Acta Pacis Westphalicae II A 2 : Die kaiserlichen Korrespondenzen, Band 2: 1644 - 1645 / Wilhelm Engels mit einem Nachtrag von Karsten Ruppert
176. Nassau und Volmar an Ferdinand III Münster 1645 Juni 15
Münster 1645 Juni 15
Ausfertigung: RK , FrA Fasz. 49a, Konv. A ( April – Juni 1645 ) fol. 152–154’, 167–167’ =
Druckvorlage – Konzept: ebenda Fasz. 92 V nr. 698 fol. 134–136 – Kopie: Den Haag
A IV 1628 nr. 17; Giessen 205 nr. 247 S. 1316–1325 – Druck: Gärtner V nr. 65
S. 288–294.
Waffenstillstand. Status der Reichsdeputation. Bestreben protestierender Reichsstände nach Bil-
dung eines besonderen Friedenskonvents. Beratungsmodus über die Proposition. Französisches
Begehren nach Geleitbrief für siebenbürgische Bevollmächtigte. Unzufriedenheit der Protestierenden
mit der französischen Proposition.
Wir haben nr. 165 am 13. Juni erhalten. Wegen der Waffenstillstandsverhandlungen
Hinweis auf nr. 157, nr. 163 und nr. 168. Der reichsdeputation halber haben
wir zu undterschidlich malen denn mediatoren genuegsambe information
zu thuen und darmit dess gegentheils einwendungen abzulainen nit undter-
lassen ; inen auch zu solchem ende ein ausfüerliche description
zuegestelt, was dise deputation für ein reichsconventus sey; wann, aus was
ursachen, zu was ende, aus was für craisen und darauß gezognen ständten
dieselbe aufgerichtet, was deren macht und gwaldt in kriegszeiten, so von
innerlichem aufstandt oder außländischem feindts gwalt entsprungen. Was
aber dessen alles ungeacht hingegen derselben gwalt und berathschlagung
diser fridenstractaten vor starcke einwendungen zwar aniezt mehr von etli-
chen reichsständen selbst als der feindtlichen cronen plenipotentiariis auf
die baan gebracht werden, dessen seint Ewer Kayserliche Mayestät von dero
abgeordneten zu Oßnabrugg entzwischen weitlaüffiger berichtet worden, und
geben die beyligende abschrifften numeris 1. 2. 3. selbige ebenmäsßig, und
zwar sovil zu erkennen, das darüber fast eine conspiration angesponnen und
dahin gezihlet werden will, wie undter den protestierenden ein absonder-
licher conventus zu berathschlagung solcher fridensdisputaten besteh, und
darüber das directorium den Churbrandenburgischen deputatis aufgetragen
werden möchte, welche emporgehende difficulteten uns dann ursach geben,
ehe dann wir die negst überschickhte Franzößische proposition, zu deren
inmittelst die Schweedisch auch kommen, in ein vollkomne berathschla-
gung mit denn ständten ze bringen benötigt werden möchten, vorderist
mit denn alhießigen Churcöllnischen, -bayrischen und -brandenburgischen
gesandten ein vertreüliche conferenz de modo consultandi ze halten. Bey
welcher die verabschiedung innhalt mitkommenden extractus prothocolli
lit. A dahin gefallen, das vorderist die alhie und die zu Oßnabrugg befin-
dende churfürstliche und fürstliche ordinari deputati in loco intermedio
zuesamenkommen, ich, Volmar, auch anvor mich nach Oßnabrugg zu
Ewer Kayserlichen Mayestät gesandten verfüegen, und wie disem werckh
fortzehelffen sein möchte, miteinander communicieren solten.
Zwar befinden wir beede propositiones uf solche extremiteten gestelt, das
wir unserstheils nit darfür halten, einiger ehrliebender reichsstandt oder
dessen abgeordnete sich einbilden werden, das ime und allen dennihenigen,
welche sich derzeit alhie oder zu Oßnabrugg befinden thuend, erlaubt oder in
irer macht gestelt seye, über solch unzimbliche postulata, so wider Ewer
Kayserliche Mayestät und dero nachfahren am reich auch aller chur-, fürsten
und ständten selbst ehr, hocheit, würdigkeit, gwissen, standt, gwalt und
macht, dess ganzen Römischen reichs verfassung, wider die Gulden Bull,
Kayserliche wahlcapitulation, religion- und profanfriden, wider das ius
naturae, gentium et societatis humanae laufen thuend, sich in einige hand-
lung einzelassen. Und also woferrn denn gegentheilen nit andere der ver-
nunfft gemässe postulata entgegengesezt noch sie darauf ze handlen ver-
mögt werden könten, weder durch das churfürstliche collegium noch die
ordinari reichsdeputation, vil weniger andere zuegezogene particularständt
ein solche nachteilige handlung zu füehren verantwortlich sein werde.
