Acta Pacis Westphalicae II A 8 : Die kaiserlichen Korrespondenzen, Band 8: Februar - Mai 1648 / Sebastian Schmitt
51. Nassau an Ferdinand III Münster 1648 März 27
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Münster 1648 März 27
Ausfertigung: RK FrA Fasz. 58a (1648 I–VI) fol. 94–97’ = Druckvorlage – Kopie: KHA A 4
nr. 1628/23 unfol. – Konzept: ebenda .
Bedauern Krosigks gegenüber Nassau über die Verzögerung in der hessen-kasselischen Satis-
faktionsfrage 1648 III 25; Differenzen bei Marburger Erbfolge und Zahlungsmodalitäten
für die Satisfaktionsgelder. Ankunft van Gents 1648 III 25. Bericht Peñarandas über baldige
Ratifikation des spanisch-niederländischen Friedens sowie Stillstand der spanisch- franzö-
sischen Verhandlungen 1648 III 26. In Paris Unmut über die Abreise Longuevilles aus
Münster.
Vorgestern hatt der furstlich Hessisch abgesandter, herr Crosig, so wider
nacher Oßnabrück verreisen wollen, seinen abscheidt von mir genommen
und unter anderen discursen gedacht, daß er verhoffe, der Hessen Casse-
lische satisfactionpunct nunmehr auch vorgenommen und sein abhelffung
erlangen wurde
1648 III 28 sollten erneute Verhandlungen zwischen den schwed. und ksl. Ges. über die
Satisfaktion Hessen-Kassels beginnen (vgl. [ Nr. 54 ] ; Bettenhäuser , 82).
essirte theten sich zu kurtz und wurden sich betriegen, daß sie diesen
punct so lang auffschieben, etwan in der hoffnung, dardurch zeit zu ge-
winnen und daß etwan in selbiger die Hessische trouppen einbüßen oder
andere veränderungen der wapffen einfallen mögten und also sie sich
alßdan solcher Hessischen forderung so leichter entubrigen wolten. Eß
wehren solches nur vergebliche einbildungen, so allein zu auffschueb
und verlängerung deß von jederman so hoch gewunschten friedenschluß
gereichete. Er wüste gewiß und verschwüre sich höchlichen, es möchte
auch mitt ihren völckeren und dem landt zu Hessen ablauffen, wie es
wolte, so wurden die ihnen alliirte cronen sie nitt verlassen noch ohne
sie niemermehr keinen frieden schliessen, dessen die cronen so hoch-
betewrlichen sie nochmahln versichert hetten, daß sie davon sich kein
zweiffel zu machen hetten.
Er befinde, daß bey diesem satisfactionpunct anitzo nur zwo difficulteten
wehren: alß erstlichen die Marpurgische successionsach, 2. wehr ihnen
ihre satisfaction [ zu ] zahlen, dabey auch anitzo de modo und von ihrer
versicherung, biß ihnen die gelder würcklichen erlegt wurden, zu handlen
stünde. Die Marpurgische successionsach betreffendt wehre weltkündig,
wie weit landtgraff Geörg zu Hessen gnaden mitt der fraw landtgräffin
albereit zu Cassel hette schließen lassen
Die Entwicklung des 1647 V wieder ausgebrochenen Hessenkrieges hatte Lgf. Georg II.
1647 VIII zur Aufnahme direkter Verhandlungen mit Hessen-Kassel gezwungen. Mit
dem Kasseler Akkord (Hauptrezeß von 1647 X 9[/19] und Nebenrezeß von 1647 X
11[/21]; Texte: Meiern IV, 477 –480 und 480f.) wäre das RHR -Urteil von 1623 und der
Hauptakkord von 1627 aufgehoben worden. Lgf. Georg II. hatte jedoch die Ratifikation
verweigert (vgl. Bettenhäuser , 77ff.; Dickmann , 466).
Casselische lini bestehen wollen, es wehre zwar ihrer gnaden landtgraff
Geörgen ältister printz itzo zu Cassel
mehrers fur die Hessen Darmbstättische lini erhalten wurde, daß könten
sie noch nitt wissen.
