Acta Pacis Westphalicae II A 2 : Die kaiserlichen Korrespondenzen, Band 2: 1644 - 1645 / Wilhelm Engels mit einem Nachtrag von Karsten Ruppert
145. Lamberg und Krane an Ferdinand III Osnabrück 1645 Mai 1
[ 128 ] / 145 /–
Osnabrück 1645 Mai 1
Ausfertigung: RK , FrA Fasz. 48a, Konv. c ( Mai–August 1645 ) fol. 1–8’ = Druckvorlage –
Kopie: ebenda Fasz. 92 IV ad nr. 651 fol. 687–693; Den Haag A IV 1628 nr. 37;
Giessen 205 nr. 183 S. 903–917– Druck: Gärtner V nr. 1 S. 3–12.
Schwierigkeiten der Versorgung. Mißbelligkeiten zwischen den kurbrandenburgischen und den kur-
mainzischen Bevollmächtigten. Zeremoniellfragen. Gefahren einer Heiratsverbindung zwischen
Schweden und Brandenburg. Translation der Reichsdeputation.
Wir haben nr. 128 erhalten. Soviel die zufuhr der victualien und anderer not-
turfft betrifft, daruber sein ferners kheine clage wieder dero soldatesca fur-
khommen
Vgl. [ nr. 116. ]
dero allergnädigsten Kayserlichen bevehl an dero generaln und bevehls-
habern nochmaln wiederholt worden. Eß laßet sich iedoch alhie bey herzu-
khombst so vieler gesandten großer abgang und mangel ahn allerhandt
notturfft vermercken, warüber durchgehent wirdt geclagt, und dörffte wol
endtlich selbigs mangels halben, wan diese tractaten noch lenger aufgezogen
werden wölten, die translatio nit zwar nach Münster, alwo sich auch der-
gleichen abgang ereigen soll, sondern ad locum tertium anhandt genohm-
men werden, worüber schon allerhandt discursus under den anweesenden
deputierten und gesandten herumbgehen.
Sönsten haben sich alhie der visiten halben diese taghen große beschwerun-
gen erhoben, indeme die Churmentzische von denen Schwedischen ohne
anzeigung einiger ursachen vorbeigangen und verlittenen donnerstag, den
27. dieses, denen Churbrandenburgischen die erste visita gegeben worden,
deswegen die Churmentzische nit allein solche praeterition, sondern auch
dieses sehr hoch entfinden, daß die visita also hinderrücks ihrer von den
Churbrandeburgischen ist angenommen worden, in erwegung, denselben
das alte herkommen im reich, sonderlich aber wol bewust gewesen, daß
beede herrn churfürsten, Mentz und Brandeburg, vermöeg deß Regenspur-
gischen collegialschluß de anno 1636 von des hochlöblichen churfürstlichen
collegii wegen zu dieser commission deputiert worden
Vgl. APW [ II A 1 S. 134 Anm. 3. ]
Churbrandeburgischen sowol alß Churmentzischen, alß in einer commission
begrieffenen obgelegen, daran zu sein, dhamit solche commission gebühr-
lich verrichtet und wieder das alte herkommen und churfürstliche vereini-
gung nichts zugelaßen werde, daher es die Churmentzische soviel desto
weiniger begreiffen können, warumb dergestalt zu favor einer außwertigen
feindtlichen cronen eines so vornehmen churfürsten ia des gantzen chur-
fürstlichen collegii hocheit und reputation zurückgesetzt worden. Wöllen
es fast zu einer collusion außdeuten, zumaln vermerckt worden, daß sich
die Schwedische nur weenig stundten vorhero zu der visita bei denen Chur-
brandeburgischen angemeldt und gleich darauf die visita furgenommen,
dha doch die Schweeden sich sönsten einen gantzen tag vorhero darzu anzu-
melden im gebrauch haben; denen Churbrandeburgischen weenigst auch
mit denen Churmentzischen darauß vorher zu communiciren gebührt haben
solle, welchs nit allein nit beschehen, sondern sich noch ferners zugetragen,
daß die Churbrandeburgische gleich immediate, wie die Schweedische von
ihnen hinweeggefahren und fast noch nit ihre behausung wieder erreicht
gehabt, zu denen Churmentzischen geschickt und mit fast harten worten
heten zuentpieten laßen, daß sie von denen Schwedischen die visita entfan-
gen , begehrten von ihnen, den Churmentzischen, zu wißen, waß sie sich
gegen sie der visiten halben zu versehen hetten.
