Acta Pacis Westphalicae II A 2 : Die kaiserlichen Korrespondenzen, Band 2: 1644 - 1645 / Wilhelm Engels mit einem Nachtrag von Karsten Ruppert
79. Nassau und Volmar an Ferdinand III Münster 1645 Januar 13
Münster 1645 Januar 13
Ausfertigung: RK , FrA Fasz. 49a, Konv. A ( Januar – März 1645 ) fol. 11–17’, 27 = Druck-
vorlage –Konzept: ebenda Fasz. 92 IV nr. 513 fol. 181–185’ –Kopie: Den Haag A IV
628 nr. 16; Giessen 205 nr. 21 S. 98–116 – Druck: Gärtner IV nr. 29 S. 110–121.
Hinauszögern der Verhandlungen durch die französischen Bevollmächtigten. Überbringung des
Kurfürsten von Trier an einen neutralen Ort. Beschlagnahme der Leiche Botelhos. Gespräch
Wartenbergs mit d’Avaux und Servien: Religionsbeschwerden, Admission aller Reichsstände zu
den Verhandlungen, schwedische Forderung nach Zulassung der Mediatstände, Restitution des Kur-
fürsten von Trier. Unterredung Wartenbergs mit Contarini: Hinauszögern der Verhandlungen
durch die Franzosen, Überbringung des Kurfürsten von Trier an einen neutralen Ort. Anzeige der
bevorstehenden Ankunft der kurbrandenburgischen Bevollmächtigten und des Pfalzgrafen von
Neuburg.
Empfangsbestätigung eines kaiserlichen Mahnschreibens
Ferdinand III. an Nassau und Volmar, Linz 1644 Dezember 28. Ausfertigung: Den Haag
A IV 1628 nr. 16–Konzept: RK , FrA Fasz. 47b fol. 204–204’–Kopie: ebenda Fasz.
92 IV nr. 509 fol. 159. Mutatis mutandis an Lamberg und Krane. Ausfertigung: RK , FrA
Fasz. 48b, Konv. b fol. 57–57’–Kopie: Giessen 205 nr. 14 S. 71–72–Druck: Gärtneriii
nr. 117 S. 789–790.
Post. Hinweis auf in nr. 74 angekündigten weiteren Bericht der Vermittler. Diese
sind noch am Nachmittag des 6. Januars zu uns gekommen und haben weitläufig
berichtet, das sie alles, was von uns inen an handt gegeben worden – sie auch
vor sich selbst der sachen fürträglich ermessen köndten – denn Franzößi-
schen plenipotentiariis in optima forma angebracht. Es were aber alle mühe
und arbeit, so sie in vier ganzer stundt angewendt, vergeblich und nichts
anders heraußzubringen gewesen, als das man inen noch etlich wenig tag
geduldt tragen wolt, bis sie der sachen weiters nachgedencken und ir
gemüetsmainung eröffnen möchten. Sie heten sich aber uf einige gewisse
zeit nit vernemmen lassen wellen. Sovil sie, herren mediatores, vermercken
können, so warteten si theils noch uf ein antwortt von der reichsdeputation
über ir zwar allein undter dess Servients namen abgangen letsteres schrei-
ben
Servien an Deputationstag in Frankfurt, Münster 1644 Dezember 18. Kopie: Giessen 205
nr. 17 S. 81–84–Druck: Meiern I S. 341–342 ( = I 4,3 ); Gärtner III nr. 109 S. 756–758.
Vgl. APW [ II C 1 S. 524 ] , ( 30–32 ).
dorthin ganz umstendtlich geschriben und remonstriert heten, das aller
verzug allein bei disen Franzößischen plenipotentiariis hafften thet, und
dergleichen procedur unverantwortlich wer. Si auch bey solcher beschaffen-
heit anderst nit gedenckhen köndten, dan ire herren principales ein solches
hoch empfinden wurden, daher selbst der mainung weren, es werde mit
negster ordinari ein neüe ernstliche resolution von dem Franzößischen hof
an dise plenipotentiarios einkommen. Ob und was nun erfolgt sei, haben
wir bis daher nit vernemmen mögen, ausserhalb das man sagt, sie weren
eines aignen curriers gewärtig. Sonsten haben die mediatores uns auch an-
zeigt , von bemelten Franzosen vernommen ze haben, das inen ir erneüerte
vollmacht bereits zukommen sei. Da wir inen geantwortet, es bei uns auch
dissorts sein richtigkeit hab, wie wir bereits vor etlich tagen anregung
gethan, das wir damit gefast weren. Wann aber die Franzosen nit zu denn
haubttractaten fürgehen wolten, so wüsten wir nit, warzu dise fördernus
dienlich sei.
