Acta Pacis Westphalicae II A 3 : Die kaiserlichen Korrespondenzen, Band 3: 1645 - 1646 / Karsten Ruppert
30. Lamberg und Krane an Ferdinand III Osnabrück 1645 Dezember 14
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Osnabrück 1645 Dezember 14
Ausfertigung: RK , FrA Fasz. 48a, Konv. C (September – Dezember 1645) fol. 186–188’
= Druckvorlage – Kopie: Ebenda Fasz. 92 VII fol. 32–33’; KHA , A IV Bd. 1628/38
unfol.; Giessen 206 nr. 192 S. 1180–1186 – Druck: Gärtner VII nr. 25 S. 147–151.
Geleitbriefe für die Mediatstände. Repliken der Kronen. Hansestädte zur schwedischen
Satisfaktion.
Gesteren haben unß die Schweedische gesandten die revisita erstattet, sich
nach abgelegten complementen nur in dem puncto salvorum conductuum
pro mediatis aufgehalten, denselben fast eifrig getrieben und von einigem
temperamento nit hören wöllen, sondern sich ungeschewet vernhemmen
laßen, wohfern ihnen darin kheine völlige satisfaction wiederfahren sölte,
daß alßdan zu einiger fernern handlung in der haubtsach nit schreiten
khönten.
Wir haben dhagegen erinnert, daß wir unß nit versehen wölten, daß man
sich noch lenger in dergleichen praeliminarquaestion werde aufhalten und
ein so wichtiges der gantzen christenheit höchst angelegenes friedenswerck
ferners zurückstellen wöllen, versähen unß vielmehr, daß sich die Schwee-
dische abgesandten mit einer replica in der haubtsach werden vernhemmen
laßen, dan derentwegen seie man fürnhemblich beyeinander getretten. Dha-
mit iedoch aber selbiger incidentpunct wegen vergleitung der mediatorum
kheine weitere verhindernuß gebe, so theten wir unß ahnerbiethen, den
cffect zu praestirn, nehmblich die vergleitung zu thuen, ohne benennung
des praeliminarschlußes, iedoch aber mit vorgehenden consens und belie-
bung derienigen ständte, so dhabey interessirt sein, dan wir einmahl die-
selbe unbefragt nit vorbeygehen khönten. Die Schweedische aber haben
darzu nit verstehen, sondern behaubten wöllen, daß die vergleitung prae-
cise in crafft des Kayserlichen salvi conductus generalis und nit anders
beschehen, ia selbe worte, nhemblich solche vergleitung in crafft solches
salvi conductus geschehe, deütlich mit hineingeruckt werden müsten.
Wüsten auch nit, ob denen ständten des Reichs hirzu waß zu sagen khönte
eingeraumbt werden, seie res decisa und verließen sich auf Kaiserliche
zusag, handt und siegl. Dhagegen wir dießeits bestendige fundamenta ahn-
gezogen und unß nur in contradictoriis gehalten. Weiln wir vermerckt, daß
die Schweedische von andern sachen, so zur haubthandlung dienlich, zu
reden kheinen lust gehabt, ist entlich dieser punct biß zu ankhombst irer
excellentz herrn graven von Trautmansdorff (deren wir morgen erwarten)
außgestelt worden. Wir legen aber nit darauf zu, daß die Schweedische bey
diesem passu weichen oder einigs temperament ahnnemmen werden, weiln
es sich last ansehen, ob vermercken sie, daß bey dem puncto satisfactionis
von denen protestirenden kheinen beyfall haben werden und sich dhahero
itzo waß härter bezeigen. Gestalt dan auch der |:thumbprobst alhier:|
mir, dem graffen von Lamberg, erzehlet, von denen Frantzosen in discursu
vernhommen zu haben, daß sie und die Schweedische sich auf die im Reich
einhabende veste örter verlaßen theten, daß vermitls derselben, wan mit
gutem willen der stendte sie beederseits zu der begehrten satisfaction nit
gelangen khönten, den krieg noch wol zehen iahrlang aufzuziehen getrawe-
ten , under welcher zeit aber sich noch viel sachen verändern khönten.
