A Die militärische und politische Lage im Winter 1647/48 und Frühjahr 1648 XLIV
B Die Verhandlungen der kaiserlichen Gesandten auf dem Westfälischen Friedenskongreß im Winter 1647/48 und Frühjahr 1648 LI
I. Entscheidungsträger in Westfalen und Prag LIII
1. Die kaiserliche Gesandtschaft LIII
2. Deputierte Räte und Geheimer Rat LVII
II. Die Religionsverhandlungen LVIII
III. Die Amnestie im Reich und in den kaiserlichen Erblanden, die Satisfaktion Hessen-Kassels und die schwedische Militärsatisfaktion LXIV
1. Der kaiserliche Handlungsspielraum verengt sich LXIV
2. Vorschläge, Gegenvorschläge und Entwürfe LXVII
IV. Die kaiserlich-französischen Verhandlungen LXXVI
C Quellengrundlage und Einrichtung der Edition LXXIX
D Anhang LXXXV
Der vorliegende Band enthält die kaiserliche Korrespondenz im Zusam- menhang des Westfälischen Friedenskongresses vom 11. Februar bis zum 11. Mai 1648. Nur wenige Tage vor dem zeitlichen Einsetzen dieses Ban- des sowie am letzten Tag des Editionszeitraumes händigten die Bevoll- mächtigten des Kaisers in Osnabrück den Gesandten der schwedischen Krone und denen der protestantischen Reichsstände (Teil-)Entwürfe für ein Friedensinstrument aus, während bei den Verhandlungen der Gesand- ten der französischen Krone mit den Bevollmächtigten des Kaisers in Münster keine nennenswerten Fortschritte erzielt wurden. Am 8. Februar 1648 übergaben die Kaiserlichen einen Teilentwurf für ein IPO
Art. I–V
KEIPO6 (vgl. hierzu Nr. 3 Anm. 1).
. Dies war aus Sicht der kaiserlichen Gesandten notwendig gewor- den , um die im Winter 1647/48 festgefahrenen Verhandlungen
Ruppert , 330, spricht in diesem Zusammenhang von der Krise des Kongreßwinters 1647/48.
wieder in Gang zu bringen und somit Partikularbestrebungen der in Osnabrück an- wesenden reichsständischen Bevollmächtigten beider Konfessionen
zu un- terbinden , die offensichtlich gewillt waren, mit den Schweden, also ohne die kaiserliche Delegation, eine Einigung in den offenen Fragen herbei- zuführen . Ein auf den 18. April 1648 datiertes kaiserliches Schreiben
forden
, auf der Grundlage dieses Gesamtentwurfes Frieden zu schließen und die noch unerledigten Punkte damit gleichzeitig zu einem Ende zu bringen. Die kaiserlichen Gesandten in Osnabrück stellten in den Tagen nach dem Eintreffen dieser Weisung am 6. Mai 1648 das neue Friedens- instrument
A Die militärische und politische Lage im Winter 1647/48 und Frühjahr 1648
Die Entwicklungen seit September 1647, sowohl die auf dem diploma- tischen Parkett als auch die Felde, gestalteten sich vorerst zum Vorteil der kaiserlichen Seite. Im Juli und August 1647 fanden in Passau kaiser- lich -kurbayerische Verhandlungen über eine erneute Allianz der beiden Parteien sowie über eine gemeinsame Kampagne statt
Vgl. Kapser ,
49; Albrecht ,
Maximilian I., 1073.
. Die beiden Kur- fürsten von Köln und Bayern kündigten im August und September den Ulmer Waffenstillstand vom 14. März 1647
Text des schwed. Instruments in
ST VI. 1, 58–76 (dt.); Text des frz. Instruments
ebenda , 82–90 (lat.). Zu weiteren Überlieferungen des Waffenstillstandsvertrags vgl.
APW [ II A 5, 659 Anm. 1 ] .
gegenüber Schweden auf
Vgl. APW
II A 6/2 Nr. 205; Foerster ,
298; Albrecht ,
Maximilian I., 1073; Tischer ,
Diplomatie, 306. – Zur Aufkündigung des Waffenstillstands s. auch Meiern V,
39ff , sowie APW
II A 6 Beilage [2] zu Nr. 240.
. Gleichzeitig rückte der bayerische Kurfürst Maximilian I. durch den Pil- sener Vertrag vom 7. September 1647 und die dazugehörigen Ergänzun- gen von Ende September
; eine Vereinigung der kurbayerischen Teile der Reichsarmee mit den kai- serlichen Truppen stand bevor. Trotz der Bemühungen des schwedischen Gesandten Salvius, bei seinen französischen Kollegen in Münster die Durchführung einer gemeinsamen Strafexpedition der beiden Kronen ge- gen Kurbayern anzustrengen
Vgl. etwa ebenda Nr.n 252 und 259.
, und einiger Schreiben Königin Christinas von Schweden an den französischen Hof
reagierte Paris zögerlich auf diese neue Entwicklung, da München wiederholt unterstrich, daß sich die Neutralitätsaufkündigung lediglich auf den Kontrakt mit der Krone Schwedens beziehe
. Das in Böhmen operierende schwedische Heer unter Wrangel mußte also nach der Vereinigung der beiden feindlichen Armeen einen übermächtigen Gegner erwarten. Es war den kaiserlichen Befehls-
habern jedoch schon vorher gelungen, die schwedischen Einheiten von ihrer fränkischen Versorgungsbasis abzuschneiden, so daß diese sich Ende September 1647 aus dem Königreich über Kursachsen und Thüringen in Richtung Weser absetzen mußten
Vgl.
APW II
C [ 4/1 Nr.n 1 ] und
[ 2 ] ;
APW II A 6 Nr. 240. – Zum Defensivfeldzug der ksl. Armee in Böhmen im September 1647 vgl.
Höfer , 87–92.
. Kurze Zeit später, am 12. Oktober 1647, vereinigten sich die kaiserlichen mit den kurbayerischen Truppen im böhmischen Kaaden/Kadań an der Eger und gingen nun ihrerseits in eine Offensivbewegung auf die Weser über. Der Erfolg des böhmischen Defensivfeldzugs konnte allerdings nicht in einen dauerhaften Vorteil bei dem Vormarsch nach Nordwestdeutschland umgemünzt werden. Die Armee Wrangels konnte sich, von den kaiserlich-kurbayerischen Kontin- genten nicht ernsthaft verfolgt, in die sicheren Winterquartiere im Nord- westen des Reiches zurückziehen, während es für die vereinigte Armee des Kaisers und des bayerischen Kurfürsten unumgänglich wurde, sich auf- zuteilen und den Winter aufgrund der schlechten Versorgungsbasis in Hessen, Thüringen und im Fränkischen Reichskreis zu verbringen
Zur ksl.-kurbay. Herbstoffensive vgl. ebenda ,
93–107.
. Das schwedische Heer erhielt auf diese Weise die Möglichkeit, sich in dem be- zogenen Verfügungsraum zu erholen und zu ordnen sowie notwendige Ergänzungen vorzunehmen, was für die Schlagkraft des Gegenangriffs im folgenden Jahr von großer Bedeutung werden sollte
Vgl. Ruppert ,
325.
.
Die militärische Offensive des ausgehenden Jahres wurde von einer diplomatischen Mission des Kaisers am kursächsischen Hof begleitet
Vgl. Ruppert ,
322f; Dickmann ,
450–453.
. Kurfürst Johann Georg I. von Sachsen war im Spätsommer 1645 mit dem schwedisch-kursächsischen Waffenstillstand von Kötzschenbroda sowie der Waffenstillstandsvereinbarung von Eilenburg im folgenden Frühjahr aus dem Krieg ausgeschieden
. Da sich die Verhandlungen der Religions- parteien Ende 1647 weiterhin ergebnislos hinzogen, rückte der auch von Kursachsen angestrebte baldige Friedensschluß in weite Ferne. Reichsvize- kanzler Kurz und der Sekretär des Geheimen Rates, Schröder, reisten in dieser Zeit nacheinander nach Kursachsen, um über einen Vorgriff des Kaisers, einen Bruch des sächsisch-schwedischen Waffenstillstandes und eine mögliche Konjunktion Johann Georgs I. mit dem Kaiser zu ver- handeln
. Schröder oblag es zudem, die kurfürstliche Zustimmung zu den kaiserlichen Änderungswünschen
Gemeint sind die Änderungen, die in der ksl. Hauptinstruktion von 1647 XII 6
(APW [ II A 7 Nr. 29 ] ) festgehalten worden waren und von den ksl.
Ges. in Osnabrück als Art. I–V
KEIPO6 partiell übergeben wurden.
am
Trauttmansdorffianum
Gemeint sind
KEIPO4A und
*KEIPO4B* (vgl. Nr. 3 Anm. 6).
zuholen . Bis in den Februar des folgenden Jahres zog sich diese Mission hin, wobei der Abgesandte des Kaisers das Einverständnis des Sachsen zu den Formulierungen des Friedensvertrags bis auf einige weniger wichtige Ausnahmen erhielt. Die Verhandlungen über einen Vorgriff, einen Bruch des Waffenstillstands und eine kaiserlich-kursächsische Allianz scheiterten jedoch
. Nachdem die kursächsische Seite eine Erklärung immer wieder verschoben hatte, befand man am Hof in Dresden, daß die Verhandlun- gen in Westfalen derartige Fortschritte machten, daß es keines Vorgriffs mehr bedurfte; zudem zweifelte der sächsische Kurfürst an der Effektivi- tät des Konjunktionsangebotes aus Prag, dem Sitz des Kaiserhofes zu die- ser Zeit. Die kaiserlichen Subsidiengelder würden für den Unterhalt eines kampfkräftigen Feldheeres nicht ausreichen, und das Kurfürstentum würde somit den verbliebenen schwedischen Festungsbesatzungen nach Abzug der kaiserlich-kurbayerischen Truppen schutzlos ausgeliefert sein
. Aus Dresden konnte Ferdinand III. also keine nennenswerte Unterstüt- zung erwarten.
Auch der Kurfürst von Brandenburg, der ebenfalls auf einen zügigen Ab- schluß der Friedenstraktate drängte
Vgl. UA
IV, 599ff; Höfer ,
142.
, sollte von den Vorzügen eines Bünd- nisses mit dem Kaiser überzeugt werden. Aus den Kampfhandlungen mit der Krone Schwedens war der Hohenzoller bereits im Juli 1641 ausgeschie- den
Vgl. den schwed.-kurbg. Waffenstillstand von Stockholm von 1641 VII 14[/24] (Text:
ST V.2, 475–483), der vorerst auf zwei Jahre vereinbart worden war, nach Ablauf der Frist jedoch weiterhin in Kraft blieb.
. Allein, die Werbungen des kaiserlichen Gesandten Blumenthal im Sommer und Herbst 1647 in Kleve, dort residierte Kurfürst Friedrich Wil- helm von Brandenburg zu jener Zeit, blieben ohne Erfolg
Vgl. die Resolution Kf. Friedrich Wilhelms von Brandenburg von 1647 X 18 (Text:
UA IV, 605–611).
. Zum Jahres- wechsel wurde er erneut an den kurbrandenburgischen Hof entsandt, um über die Bedingungen eines möglichen Vorgriffs zu verhandeln, allerdings wurde diese Mission abgebrochen, bevor überhaupt erste Gespräche statt- finden konnten
. Dem von kurbrandenburgischer Seite geplanten Projekt eines Defensivbündnisses protestantischer Fürsten unter maßgeblicher Be- teiligung Kursachsens und Braunschweig-Lüneburgs, das der kurbranden- burgische Geheime Rat Burgsdorff auf einer Reise an die norddeutschen Höfe propagiert hatte, war jedoch gleichfalls kein Erfolg beschieden
Vgl.
[ Nr. 3 Anm. 20 ] . – Trotz Bestrebungen, dieses Projekt geheimzuhalten, gelangten In- formationen hierüber an die schwed. und frz.
Ges. in Westfalen (vgl. La Court an [Lionne], Osnabrück 1648 II 17 [wird in
APW II B 8 ediert]).
Die politischen Entwicklungen um den Jahreswechsel 1647/48 ließen das Pendel wiederum in die andere Richtung ausschlagen. Die französische Krone kündigte dann doch, allerdings mit erheblicher Verzögerung, dem bayerischen Kurfürsten den Ulmer Waffenstillstand auf. Am 29. Dezem- ber 1647 wurde Maximilian I. das Aufkündigungsschreiben durch einen französischen Trompeter überbracht
. Für den Kurfürst stand nun zu be- fürchten , daß mit der kommenden Kampagne der Franzosen und Schwe- den sein Territorium erneut zum Hauptkriegsschauplatz im Reich werden würde; die Notwendigkeit eines Vorgriffs betrachtete man in der kur- bayerischen Residenz im Winter 1647/48 als gegeben
Zur Politik Kf. Maximilians I. von Bayern am
WFK vgl. allgemein
Albrecht , Maximi- lian I., 1009–1085.
. In dieser Haltung wurde Maximilian I. von den Kurfürsten aus Mainz – die Regenten in München und Mainz drängten Ferdinand III. besonders intensiv
– und Köln sowie den Fürstbischöfen von Bamberg und Würzburg, das vom Mainzer Kurfürsten in Personalunion regiert wurde, unterstütz
Vgl. Dickmann ,
449.
. Die drei Kurfürsten ließen zu Beginn des Jahres 1648 in Prag durch ihre jewei- ligen Unterhändler, Mändl für Kurbayern, Waldenburg für Kurmainz sowie Fürstenberg für Kurköln, über den kommenden Feldzug und den Vorgriff verhandeln
Zu den Missionen der drei kfl.