Anlangendt die solution, da wolte er versicheren, daß die Casselische lini
sich nimmermehr dahin wurde bewegen lassen, solche satisfactiongelder
von ihrer freunden
Gemeint sind Kurbg., Pfalz-Neuburg, Ostfriesland sowie die Wetterauer Gf.en (vgl.
Meiern V, 625 ).
noch vom gantzen Reich anzunehmen noch zu forderen, weder sich da-
selbsten hin anweisen lassen wolten, dan solches wider die pilligkeit zu
sein darfurhielte, auch gegen ihr versprechen wehre. Sie begehrten aber
von denselben die satisfaction, deren landen und fäste plätze sie iure gladii
innenhetten und welchen sie gegen erlegung der gelder (uber welche
summa, wan man zu den tractaten kommen wurde, sie verhoffen, man
sich noch wohl vergleichen wurde) selbige plätze wider restituirten.
Der modus wurde sein, entweder so paldt daß baare geldt zu bezahlen,
damitt sie wohl zufrieden und es gern acceptiren und hergegen die lande
und plätze restituiren wolten, oder daß man ihnen etliche innenhabende
plätze zu ihrer versicherung biß zu beschehener würcklichen zahlung in
handen laßen. Wolten sich gleichergestaldt darin accommodiren. Sie
wüsten, waß die lande anitzo bey diesem kriegswesen contribuirten und
wie ein großes selbiges zu dieser satisfaction außrichtung ertragen könte,
also die interessirte solche summam, wan sie nur selbige contributiones
noch etwas continuirten, paldt und ohne sonderbare newe beschwehrung
abtilgen und die begehrte satisfaction leisten könten, dan anitzo müsten es
solche lande und contribuenten geben und müsten iedoch darbeneben
noch so viele andere hohe beschwerden außstehen und sehen dessen alles
kein endt, solang der krieg continuirte. Dahergegen, wan durch außzah-
lung dieser satisfaction der friede beförderdt würdt, solcher landen itziger
last (obschon ein antheil selbiger ein zeitlang zu obgedachter zahlung
darin verpleibe) sehr vergeringert und sie ein paldes endt und gäntzliche
erledigung solcher lasten zu hoffen hetten. Er vermeinte, wan man die
interessirte bey dieser satisfaction erleichteren oder ergetzlichkeit hierbey
erweisen wolte, welches zwar sie ihnen gerne gönnen wolten, wan es nur
geschehe, daß sie, Hessische, damitt nitt interessirt oder mit ihren freun-
den in mißverstandt gesetzet wurden. Sie hielten darfur, es wehren darzu
gnugsambe mittel vorhanden, dan nach geschloßenem frieden ohnge-
zweiffelt ein reichstag wurde gehalten
In Art. VII § „Habeantur autem“ KEIPO4A (Text: Meiern IV, 577 erster Abs.; vgl. später
Art. VIII,3 IPO = § 64 IPM) betr. Überweisung von Einzelproblemen auf einen künftigen
Reichstag war die Abhaltung eines RT innerhalb einer gewissen Anzahl von Monaten nach
Friedensschluß festgelegt worden. Die kurbay. Ges. hatten 1647 VI 13 eine Frist von sechs
Monaten vorgeschlagen (vgl. APW II A 6 Nr. 155), in Art. VIII § „Habeantur autem“ des
internen KEIPO6 (Text: GehStReg Rep. N Ka. 98 Fasz. 69 pars 3 nr. 34) war die Zeit-
spanne nicht näher spezifiziert.
werden, alßdan könte den interessirten, so etwan anitzo diese satisfaction
zu tragen hetten, ahn ihren quotis der künfftigen reichsanlagen dargegen
nachlaß geschehen.
Er contestirte hoch, daß ihrestheils den frieden hertzlich wunscheten und
gern befurderen wolten, darumb sie auch so offenhertzig die impedi-
menta , wadurch der friede gewißlichen sonsten wurde auffgehalten, ent-
decketen , und im fahl, die cronen etlicher meinung nach den frieden noch
nitt sehr verlangeten, wurde ihnen eben ein gewunschtes spiel und wasser
auff ihre mühle sein, wan man sich in dieser Hessischen satisfaction auff-
halten wolte.