Die Churmaintzische sein uber den gantzen verlauff sehr bestürtzet, und
weiln sie es pro causa communi halten, warzu alle churfürsten insgesambt,
alß dern persohn sie alhir vertretten, intreßirt, haben sie einen auß ihren
mitln, nhemblich den vicedom von Mentz, den von Brembser, nach Mün-
ster , umb alda mit denen churfürstlichen darauß zu communiciren, abge-
fertigt , immitls aber unß von allem parte geben.
Die Churbrandeburgische haben unß vorgestern die revisita erstattet und
nach abgelegten complimenten, warunder in specie die sach wegen Pom-
mern recommendirt worden, obvermelte materi berüert, zu ihrer entschül-
digung aber dieses vorgewendt, daß die Schweedische zu dreien under-
schiedtlichen mahlen die visita heten ahnerpotten, endtlich gleichsamb prote-
stirn wöllen, wofern sie, die Churbrandenburgische, nit annehmen würden,
daß alßdan gar zuruckpleiben wölten, derentwegen sie sich bequemen und
die visita annehmen müßen, weiln bewußt, daß der churfürstlichen durch-
lauchtt zu Brandeburg landt mehrentheils in dern gewoldt seie, wie auch
ihrer churfürstlichen gnaden zu Maintz lande in handen der cron Franck-
reich , dahero laße es sich derzeitt mit selbigen cronen nit umbgehen wie
hiebevorn; man habe dahin zu sehen, wie man dieselbe bey gutem willen
erhalte und den frieden erlange. Vermerckten, daß sich die Churmentzische
darab waß offendirt befünden, seie aber denselben nit zu nachtheil angese-
hen gewest, weiln sie, Brandeburgische, denselben allerörtter zu weichen
und den vortritt zu geben sich schüldig erkenneten, heten aber auch fernere
offensiones bey den Schweedischen verhüten müßen. Die Schwedische,
soviel sie vernehmen könten, setzten die vornhembste ursach, warumb sie
die visita bei den Mentzischen unterlaßen, darauf, daß der graff Cratz bey
entfahung ihrer, der churfürstlich Brandenburgischen, denen Kaiserlichen
sowol alß Schwedischen in effectu vorgetretten, indeme derselb sie, Brande-
burgische , erst angeredt und sich zu ihnen in die gutsche gesetzt, und obzwar
zu Münster deß herrn bischoffs zu Oßnabruck fürstliche gnaden auch die
Churbayrische eingeholt, so heten doch dieselbe einen andern modum
gehalten und uber eine halbe meil denen Churbayrischen entgegengefahren
und dieselbe zu sich in ihren wagen genommen, der graff Cratz sich aber
nur auf den platz gestelt, wo die Kaiserliche und Schwedische mit ihren
wägen der Churbrandeburgischen erwartet, also auch denselben nit vor-
greiffen sollen.
