Acta Pacis Westphalicae II A 2 : Die kaiserlichen Korrespondenzen, Band 2: 1644 - 1645 / Wilhelm Engels mit einem Nachtrag von Karsten Ruppert
103. Lamberg und Krane an Ferdinand III Osnabrück 1645 Februar 24
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Osnabrück 1645 Februar 24
Ausfertigung: RK , FrA Fasz. 48a, Konv. c ( Januar – April 1645 ) fol. 92–97’ = Druckvor-
lage – Kopie: ebenda Fasz. 92 IV ad nr. 574 fol. 400–404; Den Haag A IV 1628 nr. 16;
Giessen 205 nr. 93 S. 407–418 – Druck: Gärtner IV nr. 103 S. 410–418.
Visite der Abgeordneten der Hansestädte: Verringerung der Gesandtschaft der Hansestädte,
ius belli et pacis des Kaisers und Aufhebung des Prager Friedens, Einmischung der fremden
Mächte in Reichsangelegenheiten. Sternius neuer französischer Agent in Straßburg.
Die Abgeordneten der Hansestädte sind von Münster wieder hierhergekommen. Sie
haben uns am Donnerstag, den 20. Februar, aufgesucht und uns angekündigt, sie
würden bis auf einen oder zwei wieder nach Hause zurückkehren, da es noch ungewiß
sei, wann es zu weiteren Verhandlungen komme. Sie haben uns gebeten, die Interessen
ihrer Prinzipalen zu wahren. Wir haben ihnen dargetan, daß es nicht an uns, sondern
an den Gegnern liege, daß es noch zu keiner Haupthandlung gekommen sei, von diesen
würde nuhr alles vorsetzlicherweise auffgezogen und helffe keine antrei-
bung und erinnerung mehr. Wir haben ihnen erklärt, daß ihrer Prinzipalen undt
ubriger stände interesse der gebühr werde beobachtet werden, dan Ewer
Mayestätt keinen standt zurückzulaßen gemeindt.
Die abgeordneten bedanckten sich wegen unser erclehrung und vermeldeten
ferners, daß sie zu Münster alle alda anwesende gesandten heimbgesucht,
alß Keyserische, Spanische, Frantzösische auch churfürstliche, eß seie auch
der Godefredus
losament gewest, hetten bey solcher heimbsuchung und mitt dem Gode-
fredo gehabte discursen soviel vermerckt, daß die sachen noch in weitem
veldt und noch wohl zwey jahr umbgehen, ehe dan was fruchtbarliches von
vortgang dieser tractaten würde zu verhoffen sein. Der außwertigen cronen
praetension seien nitt verborgen sondern offenkündig gnug und gingen
dero abgesandten unverholet damit heraus, drumb hetten sie, abgeordnete,
auch kein bedencken, uns von allem, waß ihnen davon fürkommen, bericht
zu thun. Die Frantzosen bestünden auf diesen principiis, daß Keyserlicher
Mayestätt gewaldt dergestalt restringirt werden müste, daß nitt in dero
macht absolute stehe, denen außwertigen potentaten ohne vorwißen oder
belieben der reichsstände krieg oder auch fried mitt denselben zu machen,
und solang solchs nitt gnugsamb verwahrt, geben sie für, daß sie keins
beständigen friedens versichert sein köndten; deme zufolge müße der Pra-
ger friedenschlus, alß welcher nitt mitt zuziehung aller stände, wie es sich
gehört, erthedigt, wieder auffgehoben, und alles in den standt, wie es für
dem krieg gewest, wieder gesetzt werden. Dahingegen sustinierte man
Keyserlicher seithen, daß die außwertige cronen sich in keine reichssache
einzumischen, der Prager friedenschlus so wenig als die Keyserliche wahl-
capitulation dieselbe angehe, noch auch daß geringste darzu zu reden hetten,
und waß dergleichen mehr seie; bey welcher bewandtnüß und also gegen-
einanderlauffenden pricipiis unschwer zu ermeßen, daß noch viel zeitt darzu
gehen würde, ehe dan man sich eins gewißen füßes und modi, warauff die
friedenshandlung zu setzen, würde vergleichen, oder die sach in solchen
standt, waraus von vortgang dieser handtlung waß gewißes zu verhoffen,
bringen können. Sie, abgeordneten, wolten daß beste mittl zu sein erachten
und ihrestheils gehorsambst darzu einrahten, Ewer Mayestätt solten dem
werck selbst mitt einem schied (wie daß formale gewest), abhelffen und dern
stände gravamina motu proprio erledigen, wardurch denen frömbden aller
praetext würde benohmen werden.
