Acta Pacis Westphalicae II A 3 : Die kaiserlichen Korrespondenzen, Band 3: 1645 - 1646 / Karsten Ruppert
22. Ferdinand III. an Trauttmansdorff, Nassau, Lamberg, Krane und Volmar Linz 1645 Dezember 12
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Linz 1645 Dezember 12
Ausfertigung: RK , FrA Fasz. 50c fol. 68–68’, 75–75’ = Druckvorlage – Konzept:
Ebenda Fasz. 47b fol. 233–235.
Marburgische Sukzessionssache.
Uns hat Landgraf Georg von Hessen-Darmstadt anzeigen lassen, welcher
gestalt die fürstliche Hessen Casselische wittib und deren ministri, wie
zuvor zu Goslar und Braunschweig bey denen daselbst angestelten und fur-
gewesenen tractaten
Die ksl. Verhandlungen mit Braunschweig-Lüneburg und Hessen-Kassel zu Goslar vom
Oktober 1641 – Januar 1642 führten am 16. Januar 1642 zu einem Friedensvertrag mit
Braunschweig-Lüneburg, scheiterten aber mit Hessen-Kassel. Ab April 1642 wurden
zwischen Braunschweig-Lüneburg und Kurköln die Folgeverhandlungen über die Resti-
tution des Stift Hildesheim in Braunschweig aufgenommen. Vgl. Ch. v. Rommel IV
und J. F. Foerster S. 99–119 passim.
denen allgemeinen friedenstractaten und an deren beyden orthen zu Mün-
ster und Oßnabrugg die albereit in anno sechzehenhundertdreyundzwan-
zig
Vgl. [ nr. 15 Anm. 15 ] .
ligen Römischen Reichs churfürsten decidirte, in rem iudicatam erwachßene,
hernach in anno sechzehenhundertsiebenundzwanzig
Vgl. [ nr. 15 Anm. 15 ] .
anhalten, suchen und begehren der Hessen Casselischen linien selbst, ver-
glichene , durch Kaiserliche allergnedigiste confirmation vim sanctionis
pragmaticae erlangte, mit viel taußenden von der fürsten beeder Hessischen
linien selbsten, deren landtständt, räthen und unterthanen geleisten ayden
bekrefftigte Marpurgische successionssache und respective vergleich in dis-
putat zu ziehen, auß allerhandt newen, ungültigen und ungegründten malis
praesuppositis ümbzustossen, zu cassiren oder newe vergleich zu erzwingen,
sich deßwegen an die frembden cronen zu henkhen, deren, und sonderlich
der königlichen Französischen gesandten, assistenz zu gebrauchen, solche
Marpurgische successionssach undt streit, welche vast vor vierzig jahren
ihren anfang erreicht undt mit den militarischen sachen nichts zu thuen
hat, in die postulata der frembden cronen wo möglich miteinzumischen und
zu und in die vorstehende tractaten zu ziehen. Mit angeheffter bitt, wir
eüch, solche gefehrliche sache zu verhindern und wan ein oder anders in
besagter fürstlicher Hessen Casselischen wittib oder dero nahmben oder
auch von den cronen etwas einkhommen solte, ihr dieselbige auff den
beliebten allerseits beeydigten vergleich auß den angezogenen ursachen, wie
ihr auß der abschrifft des uns eingehendigten supplicirens mit mehrerm zu
ersehen, verweisen wollet.
Nun ist es nit ohne, daß dieße successionssach, wie von dem abgesandten
angebracht, nach reiffer erwegung der sachen, ordentlich erorttert und mit
der churfürsten eingeholtem rath decidirt, nachgehendts zwischen beeden
linien ein ordentlicher vergleich, so von unserm herrn vatern Ferdinando
dem andern Römischen Kaysern höchst seeligster gedechtnus auff beeder
linien anhalten in vim pragmaticae sanctionis bestettiget, auffgericht ist
worden, daß sich wohl zu verwundern, daß wieder dergleichen res iudica-
tas , transactiones iuratas, etwas movirt werden solle. Dahero wir besagtes
unsers lieben oheimbs, des landtgraff Georgen zu Hessen liebden ansuchen
für ganz billich befunden, so wirdt euch auch sambtlich bekhandt sein, was
wir deßwegen unterm dato Eberßdorff, den fünfften Septembris verwiche-
nen sechzehenhundertvierundvierzigsten jahrs, nacher Münster und Oßna-
brugg überschrieben und anbefohlen haben
Vgl. APW II A 1 nr. 384. A. a. O. S. 619 Anm. 1 ist ein Irrtum unterlaufen. „ Hessen-
darmstädtische petita“ wurden nicht „erst am 12. Dezember 1645 übersandt“, sondern
Wolffv. Todtenwart hatte schon mit einer am 1. September 1644 überreichten Denk-
schrift ( RK , FrA Fasz. 47b fol. 236–240’) um die ksl. Unterstützung für Hessen-
Darmstadt im Marburgischen Erbstreit gebeten; laut Kanzleivermerk sollte dieses
Memorial den Gesandten am 5. September 1644 zugeschickt werden. Die „petita“ vom
„12. Dezember 1645“ sind Beilage [1], die zwar undatiert, doch als Kanzleivermerk das
Datum 1645 Dezember 8 tragen.
Diesem nach so befehlen wir eüch hiermit nochmahln, daß ihr, da euch von
der frembden cronen gesandten etwas disorths zuegemuthet werden solte,
die beschafffenheit der ganzen sachen ümbstendiglich auß der mitüber-
khommenden lateinischen beylag remonstriret und besagten gesandten zu
gemüth führt, wann solche vincula humanae societatis, pacta iurata et per
sanctiones pragmaticas confirmata so leicht infringirt und dardurch bös
exempel verursacht werden solten, daß, wie im Römischen Reich und in der
ganzen weltt, also auch in ihren königreich und vaterlanden trewe, ehr,
glauben, recht und gerechtigkheiten, ohne welche doch kein reich bestehen
khan, periclitiren wurde. Wollet auch hierinnen den fürstlichen Hessen
Darmbstadtischen gesandten auff ihr anmelden trewlich assistiren und hilff
leisten.