Wir haben geantwortet, daß unß leidth seie, das dergleichen mißverständt-
nuß eingefallen, gebühre unß in einer so wichtigen materi zwischen so vor-
nehmen churfürsten nichts zu reden. Aber die Schweedische anlangendt,
dha ließen wir es an seinen ortt gestelt sein, ob wegen dergleichen ursach
die visita habe khönnen unterlaßen werden, zumahl wir, die Kayserliche,
solchs für khein praeiudicium aufgenommen, es auch bei solcher bewandt-
nuß , dha es zum praeiudicio außgedeutet werden khönnen, denen Schwee-
dischen mit unß, alß die wir ebenergestalt dhabei intereßiert sein müsten,
vorhero daraus zu communiciren habe gebühren wöllen, oder ie weenigst
denen Churmentzischen von dem begangnen fehler anzeigen zu laßen, dha-
mit man von mitlen denselben zu repariren hete reden möegen; es sein
kheine engle sonder menschen zu dieser commission deputiert, laße sich
baldt ein fehler begehen, seie nur umb eine schlechte ceremonie zu thuen
gewest, so eins sölchen resentiments nit würdig, zumahl die Schweedische
gnugsamb versichert, daß khein gefahr oder arglist darunder habe khönnen
verborgen sein, weiln die Churmentzische so weenig denen königlichen
Schweedischen vorzugreiffen im sin haben, alß denen Kayserlichen heten
vorgreiffen khönnen, und dahero daß werck soviel desto ehender zu ver-
gleichen gewest. Würde auch denen Schwedischen den glimpff zu gebrau-
chen umb soviel beßer angestanden sein, weiln dieselbe der churfürstlichen
herzukhombst und gegenwart bey diesen tractaten so hoch desiderirt gehabt,
wölle sönsten daß ansehen gewinnen, gleichsamb Schweedischer seithen
itzo auf alle mitle und gelegenheit gedacht würde, wie man dieselbe wie-
derumb von hir hinwegbringen und vertreiben möege, und komme unß
daß werck sehr nachdencklich vor. Die Churbrandenburgische erinnerten
ferners, daß die Schweedische daß werck also aufnemmen, daß deswegen
nacher Schweden geschrieben, umb sich bescheidts zu erholen, wie sich
hiebey weiters zu verhalten hetten. Ja ließen sich vermercken, fur einlan-
gung solches bescheidts die proposition nit zu eröffnen, würde also schwer-
lich fur Pfingsten dern eröffnung zu verhoffen sein.
|:Nun khumbt unß daß ganze werckh sehr verdechtig für unnd besorgen,
daß alles auf dissolution diser tractaten angesehen
Nassau und Volmar waren der Meinung, daß nicht nur die Schweden, sondern auch die Franzosen
es auf eine Zerschlagung der Verhandlungen abgesehen hatten. Dies sei um so mehr zu erwarten,
da jetzt Servien allein die Verhandlungen führe und also besser gelegenheit hatt, seines
principals, deß cardinals Mazzarini, boßhafftige intentiones fortzustellen. Nassau und
Volmar an Lamberg und Krane, Münster 1645 Mai 2. Konzept: RK , FrA Fasz. 92 IV
fol. 695–695’ – Kopie: Den Haag A IV 1628 nr. 37; Giessen 205 nr. 185 S. 919–921 –
Druck: Gärtner V nr. 3 S. 14–15.
Brandenburgischen passiones gegen die Schweden lassen sich gar zu sehr
vermerckhen; haben sogar deren manier im fahren underm furwandt, daß
das der rechte uhralte Teütsche gebrauch sey, alhie anzunehmen unnß zue-
gemuethet :|, nhemblich, daß der principalwage hinden nach fahren möege,
maßen die Schweeden ihren train also eingerichtet, daß fünff wagen furahn-
fahren und im sechsten der Oxenstern darauf folgt. Wir haben unß ent-
schüldigt , daß wir es also halten müsten, wie es zu Münster von den Kaiser-
lichen gehalten würde, wölten iedoch mit denselben darauß communiciren,
die Churbrandeburgische sölten es gleichergestalt mit denen churfürstlichen
thuen. |:Die haben aber unerwarttet solcher communication der Schweden
alhie eingerichteten gebrauch schon angenommen und unnß also mit drey
wagen die revisita geben:|, dahero sich ietzo soviel weeniger thuen laßen
wil, daß wir hirin den Schweden und Churbrandeburgischen sölten nach-
folgen ; werden unß derwegen bei deme halten, so seithero zu Münster bey
denen Kaiser- und churfürstlichen auch anderen frembden cronen gehalten
worden.