Ges. am Ks.hof vgl. Nr. 7. Anm. 7 und
[ Nr. 18 Anm. 13 ] .
. Ein rascher Friedensschluß, notfalls auch gegen die Interessen der Mehrheit der katholischen Reichsstände, erschien Kur- bayern als Voraussetzung, um das Reich und die Existenz einer starken katholischen Partei zu erhalten. Zudem widerstrebte es Kurfürst Maximi- lian I., den Krieg aufgrund der Interessen der mit dem Kaiser verbünde- ten spanischen Krone – darin sah er einen Hauptgrund für den noch nicht erfolgten Friedensschluß – weiterzuführen
. Dies ließ er einigen Gesand- ten protestantischer Reichsstände am Kongreß Anfang März ausdrücklich durch seinen Bevollmächtigen Krebs mitteilen. Kurbayern und weitere katholische Reichsstände waren der Meinung, man müsse endlich dem Kayser sagen, daß er schliesse
Vgl. die Erklärung des kurbay.
Ges. Krebs gegenüber
Ges. prot. Reichsstände von 1648 II 25[/III 6] in
Meiern V, 511
letzter Abs.
.
Einen derartigen Interessenskonflikt be- stritt der Kaiser selbstverständlich
. Er ließ dem spanischen König über seinen Botschafter in Madrid noch im Winter ausrichten, daß wir niemals eines andern, alß bey ihrer liebden bestendigst zu stehen und von dero- selben und ihrem interesse unß nicht zue separiren, niemahlen gesinnet
gewesen
und daß auch in Zukunft die Bündnistreue gehalten werde
Vgl. Ferdinand III. an Carretto, Prag 1648 I 3. Ausf.:
StAbt Spanische Korrespondenz Fasz. 42 [Ferdinand III. an Carretto] fol. 2–3 – Konzept:
RK FrA Fasz. 56a (1648 I) fol. 112–112’, 117. – Francesco Carretto (gest. 1651), marchese di Grana; 1641–1651 ksl. Bot- schafter in Spanien (
Schwarz , 213f).
. Dennoch banden sich die beiden Höfe in München und Prag durch den im Februar und März 1648 unterzeichneten Prager Rezeß bis zu einem endgültigen Friedensschluß aneinander – allerdings zu deutlich besseren Konditionen für den bayerischen Kurfürsten
Vgl. Nr. 75 Anm. 41.
. Jedoch erreichte Maximi- lian I. ein wesentliches Ziel nicht, denn Ferdinand III. wollte eine Distan- zierung von Madrid nicht öffentlich in den Vertragstext festschreiben las- sen . Deshalb hatte er im Vorfeld der Verhandlungen Maximilian I. offen- bar zugesagt, dem Kurfürsten durch ein sonderbar gehaimes handtbriefl
zu versichern, daß die Spänische tractatus den Teutschen frieden nit remorieren werden.
Dieses Handschreiben ging jedoch aus Prag nicht ab, so daß es der Kurfürst Ende März vehement einforderte, denn seine erclerung,
also das erneuerte Bündnis mit dem Kaiser, sei außtruckhlich darauf conditionirt
und von Ferdinand III. also angenommen und ver- sprochen
worden
Vgl. Kf. Maximilian I. von Bayern an Ferdinand III., München 1648 III 30 (Ausf.:
RK KrA Fasz. 176 [1648 III] fol. 448–449).
. In Prag ließ man sich Zeit und reagierte auf diese Mahnung erst Anfang Mai
Der Ks. begründet dies damit, er habe das Schreiben ehender nit alß den 26. Aprilis nechsthin empfangen
(vgl. Ferdinand III. an Kf. Maximilian I. von Bayern, Prag 1648 V 5 [Konzept: RK
KrA Fasz. 178 (1648 V) fol. 48–48’]).
. Der Kaiser beschied seinem Verwandten in München, daß es bei der Zusicherung bezüglich der spanischen Interessen sein Verbleiben haben müsse, wie er sie ihm im Februar bereits geleistet habe
. Am Kaiserhof wurde die Meinung vertreten, daß die Bündnistreue zu Spanien zu halten sei, da man bevorab auff gegenwertige zeit und heu- tigen tags noch von ihr cron Spanien hülff und diversionsmittel sucht und empfangt
Vgl. Ferdinand III. an Kf. Maximilian I. von Bayern, Prag 1648 V 5 (wie Anm. 42).
.
Der Mainzer Kurfürst Johann Philipp von Schönborn drängte ebenfalls auf den Vorgriff, um, wie er es formulierte, die Einheit des Reiches zu wahren
. Eine Verzögerung des in seinen Augen so notwendigen Friedens bis zu einer Beilegung der spanisch-französischen Streitpunkte schien ihm nicht vertretbar
Vgl. [ ebenda ] . –
Zur Politik des Mainzer Kf.en am
WFK vgl. auch
Schraut ,
120–127.
. In der Resolution für den kurmainzischen Abgesandten am Kaiserhof, Waldenburg, vom
22. Februar 1648
erklärte Ferdinand III. auch gegenüber dem Mainzer Kurfürsten, daß die spanisch- franzö- sischen Verhandlungen einem Frieden innerhalb des Reichs nie im Weg
gestanden hätten. Der Kaiser wußte um die Bedeutung der Unterstützung seiner Friedenspolitik durch die mächtigen katholischen Reichsfürsten und bat den Kurmainzer, er möge unbedingt seine Gesandten in Westfalen anweisen, den Kaiserlichen beizustehen
. Um dem Kurfürsten diese Ent- scheidung etwas zu erleichtern, versprach der Kaiser, Belastungen des Erz- stifts durch kaiserliche Einheiten möglichst zu vermeiden
.
Der Kurswechsel in der kurmainzischen Politik nach dem Antritt des Pon- tifikats durch Johann Philipp im November 1647 hin zu einer zielorien- tierten Friedenspolitik sorgte nicht nur in der Beziehung zum Kaiserhof, sondern auch innerhalb der Delegation des kürzlich gewählten Kurfürsten für neuartige Konstellationen. Dem bereits seit 1645 am Kongreß tätigen kurmainzischen Kanzler Raigersperger, der ein treuer Verfechter der kai- serlichen Linie bei den Verhandlungen war, wurde der Würzburger Vize- kanzler Meel beigeordnet. Dieser bestimmte fortan gemeinsam mit dem ebenfalls seit 1645 für das Hochstift Würzburg und seit Dezember 1647 auch für Kurmainz handelnden Vorburg die Vorgehensweise der Ge- sandtschaft
Vgl. Jürgensmeier ,
Johann Philipp, 174f. – Zu den Konflikten in der kurmainzischen Gesandtschaft vgl. auch Fussbahn ,
160–164.
. Raigerspergers Isolierung veranlaßte ihn, über Volmar die Fürsprache Trauttmansdorffs am kaiserlichen Hof zu erbitten
.
Während die diplomatischen Sondierungen des Kaisers mit den verschie- denen Kurfürsten noch liefen, traten schwedische Mannschaften unter Wrangel in den ersten Januartagen 1648 aus ihren Winterquartieren an der Weser den Vormarsch nach Süden an. Am Kongreß kursierten aller- dings zeitgleich Gerüchte über den angeblich schlechten Zustand der schwedischen Kontingente
. Einen Totalausfall der französischen Militärmacht auf dem deutschen Kriegsschauplatz konnten der am 30. Januar 1648 zwi- schen dem Königreich Spanien und den Vereinigten Provinzen der Nie- derlande geschlossene Frieden und die damit freigesetzten spanischen Kräfte jedoch nicht bewirken. Die französischen Truppen vereinigten sich mit den schwedischen am 23. März für kurze Zeit in der Grafschaft
. Um eine reibungslose Versorgung zu gewährleisten, setzten sich die Franzosen direkt nach der Vereinigung mit den Schweden jedoch wieder ab und verblieben bis Mitte April in der Maingegend, bevor sie noch wei- ter nach Südwesten zogen
. Unterdessen mußte die Belagerung der Stadt und Festung Eger/Cheb in Böhmen, die seit dem Sommer des vorange- gangenen Jahres in schwedischer Hand war
. In Prag hoffte man, durch eine Diversion des kaiserlichen Feldmar- schalls Lamboy mit der Kreisarmee des Niederrheinisch-westfälischen Reichskreises gegen die französischen Truppen am Oberrhein spürbare Entlastung für die Hauptarmee zu erreichen
Zur Einschätzung dieser Kampagne auf frz. Seite vgl. d’Avaux und Servien an Ludwig XIV., Münster 1648 III 2, sowie Saint-Romain an Mazarin, Münster 1648 III 2 (werden in
APW II B 8 ediert).
. Lamboy gelang es im März 1648, in der zur Grafschaft Arnsberg, die Kurfürst Ferdinand von Köln unterstand, gehörigen Stadt Geseke den hessen-kasselischen Gene- ralleutnant Geyso samt seiner Armee einzuschließen
. Dieser konnte sich jedoch mit dem Großteil seiner Truppen absetzen. Eine Fortführung der Diversion scheiterte am Widerstand des Kölner Kurfürsten, der vorrangig Angriffen hessen-kasselischer Kontingente am Niederrhein mit dieser Kreisarmee entgegentreten wollte
Vgl. Foerster ,
303f.
. Die französische Krone ihrerseits unterstützte den Feldzug der Landgräfin von Hessen-Kassel, um die Truppen Lamboys dort zu binden und somit die eigenen Truppen in Süd- deutschland zu entlasten
Vgl. Servien an Lionne, Münster 1648 III 4, sowie d’Avaux’ und Servien an Ludwig XIV., Münster 1648 III 23 (werden in
APW II B 8 ediert).
.
Am schwedischen Hof in Stockholm faßte man unterdessen den Entschluß, den Kaiser militärisch derart unter Druck zu setzen, daß er sich den schwedischen Bedingungen eines Friedensschlusses nicht mehr allzulange entgegenstellen könne und sich diesen zu fügen habe
. Wrangels Armee marschierte deshalb in Richtung Franken und Bayern, was zur Folge hatte, daß am Kongreß in Westfalen die kurbayerischen Gesandten trotz der Verpflichtungen ihres Herrns aus dem Prager Rezeß bereits mit dem
. In den ersten April- wochen des Jahres 1648 berichteten die kaiserlichen Gesandten aus Mün- ster und Osnabrück nach Prag zudem von einer am Kongreß kursieren- den Meldung, in Schweden würden Vorbereitungen für die Landung eines Expeditionskorps in Deutschland unter Pfalzgraf Karl Gustav von Pfalz-Zweibrücken getroffen
, hätten, das war abzusehen, die Wider- standskraft der kaiserlichen Armee sehr wahrscheinlich stark strapaziert und Ferdinand III. die Möglichkeit einer offensiven Kriegführung end- gültig geraubt.
In den Spanischen Niederlanden standen die mit dem Kaiser verbündeten Spanier den Franzosen gegenüber, ohne daß sich ein nennenswerter Durchbruch für eine der beiden Seiten abzeichnete
Vgl. Rohrschneider ,
Frieden, 407–412.
. Die positive Nach- richt , daß spanische Einheiten den seit einigen Monaten andauernden Aufstand der Neapolitaner Anfang April niederschlagen konnten
, änderte nichts an dem düsteren militärischen Szenario, das sich vor Ferdi- nand III. aufbaute. Der Tod König Christians IV. von Dänemark Anfang März 1648 ließ im April bei den kaiserlichen Bevollmächtigten am West- fälischen Friedenskongreß nur kurzzeitig die Hoffnung auf eine Ge- wichtsverlagerung der schwedischen Interessen aufkeimen. Die Spekula- tionen richteten sich auf einen eventuellen Feldzug der Schweden gegen das dänische Königreich und eine Unterstützung sezessionistischer Bestre- bungen im zu Dänemark gehörenden Norwegen durch Stockholm, wozu dieses eine militärische Entlastung im Reich benötigt hätte
. Jedoch mach- ten sich die kaiserlichen Gesandten Volmar und Lamberg im selben Monat keine sonderlich großen Hoffnungen auf einen baldigen Friedens- schluß mehr, sondern schrieben nach Prag, man möge doch besser auf die militärische Karte setzen
die Verhandlungen zwischen dem Kaiser und der Krone Frankreich in Münster nicht als Katalysator; der kaiserliche Primargesandte für die Ver- handlungen mit Frankreich, Nassau, konnte keinerlei Fortschritte nach Prag berichten
. Alle Bevollmächtigten der Vereinigten Provinzen der Niederlande bis auf Donia reisten Anfang Februar vollständig nach Den Haag, um die Ratifikation des Friedens durch die Generalstaaten ein- zuholen
. Der spanische Gesandte Brun seinerseits brach zur selben Zeit nach Brüssel, der Hauptstadt der Spanischen Niederlande, auf, um dort über die Exekution des Friedens zu beraten
Vgl.
[ Nr. 12 Anm. 3 ] . – Zur Bedeutung der Regierung der Span. Ndl. für die Verhandlun- gen der span.
Ges. in Westfalen vgl.
Rohrschneider , Frieden, 119–136.
, kamen die Gesandten der Vereinigten Provinzen ab Ende März nacheinander nach Westfalen zurück, so daß sie erst Anfang Mai wiederum nahezu voll- zählig waren
. In den Niederlanden gab es Schwierigkeiten bei der Rati- fikation , da die Provinzen Utrecht und Seeland diese verweigerten. Dort kam es sogar zu Unruhen; die Ratifikation durch Seeland stand zum Ende des Editionszeitraums noch aus
. Servien weilte von Mitte Februar bis zum Ende des Monats in Osnabrück, was die kaiserlichen Abgesandten veranlaßte, über die Gründe des Aufenthaltes zu spekulieren
Vgl. Nr.n
[ 10 ] ,
[ 11 ] ,
[ 12 ] und
[ 14 ] . – Zu den Gründen für diese Reise vgl. auch [Servien] an [Lionne], Münster 1648 II 14 (wird in
APW II B 8 ediert).
