwahrten prothocollo
[= Beilage 1 ] allergnädigst referirn zu laßen, waßgestalt wir verlittenen frey-
tag , den 27. Octobris, die Schweedische abgesandten heimbgesucht, wie
sich dieselbe zwar zur mediathandlung nit ungeneigter bezeigt, aber noch
von großen difficulteten circa materiam ipsam anregung gethaen. Waß auch
entlich für eine spöttliche replicam [= Beilage 2 ] uber den praeliminarpunct
die vergleitung der mediatorum betreffendt uns zustellen laßen, warin sie
nit allein aller mediatorum, sondern gar quorumcunque privatorum (welchs
wir iedesmals besorgt, daß darunder verborgen sein dörffte) vergleitung zu
behaubten understehen.
Nun sein wir zwar im werck begrieffen, zu abhelffung dieses praeliminar-
streits vermitls der churfürstlichen abgesandten gutbefinden ein expedient
zu ergreiffen, zu welchem ende wir dem Churmentzischen directorio sel-
bige replic in abschrifft zugestelt; und wirdt sich hirin, sonderlich wan die
Schweedische bey iren gegen uns beschehenen mündtlichen erbiethen beste-
hen wolten, noch wol ein mitl finden laßen, solte es aber auf einen zuruck-
fall und dahin angesehen sein, daß die Schweedische dhadurch gedächten,
von ihrem mündtlichem erpiethen außzusetzen und die sachen in eine infi-
nitet zu führen, so ist unschwehr daraus abzunhemmen, wie weenig von
fortgang dieser handlung zu hoffen und wie schwehr es sich dhamit laße
ansehen; maßen wir dan auch von tagen zu tagen vermercken, daß die
sachen alhie ie lenger ie schwehrer werden und daß sich die protestirende
stercker ahn die Schweedische hencken alß zuvor niehmaln, weiln es scheint,
daß sie ihre hoffnung darauf setzen, auch etwoh von dem gegentheil so
weith eingenommen sein, vermitls dern wapffen ihre sachen durchzubrin-
gen .
Der Lübeckischer stadtsyndicus n. Gloxinus hat mir, Crane, gut Teutsch
gesagt, man solte sich mit zulaßung des Magdeburgischen voti nit mehr auf-
halten , die protestirende würden nit allein selbigs nit nachgeben, sondern
auch wegen der ubrigen einhabenden immediatstifftern dergleichen prae-
tendirn und einmahl für alle dhamit richtigkeit haben und sich nit von
session und voto ferners außchließen laßen wöllen, wan sich auch ehender
von newen mit den außwertigen cronen confoederirn solten. Imgleichen
hat mich der |:churfürstlich Brandenburgische adiunctus, der Wessen-
beckh :|, berichtet, daß es fast darauf gestanden, das es wehre zur separation
der stende außgeschlagen. Er hete es aber abgewehret, sagte aber dhabey,
daß ein oder zweie, so waß hitzig in votis sein, furnhemblich aber der
|:Braunschweig Lünenburgische abgeordnete Lampadius:|, ahn diesem
unweesen schüldig seie. So ist auch vorgestern der Heßen Caßlischer bey
unß gewest, admissionem ad sessionem praetendirt und uns umb einwen-
dung unser interposition bey denen catholischen stendten, dhamit ihme
die sessio nit entwehrt werde, anglangt. Wir haben uns aber entschüldigt,
daß ihme darin nit zur handt gehen khönten, weiln wir anderst instruirt,
den abgeordtneten auch ermahnet, daß man an Heßen Caßlischer seithen
andere consilia ergreiffen und die Kaiserliche ihnen gleichsamb angetragene
gnadt nit außchlagen, sondern den einmahl beliebten accord annehmmen
und ihnen selbst dardurch den zutritt zur session und stimb machen solten,
das es ie wieder alle billigkeit seie, denienigen zum rath zuzulaßen, der noch
wieder Kaiserliche Mayestätt in wapffen stehe. Der hat sich aber nit daran
gekehrt, sondern vorgeben, es seie die sach von den terminis des bemelten
accords schon abkhommen, wölte zwar nit underlaßen, von unsern erin-
nerungen bey seiner gnädigen fürstin und frawen gebührlich zu referirn,
versehe sich aber, man werde sich bedencken und ihme der session halben
ferners kheine hindernuß machen. Imgleichen hat sich auch selbigen tags
der Naßaw Sarbrückische angemeldt und auch die admission ad sessionem
praetendirt, deme wir ebenergestalt zur schüldigsten accommodation ver-
wiesen , daß ihme selbst den weeg dhadurch zur session eröffnen sölte. Muß
aber ein underlegtes werck sein, daß sich diese excludendi also zu einer
zeit angeben.