Ich antwortete, daß zwar diese sachen tractiren zu helffen von Ewer Kay-
serlicher Mayestät mir nitt anbefohlen wehren, sondern meinen herrn
collegen zu Oßnabrück, also mir darzu waß zu reden nitt gebührte
Ferdinand III. hatte in seiner Hauptinstruktion von 1647 XII 6 (vgl. [ Nr. 3 Anm. 1 ] )
Lamberg, Krane und Volmar mit den Verhandlungen über die Satisfaktion Hessen- Kas-
sels betraut.
hoffte gleichwohl, sie wurden durch ihre zu starcke forderung die ubele
nachred auff sich nit ziehen wollen, daß sie den frieden schwer gemacht
und gehindert hetten. Ille contestirte höchlichen, wie sie den frieden ver-
langten , auch selbigen, da ihnen die satisfaction widerführe, zu beför-
deren begehrten. Gab darbey zu verstehen, weiln sie die waaffen in han-
den und den starcken rücken ahn den cronen hetten, daß bey solcher
coniunctur sie wohl ein guttes darbey zu thuen vermögten. Ego: Man
müste gleichwohl den bogen nitt zu hart spannen. Ille vermeinte, sie het-
ten ihrestheils zu Ewer Kayserlicher Majestätt schuldigstem respect und
bezeigung ihrer friedensbegirdt sich albereit in viele wegh accommodirt
und nachgeben, und hatt damitt seinen abscheidt genommen.
Vorgestern ist der herr Menerswick, so von den Holländischen gesandten
wegen der Geldrischen provintzen alhier ist, wider anherkommen und
hat mich gestern seine widerankünfft wissen lassen
Die Ges. der Vereinigten Provinzen der Ndl. waren bis auf Donia 1648 II 8 nach Den
Haag abgereist, um die Ratifikation des span.-ndl. Friedens von den Generalstaaten ein-
zuholen (vgl. APW [ II A 7 Nr. 116 ] ).
nisch abgesandte herr graff Peneranda hatt mich in meiner schwachheit
gestern auch besuchet, welchem herr Menerswick angezeigt, daß in wenig
tagen die ubrige herrn Holländische gesandten alhier wider sich einstellen
wurden. Geldern, Hollandt, Frießlandt, Grönigen, Oberißel hetten schon
ratificirt
Der span.-ndl. Frieden war 1648 I 30 in Münster unterschrieben worden. Art. LXXVII
legte eine zweimonatige Frist für die Auswechslung der Ratifikationsurkunden fest, wobei
Münster als vorgesehener Ort für diese Zeremonie nicht ausdrücklich erwähnt war. Die
span. Ratifikationsurkunde war bereits 1648 III 23 eingetroffen (vgl. [ Nr. 48 ] ).
wehren durch der praedicanten anstifftungen noch etliche von gemeinem
peupel, so einige difficulteten machten, wurde aber daß werck nitt ver-
hindern können
de Brun von Brüßl auch widerumb hier erwartendt
Brun war 1648 II 8 nach Brüssel, der Hauptstadt der Span. Ndl., gereist, um dort über die
Ratifikation des span.-ndl. Friedens zu beraten (vgl. APW [ II A 7 Nr. 116 ] ; Truchis de
Varennes , 365f.). Er traf 1648 III 30 wieder in Münster ein (vgl. Nassau an Ferdinand
III., Münster 1648 III 31; Ausf.: RK FrA Fasz. 58a [1648 I–VI] fol. 98–98’).
mich, daß anitzo es mitt den tractaten zwischen ihnen und den Frantzo-
sen wider gantz still seie.
Sonsten vernimet man, daß man zu Pariß ahm königlichen hove deß hert-
zogen von Longueville abreiß
Zur Abreise Longuevilles 1648 II 3 vgl. APW [ II A 7 Nr. 111. ]
ziehet wider ein theil von seinem train in Franckreich, von welchem je-
doch noch ein gutten antheil noch lenger hierzupleiben von ihme ordre
bekommen
Bei seiner Abreise hatte Longueville seine meiste hoffstatt noch hier gelassen und sich
gegen etliche seiner wideranherkunffts […] vernemmen lassen ( APW [ II A 7, 356 Z. 10– 13). ]