. Sein Ziel war es, die in Osnabrück anwesenden schwedischen und reichsständischen Delegationen für die französischen Forderungen nach dem Verbot der Unterstützung Spaniens durch den Kaiser, auch als Landesherrn, nach einem Friedensschluß sowie die Exklusion des Burgundischen Reichs- kreises und des Herzogs von Lothringen aus dem kommenden Frieden zu gewinnen
. Der delegationsinterne Konflikt zwischen den beiden fran- zösischen Bevollmächtigten schwelte unterdessen weiter, bis Mitte März aus Paris das Abberufungsschreiben für d’Avaux abging
.
Im Zeitraum dieses Bandes war Osnabrück der Mittelpunkt der Verhand- lungen über den deutschen Frieden
Eine Übersicht zu diesen Verhandlungen bieten Ruppert ,
330–343; Dickmann ,
458–467; Schneider ,
390–403.
. Dort standen die Gesandten des Kaisers, Lamberg, Krane und Volmar, und diejenigen einiger kompromiß- bereiter katholischer Reichsstände – die bedeutenden unter diesen waren Kurbayern und Kurtrier, Kurmainz/Würzburg und Bamberg
– den Be- vollmächtigten der schwedischen Krone, Oxenstierna und Salvius, und den Vertretern der protestantischen Reichsstände gegenüber. Innerhalb der schwedischen Delegation herrschte ebenfalls eine gewiße Rivalität vor, zumal beide Gesandte von konkurrierenden Gruppierungen am Stockholmer Hof gestützt wurden
. Die Gesandten der anderen katho- lischen Reichsstände, die sogenannten Maximalisten unter der Führung des Osnabrücker Fürstbischofs Wartenberg, verharrten unterdessen in Münster, wovon sie trotz einer schriftlichen Aufforderung durch die Kai- serlichen Ende Februar
, noch immer kaiserlicher Prinzipalgesandter für die Verhandlungen mit Frankreich und Schweden. Er war zwar ausdrücklich aufgefordert worden, an den Kaiserhof zurückzukehren
Vgl. APW
II A 6 Nr. 114.
, einem der in Westfalen verbliebenen Abge- sandten wurde eine entsprechende kaiserliche Ernennung jedoch nicht
zuteil. Unter den noch den Friedensverhandlungen beiwohnenden kaiser- lichen Gesandten gab es keine Streitigkeiten, die in den Relationen an den Kaiser oder den Schreiben einzelner Gesandter an Trauttmansdorff oder den Reichsvizekanzler Kurz thematisiert worden wären. Lediglich Lam- berg deutet gegenüber Kurz einmal sehr knapp eine Meinungsverschie- denheit mit seinen beiden Kollegen wegen deren Vorgehensweise bei den Verhandlungen über die Amnestie in den kaiserlichen Erblanden an
, um dort die Ver- handlungen mit den Bevollmächtigten Schwedens und der protestan- tischen Reichsstände voranzutreiben, so daß für den Editionszeitraum Reichsgraf Nassau als alleiniger Gesandter Ferdinands III. in Münster residierte; protokollarisch nahm er von allen vier kaiserlichen Bevoll- mächtigten den höchsten Rang ein. Die Relationen seiner Osnabrücker Kollegen an Ferdinand III. liefen über ihn, er ließ von diesen Schrift- stücken in seiner Kanzlei Kopien fertigen und die Ausfertigungen weiter nach Prag versenden. Sind diese Kopien im Editionszeitraum von
APW II A 7 noch weitgehend genaue Abschriften der Ausfertigungen, so ist dies hier nur in Ausnahmen der Fall
überwiegend Inhaltsübersichten über die Osnabrücker Schrei- ben erstellt wurden, die lediglich kurz die Hauptpunkte der Relation er- wähnen und auf die beiliegenden Protokolle verweisen. Weshalb so ver- fahren wurde, kann nicht mit Sicherheit gesagt werden, jedoch wird der Schlaganfall Nassaus
und das damit verbundene geringere Arbeitspen- sum seines Personals aufgrund seiner Pflegebedürftigkeit wahrscheinlich eine Rolle gespielt haben. Sein Gesundheitszustand muß zwischenzeitlich so bedenklich gewesen sein, daß Volmar gegenüber Trauttmansdorff den Gedanken äußerte, nach der Beendigung der Verhandlungen in Osna- brück den Reichsgrafen Lamberg nach Münster abzuordnen
. Eine zu- sätzliche Erklärung für die inhaltlich stark gerafften Kopien könnten eventuelle Abstimmungsschwierigkeiten zwischen den Kanzleien Kranes und Volmars gewesen sein.
Die Weisungen Ferdinands III. an seine Abgesandten in Osnabrück gingen ebenfalls zuerst über Nassau. Seine eigenen Relationen sandte er gewöhnlich zweimal wöchentlich, dienstags und freitags, an den Kaiser- hof . Von den drei Bevollmächtigten in Osnabrück gebührte Lamberg die
höchste protokollarische Stellung. Die Verhandlungen mit den Gesandten der schwedischen Krone und denjenigen der Reichsstände fanden, sofern die Kaiserlichen die Gastgeber waren, in seinem Quartier statt
. Eine herausragende Stellung bei den Verhandlungen ist aus den Relationen und den Protokollen jedoch nicht zu erkennen; die Fähigkeiten, die ein Trauttmansdorff auf der diplomatischen Klaviatur bewiesen hatte
Dickmann nennt ihn den bedeutendsten Mann des gesamten Kongresses (vgl. Dick- mann ,
195).
, be- saß Lamberg nicht
Zur Einschätzung seiner Befähigung für die Friedensverhandlungen vgl. Ruppert ,
29; APW
III C
[ 2/1, XXXI ] ; APW
[ III ] C
4 XXVIIIff. >
. Neben den Relationen an den Kaiserhof pflegte er eine regelmäßige Privatkorrespondenz mit Kurz, in der er allerdings die Inhalte der Schreiben an Ferdinand III. meist lediglich knapp aufgriff und dem Reichsvizekanzler referierte. Krane, der Sekundargesandte für die Verhandlungen mit Schweden, war ebenfalls nicht die dominierende Kraft innerhalb der kaiserlichen Delegation während der Gespräche mit den gegnerischen Bevollmächtigten oder denen der katholischen Reichsstände. Nur in seltenen Fällen hat er eigenhändige Korrekturen und Ergänzungen an den Protokollen vorgenommen
.
Der eigentliche Verhandlungsführer der kaiserlichen Gesandtschaft war Volmar
Vgl. Ruppert ,
28f; APW
III C
2/1, XXXf; Dickmann ,
195f.
. Obwohl er offiziell Sekundargesandter für die Verhandlungen mit den Bevollmächtigten der französischen Krone war, weilte er im Editionszeitraum in Osnabrück und war dort maßgeblich an den Grava- mina - und Amnestieverhandlungen beteiligt. Er führte die kaiserliche Kanzlei; die Konzepte für die Osnabrücker Relationen stammen von sei- ner Hand. Daß er diese Position innerhalb der Delegation Ferdinands III. einnehmen konnte, lag an seinen außerordentlichen juristischen Fähig- keiten und an seiner jahrelangen Erfahrung in der Verwaltungsarbeit. Die Formulierung der kaiserlichen Verhandlungsakten wurde von Volmar übernommen. Die Ausarbeitung der Widerlegung der protestantischen
Rationes für die Beibehaltung des
Trauttmansdorffianums
, die durch ein hohes Maß an juristischer Fachkenntnis und gewandte Formulierun- gen gekennzeichnet ist, besorgte er; dieses Schriftstück lobte Ferdinand III. ausdrücklich
. Interessanterweise war Trauttmansdorff an dem Gutachten der deputierten Räte nicht beteiligt, während sein Name bei der Anwesenheitsliste des Geheimen Rats auf- geführt ist
. Sehr wahrscheinlich hat der Obersthofmeister sich für seinen engen Vertrauten, der er auch nach der gemeinsamen Zeit am West- fälischen Friedenskongreß noch war, eingesetzt
Vgl. Anhang.
. Die beiden führten eine Privatkorrespondenz miteinander, von der allerdings nur die Schrei- ben Volmars an den Obersthofmeister überliefert sind. Diese thematisie- ren die Verhandlungen und ergänzen die Relationen der Gesamtdelega- tion um die persönliche Ansicht Volmars, der seine Meinung dort oftmals direkter und weniger verklausuliert wiedergab
In
[ Nr. 72 ] etwa berichtet Volmar, wie La Court dem kurbay.
Ges. Krebs
gschwind dz maul vol
gab.
. Auch für Ferdinand III. schien die Verhandlungsführung Volmars insgesamt so manchen Fehler aufzuwiegen, so daß er dessen Bitte, den Kongreß verlassen zu dürfen
nicht zurücknahm.
Allgemein kann man zu den Relationen aus Osnabrück – diese gingen jeweils montags und donnerstags nach Prag ab – festhalten, daß sie aus- führlich Auskunft über den Verhandlungsstand geben und oftmals noch durch sehr detaillierte Protokolle ergänzt werden. Auf der anderen Seite wurden wichtige Verhandlungsakten stark verzögert oder gar nicht über- sandt . Der am 8. Februar übergebene Teilentwurf für ein IPO
Vgl. Anm. 1.
ging nicht an den Kaiserhof ab – und wurde aus Prag auch nicht angefordert. Bei dem am 7. März unterzeichneten und auf den 3. März zurückdatier- ten Vorabkommen über die Reform der Reichsgerichte
, was Mitte April dann auch geschah. Das am 18. März unterschriebene zweite kaiserlich- schwe- dische Vorabkommen über die schwedische Territorialsatisfaktion
wurde auf diese Mahnung hin ebenfalls expediert. Bei der nach Prag übersandten Kopie des am selben Tag unterzeichneten Vorabkommens über die Autonomie der Mediatstände und Untertanen im Reich und in den kaiserlichen Erblanden
, und seine Bevollmächtigten schickten umge- hend nochmals eine Kopie des Vorabkommens, diesmal allerdings mit den Namenszügen der an der Unterzeichnung Beteiligten
.
Obwohl die Osnabrücker Gesandten sich nicht in allen Fällen an ihre Weisungen hielten und ihre Kompetenzen zum Nachteil des Kaisers auch in einigen wichtigen Punkten überschritten, war Ferdinand III. mit der Verhandlungsführung seiner Delegation insgesamt zufrieden
Vgl. etwa
[ Nr. 40 ] sowie Ferdinand III. an Lamberg, Krane und Volmar, Prag 1648 III 4 (Ausf:
RK FrA Fasz. 92 XIV nr. 1993 fol. 461–462 – Konzept:
RK FrA Fasz. 55c [1648 I–III] fol. 154–154’).
. Dem Kaiser war daran gelegen, das die verzögerung des friedens nit unß aufgewalzet werden könte
und stellte fest, daß seine Gesandten dies bisher zu seinem gnedigisten wohlgefallen gethan
hätten. Die Entwicklungen vor Ort ließen den Bevollmächtigten allerdings nicht immer genügend Zeit, um erst auf dem langwierigen Postweg Befehle aus Prag einzuholen. Auf die Eigendynamik der Verhandlungen galt es, kurzfristig zu re- agieren .
2. Deputierte Räte und Geheimer Rat
Die Relationen der Abgesandten in Osnabrück waren in mehreren Fällen Gegenstand der Beratungen deputierter Räte und des Geheimen Rats. Unterschiedliche Positionen der einzelnen Räte, die über die verschiede- nen Parteien innerhalb des kaiserlichen Beraterstabes Auskunft geben könnten, sind jedoch nicht aus diesen Akten zu entnehmen, da es sich jeweils um ein Gesamtvotum handelt
Vgl. Auer ,
144.
. Die deputierten Räte bildeten keinen festen institutionellen Ausschuß am Kaiserhof, sondern wurden von Fall zu Fall abgeordnet, um dann zu bestimmten Sachverhalten eine mögliche Vorgehensweise zu erarbeiten
Zur Arbeitsweise der
dep. Räte am Ks.hof im 17. Jh. vgl.
Sienell , 31–47.
. Ihre Anzahl war nicht kon- stant , sondern schwankte bei den unterschiedlichen Gutachten zwischen drei und acht Räten. Die meisten Gutachten im Editionszeitraum jedoch wurden von sechs Räten verfaßt. Diese Gutachten wurden danach meist dem Geheimen Rat zur weiteren Beratung und Abstimmung vorgelegt. Der Geheime Rat bildete ein eigenständiges Beratungsgremium des Herr-
; die endgültige Entschei- dung war dem Kaiser vorbehalten
Vgl. Repgen ,
Ferdinand III., 330.
, der den Sitzungen, auch wenn er nicht in der Anwesenheitsliste geführt wurde, beiwohnte. Inwieweit der Kaiser sich wirklich in die detailreichen Verhandlungsfragen eingearbeitet hat, kann anhand dieser Gutachten und Beschlüsse allerdings nicht nach- vollzogen werden
Vgl. ebenda ,
331; Auer ,
144 sowie Anhang.
.
Die Anzahl der Geheimen Räte bei den verschiedenen Beschlüssen war ebenfalls unterschiedlich, lag jedoch im Editionszeitraum immer deutlich über der der deputierten Räte. Zwischen sieben und zwölf Geheime Räte fanden sich bei solchen Beratungen ein. Der Personenkreis der deputierten Räte und des Geheimen Rats überschnitt sich
Zur sozialen Struktur des ksl.
