Acta Pacis Westphalicae II A 3 : Die kaiserlichen Korrespondenzen, Band 3: 1645 - 1646 / Karsten Ruppert
199. Trauttmansdorff an Ferdinand III Münster 1646 März 9
[ 175 ] / 199 /–
Münster 1646 März 9
Ausfertigung: RK , FrA Fasz. 50b fol. 6–6’, praes. 1646 März 19.
Rezepisse auf nr. 175 und Weisung vom 23. Februar
lage [1].
[1] Kf. Maximilian I. an Trauttmansdorff, München 1646 Februar 28. Ausfertigung: TA,
Ka. 109 unfol., eigenh. PS = Druckvorlage – Kopie: RK , FrA Fasz. 50b fol.
7–10’.
Rezepisse auf Beilage A zu nr. 151. Wie unß nun dise eywere loblich intention und
embsige bemühung von unseren gesandten bißhero yederzeit sonderbar angerühmbt
worden, also haben wir an dessen beharlichen continuation deßdo weniger zue zweiflen
und werdet ier hoffentlich, wan man allein die sachen mit gueter ordnung und jedes
zu seiner rechten zeit angereifft und bevorab den punctum satisfactionis nicht so lang
biß alles ubrige, warinnen man mit den protestirenden der gravaminum und anders
halber in differenz stehet, verglichen ist, darzue allem ansehen nach noch vil zeit und
mühe gehören wirdt, zuruckhstellet, sondern denselben, ehe die feindtliche cronen mit
iren armaden völlig ins veldt ruckhen und ire vorhabende operationes würcklich
incaminiren, befirdert, ein gedewlichen effect solcher eywerer eufferichen bemühun-
gen , auch dardurch bei meniglich ein grosses lob, ehr und danck erlangen.
Daß nun wider zueversicht angeregter punctus satisfactionis auf der protestirenden
ständt begehren zuruckhgesetzt und verglichen worden, den punctum amnistiae undt
gravaminum ahm ersten vorzunemmen undt abzuhandlen, miessen wir zwar unsers
theils endtlich auch dahingestelt sein lassen. Es ist aber bei unß gar khein zweifel, wan
man ihnen hierzue niht selbst ahnlaß geben, sondern denselben vilmehr die uhrsachen,
warumb nothwendiger seye, die satisfaction der cronen vor allem zue tractiern und
zue vergleichen, wohl undt umbständtlich zue gemieth geführt hette, sie wurden sich
weit anderster bedacht und dieses negocium satisfactionis selbsten mit allem angelege-
nen fleiß haben befürderen helffen. Welchen fahls alßdan auch mit ihnen, den
protestirenden, der religionsgravaminum halber weit besser und leichter wurde
vortzuekhommen und sie nimmermehr so khüen gewesen sein, ihre postulata dergestalt,
wie alberait geschechen, so hoch zue spannen. Und obwohn [!] sye sich vernemmen
lassen, das sye die extrema nicht beharren, auch wan man mit ihnen verglichen, die
satisfaction der cronen facilitiren helffen wollen. So haben wir jedoch, daß sie solche
ihre vertröstungen ins werckh zue setzen begehrten, bißhero gar nicht verspüren
könden, sondern daß wiederspihl gleich in primo limine der consultationen yber der
cronen replicen erfahren, indeme sie die amnisti in politicis und ecclesiasticis einhellig
biß auff annum 1618 zuruckhgezogen, selbige ganz illimitirt und sogar die Pfälzische
sach, ohne zweifel auch das Böhmisch und Österreichische weeßen, darunder begriffen
haben wollen. Darauß genugsamb erscheint, daß sie allein darumb so guete wort und
vertröstungen außgeben haben und noch geben, damit sye ihr intent und den vortl mit
verziech- und tractirung der gravaminum erlangen. Weiln ihnen nun diss gerathen,
wirdt es bey ihnen stehen, wie sie sich in der handlung bezaigen wollen. Und könnden
wir unß nimmermehr die gedanckhen machen, sie erhalten gleich in ihren postulatis,
waß sie wollen, daß sie sich den gegenthailigen cronen in puncto satisfactionis vil
opponirn, deretwegen zu irer Kayserlichen mayestät und den catholischen stehen und
die cronen ohne satisfaction mit den waffen auß dem Reich treiben helffen werden.
