Acta Pacis Westphalicae II A 5 : Die kaiserlichen Korrespondenzen, Band 5: 1646 - 1647 / Antje Oschmann
49. Lamberg und Krane an Ferdinand III Osnabrück 1646 Oktober 4
Osnabrück 1646 Oktober 4
Ausfertigung: RK FrA Fasz. 51a fol. 15–16’, 21 = Druckvorlage – Kopie: KHA A 4 nr.
1628/41 unfol.; Giessen 207 nr. 320 p. 1208–1212; Giessen 212 p. 18–20.
Verhandlungen der französischen Gesandten in Osnabrück: Verärgerung der schwedischen
Gesandten; Streit innerhalb beider Gesandtschaften; Vorbehalte der französischen Gesandten
gegen das schwedische Projekt für den kaiserlich-schwedischen Friedensvertrag. Anbringen der
protestierenden Stände: Modus tractandi bei den Religionsverhandlungen; Abordnung der
katholischen Stände nach Osnabrück?; geplante Abreise Trauttmansdorffs; ihre Ermahnung der
kurbrandenburgischen Gesandten.
Auf die ksl. Weisung vom 12. September 1646
gesandten negotiation alhie haben wir ferners dieses erfahren, daß sich die
Schweedische gegen die protestirende, sönderlich der Oxenstern gegen den
graffen von Witgenstein, höchlich beclagt, ob wehren sie von denen Frantzo-
sen betrogen. Bey einer conferentz soll es wunderbarlich durcheinanderge-
lauffen und erstlich die Schweeden und Frantzosen ahneinander kommen
sein und der Salvius den Frantzosen gar grob verwiesen haben, daß die
Frantzosen itzo ihr intent erlangt und ire gräntze gar biß auf den Rhein-
stromb extendirt hetten, wölten itzo die cron Schweeden mit lähren handen
abweisen, seie wieder die confoederation, und waß dergleichen mehr gewest.
Dhagegen die Frantzosen erinnert, daß sie dasienige, waß sie pro satisfactione
bekommen, thewer gnug erkauffen müeßen. Die cron Schweeden könte
solches auch versuchen, die bekomme fast noch einmahl so viel von land und
leüthen von des Reichs boden alß die cron Franckreich. Seie nit so hoch zu
verwundern, daß es dhamit waß schwehr hergehe. Wie sich darauf der
Salvius waß gelendet und so viel zu verstehen geben, daß dan der cron
Schweeden zum weinigsten zu halb Pommern möegte verholffen werden,
hette der Oxenstern dem Salvio eingeredt und verwiesen, daß er wieder seine
instruction redete. Und wehren diese beyde dergestalt aneinanderkommen,
daß die Frantzosen gnug zu thuen gehabt, sie wieder zu reconciliiren.
Dhahero endtlich der schluß dhahin außgefallen, daß in Schweeden umb
fernere instruction zu schreiben seie. Bey selbiger conferentz seie auch der
autonomia gedacht worden und es der duca di Longavilla neben dem conte
de Servient darfür halten wöllen, die catholische stendte würden selbigen
punct nachgeben, dhagegen der conte d’Avaux contrarium sustinirt und also
die Frantzösische gesandten ebenermaßen so starck darüber aneinandergera-
then , daß durch die Schweedische wieder hetten müßen gesetzt werden.
Circa instrumentum pacis hetten die Frantzosen denen Schweedischen gera-
then , ihr instrumentum pacis nit zu außantworten. Würden kheinen reputa-
tion dhavon haben, weiln sachen darin begrieffen, so nit könten behaubtet
werden, das gantze instrumentum auch mehr auf particular- und privatsachen
alß causam publicam gerichtet und also causam belli nit iustificire, sondern
vielmehr causam Suecorum vulnerire, daß sie umb solcher sachen willen
einen krieg geführt, umb derentwillen khein krieg geführt werden könte. Seie
beßer, daß man in regulis generalibus bleibe in ordine der ersten proposition
Vgl. die schwed. Proposition II vom 1./11. Juni 1645 (Druck: Meiern , APW I S. 435–438 ).
alß solchergestalt ad particularia gehe. – Welche umbstendte unß von denn
Churmaintzischen communicirt worden, mit versicherung, daß sie von guten
orth herkommen.
Die protestirende stendte haben gestern abermals bey unß in puncto gravami-
num ein anbringen gethaen, darüber Ewer Mayestätt iro auß beyverwahrten
prothocollo allergnädigst wöllen referirn laßen. Söllen auch denen Churbran-
deburgischen zu favor der cron Schweeden zugesprochen haben, weiln sich
die Schweedische beclagen, daß mit denen Churbrandeburgischen nit vort-
kommen könten und dieselbe sich noch wegen gantz Pommern, noch wegen
halb Pommern, noch wegen eins stücks oder particul herauslaßen wölten,
daß sich gegen die cron Schweeden zu waß gewißes, waß sie zu thuen
gemeindt, erclehrn wölten, dhamit dieselbe wißen können, waran sie seie.
