Acta Pacis Westphalicae II A 3 : Die kaiserlichen Korrespondenzen, Band 3: 1645 - 1646 / Karsten Ruppert
86. Nassau und Volmar an Ferdinand III Münster 1646 Januar 9
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Münster 1646 Januar 9
Ausfertigung: RK , FrA Fasz. 52a fol. 9–10’, 19–19’, eigh. PS Nassaus fol. 15, praes.
1646 Januar 20 = Druckvorlage – Konzept: RK , FrA Fasz. 92 VII fol. 184–186 –
Kopie: KHA , A IV Bd. 1628/39 unfol.; Giessen 206 nr. 230 S. 1311–1317 – Druck:
Gärtner VII nr. 71 S. 413–417.
Verhandlungen mit Hessen-Kassel. Französische Replik.
Eur Kayserliche Mayestät geruchen aus beygeschlossenem extract pro-
thocolls allergenedigist anzuhören, was der Venetianische potschafter
wegen mit denn Hessen Casselischen deputatis vornemmender handlungen
uns negstverwichenen sambstag, den 6. diss, vorgebracht und das wir denn-
selben ein attestation unserer zue solchem ende habender begwaltigung er-
theilen wolten, erynnert, seitemalen er dann gestrigen tages solch sein an-
bringen widerumb, und zwar mit diser weitern anzeig erholt, das ermelte
deputati sich mit und neben denn Franzößischen plenipotentiariis vorgestri-
gen sontags in eröffnung irer replic bei ime eingefunden und sich erclärt
heten, solch ire particularhandlungen mit uns anzutretten, zwar mit vor-
wissen der Franzosen, auch mit diser condition, das alles dasihenig, was mit
inen verglichen werden möchte, hernach in die universalfriedenscapitula-
tion suo loco et ordine eingeruckht werden solte. Verlangten allein, ange-
regte attestation unserer vollmacht vorderist von uns zu erhalten. So haben
wir uns in antwortt vernemmen lassen, das wir zwar dessen kein sonder
bedenckens trügen, seitemalen wir nit allein crafft unsers generalgewaldts
und darinn eingeruckhter clausul de tractando cum confoederatis Gallo-
rum , sondern auch in crafft unserer instruction und von Eur Kayserlichen
Mayestät am 26. Aprilis negstverwichnen jars uns dessentwegen zuegefer-
tigten besondern bevelchs hierzue genuegsamb bevollmächtigt, auch in
omnem eventum eines ferrern specialgwalts vertröstet worden. Uns wolte
aber obgelegen sein, solches alles vorderist mit herrn grafen von Traut-
manßdorf , als Eur Mayestät principalgesandten, zu communicieren. In-
mitlß ersuechten wir ine, ambassadoren, bey denn Hessischen deputatis zu
verschaffen, das sie ire praetensiones uns übergeben theten. Nun erachten
wir zwar, das dieselben mit einer solchen attestation, wie angeregt, anstatt
eines specialgwaldts billich content und vergnüegt sein könden und werden.
Dieweil aber iedoch leüchtlich auch in disem etwas hindernus eingeworffen
werden möchte, so haben wir hiemit gehorsamist andeüten sollen, ob Eur
Kayserliche Mayestät allergenedigist belieben wolte, mit negstem uns zu
solchen Hesßischen handlungen den hievor vertröster specialgwalt zue-
kommen zlassen.
Was dann der Franzosen replic anlangt, da seint wir zwar in erwarthung
gestanden, das dieselbe nit allein vorgestern, sontags, den herren mediato-
ren in schrifften zuegestelt, sondern auch alsogleich uns überbracht worden
sein solten, das wir selbige disem unserm schreiben heten beyschliessen kön-
den . So hat uns aber besagter Venetianischer pottschaffter den bericht
gethan, das die Franzosen in schrifften nichts übergeben, sondern ire mai-
nungen und postulata erstens zwar bey ime und herrn nuncio apostolico
sambtlich, folgents widerumb bey ime absönderlich, iedoch mit zueziechung
dess Schweedischen residenten Rosenhan, auch der Hessen Casselischen depu-
tierten , allein mündtlich vorgetragen, welches si, mediatores, zu papyr heten
verzeichnen und also mit disem actu in 10 stundtlang zuebringen müssen,
wie sie dann erst umb 10 uhr in der nacht von disen parteyen weren licen-
ziert worden. Aniezt were er und herr nuncius im werckh, solches alles in
ordnung zu bringen, und woltens den Franzosen zu vermaidung ungleichen
verstandts vorderist nochmalen vorhalten und alßdan uns überbringen. Es
were aber dise replic mit sehr schweren postulatis angefilt. Die haubt-
puncten bestünden darauf:
1. Wolten si einmahl die amnistiam ad annum 1618 extendiert haben, doch
exceptis his, quae in hoc congressu aliter componentur.