Und wan sie es schon thuen wolten, ermanglet es ihnen doch ebensowol an dem nach-
truckh , zumahln gedachte cronen sich allein mit wortten oder geltofferten ohne landt,
wie etliche vermutten wollen, von des Reichs boden nicht abweisen lassen wollen, wie
sye sich dessen öffters und sonderlich auch der Oxenstirn gegen euch selbsten
außtruckhlich vernemmen lassen. Sie mit gewaldt abzuetreiben haben die protestirende
so wenig mittel, alß die catholische selbsten, wie wir euch in unserm vorigen schreiben
mit mehreren demonstrirt. Die avocatoria, darvon ihr gegen beeden abgeordneten, dem
Dr. Puschman und Dr. Krebsen, meldung gethan, seind von kheinem effect und sich im
geringsten nichts darauf zue verlassen, wie es die erfahrenheit selber bißher erzaigt hat
und mit vihlen wichtigen rationibus besteifft werden köndte, welche ihr von unseren
gesandten negstens umbständtlicher vernemmen und auf ferners nachgedenckhen die
ungewißheit und unfruchtbarkeit dises mitels selbsten befünden werdet. Ebensowenig
ist sich auf der Schwedischen plenipotentiarien oblationes, daß sie sich, wan der
punctus gravaminum zuevor erledigt, ihrer satisfaction halber leidenlich fünden lassen
wollen, zue verlassen. Der eventus würdet es zaigen. Noch vil weniger ist zue glauben,
daß Schweden die cron Franckhreich disponiren werd oder köndt, daß selbige bevorab,
da der cron Schweden waß an landen in Pommern gelassen werden solle, sich mit
lährer handt oder einem geringen abferttigen laß, sondern es ist vilmehr zue besorgen,
die Franzosen werden alßdan nur desdo sterckher auf der satisfaction an landt unnd
leuthen beharren, nodi deterioris conditionis sein wollen, alß die Schweden. Und wie
unß die sachen vorkhombt, so ist der Schweden gantze intention und absechen allein
zu ihrem vortl auff verlängerung der tractaten unnd dahin gerichtet, weiln die
gegenthail wol wissen, das man mit den gravaminibus so leicht unnd baldt nicht an ein
orth kommen wirdt, daß sie underdessen mit ihren kriegsexpeditionen fortfahren und
das von allen resistenzmitln entblöste Römische Reich vollendt under ihren gewaldt
bringen, auch alßdan demselben leges pacis nach gefallen vorschreiben khönden. Gesetzt
auch, es sey denn Schwedischen mit ihrem anerbietten ernst, ist doch nicht zue
zweiflen, die Franzosen werden sich eben darumb desdo stärckher in sye hengen, sy
ihrer aliance erinnern unnd omnibus modis bemuhet sein, wie sie die Schwedische,
welche auch sonsten fir sich selbsten, und allein ohne die cron Franckhreich, auff
deren spesa sie bißher den krieg maistens gefiehrt haben, so praevalent nicht seind, auf
ihrer seithen behalten und durch derselben assistenz ihr praetendirte satisfaction mit
gewaldt hindurchtruckhen mögen. Und wehr verhofft, daß die cron Schweden ein
gresser reflexion und affection gegen ihrer Kayserliche mayestät unnd dero hauß alß
gegen Franckhreich in disem puncto satisfactionis erzaigen werde, der wirdt sich zu
seiner zeit betrogen fünden und hat es die mit dem Salvio zue Hamburg gepflogne
handlung genuegsamb zue erkhennen geben, indem die Schweden damalß, ungeacht
aller von ihrer Kayserlichen mayestät gethanen ansehentlichen offerten, die allianz mit
Franckhreich erneuert und den krieg noch stärckher vortgesezt. Die Französische
plenipotentiarii sollen eben der uhrsach halber, weiln sie ob eywerer abseitigen trac-
tation mit denn Schwedischen zue Oßnabrugg ein grosse gelosie gefast, den residenten
St. Romani nacher Stockholm abgeschickht, auch der conte d’Avoux sich selbsten
nacher gemeltem Oßnabrugg begeben haben, angeregte eywere particularhandlung zue
contraminiren unnd sich der Schweden zue dem endt zue versicheren, auf den fahl
ihnen, den Franzosen, die satisfaction länger difficultirt werden wolte, selbige mit
starckher fortsetzung der waffen manuteniren zue helffen. Dannenhero beschiht von
euch gar wol daran, daß ier euch vermög eures schreibens auf dergleichen der
Schwedischen unnd protestirenden erbietten nicht so fast verlasset oder ein grosses
fundament darauff machet. Es erfordert aber unsers ermessens eben darumb die not-
turfft desto mehr, das man andere gewissere und fürderlichere mitel ergreiff, den
friden zu beschleinigen, welches besser ia anderster nicht geschehen khan, dan durch