GR im 17. Jh. vgl.
Lanzinner ,
Sozialstruktur.
. Der promovierte Jurist Gebhardt und Oettingen, der seit Ende Februar 1648 das Amt des Reichs- hofratspräsidenten bekleidete, waren häufig in beiden Beratungsrunden vertreten. Der Amtsträger jedoch, der bei allen Sitzungen und Entschei- dungen zugegen war, war Reichsvizekanzler Kurz. Er überarbeitete so manches Gutachten und Konzept für die Weisungen nach Westfalen. Ihn bat auch Lamberg um Fürsprache bei Ferdinand III. wegen der Über- schreitung der Instruktion in bezug auf die Autonomie in den kaiserlichen Erblanden
. Eine Mission nach Westfalen trat er dann zwar nicht an, Ende Mai jedoch wurde er an den Hof des bayerischen Kurfürsten abgeordnet, um dessen erneute Separation vom Kaiser abzuwenden. Neben seinen politischen und diplomatischen Fähigkeiten ist zur Auswahl seiner Person für diese Mission noch von Bedeutung, daß sein jüngerer Bruder, Maximilian Kurz, Vorsitzender des Geheimen Rats in München und Oberstkämmerer des Wittelsbachers war
Vgl. Albrecht ,
Maximilian I .,
162f. – Zu seiner Mission vgl. auch
[ Nr. 108 Anm. 46 ] .
.
II. Die Religionsverhandlungen
Am 23. März 1648 einigten sich die verhandelnden Parteien in Osnabrück auf einen Text für das Vorabkommen über das Reichsreligionsrecht
. Am Dienstag, den 24. März 1648 war es dann endlich so weit: Volmar konnte in seinem Diarium notieren, daß der arti- culus gravaminum allerseits unterschrieben worden
ist
. Die jahrelangen Verhandlungen über diesen Punkt waren beendet und der Kampf der bei- den großen Konfessionen um die Ausbreitung im Reich geschlichtet
Dickmann ,
464.
.
Die letzten Wochen vor diesem für den Westfälischen Friedenskongreß so wichtigen Abschluß waren allerdings noch durch intensive Verhandlungen und zähe Konferenzen gekennzeichnet. Am 29. Februar 1648 traf in Osnabrück ein kaiserliches Handschreiben
ein, das die Gesandten anwies, eine bis dato ungeöffnete Weisung aus dem Dezember des vergangenen Jahres zu befolgen. Dieses Schreiben vom 11. Dezember 1647 ist in seiner Bedeutung für die Verhandlungsführung nicht zu unterschätzen. Ferdinand III. ermächtigte seine Gesandtschaft, mit Zustimmung zumindest der vornehmsten katholischen Reichsstände auf der Grundlage des
Trauttmansdorffianums Frieden zu schließen. Lediglich die kaiserlichen Interessen bei der Amnestie für die Untertanen aus den Erblanden des Kaisers und in bezug auf den Friedensvollzug soll- ten in den weiteren Konferenzen berücksichtigt werden.
Albrecht führt diesen Schritt des Kaisers auf die im Winter 1647/48 mehrfach aus Mün- chen nach Prag abgegangenen Mahnschreiben
zum zügigen Friedens- schluß und das militärische Abhängigkeitsverhältnis Ferdinands III. ge- genüber dem bayerischen Kurfürsten zurück
Vgl. Albrecht ,
Maximilian I., 1047f.
.
Bereits Anfang Februar 1648 versuchten die kaiserlichen Gesandten das Heft des Handelns erneut in die Hand zu nehmen, allerdings nicht aus eigenem Antrieb. Vielmehr sahen sie sich zu diesem Schritt gezwungen, um Verhandlungen zwischen in Osnabrück anwesenden Bevollmächtig- ten von Reichsständen beider Konfessionen zu unterbinden
. Während die Erklärung der kurbrandenburgischen und kursächsischen Gesandten über die Meinungen ihrer jeweiligen Herren zu den kaiserlichen Änderungs- wünschen am
Trauttmansdorffianum
, bezeichneten die anderen Bevollmächtigten der protestantischen Reichsstände diese als unannehmbar. In der Frage der Parität in der Reichsstadt Augsburg, der Reichspfandschaften, der Autonomie der Mediatstände und Untertanen sowie der Reichsgerichte wollten sie die kaiserlichen Gesandten auf den Verhandlungsstand des
Trauttmansdorffianums zurückdrängen
. Die Gesandten der Krone Schwedens betrachteteten diesen Vertragsentwurf aus dem Frühjahr 1647, der für die Kaiserlichen lediglich ein Projekt war, ebenfalls als verbindlich
. Und auch von seiten der katholischen Reichsstände gerieten die Kaiserlichen unter Druck, denn einerseits waren Kurbayern und Kurmainz bereit, auf das
Trauttmansdorffianum zurück- zugehen
. Dazu kam, daß den Kaiserlichen die Kontrolle über die Verhandlungen zu ent- gleiten schien, da sich die Gesandten der kompromißbereiten katholischen Reichsstände ohne Zuziehung ihrer kaiserlichen Kollegen mit denen der protestantischen Reichsstände besprachen
. Eine Drohung Volmars, bei Fortsetzung dieser Gespräche seine Verhandlungstätigkeit in Osnabrück einzustellen, verhallte wirkungslos
Vgl. [Servien] an [Lionne], Osnabrück 1648 II 16 (wird in
APW II B 8 ediert).
.
Derart ins Abseits geraten, sah sich die Osnabrücker Delegation gezwun- gen , Ende Februar einem von den Gesandten protestantischer Reichs- stände vorgeschlagenen neuen Verhandlungsmodus zuzustimmen. Dieser sah vor, die Bevollmächtigten Schwedens und des Kaisers unter Hinzuzie- hung der reichsständischen Gesandten beider Konfessionen die strittigen Punkte einzeln abhandeln und sofort unterzeichnen zu lassen
, was die kaiserliche Verhandlungsführung vor Ort noch mehr von der Position der kompromißbereiten katholischen Reichsstände abhängig machte und die Durchsetzung eigener Ziele erschwerte. Die Gruppe um
Wartenberg versuchte gar, von Münster aus die Verhandlungen in Osna- brück zu stören, da diese mögliche Annäherung der Reichsstände beider Konfessionen im Lager der Maximalisten für Beunruhigung sorgte
Vgl. [Servien] an [Lionne], Osnabrück 1648 II 16 (wird in
APW II B 8 ediert).
. Um den Kurfürsten von Bayern und Mainz Entgegenkommen zu signali- sieren , nahm man in Prag unterdessen von großen Teilen der Forderungen aus dem neuen Friedensinstrument bereits wieder Abstand. Mitte Februar erklärte Ferdinand III. seine Bereitschaft, bis auf einige Ausnahmen seine letzten Weisungen zurück- und die Regelungen des
Trauttmansdorffia- nums anzunehmen
Vgl. Nr.n 7 und 6 und Beilage [1] zu Nr. 21.
.
Inhaltlich machten die Gesandten der protestantischen Reichsstände den nächsten Schritt, indem sie den Kaiserlichen am Abend des 21. Februars ein Verzeichnis über die Differenzen bei der Amnestie und dem Reichs- religionsrecht
übergaben. Während der Verhandlungen der nächsten Tage einigten sich beide Seiten in der Frage der Reichsgerichtsbarkeit sehr rasch, so daß man Anfang März die Bestimmungen über die Reform der Reichsgerichte unterzeichnen konnte. Die Vertagung der allgemeinen Disposition über das Reichskammergericht wurde darin ebenso festgelegt wie die paritätische Konfessionszugehörigkeit und Präsentation des Rich- ters , der vier Präsidenten und der Assessoren
.
Einen weiteren Schwerpunkt bildeten die Verhandlungen über die Auto- nomie der Mediatstände und Untertanen im Reich und in den kaiserlichen Erblanden. Hier legten sich die Kaiserlichen mit den Gesandten katho- lischer Reichsstände Anfang März gemeinsam auf einen Textvorschlag fest, den sie in den kommenden Verhandlungen behaupten wollten, den die Gesandten Schwedens und der protestantischen Reichsstände jedoch ablehnten
. In dieser Phase gerieten die Bevollmächtigten des Kaisers in eine schwierige Lage. Die Gesandten Schwedens und der protestantischen Reichsstände sowie einiger katholischer versuchten die Verhandlungen über die Autonomie im Reich von der in den kaiserlichen Erblanden ab- zukoppeln , um den Kaiser, wenn der Frieden sich lediglich noch wegen dieses Punktes verzögerte, in eine diplomatische Notwendigkeit zum Ein- lenken zu nötigen
auch -eine Verhandlungsinitiative der kurbayerischen Gesandten in bezug auf die Autonomie der Mediatstände und Untertanen im Reich, die den Vorstellungen der protestantischen Reichsstände entgegenkam, allerdings den Rechtfertigungsdruck gegenüber den Maximalisten von den Kaiser- lichen nahm, da sie nicht von ihnen stammte
.
Kurz vor Abschluß der Religionsverhandlungen intensivierten sich die Verhandlungen über die Autonomie der Mediatstände und Untertanen nochmals, und die kaiserlichen Erblande rückten hierbei in den Fokus, was sich in einer dichten Abfolge von Textvorschlägen beider Seiten zu diesem Komplex widerspiegelt
. Eine weitreichende Forderung der schwedischen Gesandten innerhalb des Autonomiekomplexes war das künftige Interzessionsrecht Schwedens und protestantischer Reichsstände zugunsten kaiserlicher Untertanen Augsburgischer Konfession. Dies be- trachteten die Schweden angeblich
für einen punto d’honore
, obwohl offensichtlich war, daß die Forderung nach diesem Zugeständnis dazu die- nen sollte, dem Kaiser auch in seiner Funktion als Landesherrn später zu- setzen zu können. Die Kaiserlichen lehnten ab – vorerst
Vgl. ebenda .
. Mitte März schließlich mußten sie einwilligen. Im Bewußtsein um dies weitreichende Zugeständnis bat Lamberg den Reichsvizekanzler vorab um Fürsprache bei Ferdinand III.
, da die Bevollmächtigten der Kurfürsten von Bayern und Mainz eine mögliche Separation von den kaiserlichen Gesandten an- deuteten und sie somit zum Nachgeben nötigten
. Verhindern freilich ließ sich diese Klausel nicht mehr, denn am 18. März 1648 wurde das Vorabkommen über die Autonomie der Mediat- stände und Untertanen im Reich und in den kaiserlichen Erblanden un- terzeichnet
. Für
Ruppert sind die Erfolge für die katholische Seite allerdings überschaubar und beschränken sich auf die Verkürzung der Fristen für die Auswanderung und Ausweisung der zwischen 1624 und 1648 konvertierten und nach 1648 konvertierenden
Untertanen sowie auf den Erhalt von neun Klöstern im Hochstift Hildes- heim
Vgl. Ruppert ,
337.
. In den Erblanden mußte der Kaiser neben dem erwähnten Inter- zessionsrecht unter anderem auch das Kirchenbaurecht seiner Untertanen Augsburgischer Konfession in den schlesischen Erbfürstentümern bei Schweidnitz, Jauer und Glogau einräumen. Trauttmansdorff hatte im Juni 1647 Kursachsen bereits die Möglichkeit eingeräumt, nach dem Frie- densschluß für dieses Recht beim Kaiser zu interzedieren.
Die Parität in den gemischtkonfessionellen süddeutschen Reichsstädten, speziell in Augsburg, die Frage der Reichspfandschaften und die Regelung bezüglich der reformierten Bevölkerung in der Reichsstadt Aachen bilde- ten den letzten noch verbliebenen Themenkomplex der Religionsverhand- lungen , der allerdings rasch abgehandelt werden konnte
. Die Forderung der Gesandten Schwedens und der protestantischen Reichsstände nach einer Erlaubnis zum Bau einer Kirche außerhalb Aachens und dem unge- hinderten Zugang zu den Zünften für den reformierten Teil der Einwoh- nerschaft konnten die Kaiserlichen aus dem Artikel fernhalten
. Den beiden Reichsstädten Lindau und Weißenburg sollten die Reichspfand- schaften gegen Erlegung der Pfandsummen zurückerstattet werden. Bei der Parität in Augsburg waren es erneut die kurbayerischen Gesandten, die auf eine schnelle Einigung abzielten und die Kaiserlichen mit Andro- hung einer Separation in ihrem Verhandlungsspielraum einschränkten. Die auf das Territorium des bayerischen Kurstaats vorrückenden franzö- sischen und schwedischen Truppen wirkten erneut direkt auf die kur- bayerische Verhandlungsführung ein. Ganz ungelegen kam dieser Vorstoß der kurbayerischen Bevollmächtigten der kaiserlichen Delegation jedoch nicht, da sie Mitte Februar angewiesen worden war, weitere Verbesserun- gen für die Katholiken im Reich nur ohne Verzögerungen der Verhand- lungen zu betreiben
. Das Ergebnis war, daß der protestantischen Seite die Parität nahezu vollständig zugebilligt wurde und lediglich im sieben- köpfigen Geheimen Rat der Reichsstadt die Katholiken einen Sitz mehr erhielten
mit dem Verweis auf die alther- gebrachte Ordnung änderte daran nichts.