Immitls halten die gegentheile mit irer replic in der haubthandlung zurück,
ist auch nit zu vermuthen, daß sie dieselbe schrifftlich außgeben werden,
sondern werden vielmehr auf mündtliche conferentz gehen, dhamit ihre
unbillige praetensiones bey dem puncto satisfactionis soviel desto mehr be-
deckter pleiben möegen. Und soll des monsieur de Servient negotiation
alhie fürnhemblich darauf gerichtet gewest sein, umb die Schwedische dha-
hin zu disponiren, daß ferners in der haubthandlung nichts schrifftlich,
sondern mündtlich handlen wölten. Dhagegen aber söllen die protestirende
auf die schrifftliche handlung tringen, weiln sönsten nit wüsten, warüber
sie ihre consultationes und bedencken anstellen sölten.
Und demnach wolgemelter Ewer Mayestät obristen hoffmeisters graffen
von Trautmansdorff excellentz mir, dem graffen von Lamberg, zu ver-
stehen geben , daß es nit undienlich sein würde, mit ein- oder andern von
denen Henseestätten abgeordtneten uber der Schweeden praetension wegen
Pommern zu reden und dieselben die gefahr und consequentz, so selbige
stette in dem commercio auß solcher nachbarschafft zu gewarten, zu
gemüth zu führen, umb deren gedancken, wie sie bey dem puncto satisfac-
tionis intentionirt, zu erforschen, alß haben wir den stadt Lübeckischen
abgeordneten
Dr. David Gloxin (1597–1671), Syndikus und stadtlübeckischer Abgeordneter auf dem
Westf. Friedenskongreß, Bevollmächtigter des Hgtums Sachsen-Lauenburg und der
Reichsstädte Goslar und Nordhausen. Vgl. ADB IX S. 241–244 und G. Buchstab
passim.
halten . Waß nun deßen erclehrung darauf gewest und wie offenhertzig der-
selbe in hoc passu gegen unß herausgangen, belieben Ewer Mayestätt ihro
auß beyverwahrtem prothocol allergnädigst referirn zu laßen.
Extractus protocolli, s. l. 1645 Dezember 13. Kopie:
RK
,
FrA
Fasz.
48a, Konv. C
(September – Dezember 1645) fol. 189–192’ = Druckvorlage; Ebenda Fasz. 92 VII
fol. 28–31; KHA , A IV Bd. 1628/38 unfol.; Giessen 206 nr. 191 S. 1170–1180 –
Druck: Gärtner VII nr. 24 S. 141–147.
(September – Dezember 1645) fol. 189–192’ = Druckvorlage; Ebenda Fasz. 92 VII
fol. 28–31; KHA , A IV Bd. 1628/38 unfol.; Giessen 206 nr. 191 S. 1170–1180 –
Druck: Gärtner VII nr. 24 S. 141–147.
Martis 13. Decembris 1645 haben wir den stadt Lübeckischen abgeordtneten Gloxi-
num , doctorn, zu unß erfordert und demselben fürgehalten, daß ihme ohne zweifl
würde vorkommen sein, waßgestalt sich nuhmehr die Frantzosen und Schweeden mit
irer praetension, warauf sie den punctum satisfactionis gerichtet, ploß geben und
nhemblich die Schweeden Pommern, die Frantzosen aber Elsaß haben wöllen. Weiln
dieses nun ein weithaußehendes werck, whobey aber die reichs- und hanseestätte für-
nhemblich interessirt, angesehen mit überlaßung Pommern ahn die cron Schweeden,
zugleich auch daß gantze commercium (waran selbiger hanseestätt vornhembste wol-
fahrt haffte) auß handen gegeben, und die commercia bey denen stätten mercklich ge-
schwecht , woh nit gar niedergelegt werden wöllen, weiln bewust, waß für einen großen
vortheil die cron Schweeden durch den Dänischen frieden
Der Friede von Brömsebro vom 13. August 1645. Vgl. [ nr. 7 Anm. 9 ] .
erlangt, indeme der zoll im Sundt für die Schweedische schiffe also gemiltert und er-
leichtert worden, daß sie alle ire wahren wegen solcher zollsbefreyung wolfehler geben
und dhahero einen mehren abgang der wahren alß die reichs- und hanseestette, so
immerforth den gesteigerten zoll entrichten, folglich auch ihre wahren nach proportion
des köstens anschlagen müsten, haben würden, wohdurch dan daß commercium, so
seithero in Teutschlandt gewest, nacher Schweeden würde gezogen werden. Das sei für
das Reich von Nachteil.
