Acta Pacis Westphalicae II A 2 : Die kaiserlichen Korrespondenzen, Band 2: 1644 - 1645 / Wilhelm Engels mit einem Nachtrag von Karsten Ruppert
201. Lamberg und Krane an Ferdinand III Osnabrück 1645 Juli 27
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Osnabrück 1645 Juli 27
Kopie: RK , FrA Fasz. 92 V ad nr. 751 fol. 374–377’ = Druckvorlage; Den Haag A IV
1628 nr. 17; Giessen 205 nr. 309 S. 1670–1682 – Druck: Gärtner V nr. 124 S. 563–
571.
Streitigkeiten zwischen den kurfürstlichen und den fürstlichen Bevollmächtigten wegen des Titels
„Exzellenz“. Verhandlungsmodus. Straßburg und das ius suffragii der Reichsstände. Unzu-
friedenheit der Schweden mit dem Lengericher Schluß.
Wir haben die Weisung vom 5. Juli
Vgl. [ S. 365 Anm. 1 ] .
uns in die Streitigkeiten zwischen den kurfürstlichen und den fürstlichen Bevollmäch-
tigten wegen des Prädikats „Exzellenz“ nicht einmischen sollen. Nun haben wir
aber schon, wie in nr. 195 und nr. 196 berichtet, auf Drängen der kurfürstlichen
Bevollmächtigten die Vermittlung übernommen. Wir seint aber bey der hand-
lung mit solcher vorsichtigkeit gangen, das sich verhoffentlich die fürstli-
chen darob zu beschwären keine ursachen haben werden, in erwegung, wie
bey dem vortrag deütlich angezeigt, das selbe unsere erinnerung bloß uf
dess churfürstlichen collegii bei gemelter Lengerischen conferenz an uns
beschechenes gesinnen und keiner andern ursach, als umb die hochnöttige
consultationes bei diser handlung dardurch zu beförderen, von uns vorge-
nommen wurde; massen dann auch die fürstliche von solchem Lengerischen
concluso sich anvorhero, ehe dann wir bey inen was davon erinnert, guete
nachrichtung gehabt und sich von einiger zwispältigkeit über solche unsere
vorträg im geringen nit vermerckhen lassen, sondern dieselbe wol auf-
genommen und in irer antwort deütlich vernemmen lassen, das uns wegen
wolmeinender intention, indeme uns umb ausßm weegraumung derglei-
chen verhindernusen bemüehen theten, sonderbarer danckh gebüre. Wie
dem allem aber werden wir bey zuruggbringung der fürstlichen erclärung
verhoffentlich guete anlaaß und gelegenheit überkommen, uns dises werckhs
mit gueter manier wider abzethuen, weiln wir schon die nachrichtung erlangt,
das die fürstlichen nit weichen, noch zu einigem andern temperament als
selbiges praedicats gegenerstattung gegen sie, die fürstliche, verstehen
wöllen, so aber ein solche condition ist, womit unsere negociation von sich
selbst wirdt ufgehoben sein und ire endtschafft haben.