So hat auch mich, Crane, der |:fürstlich Mechlburgischer gesante:| berich-
tet , daß Ewer Mayestätt obristhoffmeisters, des graffen von Trautmans-
dorff , excellentz daherokhombst von denen Schweedischen ubel außgedeü-
tet würde, gleichsamb dieselbe zu beförderung dieser tractaten nit ange-
sehen sein khönte, obzwar die ursach solchs ires argwohns nit hinzusetzten.
Und erzehlete selbiger |:gesandter:| ferners, daß sich der duca di Longa-
villa iüngsthin alhie bei denen protestirenden gar höfflich insinuirt hete, ob
lebte die cron Franckreich der zuversicht, daß nachdeme sich dieselbe so
eiffrig umb der protestirenden privilegia und religionsfreyheit hette ange-
nhommen und so uberaus große kösten derentwegen angewendet, selbe
stendte sich gegen die cron danckbarlich bezeigen und deroselben nit miß-
gönnen , sondern vielmehr darin befordersamb erscheinen würden, wan sich
dieselbe etwoh darumb annemmen möegte, mit ein standt des reichs zu
werden; würden dhadurch den stendten soviel desto beßer zu assistirn und
dem hauß Österreich den daumen auf das aug zu halten (sollen die formalia
gewest sein), dhamit es nit weiters greiffe und die stendt untertrücke, gele-
genheit erlangen und der stende wolfahrt dardurch befördert werden.
[1] Extractus protocolli, Osnabrück 1645 Oktober 27, 31. Kopie: RK , FrA Fasz. 48a,
Konv. c ( September – Dezember 1645 ) fol. 129–133’ – Druck: Gärtner VI nr. 123
S. 569–577. [ Kopie: RK , FrA Fasz. 92 VI ad nr. 885b fol. 393–397’; Den Haag A IV
1628 nr. 18; Giessen 206 nr. 118 S. 761–774. ]
Am Freitag, den 27. Oktober, haben wir die schwedischen Gesandten besucht und aufgefordert,
über die von uns herausgegebene Antwort auf ihre Proposition mit uns zu konferieren und sich
zu erklären, auf wene sie endtlich beruchen und dieses kriegs ein endt einmahl zu
machen gesonnen wehren. Die schwedischen Gesandten haben zwar zugestimmt, mit uns
unmittelbar zu verhandeln, allein würden sich zuvor mit iren confoederirten, den Fran-
zosen , super materia ipsa underreden müeßen. Stünde also ahn deme, daß man sich
eins gewißen modi, wie die immediata tractatio anzustellen, vergleichen thete, ob
solchs in loco tertio zu thuen oder aber per modum visitae in unsern losamenten,
oder wie es sönsten am füeglichsten anzugreiffen. So heten sie aber auch die nach-
richtung , daß Ewer Mayestätt der Venetianischen republiq die interposition deferirt;
wie es dan dhamit solte gehalten werden?
Respondimus; soviel die Venetianische interposition ahnlange, selbe pleibe in ihrem
weesen und khönte der mediator das seinige thuen, wir aber nichtsdestoweeniger
unter unß handlen, zumaln weiln derselbe noch nit zur stelle sey. Circa modum hielten
wir es dhavor, man könne sowohl die Visite in den Quartieren oder an einem dritten Ort
versuchen, und dann den günstigsten auswählen. Man solle darüber nachdenken, inzwischen aber
discursweiß und unverfänglich über auftauchende Schwierigkeiten sprechen. Worauf die
Schweden erwiderten, daß sie in der Geleitbrieffrage für die Mediatstände noch keine Satis-
faktion erhalten hätten. Wir haben geantwortet, daß es bei ihnen stünde, die Mediatstände, für
die sie Geleitbriefe haben wollten, namhaft zu machen.
Illi: seie ihnen unmöeglich, dieselbe zu designirn, heten sich auch deren seithero
noch niemandt mehr alß die stadt Erffurdt angemeldet, müsten es aber vermuthen,
daß sich deren noch andere, die sie derzeit nit wüsten weeniger designirn khönten,
angeben dörfften, khönten ihnen also durch solche designation die hände selbst nit
binden.
Nos: so vermerckten wir, daß sie bey diesem passu eine indefinitam suchten und
offene handt behalten wolten, daß es in irer macht stehen solte, soviel dern media-
torum herzuzuziehen, alß ihnen gefällig. Solches lauffe in eine infinitet hinaus, und
würde man solchergestalt niehmahl zum haubtwerck khommen khönnen; man
würde es dießeits ehender bey dem buchstaben des praeliminarvergleichs müßen
bewenden laßen, alß solchs nachgeben.
Illi: berieffen sich auch auf den praeliminarvergleich, und nachdem man eine geraume
zeit darüber pro et contra, waß lenger alß unß lieb gewest, weiln wir sie gern auf
die haubtmateri gezogen hetten, discurrendo zugebracht, hat der Oxenstern erinnert,
daß es ihr meinung gar nit sey, das werck dhamit aufzuhalten, sondern müsten der
cronen reputation dhabei beobachten. Man solte zuvorderist vor Erfurdt die gleidts-
briefe geben, würden sich alßdan die sachen schicken, und sie uns etwoh ferners bey
diesem punct nit uberlästig sein.