2. Die differentias inter status catholicos et protestantes soll man amicabili
compositione vergleichen.
3. Weil Eur Kayserliche Mayestät den könig in Hispanien
mit eingeschlossen haben wollen, soll man sich erclären, ob man ausserhalb
dessen kein friden einzugehen gedencke.
4. Der herzog von Lottringen soll von disen tractaten per omnia außge-
schlossen bleiben.
5. In puncto restitutionis et satisfactionis wolten sie, was dem churfürsten-
thumb Mainz und der Pfalz zuegehörig, auch die statt Speyr restituieren.
Die drey bistumb Metz, Tull und Verdun nemmen sie für bekandt und uf
rechnung ahn, darzue aber soll inen noch die vestung Philipsburg
Ober- und Undterelsass, Sundtgaue, Preyßgaue, Freyburg, Preysach und
die vier Waldtstätt
Rheinfelden, Säckingen, Laufenberg und Waldshut, im vorderösterreichischen Breisgau
gelegen; zusammen mit den zuvor genannten Gebieten, bis auf unbedeutende Besitzun-
gen im Schwarzwald, der gesamte vorderösterreichische Besitz Habsburgs bzw. der
Innsbrucker Sekundogenitur. Vgl. auch P. Blickle S. 128ff.
erbietig, solches vom Römischen Reich zu lechen zu recognoscieren und die
gewohnliche schuldigkeit zu praestieren. Über diss alles müest inen ein
landtschafft, zwischen dem Elsäss und Franckreich gelegen, überlassen wer-
den , damit si ein continuation uf den Rhein haben könden, so si aber nit
benambst heten.
6. Die assecuration dess fridens sezten sie uf ein ewige pündtnus zwischen
allerseits interessierten haubtparteyen, mit zueziech- und einschliessung der
reichsständten sambt und sonders also und dergestalt, welchen theil einigem
fridensarticul zuwiderhandlen wurde, die andern schuldig sein solten,
selbige mit guetem oder mit gewalt zue schuldigkeit anzetreiben.
7. Endtlich wolten si auch einen offenlichen pass vor die Portugesen zu
disem congressibus haben. Wür habens also kürzlich zu bemerckhen nit
underlassen sollen, damit im fahl vor außförtigung diss und ablauffender
post uns die völlige replica nit zue handt käme und vor dissmal nit könte
überschickht werden, Eur Kayserliche Mayestät wenigist uf disen vorbericht
sich allergenedigist bedenckhen möchten, was bey so schweren zuemuetun-
gen ferrers zu thuen sein werde. Sonsten seint wir uf vorermelts herren
obristhofmeisters beschechen erynnern entschlossen, uns alspald nach einge-
langter replic nach Oßnabrugg zu erheben und mit demselben, auch überigen
unseren collegis, die notdurfft zu berathschlagen.
PS Auf mein errinneren entbieten mir, dem graven von Nassaw, die herren
mediatores, daß heute sie die von den herrn Frantzösschen plenipotentiariis
ihnen gegebene antwort in Latein oder Italienisch ubersetzet, dem duca de
Longeville zugeschicket, solche zu ubersehen, ob ihr meinung sie auch
recht eingenommen hett. Der sich erkleret, solches sobalt mit seinen herrn
collegis zu beleßen und ihnen alsdan wider zuzuschicken. Wolten also die
herrn mediatores sobalt sie obgedachte schrifften von den her Frantzosen
wieder würden entpfangen haben, diese uns überbringen ; verhoften, daß
solches noch heute gegen abendt geschehen könte.
[2] Summa capita eorum quae loco replica ad responsa Caesareanorum Gallici plenipoten-
tiarii die 7 Januarii 1646 apud mediatores oretenus fusius exposuerunt ab iisdem
mediatoribus excerpta, primum italico idiomate deinde in Latinum versa
FrA Fasz. 52a fol. 17–18’; Ebenda Fasz. 92 VII fol. 227–246’; Giessen 210 nr. 4
S. 11–20; TA, Ka. 108 unfol.; KHA , A IV Bd. 1628/57 unfol.; Ebenda Bd.
1628/56 unfol. – Druck: Gärtner VIII nr. 68 S. 374–380.
Zum Inhalt vgl. die Relation.