Das Vorabkommen über das Reichsreligionsrecht haben für die Reichs- stände Raigersperger, der kurmainzische Kanzler, und Thumbshirn, Gesandter Sachsen-Altenburgs und -Coburgs, unterzeichnet. Kurmainz führte das Direktorium im Corpus Catholicorum und Sachsen-Altenburg
zu diesem Zeitpunkt das Direktorium im Corpus Evangelicorum. Aus der kaiserlichen und schwedischen Delegation allerdings unterschrieben in- teressanterweise nicht die ranghöchsten Mitglieder, also Lamberg und Oxenstierna, sondern die protokollarisch untergeordneten Sekundarge- sandten Krane und Salvius sowie die beiden Legationssekretäre
. Schon der Justizartikel einige Wochen zuvor war neben den beiden erwähnten reichsständischen Bevollmächtigten nur von den Sekundargesandten des Kaisers und der Krone unterzeichnet worden
. Man kann mutmaßen, ob die Verbindlichkeit des Unterzeichneten von beiden Seiten dadurch doch ein wenig geringer bewertet wurde, um diese im Ernstfall mit Hilfe einer geschickten Argumentation abstreiten zu können.
III. Die Amnestie im Reich und in den kaiserlichen Erblanden, die Satis- faktion Hessen-Kassels und die schwedische Militärsatisfaktion
1. Der kaiserliche Handlungsspielraum verengt sich
Noch während sich die Gespräche über das Reichsreligionsrecht dem Ende zuneigten, konnten die schwedischen Gesandten die Verhandlungen über die Territorialsatisfaktion für das nordische Königreich zum Abschluß bringen. Das zweite kaiserlich-schwedische Vorabkommen hierüber wurde am 18. März 1648 unterschrieben
. Schweden wurden unter an- derem Vorpommern mit der Odermündung, die Insel Rügen, das Erzstift Bremen, das Hochstift Verden, Wismar und die Festung Walfisch über- lassen ; die schwedische Krone war nun ein Reichsstand mit Stimmrecht und Session beim Reichstag
Einzelne Bestimmungen unterschieden sich von den Regelungen des (ersten) ksl.-schwed. Vorabkommen vom Februar 1647 sowie vom
KEIPO4A .
.
Die Vorabkommen über die Entschädigungen für Kurbrandenburg und das Haus Braunschweig-Lüneburg sowie der Pfalzartikel wurden einen Tag nach der Unterzeichnung des Vorabkommens über das Reichs- religionsrecht von Raigersperger und Thumbshirn paraphiert
. Die Un- terschriften der kaiserlichen und schwedischen Gesandten unter diesen Dokumenten blieben aus; diese sollten laut einem Vorschlag Thumbshirns und Langenbecks, dem auch die kurbayerische Delegation zustimmte, erst nach erfolgreichem Abschluß der Gespräche über die Amnestie in den Erblanden des Kaisers sowie die Satisfaktion Hessen-Kassels erfolgen
Der im Februar von Gesandten protestantischer Reichsstände initiierte neue Verhandlungsmodus, dem die Kaiserlichen letztlich zugestimmt hatten, sah vor, mehrberührte zween articulos
,
also Autonomie- und Amnestiekomplex, nacheinander abzuhandeln. Nun, nachdem die Frage des Reichsreligionsrechts – der dornigste aller Punkte
Vgl. Repgen ,
Hauptprobleme, 412.
–
abschließend geregelt worden war, galt es also, sich den Amnestiefällen zu widmen. Für die kaiserliche Seite mußte dabei das Hauptaugenmerk auf der Am- nestie für Adel und Untertanen in den kaiserlichen Erblanden liegen
Vgl. später die Regelungen in Art. IV,52–55 IPO sowie §§ 41–44 IPM.
. Die schwedische Gesandtschaft versuchte nach der Abhandlung der reli- gionsrechtlichen Fragen im Reich, den neuartigen Verhandlungsmodus zu umgehen und die Kaiserlichen in die Defensive zu treiben. Dazu postu- lierten sie ein Vorziehen der Verhandlungen über die schwedische Militär- satisfaktion und die Satisfaktion der Landgräfin von Hessen-Kassel
. Am Abend des 30. März stimmten die Kaiserlichen nolens volens einem Vor- schlag Thumbshirns und Langenbecks zu, die Amnestie in den kaiser- lichen Erblanden mit der schwedischen Militärsatisfaktion an das Ende der Verhandlungen zu positionieren und erst andere ungeklärte Punkte, darunter eben auch die Satisfaktion Hessen-Kassels, vorzunehmen
. Der Vorabrechtfertigung Volmars nahmen sich die deputierten Räte am Kaiserhof an, bezogen detailliert Stellung und wider- sprachen seinen Annahmen vollständig
Vgl. die bei
[ Nr. 74 ] abgedruckten Teile des
Ga. s.
. Am Kaiserhof glaubte man nicht an Volmars Argument, daß bei gleichzeitiger Erledigung dieser bei- den Punkte die schwedischen Forderungen bei der Restitution moderater ausfallen würden.
Der Schweedischen gesandten variationes waren in Prag
mehr dann genueg bekhant
. Die Möglichkeit eines mäßigenden Einflusses der protestantischen Reichsstände auf die schwedische Verhand- lungsführung wurde ebenfalls als gering eingeschätzt. Sogar eine Abberu-
fung Volmars wurde später von den deputierten Räten angeraten, was ein Beschluß im Geheimen Rat – wie oben bereits erwähnt – jedoch verhin- dern konnte
.
Die Satisfaktion für die Landgräfin und speziell der in diesem Artikel ebenfalls zu regelnde Abschluß des Marburger Erbfolgestreits spielten für die kaiserliche Verhandlungsführung eine bedeutsame Rolle. Die hier vorliegenden Beratungen deputierter Räte zum Themenkomplex der Marburger Erbfolge Ende April
lassen einen eindeutigen Schluß zu. Der Kaiserhof hielt nicht wegen für Prag mißliebigen Details an den dies- bezüglichen Regelungen des
Trauttmansdorffianums fest
. Diese waren nicht Beratungsgegenstand in den Gesprächen zu diesem Sukzessionsstreit, der im Vergleich zu der für Ferdinand III. enormen Bedeutung der künf- tigen politischen und religiösen Ordnung in seinen Erblanden abseitig erschien. Nein, vielmehr sollte ein noch offener Vergleich in diesem Punkt als eine Art Faustpfand für die weiteren Verhandlungen dienen. Die großen Bedenken der kaiserlichen Berater konzentrierten sich auf die Tat- sache , daß eine vorzeitige Beilegung der Marburger Erbfolge sowie der anderen Amnestiefälle im Reich bei gleichzeitiger Aussparung abschlie- ßender Abkommen über die Amnestie in den kaiserlichen Erblanden, die Militärsatisfaktion und das Assistenzverbot für die spanischen Habsburger den Kaiser in eine sehr unvorteilhafte Verhandlungsposition bringen würde. Blieben lediglich diese für Ferdinand III. wichtigen Verhand- lungspunkte offen, konnte das Kaiserhaus von der Gegenseite mit dem Hinweis darauf, daß ein Abschluß allein von ihm abhinge, unter Druck gesetzt und vor den Reichständen als Hindernis auf einem raschen Weg zum Frieden hingestellt werden
. Handfeste territoriale Interessen stan- den für den Kaiser ebenfalls auf dem Spiel.
Die Gesandten Schwedens weigerten sich fortdauernd, die Regelungen über die pfälzische Restitution zu unterschreiben
. Ein Vergleich über die landgräfliche Satisfak- tion ohne einen gleichzeitigen Abschluß der Pfalzfrage stellte die Reka- tholisierung , die der bayerische Kurfürst in der Oberpfalz durchgeführt hatte, wieder in Frage. Maximilian I. hätte nicht mehr die Möglichkeit gehabt, über für die protestantischen Reichsstände noch wichtige offene Punkte verhandeln zu können. Der Druck zum raschen Friedensschluß wäre an den Wittelsbacher weitergegeben worden. Dies bedeutete wie-
derum
die Gefahr des Verlusts des Erzherzogtums Österreichs ob der Enns für Ferdinand III., der Kurfürst Maximilian I. das Territorium ver- traglich als Pfand bis zur Erstattung der Kriegskosten zugesichert hatte
. Auch bei den Schweden vermuteten die deputierten Räte in den oben er- wähnten Beratungen andere Beweggründe für eine Verzögerung einer endgültigen Klärung des Marburger Erbfolgestreits; für sie waren die dif- ferentien
in dieser Frage nicht der importanz, wann nicht was anders drunder gesuecht wurde, daß
die Schweden deßwegen ein stundt lenger in dem krieg verbleiben
wolten
Vgl.
Nr. 87A .
. Und am Kaiserhof war man sich be- wußt , daß ein unnötiges Andauern der Kampfhandlungen bei der verblie- benen Kampfkraft der kaiserlichen Einheiten sowie propter dubium even- tum belli et incertam fidem sociorum
Vgl. die bei
[ Nr. 74 ] abgedruckten Teile des
Ga. s.
die eigene Verhandlungsposition schwächen würde. Nun, da die Verhandlungsreihenfolge letztendlich geändert worden war und eine Verschiebung der Verhandlungen über die Amnestie in den kai- serlichen Erblanden bis an den Schluß drohte, erkannte man am Kaiserhof dringenden Handlungsbedarf. Mit der Weisung nach Osnabrück vom 18. April 1648
Militärisch hart bedrängt war der Kaiser also auch am Verhandlungstisch in eine Position geraten, die ihm keine aktive Gestaltungsmöglichkeit mehr ließ. Diese Tatsache spiegelte sich bei den jeweiligen Einzelfragen jedoch nicht immer inhaltlich wider. Der am 8. Februar von den Kaiserlichen übergebene Teilentwurf für ein IPO nahm die Amnestieregelungen für die österreichischen und böh- mischen Exulanten, wie sie noch im
Trauttmansdorffianum vorgesehen waren
Vgl. Art. IV § „In Bohemia“
KEIPO4A (Text:
Meiern IV,
563 vorletzter Abs.; vgl. später Art. IV,55 IPO = § 44 IPM) sowie Art. IV §§ „Qui vero“ – „Quantum autem“
KEIPO4A (Text:
ebenda ,
564 sechster Abs. Z. 3; vgl. später Art. IV,52–55 IPO sowie §§ 41–44 IPM).
, zurück. Die Möglichkeit für diesen Personenkreis, nach einem Friedensvertrag zivilrechtliche Ansprüche sowie eingezogene Besitzungen auf dem Rechtsweg wieder einzufordern, wurde unterbunden. Dies, wie die übrigen Neuerungen des Teilentwurfs, lehnten die schwedischen Ge- sandten ab
. In- zwischen erklärte sich Ferdinand III. Mitte Februar allerdings bereit, es auch in dieser Frage bei den Regelungen des
Trauttmansdorffianums zu belassen
. Das heißt, erbländischen Untertanen und Vasallen sollte die Amnestie für ihre Person zuteil werden. Einer Rückkehr in die kaiser- lichen Erblande stand bei Einhaltung der dort gültigen Gesetze und der religiösen Ordnung nichts im Wege. Grund und Eigentum sollten aller- dings nur jene zurückerhalten, die gemeinsam mit den Schweden oder Franzosen ab 1630 an Feindseligkeiten gegen die Habsburgerdynastie teil- genommen hatten. Prag nahm davon Abstand, den Inhalt des
Trautt- mansdorffianums in bezug auf die erbländische Amnestie zugunsten der kaiserlichen Seite zu verändern. Man erkannte dort die Gefahr, die ein unbedingtes Verharren auf den Regelungen des neuen Teilentwurfs für die eigene Position darstellen konnte, zumal die wichtigsten Verbündeten Ferdinands III., Kurbayern und Kurmainz, keinen Zweifel an ihrer Ab- sicht , auf der Basis des
Trauttmansdorffianums den Frieden zu schließen, aufkommen ließen
.
Aber obwohl die Abgesandten Schwedens noch im Februar die Verhand- lungen scheitern ließen, da sich die Kaiserlichen weigerten, das
Trautt- mansdorffianum als verbindlich anzusehen, ergingen sie sich nun ihrerseits in weitreichendere Forderungen für die protestantischen Untertanen und Vasallen in den kaiserlichen Erblanden. Volmar vermutete als Grund für dieses Vorgehen eine schwedische Verzögerungstaktik, um die Regelungen über die pfälzische Restitution, die Teil der Amnestie waren, nicht endgül- tig unterzeichnen zu müssen
, denn hier forderten die Schweden nichts anderes als die Rückgabe der enteigneten Besitzungen an alle Exulanten sowie die volle Anerkennung ihrer politischen und religiö- sen Rechte, wie diese sie 1618 innehatten. Ein Nachgeben in dieser Sache kam auch für Prag nicht in Frage, da es
ein solch hohes praeiudicium nach sich
der böhmischen Unruhen vor nun bereits etwa einem Vierteljahrhundert installiert worden war, hätte wiederum durch die zurückkehrenden Flüchtlinge ersetzt werden müssen, und das ius reformandi des Kaisers für die Erblande wäre aufgeweicht worden. Damit hätte man sowohl oppositionellen Reichsständen als auch ausländischen Feinden des Kaiser- hauses erneut die Möglichkeit eröffnet, über diesen
Hebel
Press ,
Erblande, 78.
– also die ver- stärkt nach Sonderrechten strebenden Exulanten – in den kaiserlichen Erblanden Druck auf das Reichsoberhaupt auszuüben
Vgl. Dickmann ,
471.
.