Demnach aber die Römische Kayserliche Mayestätt bey diesem werck ihr absehen
dhahin gerichtet, wie solches commercium bey der Teutschen nation zu erhalten und
wiederumb in seinen alten gang zu bringen und kheinsweegs zuzugeben gemeint seien,
daß etwaß von landt und leuthen sölle zurückgelaßen werden, maßen solches auß dero
erclehrung ad propositionem Suecicam gnugsamb zu erkhennen. Ihr Mayestätt aber für
sich alleine und ohne zuthuen der stendte und anderer interessirten solches zu erheben
nit mächtig, alß hete man ihme, abgeordtneten, von diesem verlauff und umbstendten
parte geben und seine gedancken gerne vernhemben wöllen, wie ihme daß werck für-
komme . Ob ers dhafür halten khönne, daß es die Hanseestätte werden können gesche-
hen laßen, daß denen Schweeden so mächtige landt und seehaven söllen in handen
laßen werden. Wir könten auch wol leiden, daß er mit andern interessirten daraus
rede, wir wölten solches auch thuen, dan seie unß daran gelegen, von dern gedancken
waß nachricht zu haben, umb unsere negotiation darnach zu richten.
Gloxin bedankte sich. Die Sache gehe nicht allein die Hansestädte an, sondern das
ganze Reich. Der dänisch-schwedische Frieden und die Ernennung Torstensons zum
Statthalter in Pommern sprächen allerdings dafür, daß Schweden alle Eroberungen an
der Ostsee behalten wolle. Alle protestantischen Gesandten seien darauf instruiert,
fremden Mächten nicht das Geringste vom Reich zu überlassen. Die Hansestädte be-
dauerten , daß man sich bei der Satisfaktion auf das Schönbecksche Projekt
habe und nicht pure in der negativa geplieben wehre, er glaubt, daß er auch die ande-
ren Reichsstädte zur Abwehr der schwedischen Ansprüche wird gewinnen können. Wir
zeigten uns über die Haltung der Hansestädte erfreut und fuhren fort, es seie ia eine
unbillige zumuthung der außwertichen cronen und daß größiste absurdum, daß sein
khönte, daß dieselbe alle confiscationes, so bey vorigem krieg ex iustissima causa für-
gangen , wölten rescindirt und alles wieder restituirt haben, hingegen aber auf einmahl
von landt und leuthen, so niemaln verwürckt oder confiscabl gewest, dem Reich mehr
entziehen und hinwegnhemmen, alß alle sölche confiscirte güter werth sein.
Waß Kayserlicher Mayestätt erclehrung circa punctum satisfactionis anlange, selbe ver-
binde die stendte nit, sondern seie nur permissive gesetzt, daß es Kaißerliche Mayestätt
beschehen laßen khönten, wan die stendte, so es betreffen, auf einige satisfaction in
ordine des Schönbeckischen proiects gehen wölten, stünde also in arbitrio illorum sta-
tuum , waß sie hirinnen thuen wölten oder nit. Wan die stendte nur mit Kaißerlicher
Mayestätt hirin einig sein würden, würdte der sach leichtlich zu helffen sein, khönten
etwoh selbige gelder wieder die feindte selbst verwendet und dieselbe dhadurch von
des Reichs boden wieder gebracht werden. Ille: die mitl sein hinweg und khein vermöe-
gen mehr bey den stendten. Nos: seie gnug, wan man nur mit hertz und mundt mit
Kaißerlicher Mayestät einig seie, die mitl würden sich alßdan finden.
Wir versprachen durch Beilegung der Gravamina die Einigkeit im Reich zu fördern.
Gloxin beklagte sich, daß die Fürsten die Gelegenheit nutzten, um privilegierte Städte
ihres Machtbereichs unter ihre absolute Herrschaft zu bringen. Wir sind darauf wie
auf das Anbringen wegen des hansestädtischen Direktoriums nicht eingegangen.