Nos: wan wir versichert sein khönten, daß es nur umb selben paßbrieff zu thuen und
alsdan ferners fur kheine andere mediatis instantz gemacht werden solte, so wolten
wir mit den Churmentzischen daraus reden und sehen, wie der sach zu thuen sey.
Es müße aber dhamit dieser punct seine völlige richtigkeit haben.
Illi: Khönten sich zwar dhazu nit verbinden laßen, bleiben aber bey dem, daß sie
unß alßdan ferners nit begehrten überlästig sein, es seie dan, daß sie von einem oder
andern mediatstandt darümb anglangt würden. Und erinnerte Salvius dhabei, daß
sich auch wol zutragen khönte, daß ein oder ander officyr von der Schweedischen
armee daher möegten geschickt werden, selbe müsten auch vergleitet werden.
Nos: Solchs gehöre auch nit under den praeliminarvergleich. Es würde gleichwol
derentwegen zu respect der Schweedischen gesanten dergleichen paß ex courtesia vor
ein oder andern privatcavaglier von unß nit abgeschlagen werden, sonderlich wan
man zum haubtwerck waß näher tretten würde. Ist entlich dieser praeliminarpunct
in suspenso gelaßen und zu erhister beykhombst außgestelt worden.
So erinnerten die Schweedische auch circa terminum amnistiae, daß die sach müße
ad annum 1618 reducirt werden. Nos: daß könne die cron Schweeden nit praetendi-
ren , weiln dieselbe allererst anno 1630 mit Ewer Mayestätt vorfahren am reich in
krieg khommen; der könig in Schweeden auch in seinen dhomals in truck gegebenen
manifeste
Manifest Kg. Gustavs II. Adolf, Stralsund Juli 1630. Text: S. Goetze S. 349–365; vgl.
auch [ S. 62–67. ]
und reich eine ungeferbte nachbar- und freundtschafft gehalten, consequenter habe
demselben ex iure belli kheine actio vor selbiger zeitt anwachßen khönnen. Es seie
auch anno 1618 ein solcher status im reich gewest, daß nothwendig ein krieg habe
erfolgen müßen, also nit zu verhoffen, daß ein potentat in der christenheit sein würde,
der unß einen solchen statum gönnen, zu geschweigen wieder darein setzen solte.
Die cron Schweeden habe große reputation und ehr eingelegt, daß sie es ad terminos
de anno 1630 gebracht, dhamit sölte man sich begnügen laßen.
Salvius erinnert, es seie zwar der könig in Schweden erstlich anno 1630 aufs reichs-
boden khommen, aber die ursach des kriegs habe sich lengst zuvor, nhemblich
anno 1628 durch den in Preußen geschickten succurs angesponnen
ursach dieses gantzen unweesens von dem Boheimbischen krieg her, consequenter
muße solche ursach außm grundt hinweggeraumbt werden.
Nos: durch den zugeschickten succurs habe man sich nit zur parthey wieder Schwee-
den gestelt, noch krieg angefangen. Der Bethlem Gabor seie mit seiner gantzen
macht zu succurs des proscribirten pfaltzgravens gar biß vor die stadt Wien gerückt
und es doch nit zur ruptur oder feindtschafft außgedeütet haben wollen. Die Staden
von Hollandt beten noch in iüngsten Dennischen krieg wieder den könig in Denne-
marck eine gantze schiffflota der cron Schweeden zum succurs geschickt und sich
dannoch pro mediatoribus bei selbiger friedenshandlung gehalten.
Illi: selbigs werck würde noch anstoiß leiden, es würden die pfaltzgraven völlig
wieder wöllen restituirt sein, auch die stendte in Boheimb ihre vorige freyheit der
freyen wahl, auch den maiestatsbrieff wieder gegeben haben wöllen
man schwerlich vortkhommen. …
Am 31. Oktober haben die schwedischen Gesandten uns durch Milonius ihre Replik wegen der
Geleitbriefe für die Mediatstände zugestellt.
[2] Oxenstierna und Salvius an Lamberg und Krane, Osnabrück 1645 Oktober 20/30. Kopie:
RK , FrA Fasz. 48a, Konv. c ( September – Dezember 1645 ) fol. 135–137’ – Druck:
Gärtner VI nr. 128 S. 595–601; Meiern II S. 11–13 ( = II 9,3 N 1 ). [ Kopie: StK
FrA Karton 7 S. 545–550; Den Haag A IV 1628 nr. 18; Giessen 204 nr. 141 S. 1170–
1179; ebenda 206 nr. 119 S. 774–786. ]