Acta Pacis Westphalicae II A 5 : Die kaiserlichen Korrespondenzen, Band 5: 1646 - 1647 / Antje Oschmann
184. Trauttmansdorff, Nassau und Volmar an Ferdinand III Münster 1646 Dezember 28
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Münster 1646 Dezember 28
Ausfertigung: RK FrA Fasz. 52a fol. 238–242, PS RK FrA Fasz. 50b fol. 47
Januar 10 = Druckvorlage – Kopie: Giessen 208 nr. 74 p. 267–279, PS p. 279; ÖstA Tirol
Fasz. 20f. p. 2883–2889, PS p. 2889 – Konzept: RK FrA Fasz. 92 XI nr. 1586 fol. 276–279’,
PS fol. 280.
Contarini vor den kurbayerischen Gesandten: Französische Fortsetzung des Krieges bei spani-
scher Ablehnung ihrer Forderung nach Porto Longone und Piombino; große Gefahr für Italien
von französischer und türkischer Seite; kein eigenes französisches Interesse am Frieden im Reich.
Diskussion zwischen den kurbayerischen und kaiserlichen Gesandten. Peñaranda bei Trautt-
mansdorff : Zurückweisung der französischen Forderung; Gefahr einer französischen Ausbreitung
und Vormachtstellung in Italien. Abreise Serviens nach Den Haag? Rückkehr Plettenbergs in
Kürze, wahrscheinlich mit hinhaltender Antwort des Kurfürsten von Brandenburg. – PS
Hoffnung Contarinis auf französisches Einlenken gegenüber Spanien. Abreise Serviens.
In continuation dessen, so Eur Kayserlicher Mayestät wir vom 24. diss
wegen von denn Franzosen uf die baan gebrachter newer forderungen mit
Piombino und Porto Longone in Italia wie auch etlicher posti in denn
Niderlanden und der freygrafschafft Burgundt allerunderthenigist berichtet,
sollen wir hiemit weiter zu referieren nit underlassen, das hierzwischen der
Venetische ambasciator nit allein bei mir, grafen von Trautmanßdorf, son-
dern auch bei dem conte Peneranda selbst ganz bewegliche erinnerung gethan
und, als er verspürt, das bei demselben nichts außzurichten, folgendts auch
die Churbayrischen abgesandten derentwegen angesprochen, wie dann selbi-
ge gestrigen vormittags uns sein anbringen ganz umbstendtlich erzehlt haben,
dess innhalts, das die Franzosen sich einmal rundt entschlossen hetten,
wofern inen von Spania die cession obbemelter beeden posten in Italia nit
eingewilligt wurde, keinen friden zu machen, sondern den krieg zu continu-
ieren , wie sie dann bereits uff die von denn Spanischen ministris vermerckhte
abschlägige antwortt einen aignen currier nach Pariß abgeferttigt und berich-
tet hetten, das man sich keiner einwilligung von Spania zu versechen und
derentwegen auf mittel, den krieg zu continuieren, bedacht sein wolte.
Weilen nun bei solcher bewandtnus nit allein die republica von Venedig,
sondern auch alle ständt in Italia vermerckhen müesten, das umb der Spanier
anhältigkeit willen der friden sich zerschlagen thue, daher ganz Italia der
Türckischen kriegsmacht bloßgestelt, sonderlich aber die republica, als
welche derselben allein nit genuegsamb gewachsen, einen friden mit dem
Türckhen, und solt es gleich mit hinderlassung ganz Candia geschechen
müessen, einzugehen benöthigt sein, alßdan es auf Sicilia und Napoli gelten,
entzwischen die Franzosen das herzogthumb Maylandt anfallen, Eur Kayser-
liche Mayestät ebenmäsßig nit allein von denn Schweeden und protestiren-
den in Teütschlandt, sondern auch von dem Türckhen in Hungarn mit aller
macht wurden angegriffen und also alles in entlichen undergang gestürzt
werden, welchem unheil iedoch mit der einzigen cession diser pläzen
Piombino und Porto Longone köndte geholffen und ein universalfriden ohne
einige weitere verlengerung erhebt werden. Der cardinal Mazzarini werde
ime solche abschlägige resolution der Spanischen im geheimen rath zu Pariß
merklich zu nuzen machen und sein principium, das man die cron Spanien
von der affectierten universalmonarchei nit bringen könne, man greiffe dann
selbige in Italia haubtsächlich an, verificieren, dardurch auch die Italienischen
ständt von derselben alienieren und inen ursach geben, das sie sich desto
mehr an Franckreich hencken werden. Und weren dise zwey schlechte ortt
der mühe nit werth, das man darumb alles in so augenscheinliche gefahr
sezen solt, ja wann die Spanischen in derselben verlasßung einwilligten,
wurden sie dardurch bey der ganzen christenheit, sonderlich aber bei denn
Italienischen ständen, ein grosse gunst und beyfahl erhalten, auch wann sich
etwan könfftig die Franzosen deren misßbrauchen wolten, mit derselben
beystandt sie im zaum halten und aus Italia hinwegkhiagen könden.