unverlängte vergleichung der satisfaction. Wir haben daß unserige dergestalt, wie wirß
gewissens und pflicht halber schuldig seind, ihrer Kayserlichen mayestät threulich
gerathen, und nit weniger auch in unserem vorigen und diesem iezigen schreiben erin-
nert und also an wohlmeinenden eufferigen erinnerungen und wahrnungen nichts
ermanglen lassen, aber bißher noch den rechten effect nicht verspürt. Entzwischen
nahet die campagna herbey, der status im Reich wirdt ie lenger, ie gefährlicher, die
mitel zue underhaltung der Kayserlichen immediat- und unserer reichsarmaden ent-
gehen ganz, die feindt fahren zum thail mit ihren grossen kriegspraeparatorien, thailß
mit würckhlichen expeditionen starck forth. Die kaiserlichen und bayerischen Truppen
werden der verstärkten schwedischen Armee nicht standhalten. Die kaiserliche Armee
ist so zerrüttet, daß eine Meuterei befürchtet werden muß. Die Versorgung der kaiser-
lichen und bayerischen Armee, vor allem mit Lebensmitteln, ist so schlecht, daß beide
Armeen, wie es zum militärischen Überleben unverzichtbar ist, nicht gemeinsam kämp-
fen können. Nur der Friede kann noch die Not beenden und das, was man bisher mit
so viel Mühen und Kosten verteidigt hat, retten. Bey welcher der sachen beschaffenheit
wir es annoch bei unserer nechstren unnd letzteren erclärung verpleiben lassen, und
wan ihr nicht ehist und so zeitlich die fridenshandlung durch rechte verfängliche und
adaequata media in einen besseren standt und dahin richten werdet, daß man noch vor
der campagna eines gueten unnd schleinigen außgangs vergewist und vor der ahn-
trohenden ferneren noth und feindtsgefahr gesichert sein würdt, khönden wir einmahl
auß denen euch schon öffters angedeiten uhrsachen solche campagna nit erwartten,
vil weniger ausstehen, sondern müssen nothgetrungener weiß auß der sach khommen
und unß sambt dem unserigen noch a tempo auffs besst alß möglichst salviren.
Sonsten haben unß unsere abgesandte bey iüngster ordinari berichtet, waß ier mit dem
canzler Puschman und Dr. Krebsen, vornämblich in der Pfältzischen sach conferirt
habt. Dieweiln wir nun so vihl darauß verspürt, das man an seitten der protestirenden
in denen gedanckhen begriffen, gedachte sach under die gemeine tractaten bey den
amnistipuncten, und zwar auch nacher Oßnabrugg, zue ziechen, solches aber nicht
allein dem negsteren Regenspurgischen reichsabschiedt, den veranlasten und von
allerseits interessirten verglichenen particularhandlung, unseren erclärungen und ihrer
Kayserlichen mayestät vilfältigen resolutionen schnurstrackhs zuewieder lauffen, auch
unß in vil weg bedenckhlich und praeiudicirlich, zumahlen ihrer mayestätt hohe
authoritet und des churfurstlichen collegii juribus sehr nachtailig ist. Alß khönden und
werden wir unß darzue in kheinen weg verstehen, sondern wollen uns zue euch ver-
sehen , ier werdet diese sach in den terminis der particularhandlung, wie solche
beraiths zuvor angefangen worden undt bey deß churfurstlichen collegii interposition
allerdings verbleiben, auch unß nichts beschwärliches darwieder zueziechen lassen,
sonsten müssten wir gleichwol selbsten sechen, wie wir den sachen in ander weg rath
schaffen khönden. Wir haben derowegen vorgedachten unßeren gesandten eine
außfiehrliche instruction und befelch zuegeschickht, waß sye euch derenthalben in
einem und anderen eröffnen und zue gemieth fiehren, auch an euch in unserm namen
weiter begehren sollen; darauff wir unß dies orths kierzlich beziechen und nochmahln
verhoffen, ier werdet euch darauff dergestalt erclären und bezaigen, wie es an ihme
selbsten recht und billich, auch unser guetes vertrauen zue euch gestelt ist.
PS Auß meinem diesem schreiben undt beilagen ersieht er, wie sich alles ie lenger, ie
mehr zu dem bruch und totaldissolution des Reichs nahen thuet, und kan darauß ver-
nünftig erachten, ob ich zu verdenckhen, das ich neben andern stenden, weil man daß
friedenwerckh so lang verziehet, mein particularsalvation an handt nemme. Will er
daß solches auch das hauß Österreich participiere, hat er das mitl, wie ich guete nach-
richtung habe, in seiner hand, mit welchem ich nit glauben will, daß er biß zum bruch
an sich haldten und die schuld deßselben auf sich laden werde wollen.
[2] Kriegsavisen an Kf. Maximilian I., s. l. 1646 Februar 20. Kopie: TA, Ka. 109 unfol.