Acta Pacis Westphalicae II A 2 : Die kaiserlichen Korrespondenzen, Band 2: 1644 - 1645 / Wilhelm Engels mit einem Nachtrag von Karsten Ruppert
130. Nassau und Volmar an Ferdinand III Münster 1645 April 14
[ 121 ] / 130 /–
Münster 1645 April 14
Ausfertigung: RK , FrA Fasz. 49a, Konv. A ( April – Juni 1645 ) fol. 35–39’, praes. 1645
April 28 = Druckvorlage – Konzept: ebenda Fasz. 92 IV nr. 630 fol. 615–619 – Kopie:
Den Haag A IV 1628 nr. 37; Giessen 205 nr. 160 S. 781–794 – Druck: Gärtner IV
nr. 173 S. 759–768.
Schriftlichkeit der Verhandlungen. Translation der Reichsdeputation. Titulatur für die kurfürst-
lichen Bevollmächtigten. Savoyen. Zusammenlegung der Friedensverhandlungen. Besprechungen
Oxenstiernas mit den französischen Bevollmächtigten über die schwedische Proposition. Voraus-
sichtliche schwedische Friedensbedingungen. Verzögerung der Verhandlungen durch den Streit
zwischen den französischen Bevollmächtigten. Französische Kriegspläne. Dänisches Hilfeersuchen
bei Spanien.
Wir haben nr. 121 vorgestern erhalten. In nr. 126 haben wir berichtet, waßgestalten
wir ohne das mit denn herren churfürstlichen deputatis für notwendig befun-
den , alldieweil die Franzößischen plenipotentiarii selbst dahin zihlen thuen,
das hinfüro mit schrifftlichen handlungen sovil möglich inngehalten und
nur allein, was etwan die haubtsachen selbst immediate berüeren möcht,
besserer gedächtnus willen, punctuatim verfast, die mehrere notdurfft und
auffüehrung aber gegen den herren mediatoren mündtlich angebracht wer-
den solle. Wiewol die Spanische plenipotentiarii, mit denen wir disen pasß
ebenmäsßig communiciert, fast einer andern mainung sein und darfürhalten
wollen, das man keine handlung ohne schrifftliche verfasßung durch die
mediatores an die gegentheil referieren lassen solt und diss zwar darumben,
weil man sonst uf den fall, der gegentheil ein- oder anders widersprechen
wurde, nit beweisen könte, das die sachen von uns angezogenermassen
were verhandlet worden.
Wegen der Translation der Reichsdeputation Hinweis auf den Bericht nr. 126 und
dessen Beilagen A und C.
Dritens haben wir denn churfürstlichen, wessen sich Ewer Kayserliche
Mayestät wegen dess praedicats excellenz genedigist resolviert, angezeigt,
die es dann zu allerunderthenigistem danckh ahn- und iren genedigisten
herren principalen zu referieren benommen, was aber dabey wegen dess
Savoyschen gesandtens angehengt würdet, da hat uns der herr bischoff von
Oßnabrugg angedeüttet, das ime derselb neülich in gegebener visita ver-
meldet hete, ob solte von Ewer Kayserlichen Mayestät in Gott ruhendem
höhstgeehrtem herrn vattern, weyland Kayser Ferdinandt dem andern glor-
würdigster gedächtnus, ein handtbriefl, an den vorigen herzog von Savoy
abgangen, vorhanden sein, dess innhalts, weil damaln der könig in Schwee-
den so starckh im reich eingefallen, das ire Kayserliche mayestät keine völk-
ker in Italien schicken und ime, herzogen, contra Franckreich beystendig
sein köndten, er deßwegen, so guet er könte, sich mit der cron Franckreich
in vergleich einlassen möchte
Zu dem Vergleich zwischen Frankreich und Savoyen s. [ S. 287 Anm. 1. ] Das Schreiben Ferdi-
nand II. an Hg. Viktor Amadeus I. konnte nicht nachgewiesen werden.
Gestern Nachmittag haben wir mit den kurkölnischen und kurbayerischen Bevoll-
mächtigten über die Zusammenlegung der Verhandlungen an einen Ort gesprochen.
Die haben uns aber sambtlich, und zwar vorderist die Cölnische, ire mai-
nungen dahin eröffnet, das dise translation vor dißmal zu negocieren fast
bedencklich fallen wolte, dann erstlich were bewußt, aus waß hocher-
heblichen ursachen auf dem convent zu Regenspurg von anno etc. 1636
von einem hochloblichen churfürstlichen collegio für rathsamb geachtet
worden, das man diese tractatus gesöndert halten und nit zuesammenziechen
lassen solte
Die Kurfürsten präsentierten auf dem Kurfürstentag in Regensburg am 23. November 1636 ihr
Gutachten dem Kaiser. Druck bei M. C. Londorp IV S. 580–599, siehe dort S. 586, vgl.