Sodann vernemmen Ewer Kayserliche Mayestät auch aus berüertem extractu
prothocolli allergnedigist, waßgestalten der Venetianische ambassator bei
uns mit vorweißung dess zetls lit. B in namen der Franzößischen pleni-
potentiarien angesuecht, deroselben allerunderthenigist zu referieren, das
vor dess fürsten in Sibenbürgen abgesandten, so er zue disem Münsterischen
conventu zu schickhen vorhabens wer, ein pasßport außgefolgt werden
möchte, und wie wir ine darauf beantwortet haben. Ab welchem gesuech
und anmaassen er sich sovil desto mehr zu verwunderen, weil die Franzosen
dises fürsten in irer proposition gar nit gedacht, die Schweeden aber, ob sie
denselben zwar under die irige articul eingeflickht, iedoch biß daher von
vergleittung seiner abgeordneten nichts vorkommen lassen; und bekennet
ermelter Venetianischer ambassator, als wir ime anregung gethan, das die
gegentheil nach disem bald auf admission der Portugeßischen gesandt-
schafften und folgendts ihe uf andere praetensiones kommen werden, damit
nur die handlungen von tag zu tag ins stecken gerathen, es bereits an deme
seye, das sie, Franzosen, negster tagen das Portugeßisch gschäfft auch
herfürzüechen werden, wie dann derselb bißher privatim alhie sich auf-
haltende mandatarius mit grossem verlangen darauf wartten thuet. Wir
haben dises neüe zuemuetten alspaid den churfürstlichen deputatis zu
wissen gemacht, damit sie hiervon bei diser ablauffenden post irenn gene-
digisten herren principalen bericht thuen mögen.
Ewer Kayserliche Mayestät sollen wir auch underthenigist anzuzeigen nit
underlassen, das vergangnen montags, eben under der zeit als die media-
tores uns die propositon eingelifert, die Churbayrische gesandten die
Franzosen visitiert, welches folgenden zinstags auch von dem herrn
bischoffen von Oßnabrugg beschechen. Wir wissen zwar nit, was ir ver-
richtung gewesen, weil aber eben selben tags die Franzosen denn chur-
fürstlichen deputatis iedem absönderlich ein exemplar der proposition
zuekommen lassen, so will darfür gehalten werden, und gehen bereits die
misßgedancken bei den protestierenden herumb, das solche visita, umb
eine dancksagung abzulegen, geschechen, weil in der proposition die
Pfalzische sach nit allein in genere außgelassen, sondern auch bey dem
articul 6 ein exception beygeruckht worden, das alles in dem standt wie
anno etc. 1618 ze richten, ausserhalb dessen, was bey disem congress
absönderlich verglichen werden möcht.
1 Rationes unnd motiven, warumb die herrn deputati imperii bei diesen allgemeinen
friedenstractaten allein exclusis non deputatis statibus zu deliberieren unnd ze schlies-
sen nicht befugt. Kopie: RK , FrA Fasz. 49a, Konv. A ( April – Juni 1645 ) fol. 157–
158. – Druck: Gärtner V nr. 68 S. 306–309. [ Kopie: RK , FrA Fasz. 92 V ad
nr. 698 fol. 140–141; Den Haag A IV 1628 nr. 17; Giessen 204 nr. 67 S. 695–698. ]
Es widerspricht sowohl dem Reichsherkommen als der Libertät der Stände, daß eine Minder-
heit die Mehrheit binden kann. Alle Stände angehende Sachen können nicht nur von den depu-
tierten Reichsständen beraten werden, der Reichsdeputation ist vielmehr im Regensburger Ab-
schied eine ganz bestimmte Aufgabe zugewiesen worden.
2 Auszug aus einem Schreiben des Lampadius, Osnabrück 1645 Mai 24/Juni 3. Kopie: RK ,
FrA Fasz. 49a, Konv. A ( April – Juni 1645 ) fol. 159–160 – Druck: Gärtner V
nr. 33 S. 161–164. [ Kopie: RK , FrA Fasz. 92 V ad nr. 698 fol. 137–137’; Den Haag
A IV 1628 nr. 17. ]
Würden die ordinari deputati das ganze Reich repräsentieren, wäre dieses für die evangelischen
Reichsstände äußerst gefährlich, da die Katholischen in der Reichsdeputation die Mehrheit
haben. Braunschweig-Lüneburg hat zur Translation der Reichsdeputation geraten, nicht um die
anderen Reichsstände auszuschliessen, sondern das die anweesende abgesandten aus iedem
craiß mit den deputatis zuvorderist communicieren, und was alßdan insgesambt
beliebet, solches könten die deputati in collegio deputatorum referieren und fürter
an gehörige örtter bringen, und weren also die ordinari deputati nudi executores
et internuncii anderer anweesenden gesandten. Sollte Kurbrandenburg das Direktorium
übernehmen und die Evangelischen zu Beratungen zusammenrufen, werden meine Herren dieses
begrüßen.
3 [ Zacharias Stenglin an Stadt Frankfurt, Osnabrück 1645 Mai 21/31 ( Auszug )] fehlt. Druck:
Gärtner V nr. 42 S. 193–198. [ Kopie: RK , FrA Fasz. 92 V ad nr. 698 fol. 138–139;
ebenda Fasz. 48c fol. 14–16’; Den Haag A IV 1628 nr. 17; Giessen 204 nr. 28
S. 196–204. ]
B Nachtrag zur französischen Proposition, Münster 1645 Juni 14. Ausfertigung: RK , FrA
Fasz. 49a, Konv. A ( April – Juni 1645 ) fol. 155 ( franz. ) – Druck: Gärtner V nr. 57
S. 258–259 ( lat. ); Meiern I S. 450 ( = I 5, 6 N 2 ) ( lat. ). [ Kopie: RK , FrA Fasz. 48c
fol. 41 ( lat. ); ebenda Fasz. 92 V ad nr. 698 fol. 142 ( franz. ); Giessen 204 S. 235–236
lat. ).]