So haben wir auch vorgestern dern Churmentzischen und Churbrandebur-
gischen guttachten begehrt, ob sie es nit für rathsamb befünden, weiln sich
die Schweedische iedesmals darauf beworffen, daß sich bey herzukhombst
der churfürstlichen gesandten mit der proposition herauslassen wölten, daß
man ietz dieselbe deßen erinneren und umb beforderung der proposition
anhalten sölle. Die Churmentzische sein mit unß darin einig gewest, daß
dergleichen erinnerung zu thuen sey, die Churbrandeburgische aber haben
es für schicklicher zu sein erachtet, noch biß auf heute mit einzuhalten, dha-
mit immitls die visiten möegten abgelegt werden, weiln ihn bewust, daß
die Schweedische für dern ablegung von nichts würden hören wöllen, deren
meinung wir unß conformirt und biß auf heut zuwarten wöllen.
|:Es ist aber nach also genommenem schluß khaumb ein stundt vorbey-
gangen , daß die Schweden den stattsyndicum alhie zu unnß geschickht,
umb antwort unnd erkhlerung wegen Stralsunndt erinneren lassen, wel-
ches bey unnß argwohn veruhrsacht, ob solches denen Schweden umb
deren reputation wegen ihrer berühmbten friedensbegierde zu erhalten an-
handt geben sein dörffte, und geben obvermelte umbstende, sonderlich was
mit denen churfürstlichen Meintzischen fürgelauffen, genuegsamb zu er-
khennen , wie sehr dern sach übertragen würdt.
Die churfürstliche Meinzische wollen es fast glauben, daß der Schweden
heyrath mit dem churfürsten zu Brandenburg abgehandltet sey
churfürstliche Brandenburgische mit hohen gedanckhen umbgehen, war-
zue die Franzosen auch die Hollender mitwürckhen dörfften. Der chur-
fürstliche Brandenburgische abgesante bey dem deputationtag zu Franckh-
furt
Matthäus Wesenbeck (1600–1659), kurbrandenburgischer Hofrat, Kammergerichtsrat und
Kriegsrat; über ihn vgl. ADB XLII S. 758–761 und APW [ II C 2 S. 57 Anm. 3. ] Im Herbst
1645 trat Wesenbeck an die Stelle des erkrankten Dr. Fritze.
licher Kaiser werden, unnd stimmen dergleichen sachen mit dem übereins,
waß wir vor unnd nach über selbe materi penetriert unnd gehorsambst
überschrieben haben:|.
Der stadt Ulm abgeordtneter hatt unß erzehlet, daß er zu Münster neben
dem stadt Franckfurtischen syndico die Frantzösische gesandten besucht
und beederseidts umb beförderung der tractaten anmahnung gethan heten,
darauf die Frantzosen mit diesen formalien herausgangen: venistis ad para-
tas epulas. Eß wirdt unß aber bei gestriger ordinari von Ewer Mayestätt
abgesandten zu Münster der bericht zugeschrieben
Vgl. [ S. 276 Anm. 1 ] .
fürtische und Ulmische abgeordtnete bei denen Frantzosischen gesandten
alda schlechte officia söllen eingewendt und daß dubium movirt haben, ob
sölte die nuhmehr dahin nacher Münster transferirte reichsdeputation nur
restrictive zu restabilirung des justitzweesens und beförderung der pro-
ceßen im heyligen Romischen reich angeordtnet, nit aber auf andere, bevor-
ab daß ius belli et pacis concernirenden sachen plenipotentiirt sein, welche
also beim gegentheil anhandt gegebene erinnerung bei denselben besörg-
lich eine newe materi zu noch lenger der sachen verzeigerung erwecken
wirdt, derwegen wir gemeindt sein, mit den churfürstlichen hirüber zu
communiciren, wie etwah vernern ungelegenheiten vorzukhommen und
ob den bemelten abgeordtneten ihre unbesonnene rede furzuhalten seie. Eß
ziehet aber obangedeutete zwischen den churfürstlichen eingerißene miß-
verstendtnuß auch diese ungelegenheit mit sich, daß dieselbe nit ahn einen
ortt beyeinander oder zu unß zu bringen, derwegen wir ihnen gleichsamb
nachgeben und den einen nach dem andern in ihrem losament besuchen
müßen, so viel zeitt hinwegnhimbt und den consultationibus verhinderlich
ist.