H. Haan S. 152 und 170. Über die Verhandlungen mit den bayerischen und kurkölnischen
Bevollmächtigten vgl. auch Diarium Wartenberg I S. 938–948.
lichen majestät allergenedigist beliebt und genemb gehalten worden. Solte
man nun aniezt ohne der übrigen herren churfürsten vorwissen davon aus-
sezen und ein anders zu negocieren undterfangen, so derfft es bey denselben,
sonderlich bei Chursaxen und Brandenburg übel aufgenommen werden.
Vor das ander were sovil leichtlich zu vermerken, das der herr nuncius
sich hierzue ungern verstehen wurde, in betrachtung er sich der handlun-
gen , obs die bey sogestalten dingen fast haubtsächlich die protestierende
betreffen wurden, mehrentheils entschlagen müeste und also mit schlechter
reputation alhie zuerwarten könte. Zum dritten were sehr ungewiss, ob
sich die Schweden darzue verstehen werden, dann ob sie zwar hievor sich
ettwan darzue geneigt zu sein ansechen lassen, so were es doch damalen
allein umb Euer Majestät gegen Dennemarkh in misßthrauen ze sezen ge-
maint gewesen. Aniezt aber weren sie weit eines andern sinnes und wolten
durchaus in keiner sach den Franzosen nachgeben, daher wol zu besorgen,
das sie zu einiger coniunction oder translation nit verstehen werden. Wie
wir uns dann zu erinneren, nachdem Ewer Kayserliche Mayestät in diser
materi uns vor etlichen wochen soweit bemächtiget
Vgl. [ nr. 121. ]
sich auf ein zusamenziechung der tractaten vernemmen lassen, das wir in
Ewer Mayestät namen darzue wol auch einwilligen möchten, wir auch des-
sen gegen den mediatoren per discursum gedacht, das sie darauf gegen uns
vermeldet, es were dessen ferrer kein hoffnung zu machen. Zum vierten
were zu besorgen, das hieraus nit allein kein fordernus, sondern vilmehr
ein starke hindernus der fridenshandlungen entstehen möchte. Dann als die
Schweeden, wie hieundten mit mehrerm angezeigt würdt, sich entschlossen
haben sollen, gleich immediate nach den heyligen Osterfeyrtagen ire propo-
sition ungeacht der Franzosen ferrers hinderhaltens zu eröffnen, so were
nit zu zweiflen, sobald sie vernemmen theten, das man uf die zuesamen-
ziechung der tractaten zihlen wolt, das sie noch lenger mit der proposition
zurugghalten wurden. Wie es hingegen auch die Franzosen eben pro novo
emergenti et iusta caussa, warumb sie notwendig mit irer proposition noch
lenger innhalten müesten, anziechen und die Schweeden zu gleichmäsßiger
zuruggstellung veranlaitten wurden. Endtlich wurde auch keinesweegs zu
zweiflen sein, das die gegentheil solche verenderung zu Ewer Kayserlichen
Mayestät mörcklichem unglimpf außzudeütten undterstehen werden.
Derentwegen darfür gehalten worden, man solte noch ein tag 14 innhalten
und sechen, ob und was an seiten der Schweeden vor ein proposition her-
außkommen möchte.
Was dann solchem nach den entzwischen alhie in den fridenshandlungen
erfolgten weiteren verlauff anlangt, so hat man vorderist von dess Oxen-
sterns , so vergangnen sambstags, den 8. diss, wider nach Oßnabrugg abge-
raist , mit denn Franzosen alhie gepflogner handlung sovil nachricht, das
er dennselben sein proposition communiciert, sie auch ime die irig zu com-
municieren und folgents gegen uns zu eröffnen vermahnt, so er aber nit
hette erhalten können, weil sie sich dahin simpliciter bezogen, das sie fer-
rern bevelchs von Pariß erwartten müessten, also daß er, Oxenstirn, ob
solcher erclärung sehr übel zufriden gewesen und gegen den Hesßischen
deputierten alhie sich vernemmen lassen, es möchte der cron Schweeden
status nit leiden, das darmit lenger inngehalten werde, man könte der köni-
gin neü angetretten regiment nit stabilieren, noch auch bey disem conti-
nuierenden kriegsstandt sich ires heürats halber eines gewissen resolvieren.