Und dieses haben wir von einem protestirenden selbst.
[1] Protokoll, [Osnabrück] 1646 Oktober 3. Kopie: RK FrA Fasz. 51a fol. 17–20’ = Druckvor-
lage ; RK FrA Fasz. 92 X nr. 1469 fol. 450–453; RK FrA Fasz. 91 II fol. 233–236’; RK
FrA Fasz. 96 VI fol. 319–322 (dict. 1646 Oktober 6); RK FrA Fasz. 98d fol. 582–585;
StK FrA Ka. 2 (WF XXXV) fol. 213–215; StK FrA Ka. 10 fol. 1223–1229; ÖstA Tirol
Fasz. 20f. p. 2500–2506; KHA A 4 nr. 1628/41 unfol.; Giessen 207 nr. 316 p. 1192–1200;
Giessen 212 p. 9–13 – Druck: Meiern , APW III S. 373–375.
Haben die protestirende ständte durch ihren gewöhnlichen außchuß bey unß fürtragen
laßen, daß wir unß gutermaßen würden zu erinnern wißen, wie die compositionshand-
lung in puncto gravaminum zwischen denen catholischen und protestirenden stendten
seithero getrieben, wie dieselbe erstmals von einer mündtlichen conferentz iren anfang
genhommen, hernacher zur schrifftwechßlung kommen und endtlich die sach von
beeden theilen denen Kayserlichen und Schweedischen herren abgesandten zu verglei-
chen anheimb gegeben worden. Nun hetten die protestirende stendte verhofft gehabt, es
würden die catholische bey sölchen einmahl beyderseits beliebten modo verharret sein.
Nachdeme aber dieselbe unsere iüngste ihnen beschehene vortrag under sich berath-
schlagt und wol erwogen, so hetten sie so viel darauß vermercken müeßen, daß der
catholischen ständte gedancken in effectu auf eine variation gerichtet, umb von solchem
modo außzusetzen und das werck auf einen andern weeg zu richten. Weiln aber der sach
dardurch nit wölle geholffen, sondern dieselbe gar involvirt werden, es auch denen
protestirenden stendten bedencklich falle, sich auß demienigen weege, den man einmahl
eingetretten, abführen zu laßen, und man solchergestalt nimmermehr würde zum schluß
gelangen, alß hetten die protestirende stendte für nöttich erachtet, solches unß anzuzei-
gen und zu ersuchen, die sach dhahin zu befordern, dhamit 1. die abhandtlung solcher
gravaminum von denen Kayserlichen und königlich Schweedischen gesandten alß
beederseits beliebten interpositorn moege under banden genhommen, sodan 2. die
catholische stendte zu einer abordtnung anhero, umb mit ihnen, protestirenden, darüber
zur mündtlichen conferentz zu tretten, vermöegt werden. Und weiln wir ihnen auch für
weenig tagen von des herrn graven von Trautmannsdorff excellentz vorhabenden
zuruckreiß angezeigt, so hetten sie, protestirende stendte, solchs ungern vernhommen,
auch nit underlaßen, ihren mitverwandten stendten zu Münster darüber zuzuschreiben,
dhamit dieselbe ihre excellentz selbst anlangen und von solchem vorhaben divertirn
wölten, sintemaln sie der hoffnung lebten, es solten vermittels deren authorität und
zuthuen die sachen zum vergleich gepracht werden. Hetten aber auch unß nochmals
instendig ersuchen wöllen, bey irer excellentz erinnerung zu thuen, dhamit dero abreiß
moege eingestelt pleiben.
Wir haben geantwortet, daß man sich versehen gehabt, es sölten die protestirende
stendte ihre erclehrung auf dieienige vorschläg, so den 12. Julii außgeantwortet worden,
waß gemiltert und sich also dhabey bezeigt haben, dhamit die Kayserliche gesandten
hetten ursach und anlaaß haben möegen, denen catholischen ferners zuzusprechen und
die sach zum vergleich zu pringen. Nachdemahl wir aber auß ietzbeschehener vortrag so
viel vermercken, daß itzo allererst circa modum ipsum, wie die compositionshandtlung
zu führen, disputirt werden wölle, unangesehen man schon eine geraume zeit in selbiger
handlung zugebracht, einen gewißen modum darbey gehalten und sich darin zu ändern
kheine ursach habe, die catholische stendte sölches auch nit verlangten, noch auch von
iemandt andern darzu ursach gegeben, sondern vielmehr dieses begehrt würde, daß alle
extrema möegen vermietten und auf die letztere außgeantwortete vorschläge eine solche
erclehrung, warauf ferners handlung gepflogen werden könte, abgeben werden, so
würde selbigs anbringen den Kaiserlichen gesandten sowol alß catholischen stendten
umb so viel desto mehr befrömbt vorkommen, weiln man sich dießeits nit wiße zu
erinnern, daß iemals von beeden theilen denen Kaißerlichen und Schweedischen
abgesandten diese sach zu vergleichen solte anheimb gestelt sein. Sondern es seie
vielmehr auß der catholischen stendte letztere erclehrung abzunhemmen, daß dieselbe
nit zum besten dhamit zufrieden gewest, daß die Kaiserliche gesandten die iüngste
vorschlagsmitle waß weenig extendirt gehabt. Waß wölte dan für vermuthung
geschöpfft werden können, daß dieselbe wolgemelten abgesandten ein so wichtigs
werck mit denen Schweedischen zu vergleichen ledichlich sölten untergeben und
anheimb gestelt haben? Mit der insinuirten abordtnung der catholischen stendte würde
es auch schwehr hergehen. Die hetten gleichwol schon zum dritten mahl die ihrige
anhero abgeordtnet
Zum ersten Mal war eine kath. Deputation im Dezember 1645 nach Osnabrück gereist, in
erster Linie um die Admission des Adm. s von Magdeburg zu regeln. In der Zeit vom 2./12.