Belangend den übrigen innhalt höchstgedacht Eur Kayserlichen Mayestät
allergnedigisten bevelchschreibens, da befinden wir, das demselben seit-
hero gehorsamist ist nachgangen worden, soll auch also fortan von uns in
schuldigister treü gehorsamist glebt und nachgangen werden, haben aber
bey dem pasß wegen exclusion der Hessen Casßelischen von session und
voto gehorsamist zu erynneren und uns bevelchs zu erholen, wie es mit
denn statt Strasßburgischen aufm fahl, die reichsdeputation nit erhoben
werden solte, gehalten wolte werden. Dan selbiger stattsyndicus sich bey
uns deßwegen angemelt und zu wissen begert, wie mans mit ime zu halten
und ine zu tractieren gemeint seye. Einmahl hete selbe statt Eur Mayestät
noch bey iungstem Regenspurgischen reichstage gegebene erclärung, das
sie unerachtet der particulardifferenzien (wie ers genent) wegen noch nit
angenomnen Prager fridenschluss in allem für ein reichsglid soll erkent,
anderen reichsstätte gleichgehalten und bey iren privilegien und freyheiten
gelassen werden, für sich dargegen dieselbe einen vorschuess von 20000
reichsthalern zu provianttierung der vestung Philipßburg damals hergeben
hete, dahero wolte sich selbiger stattsyndicus sovil desto weniger versechen,
das man irer bei den consultationibus vorbeygehen werde. Deme wir geant-
wortet , das man selbe statt alhie tractieren wurde, wie sie zu Regenspurg
von Eur Mayestät selbst seye tractiert worden und in dem standt erkennen,
warin sie sich selbst gesezt; von session und voto seye es zu früezeitig, was
zu reden, weiln die statt Strasßburg undter die deputatos nit gehörig, die
könne sich aber selbst aus allen scrupl helffen, wann sie sich mit Eur Maye-
stät als irem hohsten oberhaubt sezte, andere ständt und stätte dess reichs,
so gemelten Pragerischen fridenschluss nit allein angenommen, sondern
nunmehr pro pragmatico sanctione beliebt heten, nachgehe. Massen wir in
specie wegen selbiger statt instruiert, stüende bey derselben, ire völlige
aussöhnung und richtigkeit zu beförderen, wann sie wölle, und seye unnö-
tig , die sachen bis uf das letste außzestellen. Der syndicus hat was hart repli-
ciert , das selbe sachen zu diser allgemeinen fridenshandlung verwisen, deren
schluss wurde alles, waß noch dabey unrichtig sey, zur richtigkeit bringen,
immiltst aber gebüre selbiger statt, ire gerechtsambe und freyheit in acht ze
nemmen, vermeine nit, das man dieselbe darin hinderen oder zur partey
machen werde. Dann wurde solchesfals, da man iro bey diser partey zu ste-
hen nit zulassen wolte, sich bey ein oder andern partey der außwertigen
cronen zu stellen und irer freyheit, so guet sie könte, zu manutenieren
getrungen werden, warzue sie iedoch ungern kommen wolte. Warauf wir
geantwortet, das man disseits zu dergleichen extremiteten keine ursach gebe,
sondern nichts mehrers sueche und verlange, als das sich alle ständt bey Eur
Mayestät stellen und neben deroselben für das vatterlandt fechten und alle
für einen mann stehen mögen, seye aber zu betauren, das man in causa com-
muni defensionis patriae also voneinandergehe. Die freyheit der ständt
bestehe in dem, das man sich von außwertiger potentaten macht errette,
nit aber zu dennselben stelle, man wurde sonsten sub praetextu libertatis
betrogen und in eine dienstbarkeit gebracht werden. Die session und votum
belangend, weren mehr andere ständt und stätte und alle, so undter die
reichsdeputation nit gehörig, von uns bey denen consultationibus praete-
riert worden, deren sich doch biß dato noch keine deßwegen beschwärt,
noch solches vor ein exclusion a sessione et voto außgedeütet heten. Die
reichsdeputierte repraesentieren alle ständt und wurde deren recht und
gerechtsamb tam in sessione quam voto durch dieselben erhalten, weiln sie
nomine omnium deputiert. Der syndicus war mit solcher unser erinnerung
was besser zufriden, mit vermelden, er seye eines andern berichtet gewesen,
nemblich, das man von Kayserlicher mayestät wegen in aller und ieder
stände zuelasßung ad consultationes verwilligt hete und sich nit mehr an die
reichsdeputation halten theten, bey welcher bewandtnus er in sorgen gestan-
den , das seinen principalen derfften einig praeiudicium zuegezogen werden,
dahero er hiervon erinneren müessen. Bätt, ime solches nit in unguetem zu
vermerckhen. Wir halten es aber darfür, das es ein anstifftung von anderen
seye, umb die reichsdeputation auch nit nach dem vorschlag dess Lenge-
rischen conclusi uf den fueß kommen ze lassen und dise seiten durch der-
gleichen bedrowung zu impavidieren, und scheinet, das von etlichen gleich-
samb pro fundamento und maxima gelegt werde, das man alles mit pochen
und betrowungen durchtringen müesse, dann uns die Churmainzische be-
richtet , das sie der von Löwen wenig tag zuvor wegen bemelts statt Straß-
burgischen abgeordneten, damit demselben zu denen consultationen mit
angesagt und nit praeteriert werden möge, angeredt und sich dabey diser
formalien gebraucht hete, man müesse selbe statt also tractieren, damit sie
nit möge zu desperaten consiliis gebracht werden, man müesse nit zweiflen,
das nit vil undter denn protestierenden sein, so es schon mit der cron
Schweeden hielten.