Und dieweil sie dann aniezt die victori in der handt, so weren sie einmahl
bedacht, frid ze machen, und wolten immediate nach Ostern ire proposition
heraußgeben. Sie weren schon vor einem monat darmit gefast gewesen,
und hete er deßwegen alherkommen wöllen, es hetens aber die Franzosen
abgeschriben. Sonsten will dafür gehalten und außgeben werden, das sol-
che Schweedische proposition haubtsächlich auf ein amnistitiam generalis-
simam , sodann in religion- und profansachen alles widerumb in den standt
wie anno etc. 1618 ze stellen, und ferrers der cron Schweeden auch derselben
kriegsvolckh satisfaction, umb den kriegscosten zu erstatten, wie nit weni-
ger über den erfolgenden fridenschluss genuegsambe assecuration zu prae-
stieren , gerichtet seye. Dieweil uns dann dise beschaffenheit zu vernemmen
kommen, so haben die churfürstliche mit uns erachtet, das man mit ferrer
mündtlichen erclärung gegen den herren mediatoren über die iungst refe-
rierte Franzößische antwort noch in etwas innhalten solt, bis man sechen
möchte, was darauf ein- und anderer seiten heraußkommen werde.
Wir haben auch die weitere nachricht erlangt, das obzwar der conte d’Avaux
genzlicher mainung gewest, es werde ime sein erlasßung von hiesiger hand-
lung bewilliget werden, jedoch mit negster ordinari ime der bevelch erfolgt,
das er sowol als sein collega bis zu ankonfft dess duca di Longavilla alhie
verbleiben solle, welcher dann königliche commission het, sie undterein-
ander zu vergleichen. Dahero leicht zu erachten, das sie vor dessen ankonfft
zu einiger haubtsächlichen handlung sich nit vermögen lassen werden. Und
geben die Parißische zeittungen, das derselb schwörlich vor Pfingsten
heraußkommen möchte.
Sodann hat uns der herr bischoff von Oßnabrugg angezeigt, das die Fran-
zosen sich gegen denn Hesßischen deputatis vernemmen lassen, sobald die
irige mit La Motta in Lottringen ferttig, das sie uf Trier gehen und fort
dess Moselstrombs sich vollendts bemächtigen, alßdann der statt und erz-
stifft Cöln nächeren, und wann sie mit disen ferttig, den pfalzgrafen wider-
umb in die Undterpfalz einsezen und mit voller macht uf Bayrn gehen wol-
ten . Sie heten auch zu mehrer beförderung dises vorhabens bereits an die
frau landtgräfin zu Hessen Cassel gesunnen, das sie inen Neüß und andere
plaz in bemeltem erzstifft abtretten wolte, so aber rundt were abgeschlagen
worden.
Obvermelten sambstags hat sich dess königs in Dennemarckh secretarius
bey uns eingefunden und fast gleiches anbringen, wie Ewer Kayserlichen
Mayestät Oßnabruggische plenipotentiarii vor 8 tagen referiert haben
Vgl. [ nr. 125. ]
gebracht auch uns ersuecht, das wir ime bey denn Spanischen plenipoten-
tiariis ein zuegang erhalten wolten, wie dann beschechen; sie auch ime auf
seine werbung soweit mit willfährigkeit begegnet, das sie solches alspald
dem herrn marchese Castel Rodrigo bestermaassen recommendieren wol-
ten . Daher er, secretarius, mit guetem contento wider nach Oßnabrugg
verraist, und dieweil er nochweils die sachen in geheimb zu halten gebetten,
so haben wir denn herren churfürstlichen deputierten seines ankommens
sovil nachricht angezeigt, das er uns den zuestandt, warin sich die fridens-
tractata zwischen Dennemarckh und Schweeden aniezt befinden theten, und
das die fast uf genzliche zerschlagung sich ansechen liessen, zu erkennen
geben, auch dabey in namen seines genedigisten herrens ersuecht hette,
weil bewust wer, was dem heyligen Römischen reich im fahl der Denne-
marckischen befridung vor ein schwärer last zuewahsen, hergegen auch,
wann im reich mit Schweeden frid gemacht, seinem könig auf den halß
kommen wurde, das man diserseits auch in den vorlauffenden handlungen
darauf das absechen wolte haben, inmassen sein könig es ebenmäsßig zu
thuen gemeint wer etc. Was nun von dem herrn gubernatoren der Nider-
landen vor ein resolution erfolgen möchte, soll mit negstem gehorsamist
berichtet werden.