Wie oben dargestellt entwickelte sich der Themenkomplex der hessen- kas- selischen Satisfaktion zu einem für beide Seiten bedeutsamen Element in der jeweiligen Verhandlungsstrategie. Mit der Herausgabe eines neuen Textvorschlags zur Satisfaktion der Landgräfin am 24. März wollten die Schweden die Verhandlungen über diese Frage wieder anschieben
Dieser basierte auf den Verhandlungen über die Satisfaktion Hessen-Kassels im Juli 1647 (vgl. hierzu
[ Nr. 25 Anm. 25 ] sowie detailliert
APW II A 6).
wurden die Abtei Hersfeld, vier schaumburgische Ämter sowie 800 000 Rt. verbunden mit territorialer hypothekarischer Sicherung von Kurmainz und Kurköln, den Hochstiften Paderborn und Münster sowie dem Stift Fulda gefordert. Für die kaiserlichen Bevoll- mächtigten kam die Abhandlung der Interessen eines Verbündeten der Kronen vor der Sicherung der kaiserlichen Belange in den Erblanden nicht in Frage, da dadurch eine weitere Aufschiebung des Friedensschlusses allein Ferdinand III. angelastet werden würde, nachdem dessen Gegner ihre Satisfaktionen erledigt hätten
. Man war sich auf der kaiserlichen Seite zudem sicher, die Gesandten der Reichsstände beider Konfessionen hinter sich zu haben und
denen Schweden hierunder nichts nachgeben
wohl die kaiserliche Delegation sich anfangs noch gewillt zeigte, die Satis- faktion Hessen-Kassels zu unterzeichnen, scheiterte eine Beilegung des Streitfalles auch diesmal an den Bevollmächtigten der Schwedenköni- gin
.
Das Vorziehen der landgräflichen Satisfaktion war jedoch nicht der ein- zige Grund für eine Rüge seiner Osnabrücker Delegation durch Ferdi- nand III. Die Vorgehensweise bei den Verhandlungen zur Marburger Erbfolge entsprach ebenfalls nicht den Vorstellungen am Kaiserhof. Daß dieser Punkt noch nicht abschließend geklärt war, stellte übrigens den Grund für das Ausbleiben der Unterschrift der schwedischen Gesandten unter die Satisfaktion Hessen-Kassels dar
Vgl. ebenda .
. Gesandte einiger Reichs- stände und die kaiserliche Gesandtschaft ließen jeweils Schreiben an Landgraf Georg II. von Hessen-Darmstadt abgehen, in denen er auf- gefordert wurde, seine direkten Verhandlungen über den Marburger Erb- folgestreit in Kassel zu einem raschen Erfolg zu bringen, da aufgrund der Haltung der hessen-kasselischen Bevollmächtigten in Westfalen keine Einigung in Sicht sei
als bin- dend betrachtet, das vorsah, die Verhandlungen in Kassel, der Hauptstadt der Landgräfin, noch vierzehn Tage laufen zu lassen. Erzielte man inner- halb dieser Zeit dort keine Einigung, sollte am Kongreß eine Lösung für das Problem gefunden werden.
In der Tat brachten die am 7. April jeweils von den Delegationen Hessen-Kassels und -Darmstadts herausgegebenen Textvorschläge zur Marburger Erbfolge nicht den Durchbruch, was allerdings an der verweigernden Haltung beider hessischer Gesandtschaften lag
. Der Kaiser tadelte seine Gesandten und wies sie an, in diesem Punkt nicht über die Regelungen des
Trauttmansdorffianums hinauszugehen
Dickmann vermerkt lediglich, daß der Kongreß
sich auf dieses Vorgehen geeinigt habe, der ksl. Widerspruch jedoch bleibt unerwähnt (vgl. Dickmann ,
466f).
, was er auch Landgraf Georg II. nochmals ausdrücklich versicherte – allerdings nicht, ohne en passant darauf hinzuweisen, daß er im Falle eines freiwilligen Nachgebens seitens des Landgrafen natürlich auch diesen Schritt unterstützen würde
. Ein bedingungsloser und uneingeschränkter Einsatz für die Interessen der darmstädtischen Linie im hessischen Bruderzwist wäre anders formuliert worden.
Der Fortgang der Gespräche der beiden kasselischen Linien in der Resi- denzstadt der Landgräfin machte jedoch weitere Verhandlungen in West- falen hinfällig. Ende April berichteten die Osnabrücker Gesandten nach Prag über Meldungen, in Kassel seien am 21. des Monats die Streitigkeiten über die Marburger Sukzession beigelegt worden
, der für die Darmstädter Linie nachteilige Bestimmun- gen enthielt
Zu den einzelnen Regelungen vgl. neben dem Vertragstext (wie vorherige Anm.)
[ Nr. 101 ] sowie
Albrecht , Kriegsziele, 253.
, am 24. April beschlossen und später in Artikel XV,13 IPO bestätigt. Allerdings waren die Kaiserlichen vor
Ort vorerst nicht über In- halt und Wortlaut informiert, denn noch am 7. Mai berichteten sie an den Kaiserhof, über eben diese Details von den hessen-darmstädtischen Be- vollmächtigten nicht in Kenntnis gesetzt worden zu sein
Vgl.
[ Nr. 103 ] . – Der österreichische
Ges. Goll berichtete am selben Tag ebenfalls von einem Abschluß in dieser Frage, der genaue Inhalt war aber auch ihm nicht bekannt (vgl.
[ Beilage [3] zu Nr. 103 ] ).
.
Während der Verhandlungen über die verschiedenen Einzelpunkte traf mit der kaiserlichen Weisung vom 18. April 1648
in Westfalen ein. Die Grundlage dieses neuen Instru- ments bildete das vom
obristen hoffmaister, dem graven von Traut- manstorff , hinaußgegebene proiect
, das
Trauttmansdorffianum. Ledig- lich bei der Amnestie in den kaiserlichen Erblanden sowie bei den Rege- lungen zum Friedensvollzug und zur Friedenssicherung waren Änderun- gen vorgesehen. Die im März beschlossenen Vorabkommen zur Reform der Reichsgerichte und zum Reichsreligionsrecht sollten fast vollständig übernommen werden
Zu den Änderungen des neuen Gesamtentwurfes im Vergleich zum Trauttmansdorffia- num
vgl. [ ebenda ] .
. Die Kaiserlichen hatten den Gesandten der Kö- nigin eine Erklärung zum Gesamtentwurf abzuverlangen. Denn in Prag war man mit der bei mehreren Teilabkommen praktizierten Vorgehens- weise der partiellen Unterzeichnung durch reichsständische Vertreter bei- der Konfessionen, mal unter Miteinbeziehung der schwedischen und kai- serlichen Bevollmächtigten, mal ohne deren Unterschrift, unzufrieden. Zudem sollten sie nach der Übergabe des Instruments an die schwedischen Gesandten die Bevollmächtigten der Kurfürsten von Bayern, Mainz, Köln, Trier, Sachsen und Brandenburg aufsuchen, sie um Rückhalt bitten und an die Unterstützung erinnern, die Ferdinand III. von ihren Herren teilweise versprochen worden war
Die Forderung nach einer unbedingten Erklärung der schwedischen Ge- sandten zum gesamten Entwurf und die Ablehnung jeglicher Partikular- deklaration betonte der Kaiser in einer zusätzlichen Weisung, in der er das Festhalten an seiner Instruktion mit einem eigenhändigen Postskriptum nochmals unterstrich
. Selbst auf die Gefahr eines Verhandlungsabbruchs hin sollten seine Gesandten diesem Befehl nachkommen.
Dickmann und
Ruppert konstatieren einen Realitätsverlust am Kaiserhof, da diese For- derung aus Prag völlig am tatsächlichen Verlauf der Verhandlungen vor- beigegangen sei und man den eigenen Bevollmächtigten jeglichen Spiel- raum vor Ort genommen habe
Vgl. Ruppert ,
339f; Dickmann ,
472.
.
In der Tat wurden die Bevollmächtigten des Kaisers immer stärker isoliert; eine Entwicklung, die allerdings bereits vor dem Eintreffen des Gesamtentwurfs in Westfalen eingesetzt hatte. Gesandte der kurbayeri- schen und kurmainzischen Delegation standen, wie schon während der Gespräche über das Reichsreligionsrecht, in Partikularverhandlungen mit Bevollmächtigten protestantischer Reichsstände
. Für einige katholische Reichsstände, unter ihnen wiederum Kurbayern, war die kaiserliche Posi- tion bezüglich eines von den Franzosen angestrebten spanischen Assistenz- verbots und des Ausschlusses Lothringens vom Frieden durchaus verhan- delbar
.
Der kurbayerische Gesandte Krebs reklamierte mit Hinweis auf den schlech- ten Zustand der kaiserlichen Truppen das Recht der Reichsstände, mit Vorgriffen einen Friedensschluß zu beschleunigen
, und der bayerische Kurfürst Maximilian I. stellte Mitte April gegenüber dem Kaiser fest, daß die maiste
Punkte zu völliger conclusion und wirkhlicher subscription gebracht worden
seien und man daher durch Änderungswünsche am Trauttmansdorffianum
und den bereits getroffenen Vorabkommen den Schweden keinen Anlaß zu einer neuerlichen Verzögerungstaktik liefern dürfe. Maximilian I. wollte einen raschen Friedensschluß
Schneider irrt, wenn er feststellt, daß der Ks. den bay. Kf.en zum Frieden ermahnte (vgl. Schneider ,
395). Es verhielt sich umgekehrt.
, aber an der Entschlußkraft Ferdinands III. hegte er Zweifel, da für ihn die kaiser-
lichen
Standpunkte sich zu sehr mit den Hindernissen deckten, die dem Frieden seiner Meinung nach entgegenstanden
Vgl. Ruppert ,
340.
. Sein Bevollmächtigter Krebs trat in den Schreiben der kaiserlichen Abge- sandten nicht durch Kooperation mit diesen hervor, sondern man kann fast sagen, er nahm eher die Rolle eines Gegenspielers ein. Er war an den meisten oben erwähnten reichsständischen Partikularkonferenzen betei- ligt , er war es, der den Kaiserlichen fortgesetzt mit Separation und Vor- griffen unverhohlen drohte
, so war doch ohne Rückendeckung seitens des Kurfürsten ein solches Vorgehen nur schwerlich vorstellbar. Während man in München also bereit war, in Hinblick auf einen raschen Friedens- schluß so manche Position der katholischen Seite in den Autonomiever- handlungen preiszugeben – und dies auch getan hat –, muß die eigene Konzessionsbereitschaft in bezug auf eine Einschränkung des ius refor- mandi in der Oberpfalz eher als verhalten charakterisiert werden, zumal man sich bewußt war, daß der Kaiser aus reinem Eigeninteresse wegen Österreichs ob der Enns diese Linie unterstützen mußte.
Aus kurbayerischer Sicht ist
die entschlossene Haltung des bayerischen Gesandten Krebs bedeutend
für den erfolgreichen Fortgang der Verhand- lungen gewesen
Vgl. Albrecht ,
Maximilian I., 1048.
. Anfang Mai 1648 waren die großen innerständischen Streitpunkte, also Autonomie und Amnestie im Reich, geschlichtet und ad acta gelegt, die Regelungen zum Reichsverfassungsrecht der Reichs- stände
Vgl. später Art. VIII IPO = §§ 62–66 IPM.
und die Bestimmungen über Handelsfreiheit und Zölle
. Die Tatsache, daß die Kaiser- lichen in Osnabrück nicht mehr die Kontrolle über die sich verselbständi- genden reichsständischen Bevollmächtigten besaßen, bedeutete allerdings nicht, daß Ferdinand III. auf allen Gebieten seine Positionen räumen mußte. Im Gegensatz zur hessen-kasselischen Frage hatte der Kaiser in einem wichtigen Komplex der Amnestieverhandlungen für das Reich eine wesentlich bessere Stellung inne. Der Fall Baden-Durlach
April von seinen Gesandten am Kongreß abschließend verhandelt und nach seinen Vorstellungen im Vorabkommen über das Friedens-, Amnestie- und Restitutionsgebot sowie einzelne Restitutionen vom 21. April
, dem Markgrafen Wilhelm von Baden-Baden keine weiteren Belastungen zuzumuten, und verwies sie ausdrück- lich auf die betreffenden Regelungen im kürzlich übersandten Gesamtent- wurf . Am Kaiserhof wußte man um die gemeinsame Linie mit Frankreich und mit allen katholischen Reichsständen in wenigstens diesem Punkt
Vgl. Dickmann ,
467.
. Das Vorabkommen lag wohl zu diesem Zeitpunkt noch nicht in Prag vor. Innerhalb weniger Monate führten die reichsständischen Bemühungen in Osnabrück die Verhandlungen, die seit Jahren einer Lösung geharrt hat- ten , zu einem Abschluß, so daß nur noch die Forderungen der Kronen und des Kaisers in Einklang zu bringen waren
Vgl. ebenda ;
Albrecht ,
Maximilian I., 1048.