Wir haben inen auch angezeigt, das Ewer Kayserliche Mayestät allergene-
digist zufriden, das die Franzosen durch mitel dess herrn nuncii apostolici
dem herrn churfürsten von Trier zugehörigen salvum conductum zufertti-
gen und seine erclärung durch den an Ewer Kayserlichen Mayestät hof
residierenden Päpstlichen nuncium
Nuntius in Wien war von September 1644 bis 1652 Camillo Melzi, vgl. [ S. 105 Anm. 1 ]
selben zu referieren benommen, uns aber sovil angedeüttet, das es denn
Franzosen mehr darumb ze thuen, das sie ein freye correspondenz mit ime
haben, als wie sie ime die pasßport zubringen möchten, daher sie vermein-
ten , das der herr churfürst wenigist durante tractata an einem neutralortt
aufenthalten werden solte. Wir haben inen aber mit widerholung unserer
anvor über disen puncten vorgetragner argumenten zu erkennen geben,
das diss ein sach sei, so keinesweegs statthaben könden. Dise sach gehörte
nit ad praeambula tractatus, sondern zu dem haubtweesen selbst. Franck-
reich praetendierte die bemächtigung dises churfürstens pro caussa belli,
also mög man es in die haubthandlung bringen, alßdann werden Ewer
Mayestät die notdurfft darauf antwortten und handlen lassen. Ime, herrn
churfürsten, seie per salvos conductus erlaubt, die seinige darzue abzuord-
nen und sein sach, so guet er kan, verfechten ze lassen. Darbey ists auch
vor dißmahl verbliben.
Beschlagnahme der Leiche Botelhos
Vgl. [ nr. 78 ] , [ nr. 80 ] , [ nr. 81 ] , [ nr. 84 ] , [ nr. 85 ] , [ nr. 87 ] , [ nr. 88 ] , [ nr. 91 ] , [ nr. 93 ] und nr. [ 94. ]
dem Bischof von Osnabrück hat dieser uns angezeigt, waßgestalten er den 5. diss
beede Franzößische plenipotentiarios angesprochen und über sein mit inen
gefüerte conversation uns das aufgesezte prothocoll ad longum selbst vor-
gelesen
Das ausführliche Protokoll vgl. [ S. 141 Anm. 3. ] Volmar S. 119–120 ist die Zusammenfassung
dieses Protokolls, die fast wörtlich in die Relation übernommen ist.
Erstlich, das er bey inen, Franzosen, wegen der in Neüß von der Hesßischen
guarnigion in puncti religionis vorlauffender attentaten und neüerungen
aus bevelch ir churfürstlichen durchlaucht zu Cölln sich erclagt und umb
remedierung angesuecht, mit mehrer ausfüehrung waß auch ime in seinen
stiffteren von den Schweedischen beschwärliche religionseinträg gethan
würden. Darauf die Franzosen sich zwar alles guets anerbotten, aber dabey
vermelt, das sie ire confoederatos nit zwingen köndten, sondern selbige mit
manier disponieren müesten, welches ime ursach geben, inen mehrers in
die wollen zu greiffen und die pericula catholicae religionis vor augen ze
stellen.
Zum andern hete er inen den langen aufhalt mit irer proposition ad pacem
verwisen und alle inconvenientia mit praetendierter erforderung aller
reichsständten remonstriert. Servient hette geantworttet, die köndten ein-
mahl nichts thuen, bis alle reichsständt beysamen; darauf er gesagt, ergo
begerten die Franzosen keinen friden ze machen, weil das praesuppositum
nimmer geschechen wurde. Da weren sie wider Ewer Kayserliche Mayestät
außgebrochen mit vermelden, sie misßbrauchten sich ires gwalts, machten
krieg, wo und wan sie wolten, und zogen das reich darin, als mit Mantua
Nach dem Aussterben der Gonzaga in Mantua hatte Ferdinand II. die von Hg. Karl von
Gonzaga-Nevers erhobenen Ansprüche auf das Hgtum. zurückgewiesen und es als Reichslehen
für ledig erklärt. Aus dem Konflikt entwickelte sich 1629 der Krieg in Oberitalien zwischen den
habsburgischen Mächten und Frankreich, welches den Hg. Karl unterstützte. Vgl. H. Kretsch-
mayr III. S. 295–301, M. Ritter III S. 397ff. und vor allem R. Quazza .