Wier anthwortten, daß aus der sach wohl würde zu kommen sein, wan
mans recht werde angreiffen und in deme, warzu uns liebe und trewe gegen
daß vatterlandt anweiset, einig sein, den außwertigen potentaten das arbi-
trium uber die reichssachen nitt einraumen, causam hostis a causa patriae
separiren, glieder bey dem haubt contra hostem communem stehen und die
gegentheile dahin anweisen, daß sich in deß reichs sach nitt ein-, noch selbe
mitt ihren sachen vermischen, sondern nur ploß in terminis suarum prae-
tensionem halten solten, so werden eß die gegentheile bey verspührter einig-
keit wohl beßern kauff geben. Wohin eß endtlich mitt deß Römischen reichs
hocheit und würde kommen wölle, wan dergestalt die Keyserliche May-
stätt und daß Römische reich von denen außwertigen ihro solten leges vor-
schreiben laßen. Es mischeten sich doch ihre Keyserliche mayestätt in der
frömbden nationen sachen nitt, warumb solten sich dan die frömbde in
reichssachen einmischen. Es seie leider bekandt, daß sich die gegentheile
sub blando praetextu conservandae libertatis Germaniae in die reichssachen
understünden einzutringen, und würde das werck denen ständen mitt aller-
handt scheinbarlichen fürwand, gleichsamb umb dern willen der krieg
geführt würde, fürgebildet; liege aber gefahr darunder und wehre nichts
anders damit gesucht, als die stände under solchem vergeschützten praetext
der freyheit, umb ihre freyheit in dienstbarkeit zu bringen, oder wenigst
denselben den schweren kriegskosten auffzubörden und hernechst, wan
mitt der zahlung solcher kösten nitt würde gefolgt werden können, einen
nahmhafften theil von deß reichs landen hinwegzureißen. Man müße sich
nitt die gedancken machen, daß die cron Franckreich ohne hoffnung hun-
dertfaltiger wiedererstattung werde wöllen einigen thaler zu geschweigen
soviell million, alß ietzo spendirt würden, für die Teütsche freyheit auß-
legen ; man solle sich auf den statum Galliae reflectiren, ob auch der vor-
nembste fürst in Franckreich soviel freyheit habe, alß der geringste edlman
in Teütschland. Es habe die cron Franckreich oder Schweden keine ursach,
dem Römischen reich krieg zu machen, stünde auch in dero macht nitt, prae-
text zum krieg auß gelegenheit der reichssachen zu nehmen, wan solches
von denjenigen, die eß fürnemblich betrifft, wiedersprochen wierdt; darumb
müße man hierinne einig sein, wan man anderst die wurtzel zum kriege
wolle außgerottet undt frieden gestifftet haben, den außwertigen cronen
in ihren unbillichen zumuhtungen keinen beyfall geben; daß sei das rechte
mittl, zum frieden zu kommen. Der Prager friedenschlus seie von denen
ständen deß reichs pro pragmatica beliebt undt angenohmen, da hette man
freylich ursach, dabeyzustehen und nitt zuzugeben, daß denen außwertigen
cronen darüber die censur eingeraumbt werde. Durch selben friedenschluß
seie denen gravaminibus abgeholffen, da aber ie noch einige ubrig sein mög-
ten , habe es im Römischen reich seinen gewißenen weg und hergebrachten
modum, wie denen schwierigkeiten abzuhelffen, selben wege müße man
nachgehen undt die frembde nationes nitt mitt zu den reichssachen zulaßen.
Die abgeordneten replicierten gleichsamb sub persona aliena, daß dagegen
gesagt würde, vestigia terrent, der nacher Polen geschickter Keyßerlicher
succurs
wie es mitt dem religionsedict
denschluß hette es geheißen, vogel friß oder stirb, bey noch wehrendem
Franckfurter deputationstage sein soviel gravamina einbracht, dannoch
dern keins auf gegenwertige stunde, wiewohl man fast anderthalb jahr
darumb anhalte, erledigt, dergleichen sachen verursachten groß nachden-
cken beym gegentheill. Darauff wier erwehnt, daß dasjenig, so hiebevorn
fürgelauffen, dahero nitt gehöre, seie alles durch den Prager friedenschlus
auffgehoben und könne nitt gesagt werden, daß selbiger friede ein gezwun-
genes werck seie, weiln er auff offenem reichstage pro pragmatica angenoh-
men . Der deputationstag zu Franckfurth werde noch continuirt, was alda
für gravamina fürkommen, seie uns unbewust. Die deputati würden den
sachen alda zu thun wißen. Illi: Beim reichstage seie man per maiora uber-
stimmet worden, so wier widersprochen, ohne daß bewust, was es im Römi-
schen reich mit den maioribus für bewandtnüs und recht habe, eß seie aber
constitutio imperii, darwieder unß zu reden nitt gebühre, und würde solcher-
gestalt kein reichsabscheidt mehr in seinem werth und krefften pleiben,
wan man dergleichen einwürffe darwieder wolte gelten laßen, womit der
discurs geendigt. Undt sein uns bemelte abgeordnete seither ihrer jüngster
bey unß abgelegter visita gantz und zumahln verändert fürkommen, ist
auch auß selbigen dern discurs wohl abzunehmen, wohin die consilia beim
gegentheil gerichtet, und stehet zu befahren, daß sie nitt von etzlichen stän-
den beyfall bekommen dörfften.
Der statt Franckfurth syndicus hatt unß auch heimbgesucht, sich aber nur
in terminis generalibus complementorum gehalten, in discursu gleichwol
erzehlt, daß der N. Stella oder Sternius
dem famoso scripto „Deploratio pacis Pragensium“ intitulirt angefochten
und sich in selbigem scripto Justum Asterium nennet, ietzo zu Straßburg
anstatt des verstorbenen monsieur de l’Isle der cron Franckreich agent seie.