Sie, Churbayerische, heten solche bewandtnus ungern vernommen und
gleichwol auch dem Venetischen pottschaffter entgegen gehalten, wann ie die
sachen sich mit Spania so starckh stossen solten, so wolten sie doch
verhoffen, die Franzosen, inmaassen die sich mehrmalen darzue erbotten,
wurden hierdurch den friden mit Teütschlandt nit hinderen noch ufhalten
wollen. Er hette aber sovil zu verstehen gegeben, das die Franzosen sich auch
umb den Teütschen friden wenig bekümmeren wurden, weil ohnedas nun-
mehr erscheinte, das die cron Schweeden vil mehr den krieg zu continuiren
als zu einigem friden zu verstehen entschlossen wer. Wann es dann dise
mainung gewinnen solt, so wurde ein ieder das beneficium Polyphemi
ergreiffen und sich, so guet er köndt, retten müessen, aus welchem allem aber
nichts anders, dann ein genzlicher undergang dess Teütschen kayserthumbs
erfolgen und alles zu trümmeren gehen wurde. Pötten uns derentwegen, wir
wolten dem conte Peneranda diesen betaurlichen ausgang wol vor augen
stellen und unseresorts vermögen helffen, das er den allgemeinen friden mit
hinderhaltung bedeüter cession nit schwerer machen oder steckhen lassen
wolte etc.
Warauf inen durch mich, grafen von Trautmansdorff, angefüegt worden, das
der Venetianer eben dergleichen erinnerung auch bey mir selbst gethan. Ich
hete auch nit underlassen, alle mitel und weeg zu suechen, ob ermelter conte
Peneranda hierzue möchte bewegt werden könden, ime zu solchem ende in
vertrawen communiciert, was ire durchlaucht, der herr erzherzog Leopold
Wilhelm, mir sub dato, 13. diss, vom standt der armata zuegeschriben , mich
auch dabei erbiettig gemacht, wan er villeicht so weit heraußzulassen nit
genuegsamb bevollmächtigt zu sein vermeinte, das ich im namen Eur
Kayserlicher Mayestätt solche expromission über mich zu nemmen erbiettig
wer. Hette aber biß daher nichts erhalten können, das sie also selbsten
urtheilen möchten, das ich ia an meinem ortt nichts undterlassen thue. Es
were aber auch nit wenig zu bedawren, indem die Franzosen ia alles, was sie
sonst von uns und denn Spanieren begert, erhalten, also das die Hollender
selbst es vor genuegsamb erachtet heten, das sie nichtsdestweniger steetigs
mit dergleichen newen praetensionibus das fridenswerckh schwer mechten
und mit iren hostiliteten immerzue fortfahren theten. Es wer ia billicher, das
sie dermalen in sich selbst gehen und die christenheit weiter nit betrüeben
theten. Das sonst mit denn Schweeden kein frid zu erhalten, seye leicht aus
allen iren bißher gefüerten actionibus zu urtheilen. Und werde man uf dess
churfürsten von Brandenburg einlangende erclärung erst mehreres im werckh
erfahren, was sie für newe difficulteten mit dem puncto satisfactionis uf die
baan bringen werden, sonderlich wegen der stiffter Hildeßheimb, Oßna-
brugg und Minden.
Die Churbayrischen sagten hierauf, von irem gnädigsten herrn bevelch
empfangen zu haben, dran zu sein, das die sachen auch mit denn Schweeden
und protestierenden verglichen, iedoch einige mehrere stiffter, sonderlich
aber Oßnabrugg und Minden, nit vergeben werden möchten.
Wir haben geantworttet, wir wurden in eim und anderen an uns nichts
erwinden lassen, aber man seche, mit was für leütten man zu thuen thete, und
wer auch bessers nit zu hoffen, solang sich der standt der waaffen diserseits
nit verbessern thet.