und Polen
hen . Herr bischoff sagte, das Mantuanische weesen sei verglichen, und de
iustitia caussae ganze büecher pro et contra in truckh kommen, habe deß-
gleichen mit Polen sein richtiges. Der Kayser habe sein wahlcapitulation
et constitutiones imperii; wann man ine nit angreiff, werde er sich wol in
demselben schranckhen halten. Die Franzosen sagten, Ewer Kayserliche
Mayestät lasse sich von Spanien regieren. Darauf herr bischoff, es werde
darzue noch vil beweißung gehören; den krieg betreffend heten Ewer Maye-
stät deren kein angefangen, sondern die weren uf selbige erwaahsen. Man
müeste ia einmahl zum friden kommen. Die Spanischen heten ir begirde
ad pacem verbis et opere contestiert, die Franzosen soltens auch thuen. Und
dieweil sie sich neben anderm uf die Oßnabruggischen gesandten von den
Schweeden bezogen, hete er sonderlich derselben neüen gesuech mit der
mediatständen verglaittung zu disen tractaten starckh widerfochten und
remonstriert, was für ein praeiudicium hieraus denn ungemittleten reichs-
fürsten und ständten zu befahren, auch außtrückhlich gesagt, die Schwee-
den und Franzosen geben immerdar vor, sie heten disen krieg umb der
reichsständten freyheit willen angefangen, mit solcher manier aber undter-
stehe man sie, umb ir freyheit zu bringen und inen ire iura superioritatis, das
doch kein Kayser niemahlen undterstanden hete, zu schwächen.
Drittens weren sie uf dess churfürsten von Trier sachen kommen und für
unbillich angezogen, das er allein propter protectionem a Gallis quaesitam,
die ime doch Ewer Mayestät nit heten geben können, nun ins zechend jar
gefangen sizen soll. Darüber er, herr bischoff, mit underschidlichen parti-
culariteten außgefüert, das der noch weit andere sachen contra Caesarem,
Imperium, die churfürstliche verbrüederung tractiert und durch den mon-
sieur Chaumont
deren prothocolla scripturae authenticae und instructiones man alle in
handts hette
disen sachen als er, dan er were damalen secretaire d’estat gewesen, und
wer durch sein handt gangen. Als ime aber vermeldet worden, das man alle
sachen in originali bey der handt, sey er ganz erstummet da gesessen. Und
hette d’Avaux entlich gesagt, inen were von disen sachen nichts zu wissen
gewest, wolten disem und anderm discurs, darumb sie ime gedanckht, wei-
ter nachdencken und mit ehistem sich in puncto propositiones vernemmen
lassen. Im hinaußgehen hette d’Avaux – doch unvermerckht dess andern –
ime gesagt, signor principe, non tardaremo molto con la nostra proposi-
tione ; aber sobald sich der ander widerumb zurugggewendet, still geschwi-
gen , daher er wol abnemmen mögen, das dise beede hierinnen nit einer
mainung seyen.
Sodann hat er auch verlesen, was er mit dem Venetianischen ambassator
conversiert, welches hautbtsächlich in deme bestanden, das derselb ad lon-
gum referiert, was er und herr nuncius zu verschidnen mahlen mit denen
Franzößischen plenipotentiariis gehandlet und vermeint hete, sie zu eröff-
nung einer haubtproposition, oder wenigist von einem armistitio etwas
in handlung bringen ze lassen, zu bereden, so aber alles nit verfangen wel-
len . Verspürte, das sie beede undereinander nit einß. Er erwartete iedoch
von Pariß mit negster iezt vergangenen erhtags eingeloffner ordinari etwas
sonderbaren resolution, dann er hette diser tergiversation halber starckh
dahin geschriben. Im übrigen were er, Venetus, auch der Trierischen sach
zu red worden und dess vermeinens gewesen, das man wenigist darauf
gedencken solt, diesen herrn churfürsten ahn ein neutralorth zu transferie-
ren , als nemblich zu Churbayrn oder Cölln, oder auch in eine reichsstatt.
Darauf der herr bischoff geantwortet, es werde vorderist die frag sein, ob
sich der ein oder der ander churfürst soweit in diser sach einmischen werde,
neben deme noch vil andere considerationes mitunderlieffen.
Und dieweil dan diß alles von hochgedachtem herrn bischoffen zweiflsohne
der ursachen uns so außfüerlich ex prothocollo vorgehalten worden, damit
wir dessen etwa in unserer relation an Ewer Kayserliche Mayestät gedenk-
ken möchten, so haben wir den innhalt summariter anzueregen nit undter-
lassen sollen, und dabey allein diss weiter zu gedencken nöttig erachtet, das
die Franzosen undter anderm dess churfürsten von Trier halber sich uf ein
decretum absolutorium, so vom verstorbnen papst Urbano octavo ergan-
gen sein soll, bezogen. Dessen der herr nuncius gegen uns auch gedacht,
aber dabey gesagt, das er solches alspald gegen denn Franzosen widerspro-
chen , mit vermelden, es were der prozesß wider ine gar nit continuiert noch
concludiert, vil weniger einige sententia absolutoria darinn ergangen, und
obschon ad instantiam der Franzosen zu Rom einig decretum extraiudiciale
ertheilt sein möchte, so seye es doch von keinen cräfften . Welcher für-
lauffender umbstandten halber uns wie lenger ie mehr vonnöthen sein will,
dise acta und actitata eheist immer möglich an die handt ze haben.