. Doch der kaiserliche Ver- such , alle offenen Fragen mit dem neuen Friedensinstrument auf einen Schlag zu lösen, schlug fehl. Die Verhandlungen in Westfalen waren in den letzten Wochen rasch vorangeschritten, und der neue Gesamtentwurf entsprach nicht mehr dem aktuellen Verhandlungsstand, denn neben ein- zelnen Restitutionen war auch der Einschluß der Reformierten verglichen worden
. Daraus ergaben sich für die Kaiserlichen Schwierigkeiten bei der Zusammenstellung des Vertragswerkes und es kam zu einer Verzöge- rung der Übergabe an die schwedischen Bevollmächtigten Oxenstierna und Salvius
. Die Meinungen innerhalb der kaiserlichen Gesandtschaft in Osnabrück über den Erfolg der bevorstehenden Eröffnung des Ver- tragsentwurfs differierten indes. Während Volmar auf einen Durchbruch der festgefahrenen Verhandlungsfronten hoffte
. Und er sollte recht behalten. Die schwe- dischen Gesandten wollten vor einer Erklärung, nachdem die Kaiserlichen Oxenstierna am 11. Mai den von ihnen überarbeiteten Gesamtentwurf
, nahmen sich einige Gesandte pro- testantischer Reichsstände der Sache an. Neben den Schweden forderte allerdings auch Ferdinand III. von den Reichsständen eine Bezahlung für die kaiserlichen Immediat- und Mediattruppen
. Der kurbranden- burgische Gesandte Wesenbeck und der Bevollmächtigte Kursachsens, Leuber, schlugen am 30. April vor, die Frage der schwedischen Armee- satisfaktion gemeinsam mit der Regelung zur Amnestie in den kaiserlichen Erblanden in den Reichskurien zu verhandeln. Sie versicherten den Kai- serlichen , ihre Herren würden dem Kaiser bei der erbländischen Amnestie nicht mehr Zumutungen abverlangen. Die kaiserlichen Gesandten lehnten ab. Dies war notwendig, weil ihre vom Kaiserhof empfangenen Weisun- gen eine Einwilligung zu diesem Vorgehen nicht hergaben. Zudem trau- ten sie dem Abstimmungsverhalten mancher katholischer Reichsstände nicht
würden, verfing bei den kurfürstlich katholischen Abgeord- neten nicht. Hier wird auch wieder die Bedeutung der kurbayerischen Allianz für den Kaiser sowie die Bedeutung des Gesandten Krebs für die reichsständische Friedenspartei deutlich. Volmar bat Krebs unter vier Augen nochmals ausdrücklich um Unterstützung der kaiserlichen Ver- handlungsführung und wies auf die Notwendigkeit einer einheitlichen Position des Kurfürsten und des Kaisers hin
. Doch die Entscheidung, ob in den Reichskurien verhandelt werden sollte oder nicht, oblag in die- sem Fall nicht mehr den Bevollmächtigten Ferdinands III. Die Gesandten der protestantischen Reichsstände wollten auch ohne Einwilligung der Kaiserlichen die Beratungen beginnen. Das kurmainzische Reichsdirekto- rium hatte bereits die zu Münster anwesenden Reichsstände angeschrie- ben , an den Verhandlungen in Osnabrück teilzunehmen. Leuber gelang es nicht, die Gesandten einiger protestantischer Reichsstände zur Unter- stützung der kaiserlichen Haltung bei der erbländischen Amnestie zu ge- winnen
Vgl. Nr. 100. – Zur Aufforderung der
Ges. in Münster, nach Osnabrück zu kommen vgl. auch
APW [ III A 3/5, LXIV. ]
Am 6. Mai war es dann so weit: Die reichsständischen Bevollmächtigten begannen mit den Beratungen zur Amnestie in den kaiserlichen Erblan- den und zur schwedischen Militärsatisfaktion
Zum Beginn der Verhandlungen vgl. ebenda [ Nr. 145. ]
. Ein nochmaliger Protest der Kaiserlichen bei den Gesandten Kurbayerns und Kurmainz’ mit dem Hinweis auf ihren Befehl aus Prag
. Während die Verhandlungen in den Reichskurien über die Armeesatisfaktion noch kein konkretes Ergebnis brachten, bescherten diejenigen über die erbländische Amnestie dem Kaiser allerdings ein positives Ergebnis. Die Majorität des Kurfürstenrats wollte dem Kaiser nicht mehr als in dem am 8. Februar extradierten Teilentwurf abnötigen
Bezug auf §
„Tandem omnes“ und die Regelungen zur Amnestie in den ksl. Erblanden in Art. IV
KEIPO6 (vgl.
[ Nr. 49 Anm. 4 ] ).
, und auch die Mehrheit des Fürsten- rats in Osnabrück ließ verlauten, daß ihrer Kayserlichen majestät in hac causa weder vorgegriffen noch maß gegeben, noch darzu der friedt, casu quo die herren Kayserlichen hierinn nicht weichen würden, gehindert
.
Am 9. Mai überbrachte eine reichsständische Deputation den kaiserlichen Gesandten den Beschluß. Diese erklärten wiederum mit Hinweis auf ihre Befehle, nicht nachgeben zu dürfen, und verwiesen die Deputation an die schwedischen Bevollmächtigten, man möge jenen beweglich zusprechen, daß die sich dermaln bequemen thüend
.
Eine rasche Einigung war gescheitert, und die nun mehr als vierzehn Tage an- dauernde Verhandlungspause
Vgl. Nr. 106 sowie APW
III C
[ 2/2, 1063 ] Z.
31–32.
der Kaiserlichen mit den Gesandten der nordischen Krone über die erbländische Amnestie dauerte an. Die kom- menden Wochen und Monate sollten noch harte Verhandlungen über die Amnestie in den Erblanden des Kaisers und die Militärsatisfaktion mit sich bringen
Vgl. Ruppert ,
340ff; Dickmann ,
473–477 und demnächst APW
II A 9.
.
IV. Die kaiserlich-französischen Verhandlungen
Von hierauß ist abermahln allerunderthänigst nichts zu berichten
,
dies vermeldete der kaiserliche Gesandte Nassau im Februar 1648 an den Hof nach Prag. In bezug auf die Verhandlungen über einen Frieden zwischen dem Kaiser und der Krone Frankreichs änderte sich an dieser Tatsache
während des Editionszeitraums kaum etwas. Im November des vorange- gangenen Jahres war ein kaiserlich-französisches Vorabkommen über die Territorialsatisfaktion des Königreichs unterzeichnet worden
. Die spanische Seite warf der französischen zudem eine Verzögerung der Verhandlungen vor, da die Franzosen die Übertragung der niederländischen Vermitt- lungstätigkeit von den Gesandten der Generalstaaten auf Prinz Wilhelm II. von Oranien und die Generalstaaten selbst forcierten
, von der Absprache einer gemeinsamen Verhandlungslinie ge- genüber den Franzosen kann jedoch im Editionszeitraum keine Rede sein.
Repgen konstatiert das Fehlen einer solchen dauerhaften Bündelung der Interessen und eines daraus resultierenden Handelns gar für den gesam- tem Kongreßverlauf
Vgl. Repgen ,
Hauptprobleme, 407.
.
Die französische Kongreßdiplomatie beschränkte ihr Wirkungsfeld aller- dings nicht nur auf Münster, sondern versuchte, auch in die Osnabrücker Verhandlungen offiziell miteinbezogen zu werden. Die kaiserlichen Ge- sandten vor Ort hätten dann der geballten Verhandlungsmacht der bei- den Hauptkriegsgegner Ferdinands III. gegenübergestanden. Zu diesem Zweck betrieb Servien, nicht zuletzt auf Wunsch der schwedischen Ge- sandtschaft , eine Partizipation des Residenten der Krone in Osnabrück, La Court, an den kaiserlich-schwedischen Verhandlungen, was die Kaiser- lichen ablehnten
. Sie verwiesen auf die damals gängige Praxis, nach der nur ein Gesandter mit einer gültigen Vollmacht für die jeweiligen Ver- handlungen zur Teilnahme befugt war. Eine solche besaß La Court nicht. Für die beiden französischen Abgesandten und später für Servien als alleinigem Bevollmächtigten galt es in erster Linie noch, drei für die Krone bedeutende Punkte zu klären. Dem Kaiser sollte die Assistenz für das Königreich Spanien, auch als Landesherr, untersagt, der Herzog von Lothringen vom Kongreß und vom Friedensvertrag ausgeschlossen sowie der Burgundische Reichskreis nicht in den deutschen Frieden mit einbe- zogen werden
Vgl. Ruppert ,
343–346; Dickmann ,
480f.
. Bereits während seines Aufenthaltes in Osnabrück im
; in dieser Zeit traf er auch mit Oxenstierna zu- sammen
Oxenstierna, der für seine Trinkfestigkeit bekannt gewesen sein soll (vgl.
Dickmann , 197), bewirtete Servien an einem Abend derart fürsorglich, daß dieser nur mit Unterstüt- zung seine Unterkunft erreichen konnte (vgl.
[ Nr. 11 ] ).
. Volmar war sich bewußt, daß nach dem ohnehin schwierigen Abschluß mit den Schweden der kaiserlichen Seite in Münster ob dieser Punkte eine vermutlich noch kompliziertere Verhandlungssituation drohte
. Ende April reiste Oxenstierna seinerseits nach Münster, um dort mit Servien die Koordinierung einer gemeinsamen Verhandlungs- position gegenüber den Kaiserlichen für die restlichen offenen Fragen zu besprechen
Vgl. Nr.n 93 und 95 sowie zwei Schreiben Serviens an La Court, Münster 1648 IV 25 (werden in
APW II B 8 ediert).
. Offenbar spielten die Kronen in diesem Zusammenhang mit dem Gedanken, die Verhandlungen zur Friedensexekution und -sicherung nach Münster zu transferieren
. Eine erneute Reise Serviens nach Osna- brück Anfang Mai zielte darauf ab, die reichsständischen Bevollmächtig- ten zur Unterzeichnung des Vorabkommens über die französische Terri- torialsatisfaktion , wie es bei dem Vorabkommen über die der Schweden
der Fall gewesen war, zu bewegen. Auch wollte Servien die Assistenz- frage , das Problem Lothringen und den Ausschluß des Burgundischen Reichskreises in den Reichskurien erörtert wissen
, denn der oben ange- sprochene Unwille einiger Reichsstände, besonders Kurbayerns, wegen der spanischen Interessen Ferdinands III. den Frieden zu verzögern, war in Paris ebenfalls bekannt
Vgl. das Memorandum Ludwigs XIV. für d’Avaux und Servien, Paris 1648 II 14 (wird in
APW II B 8 ediert).
. Dieser Vorstoß Serviens wurde durch eine unter den Gesandten der Reichsstände kursierende Schrift
propagan- distisch begleitet, in der die französischen Forderungen legitimiert und die spanische Partei am Kaiserhof für die Verzögerung des Friedensschlus- ses zur Verantwortung gezogen wurde.
Dennoch verharrte Ferdinand III. in der Position eines Kunktators. Dies verwundert, denn die Kurfürsten in München und Mainz hatten dem Kaiser schon seit Jahresbeginn deutlich zu verstehen gegeben, daß er in der Assistenzfrage nachgeben müsse. Die Kaiserlichen wußten um die Instruktionen des kurbayerischen Gesandten Krebs
Kurbayerns nicht ausgeschlossen war. Ebenso mußte ihnen bewußt sein, daß die Verzögerung eines Friedens die Wahrscheinlichkeit eines Eingrei- fens des Pfalzgrafen Karl Gustav von Pfalz-Zweibrücken mit frischen schwedischen Einheiten in die Kämpfe erhöhte und damit eine direkte Be- drohung für die kaiserlichen Erblande darstellte. Kurfürst Maximilian I. von Bayern sollte beschwichtigt und im Bündnis gehalten werden. Gleich- zeitig galt es, das spanische Königshaus um Konzessionen gegenüber Lud- wig XIV. im Hinblick auf einen doch noch rasch herbeizuführenden Ausgleich zwischen den beiden Kronen anzugehen
Vgl. Ruppert ,
348–352.
. Der Kurfürst wurde immer ungeduldiger, zumal sich der Hauptkriegsschauplatz in seinen Kurstaat verschob.
Aber Spanien lenkte nicht ein. Im April berichtete der kaiserliche Bot- schafter aus der spanischen Hauptstadt, daß man dort der Meinung sei, Frankreich wolle den Frieden nicht, gleichgültig, wie weit Spanien nach- geben würde, und eine Separation der beiden Habsburger Linien bedeu- tete eine hindansezung ihrer
[der kaiserlichen] aigenen wohlfahrt und sicherheit
Vgl. Carretto an Ferdinand III., Madrid 1648 IV 6 (
StAbt Spanische Korrespondenz Fasz. 42 [Carretto an Ferdinand III.] fol. 95–96’).
.
Andererseits stand nicht weniger als die Kaiserkrone auf dem Spiel, weil Ferdinand III. am spanischen Verbündeten festhielt und er damit eine reichständische Separation riskierte
Vgl. Repgen ,
Hauptprobleme, 407.
. Anfang Mai hatte Prag sich noch nicht zu einer Trennung von Madrid durchringen können – dieser Entschluß sollte erst im Spätsommer 1648 fallen
Hierzu vgl. demnächst APW
II A 9.
. Aber die Ge- heimen Räte des Kaisers waren sich zu diesem Zeitpunkt einig, daß der herr churfürst nit lang mehr zu halten
und daß alle vorbotten zur separa- tion seindt verhanden
Der vorliegende Band enthält die Korrespondenz der kaiserlichen Ge- sandten am Westfälischen Friedenskongreß mit dem Kaiser, dem Oberst- hofmeister Trauttmansdorff und dem Reichsvizekanzler Kurz sowie den Briefwechsel der kaiserlichen Gesandtschaftsmitglieder untereinander für den Zeitraum vom 11. Februar bis zum 11. Mai 1648. Es werden im wesentlichen die Archivalien benutzt, die bereits in den Vorgängerbänden der kaiserlichen Korrespondenzen Verwendung gefunden haben. In den Einleitungen von
APW II A 1–3 werden die Bestände detailliert charak- terisiert .
Die die Grundlage dieses Bandes bildenden Akten aus Wien entstammen den Friedensakten der Reichskanzlei (RK
FrA ),
der Geheimen Öster- reichischen Staatsregistratur (
GehStReg ),
den Friedensakten der Staats- kanzlei (
StK FrA )
sowie dem Teil des dort verwahrten Trauttmansdorff- schen Familienarchivs (TA).