Gestern nachmittags hat sich der conte Peneranda selbst bei mir, grafen von
Trautmanßdorf, eingestelt, deme ich auch im beysein mein, Volmars, alles
hieobengemelt mit gueter gelegenheit nach und nach vorgehalten. Der hat
sich aber vorderist entschuldigt, das er einmal solche cession einzuwilligen
von seinem gnädigsten könig und herrn durchauß keinen bevelch. Es hete
auch, weil diß ein ganz newes und vorhin niemaln uf die baan gebrachtes
postulatum wer, darvon im königlich Spanischen rath noch derzeit nichts
können gehandlet werden. So wolte ime als einem ministro nit gebüren, in
einer so wichtigen sach das geringste einzuwilligen, darüber er nit instruiert
wer. Alle königlichen ministri in Italia verwarneten ine, dißorts denn
Franzosen nichts nachzugeben, dann es wurde sonder allen zweifel bei allen
Italienischen ständen, so einig interesse bei der cron Spanien haben, einen
gemainen abfahl nach sich ziechen, als welche die consequentz machten,
köndte der könig seine aigne stati nit handthaben, so wurde er vil weniger
andere bei seiner protection erhalten können. Mann soll nit gedenckhen, das
der cardinal Mazzarini dise posten nur von fridens wegen eingenommen,
sondern der zweckh were weiter gesezt und das absechen dahin gericht, wie
man die Franzößische macht von dar weiter außbreitten, das königreich
Napoli vom herzogthumb Maylandt abschneiden, eines nach dem anderen
einnemmen und folgendts sich ganz Italien bemächtigen mögen. Dan er hete
aus Pariß die gewisse nachricht, das einmal die Franzosen keinen friden
begerten und sonderlich bemelter cardinal all sein datum uf continuation dess
kriegs sezen thet, zu welchem ende die hiesige Franzößische ministri allen
eifer und fleiss mit versprechung fast unglaublicher hilfflaistung bei denn
Hollenderen anwenden theten, sie zu bereden, das sie mit Spania keinen
friden schliessen solten. Also seye alles vergebens, was man gleich immer
denn Franzosen nachgeb. Und wann sie gleich uf erhaltung diser oder
anderer posten den friden versprechen, so werden sie es doch nit halten,
allermassen mit Preysach auch beschechen. Wann denn Franzosen ernst sey,
einen friden zu machen, so werden sie entlich die restitution diser beeden
posten, so inen tempore pacis nichts nuz sein köndten, nit verwaigeren, wie
er dann |:vom herrn nuntio:| verwarnet seye, sich keinesweegs zu solcher
cession vermögen ze lassen, die Franzosen werden davon aussezen. Weil er
dann sich so hoch verwaigert, so hab ich es auch dabei müessen bewenden
lassen.
Der conte Servient hat sich zwar iungst beschechnem andeüten nach vernem-
men lassen, daß er am vergangnen mittwoch von hier abraisen wolt, wie er
dann deßwegen einen pasß von uns noch in der nacht am heiligen Weiche-
nachttag sollicitiren lassen. Er ist aber dato noch nit abgeraist, iedoch
allerdings weegferttig.
Dess von Plettenberg seint wir uf heüt oder morgen widerumb gewärttig,
verspüren aber aus seinem eingeschickhten schreiben , das er mit einer
aufzüglichen antwortt zuruggkommen werde. Dahero dann dise Schweedi-
sche satisfaktionssach sehr schwerlich in richtigkeit zu bringen und besorg-
lich vil zeit damit zu verzehren sein wirdt.
PS Nach verfertigung diß hat sich der Venetianische pottschaffter bey mir,
grafen von Trautmanßdorf, eingestellt und angezaigt, daß gestern der Ser-
vient bei ihme gewesen, unnd ob der wol nochweilß auf der cession
deß Porto Longone unnd Piombino verharret, so hette er doch sovil ver-
merckhen khönden, wann die Spannischen plenipotentiarii sich zue einer
tregua auf gleiche zeit wie mit Catalonia verstehen wolten, das er verhoffte,
die Franzosen wurden damit zefriden sein unnd im übrigen zum völligen
vergleich deß fridenschluß tretten. Nun hab ich ihme zwar referiert, wessen
sich der conte Peneranda gegen mir selbst entschuldigt, aber uf sein ferner
zuesprechen alßbaldt den Bruin zu mir erfordert und ihme der sachen
erscheinende höchste nothurfft mit allen umbständen representiert, damit er
solches dem conte Peneranda zue hinderbringen wüsste, wie er es auch mit
gueten trewen zu verrichten benomben.
Sonsten vernemme ich eben iezt, das der Servient heut fortgeraißt seye .