Dergleichen reden sollen auch bey einem zwischen etlichen protestierenden
gehaltenen discurs, warbey sich die fürstlich Hessen Darmbstattische mit
befunden, und wir von dennselben bericht worden, vorgefallen sein, in
dem erynnert sein solle, das man die reichs- und Hannseestätte nit ad despe-
rata consilia bringen müesse, damit sich nit zu denn außwertigen cronen
schlagen, deren macht seye gross und könte in publico grossen schaden
thuen; dargegen aber die Hessen Darmbstättische sustiniert heten, das die
macht selbiger stätten sehr abgenommen und nit so gross seye, als man sich
einbilde, die außwertige cronen auch selbst nit zuegeben würden, das selbe
stätte sich in einige verfasßung wurden stellen dörffen. Man müesse densel-
ben was herzhaffter zusprechen, damit sich den übrigen ständten bequem-
men und man zu den consultationen kommen möge, dann fast niemandt
mehr an diser confusion, so vorgehe und die consultationes verhindere,
ursach seye als eben die reichsstätte. Die gegentheile selbst heten iren ver-
druss darbey, und der Oxenstern noch vor wenig tagen offenlich über tisch
gesagt, wann man sich nit anderst zu der sachen schickhen wöll, so müesten
sie, die Schweedischen, wider darvongehen; er seche wol, das aus diser
confusion andergestalt nit wurde zu kommen sein als vermitlst eines
reichstags. Dergleichen rede füehren auch dess Oxensterns leüth; sein aber
unsers ermessens vil mehr uf hinderung gedachter reichsdeputation ange-
sechen , als das es inen umb einen reichstag rechter ernst ist, dann die Chur-
brandenburgische denen Churmainzischen, wie wirs von dennselben haben,
entdeckhet, ob solten die Schweedischen das Lengerische conclusum aller-
dings penetriert haben und gar nit damit zufriden sein, sondern sich darüber
diser formalien verlauthen lassen: Wofern sie selbiges conclusum solten
zur execution kommen lassen, wurden sie einen ewigen verweiß uf sich
laden und ihr lebentag wol nit wider in Schweeden kommen dörffen, auch
unverholet dabey zu verstehen geben, das inskönffftig zu verhüetung aller-
handt inconvenientien sowol inen, den Schweeden, als denn Kayserlichen
von denn conclusis, ehe dann dieselbe exequiert wurden, zu hinderbringen
seye. Lasset sich auch bey denen Churbrandenburgischen ein sonderbarer
eüffer, umb die sach nach der Schweeden willen einzerichten, vermercken,
inmassen der von Löwen gestrigstags zu solchem ende nach Münster ver-
reist sein solle, umb den alda anweesenden churfürstlichen von der Schwee-
dischen gedanckhen zu hinderbringen und dieselbe von dem Lengerischen
concluso abwendig ze machen; dargegen erheben sich heut die Churmain-
zischen auch dahin, umb zu versuechen, ob die reichsdeputation inmitlst
biß zu einlangung Eur Kayserlichen Mayestät allergnedigisten erclärung
über das Lengerische conclusum zum standt zu bringen seye. Und in einer
solchen confusion befinden sich die sachen derzeit bey diser fridenshand-
lung .