Wir seint auch in ausförtigung diss verstendigt worden, das gestrigen tags
dess Servients vetter per posta nach Pariß verschickht worden, und dessen
widerkonfft in monatsfrist vertröstet werde; daher vermuetlich entzwi-
schen sich dise Franzößische plenipotentiarii abermalen zu einiger handlung
nit werden vermögen lassen.
Bei mir, grafen von Nassau, hat sich vorgestern ein Brandenburgischer vom
adl angemelt und angezeigt, das ime von seiner churfürstlichen durch-
laucht die instructiones und mandata an dero zu denn hießigen und Oßna-
bruggischen tractaten verordnete gesandtschafft weren ufgeben, und darmit
zu dem herrn grafen von Witgenstein
Johann VIII. Graf v. Sayn-Wittgenstein (1601–1657), kurbrandenburgischer Geheimer Rat
und Hauptbevollmächtigter in Osnabrück und Münster; über ihn vgl. ADB XLIII (1898)
S. 619–623 , APW [ II C 2 S. 3 Anm. 3 ] und APK 22556–22560, 42623.
ad loca tractatuum ohne ferrern verzug zu erscheinen, zu vermahnen bevol-
chen worden. Ermelter graf werde erstens mit zwayen zuegebnen räthen
aus dem fürstenthumb Cleven alherkommen
Dem Drost zu Lippstadt, Friedrich v. Heyden und Dr. Johann Portmann. Zu Portmann
vgl. APW [ II C 2 S. 388 Anm. 2. ]
son mit anderen zwayen
Frhr. Johann Friedrich v. Löben ( 1595–1667 ), über ihn vgl. ADB XIX ( 1884 ) S. 39f. und
Meiern in J. L. Walther S. 46–48 und Dr. Peter Fritze ( 1584–1648 ), zu ihm NDB
V S. 634f. und APK 8779 .
Oßnabrugg verreisen, dise aldort hinderlassen und alßdann sich widerumb
alhie einstellen und denn hießigen tractaten in person beywohnen, sonsten
aber caput legationis an beeden ortten sein.
So vernemmen wir, das der herr pfalzgraf von Neüenburg in aigner person
sich auch alhie einzestellen vorhabens, wie sein fürstliche durchlaucht dann
bereits ein quartier vor sich bestellen und zurüsten lassen. Hinweis auf
Beilage B.
A = nr. 57.
B Nassau und Volmar an die kaiserlichen Kommissare beim Deputationstag in Frankfurt,
Münster 1645 Januar 13. Kopie: RK , FrA Fasz. 49a, Konv. A Januar – März 1645 fol.
23–26–Druck: Gärtner IV nr. 30 S. 121–126. [ Konzept: RK , FrA Fasz. 92 IV
nr. 515 fol. 193–195–Kopie: Den Haag A IV 1628 nr. 16; Giessen 205 nr. 22 S. 116–
124; HStA Düsseldorf , Kurköln VI 1033. ]
Servien hat in seinem Einladungsschreiben vom 18. Dezember 1644 an den Deputationstag in
Frankfurt vorgegeben, wir, die kaiserlichen Gesandten, selbst hätten bezeugt, daß der Kaiser
allen ständten erlaubt habe, sich alhier unverhindert einzuestellen. Wir haben uns aber
jederzeit nur auf die Bestimmungen des jüngsten Regensburger Reichsabschieds bezogen. Hiernach
sollen aus dem Kurfürstenkolleg Köln und Brandenburg den Verhandlungen in Münster und
Mainz und Brandenburg den Verhandlungen in Osnabrück beiwohnen und den kaiserlichen
Bevollmächtigten in der handlung beyständig sein
Vgl. APW [ II A 1 S. 134 Anm. 3. ]
ständen ihres besondern interesse halber auch darbey zu erscheinen oder die ihrige
darzue zu verordtnen unndt sambt deß reichs notturfft bey denn Kayserlichen gesand-
tenn anzubringen frey undt bevorgestelt sein sollte. Servien beruft sich zu Unrecht auf
das Einverständnis d’Avaux’s zu seinem Schreiben. Wir bitten, der Reichsdeputation unsere
Gegenvorstellung vorzutragen, bevor eine Antwort auf die französische Einladung beschlossen
wird.