April bis zum 25. April/5. Mai 1646 hatten direkte Verhandlungen zwischen Deputationen
beider Konfessionsparteien dort stattgefunden, und zum dritten Mal war eine Abordnung der
kath. Stande im Juni 1646 zusammen mit Trauttmansdorff nach Osnabrück gefahren
( Meiern , APW II S. 127–129; Wolff S. 154–155, 159–160).
nung nacher Münster zu denen catholischen gethaen. Wegen des herrn graven von
Trautmansdorff excellentz vorhabenden abreiß hetten wir schon heüd so viel nachrich-
tung , daß dieselbe wol könte rückstellich gemacht werden, wan nur ihre excellentz
versichert sein, daß man ernstlich zur sachen thun, von allen extremis abweichen und zu
billichmeßigen mitlen werde tretten wöllen.
Illi persistirn in deme, daß sie von iren mitständten also instruirt, dieses also bey unß
anzubringen und von denen materialien noch nit zu reden, maßen auch erstlich modus
tractandi richtig sein müeße und darin nit variirt werden, ehedan die materialia könten
abgehandtlet werden. Die Schweedische gesandten könten dhabey ohne große offension
nit praeterirt werden. Die hetten den punctum gravaminum in proposition gebracht,
seien auch sölchergestalt dhabey interessirt, daß ire assecuration darauf setzten, daß die
stendte des Reichs under sich müesten vergliechen werden. Und würden die catholische
stendte ire abordtnung so viel desto weiniger zu difficultirn ursach haben, weilen selbe
materi zu diesem convent gehörig, die Schweedische auch nit zugeben wölten, daß
dieselbe solle nacher Münster gezogen werden.
Nos: Es seie einmahl eine rechte reichssach, so die stendte allein angehe, dhabey khein
außwertiger potentat solchergestalt interessirt sein könte, daß derselb auch ad tractatum
ipsum müße gezogen werden. Seie gnug, wan nur finis ipse, nhemblich die einigkeit
zwischen den stendten, erlangt werde, und hetten sich die cronen darbey super modo
ipso, qualiter et quomodo finis obtineatur, nit zu bekümmern, maßen dan auch die
Schweedische gesandten selbst iedesmals bey denen mündtlichen conferenzien den
punctum gravaminum alß eine sach, so die stendte angehe, willig gern hetten außstellen
laßen.
Der Dr. Lampadius: Wegen der gravamina würde der krieg geführt; man habe fast von
hundert iahren hero in kirchen und schulen daruber disputirt, biß man entlich
miteinander in die wapffen kommen, dha würde sich die kriegende parthey nit wöllen
außschließen laßen. Die cron Schweeden hette auch ex alio capite, weilen sie nhemblich
sölte für einen reichsstandt aufgenhommen werden, darzu zu reden und könte nit
vorbeygangen werden.
Nos: Solches seie noch in fieri, und könte daraus khein recht oder befugnuß ad praesens
erzwungen werden. Wir wölten alles ad referendum annhemmen und dhavon gehörigen
orts gebührlich hinderpringen. Ersuchten aber die stendte nochmals, den sachen waß
mehr nachzudencken und sich waß näher auf die außgeantwortete vorschläge zu
erclehrn oder ire vorige erclehrung zu moderirn, dhamit die handlung möege fortgesetzt
und zu völlicher richtigkeit gebracht werden. Würde nit zu verantworten sein, wan man
die handtlung bey so weith gebrachten sachen sölte zerschlagen laßen.
Illi inhaerent prioribus und sagten unß under gesicht, man solte nitt darauf zulagen, daß
die Schweeden würden frieden schließen, solang nit auch der punctus gravaminum
richtig, dan darauf hetten die Schweedische ein solches absehen, daß sie denselben pro
principali parte suae satisfactionis hielten und alle oblationes factas nit achteten, solang
nit auch dieser punct seine richtigkeit habe.