Daneben zählen Nassaus Registratur in Den Haag (
KHA A
4) und die Akten Lambergs aus Linz (HA
Steyr ),
denen die Briefe des Obersthofmeisters und des Reichsvizekanzlers an den Osnabrücker Primargesandten entnommen sind, ebenfalls zu den für diesen Editionsband hinzugezogenen Kernbständen. Weitere Bestände des Wiener Haus-, Hof- und Staatsarchives, namentlich die Österreichi- schen Akten Tirol (
ÖstA Tirol ),
die Kriegsakten der Reichskanzlei (RK
KrA )
und Teile der Staatenabteilung (
StAbt ),
sowie die Codices in Giessen (
Giessen )
ergänzen die Quellenbasis. Vereinzelt wurde auch auf Materialien aus Stockholm
Beispielsweise bei der Heranziehung von
SEIPO3 zur Sachkommentierung (vgl. etwa
[ Nr. 25 Anm. 42 ] ).
zurückgegriffen. Die Relationen der kaiserlichen Gesandten an den Prager Hof und die Weisungen von dort nach Westfalen sowie der Briefwechsel der Bevoll- mächtigten untereinander sind weitgehend erhalten. Unvollständige Aus- fertigungen konnten durch Konzepte oder Kopien ersetzt werden
. Die Beratungen der deputierten Räte und die daraus resultierenden Beschlüsse im Geheimen Rat liegen im großen und ganzen ebenfalls vor
Das
Ga. zu Nr. 1 etwa liegt lediglich fragmentarisch vor.
. Die in der Kanzlei Nassaus entstandenen Kopien der Osnabrücker Relationen bestehen ab Anfang März 1648, wie oben bereits dargelegt, lediglich aus Inhaltsübersichten. Während die Korrespondenz Lambergs mit Kurz in beide Richtungen nachvollziehbar ist, ist dies bei dem Briefwechsel Vol- mars mit Trauttmansdorff nicht der Fall. Die Schreiben des Obersthof- meisters an seinen Vertrauten sind nicht überliefert. Für die Darstellung der Einschätzung der Lage am Kaiserhof hätten diese wahrscheinlich eine aufschlußreiche Quelle gebildet. Die Korrespondenz Trauttmansdorffs mit den jeweiligen Primargesandten in Münster und Osnabrück, Nassau und Lamberg, ist ebenfalls nicht vollständig erhalten. Die Antwortschreiben der beiden kaiserlichen Bevollmächtigten in Westfalen an den Obersthof- meister fehlen.
Die Einrichtung der Edition ist in den ersten Bänden der kaiserlichen Kor- respondenzreihe bereits eingehend erläutert worden. Daher werden an dieser Stelle nur die wichtigsten Richtlinien angesprochen. Jedem der hier abgedruckten Hauptschreiben ist eine eigene, halbfett gedruckte Nummer zugeordent. Links und rechts sind, durch einen Schrägstrich jeweils ge- trennt , die Nummern der Schreiben aufgeführt, die – sofern in diesem
oder im vorhergehenden Band abgedruckt – die aktenmäßigen Vorgänger bzw. die Antwort auf die betreffende Akte sind. Innerhalb der kaiser- lichen Akten wird die Überlieferung für alle Schreiben in den herangezo- genen Beständen, sowohl aus dem Hauptteil wie in den Anmerkungen oder im chronologischen Register, so vollständig wie möglich erfasst. Die kaiserlichen Handschreiben
sind durch den Zusatz (H.) von den durch die kaiserliche Kanzlei konzipierten und ausgefertigten Weisungen unter- schieden
Ein ksl.
handbriefl muß allerdings nicht komplett aus der Hand Ferdinands III. stammen (vgl.
[ Nr. 86 ] , dort ist lediglich das PS eigh.). Vielmehr bezeichnet der Begriff eine be- stimmte , formlose Art von Weisungen (hierzu vgl. ausführlich
APW [ II A 3, XLII ] ).
. Akten, die in den abgedruckten Stücken erwähnt werden und sachlich zur kaiserlichen Korrespondenz gehören, in den herangezogenen Archivalien jedoch nicht gefunden wurden, sind in den Anmerkungen mit „Das Schreiben konnte nicht ermittelt werden“ gekennzeichnet, während Schriftstücke, die nicht in diesen Rahmen fallen und nach denen daher nicht gesucht wurde, mit dem Hinweis „Das Schreiben wurde nicht ermit- telt “ versehen sind.
Die Schreiben sind vollständig abgedruckt. Lediglich auf die Anrede, die Grußformel sowie auf die Datumsangabe wurde verzichtet. Kanzlei- und Dorsalvermerke wurden gestrichen. Hinweise auf Schreiben, auf die sich der jeweilige Brief bezieht, sind mit der Formulierung „Auf Nr. xy“
sind die Stellen re- gestiert , die auf ein vorhergehendes Schreiben verweisen. Briefinhalte, die die militärische Lage, die habsburgische Hauspolitik, finanzielle Be- lange der Gesandtschaften, private Angelegenheiten oder Empfehlungen von Personen kommunizieren, sind innerhalb des Textes regestiert wor- den . Die als Beilagen ermittelten Schreiben und Protokolle sind abge- druckt , wenn der sachliche Zusammenhang dies notwendig erscheinen ließ und sie nicht in einem anderen Band der APW veröffentlicht sind oder werden. In diesem Zusammenhang sei vor allem auf das Diarium Volmar
(APW III
C 2) verwiesen, in dem einige Protokolle aus dem Edi- tionszeitraum abgedruckt sind. Diese wurden in dem vorliegenden Band der kaiserlichen Korrespondzenzen regestiert, um dem Benutzer eine knappe Inhaltsübersicht über das betreffende Protokoll zu geben
. Die Gutachten deputierter Räte und die Beschlüsse des Geheimen Rats wurden zum Teil mit eingearbeitet, da sie detaillierte Informationen über den Meinungsbildungs- und Entscheidungsprozeß am Prager Hof liefern. Mit Nr. 87A wurde ein Gutachten und der dazuge- hörige Geheimratsbeschluß ausnahmsweise als eigenes Stück und im Voll- text abgedruckt. Dies erschien notwendig, da die Räte hier sehr ausführ- lich Stellung zu zwei Relationen aus Osnabrück nehmen. Eine sinnvolle Einarbeitung des Gutachtens und des Beschlusses innerhalb der Textan- merkungen – wie sonst üblich – war ob der Länge des Textes und aus Gründen der Übersichtlichkeit nicht möglich. Zudem existiert eine partiell abweichende Vorstufe zu diesem Gutachten, die es ebenfalls noch zu be- rücksichtigen galt. In den Kopfregesten der bearbeiteten Stücke sind die jeweiligen Sekretäre oder der Rat, der das Gutachten verfaßt hat, durch einen Punkt von den beteiligten Räten abgehoben.
Das Inhaltsregest gibt summarisch den Inhalt des Hauptschreibens wie- der . Gesprächspartner und Daten von Konferenzen und Unterredungen werden genannt. Die Inhalte der Beilagen wurden nicht in das Inhalts- regest aufgenommen. Dem Gebrauch der kaiserlichen Kanzlei gemäß erfolgen die Datierungen im neuen Stil. Erschlossene Daten wurden in eckige Klammern gesetzt bzw. ergänzt. Die Anmerkungen enthalten bio- graphische , geographische, historische und rechtliche Erläuterungen, die für das Textverständnis notwendig erschienen
Die Kommentierung erfolgt in Anlehnung an den detaillierten Sachkommentar von
APW II A 6 und
APW III B 1/3.
.
Im Register der Verhandlungsakten sind die in diesem Band erwähnten Verhandlungakten des Kongresses und seines Umfeldes aufgelistet. Das chronologische Register führt die hinzugezogene kaiserliche Korrespon- denz des behandelten Zeitraumes sowie alle anderen Akten, die als Archi- valien nachgewiesen sind, auf. Danken will ich an dieser Stelle meinen Eltern, die mir über Jahre hinweg einen verläßlichen Rückhalt sowie die notwendige großzügige finanzielle Unterstützung geboten haben. Abschließend möchte ich mich bei allen Personen und Institutionen be- danken , die mir bei der Bearbeitung dieses Bandes ihre Unterstützung gewährt haben. Zunächst sind dabei die Mitarbeiter der von mir genutz- ten Bibliotheken und Archive zu nennen für ihre tatkräftige Hilfe und unkomplizierte Bereitstellung der Bestände. Zum Dank bin ich ebenfalls den studentischen Hilfskräften der Vereini- gung zur Erforschung der Neueren Geschichte e.V. verpflichtet, die durch ihre Zuarbeit für diesen Band einen reibungslosen Arbeitsablauf garan- tiert haben. Großen Dank schulde ich ferner meinen Kollegen in der Ver- einigung für ihre Anregungen und Bemerkungen. Frau Dr. Christiane
Neerfeld und Herrn Dr. Peter Arnold Heuser danke ich für die Erlaubnis, die Unterlagen für ihre französischen Korrespondenzbände, die beide in naher Zukunft erscheinen werden, einsehen zu dürfen. Herrn PD Dr. Michael Rohrschneider und Herrn Dr. Magnus Ulrich Ferber verdanke ich Hinweise und Ratschläge während der Erstellung der Textanmerkun- gen und der Einleitung. Frau Dr. Maria-Elisabeth Brunert danke ich herzlich für die oftmals geleistete Unterstützung und für die freundliche Bereitsstellung ihrer editorischen Erfahrung. Herrn Andreas Hausmann M.A., der zeitgleich mit mir einen Band der kaiserlichen Korrespondenzen bearbeitete, danke ich für den fruchtbaren Gedankenaustausch während der gesamten Editionsarbeit.
Mein besonderer Dank gilt Frau Dr. Antje Oschmann, Geschäftsführerin der Vereinigung zur Erforschung der Neueren Geschichte e. V., die bera- tend und korrigierend die Entstehung des Bandes begleitet hat. Der Rück- griff auf ihre systematische Erschließung der Archivalien, auf ihre Vor- arbeiten für die bevorstehende Publikation der Vertragsentwürfe und auf ihre inzwischen gedruckten Regesten der Verträge (APW III B 1/3) haben meine Editionstätigkeit wesentlich erleichtert. Diese Vorarbeiten zu ande- ren Teilen der APW bildeten einen Fundus, aus dem ich jederzeit schöpfen durfte. An erster Stelle schulde ich jedoch Herrn Professor Dr. Maximilian Lan- zinner , dem Herausgeber der
Acta Pacis Westphalicae , hervorragen- den Dank, der mir seine Förderung zuteil werden ließ und sein Vertrauen geschenkt hat, indem er die Bearbeitung des vorliegenden Bandes mir übertrug.
Sebastian Schmitt
Bei der Abfassung der Gutachten deputierter Räte und der Beschlüsse im Geheimen Rat gab es zum Zeitpunkt des Westfälischen Friedenskongresses am Kaiserhof noch keine standardisierten Formalien. Ein gewisses Grund- schema ist jedoch bei den meisten Gutachten und Beschlüssen zu er- kennen . Die Gutachten sind halbbrüchig, von Kanzleihand geschriebene Texte, auf deren ersten Seite in einer Kopfzeile der Sachbetreff vermerkt ist. Unter den Text des Gutachtens notierte der schriftführende Sekretär oder einer der beteiligten Räte eigenhändig den Tag der Beratung und die Namen der Beteiligten, geordnet nach dem ständischen Rang. Ein zweiter Vermerk darunter gibt den Tag sowie den Inhalt des Ge- heimratsbeschlusses wieder. In seltenen Fällen ist dieser Vermerk nicht am Ende des Gutachtens zu finden, sondern befindet sich auf der ersten Seite unter dem notierten Sachbetreff. Im vorliegenden Fall wurde eine partielle Transkription von RK
FrA Fasz. 55c (1648 IV–V) fol. 100
Vgl. das
Ga. und den Beschluß im
GR bei
[ Nr. 78. ]
vorgenommen. Hier wird exemplarisch das oben erwähnte Grundschema der Gutachten und Beschlüsse dar- gestellt ; diese bildeten die Grundlage für die Weisungen nach Westfalen und sind somit eine wichtige Quelle für die Erforschung der kaiserlichen Politik auf dem Westfälischen Friedenskongreß. Das Gutachten themati- siert die Relation der Osnabrücker Gesandten vom 2. April 1648
. Der Sekretär Schröder schrieb beide Vermerke. Sie sind hier (soweit es mit dem zur Verfügung stehenden Zeichensatz möglich war) buchstaben-, zeichen- und zeilengenau transkribiert; die Abkürzungen sind in zwei- winkligen Klammern aufgelöst (eine Ausnahme bilden die Endungen auf n
oder en).
Rechts unter dem Text des Gutachtens: Ita conclusum in consilio deputatorum 14 Aprilis 1648 ./. Præsentibus Ex[cellentissim]º D[omino] Com[ite] Curz. D[omino] Com[ite] ab Ottingen. D[omino] March[ione] de Caretto. D[omino] à Gebhardt. D[omino] Söldner. D[omino] Walderode Se[cretari]º Schröderetc. Darunter, bündig an der linken Innenseite des Blattes: Lectum coram Sacrâ Caesareâ M[aiesta]
te in consilio secreto 15 Aprilis 1648. Et conclusit S[acr]
a M[aiest]
as wie gerathen, mit diesem fernern
vermelden, es geschehe daruber ein bruch odern nit so sollen doch die Gesandten bey dieser resolution verpleiben, und muesse man das werck dar und den erfolg daruber Gott bevehlen. 2 wegen des Vollmars noch zur zeit einzuhalten. Praes[enti]
bus D[omino] Duce Sagancesi. D[omino] C[omite] à Trautmanstorf. D[omino] C[omite] Kevenhiller D[omino] C[omite] à Martinitz. D[omino] C[omite] Curz. D[omino] C[omite] Collow〈r〉adt. D[omino] Com[ite] Colloredo. D[omino] C[omite] à Wallenstein. D[omino] à Goldeck. D[omino] à Gebhardt Se[cretario] Schröderetc