Acta Pacis Westphalicae III C 3,1 : Diarium Wartenberg, 1. Teil: 1644-1646 / Joachim Foerster
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1646 X 27
Samstag Bayern bei W. Krebs hat wegen der Titelfrage
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Oxenstierna nicht gesprochen, mit Salvius nur einen Besuch gewechselt,
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wobei 1. die Gravamina, 2. die Amnestie, 3. die Pfälzer Frage, 4. die hessi-
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sche
, 5. die schwedische Satisfaktion, 6. die Abfindung der Truppen zur
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Sprache kamen: 1. Salvius: Beschwerde über die Unnachgiebigkeit der letz-
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katholischen Erklärung, Beharren auf der Autonomie, Gleichrangigkeit
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der lutherischen mit der katholischen Religion. Krebs: Daß ahn seithen der
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protestirenden pro gravaminibus werde vorgepracht, worinnen die catho-
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lische so hoch laedirt und beschwerd seyen, es hetten sie ihnen catholischen
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vor dem Passawer vertrag uber 1000 stifft und closter, auch viele nach
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demselben abgenommen, hingegen man catholischerseiths ihnen nicht eines
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fuß breitt endzogen, und doch werden von ihnen allezeit uber die grava-
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mina geruffen, da doch die catholische veri gravati und sie protestirende
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gravantes seyen. Die autonomiam anbelangend seye selbige durch das bene-
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ficium emigrationis gnugsamb concediret, welche sonst dem iure refor-
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mandi , so einem yeden in seinem land zustehe, zuwieder. Da auch solche
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autonomia auf die begerte weiß solte zugelaßen werden, welches doch nit
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zu geschehen, wurde doch selbe fur erst von den protestirenden nicht gehal-
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ten , deßgleichen auch theils catholische sich darinn opponiren werden,
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worauß novus belli fomes endstehen würde, wie man gesehen, was daher
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vor diesem fur grose opposition- und rebelliones endstanden seyen. Keine
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affection wurden die underthanen zu ihrem herrn tragen, sondern nur
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immerwehrende quaerelas fuhren. Thumbshirn hat in dieser Sache geäußert,
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daß durch verweigerung der autonomiae conscientiae coangustiret. Warauf
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alß von ihme Dr. Krebsen replicirt, daß daruber die catholische [...] sich
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ahm meisten zu beschweren, hab er vermainen wollen, daß deßen Chur-
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bayern sich nicht anzunehmen, zumaln er einige anderer religion alß der
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catholischen zuegethan in seinen landen nicht habe. Ferner habe der Salvius
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in deme uber diesen punct gefuhrten discursu zu persuadiren vermainet,
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daß die concessio autonomiae mehrers pro alß contra die catholische wer,
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zumaln sie viel eifferige gelehrte und sonderlich ad conversionem gentium
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gar habile leuth hetten, alß die patres Jesuitae vornemblich seyen. Worin
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ihme er Dr. Krebß replicirt, wan dergleichen catholische leuth in den Chur-
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sachsisch -, Brandenburgisch-, Wirttembergischen und andern furstlichen
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residenzien admittirt, alßdan würde man so groß bedencken bey der auto-

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nomia nicht haben. Hieruber aber hette der Salvius lachend geandworttet,
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daß ein solches nicht geschehen wurde. Diesen punctum gravaminum hette
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auch noch weitters der Dumbshirn pressiret, indeme er dahin gangen, daß
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das reservatum sowol fur sie alß die catholische muste verstanden, der-
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gestalt , daß wans fur die catholische auf 100 jahr bewilliget, daß es auch so
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lang fur sie gelten, wans auf ewig, auch fur sie ewig sein müste. Welches
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aber ein vergebliches anmutthen zu sein, er Dr. Krebß sich hette vernehmen
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laßen. Weitters hette auch der Dumbshirn vermeldet, wie die catholische in
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ihrer erklehrung so hart, auch der Kayserlichen declaration pro nulla zu
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halten, darauß nicht abzunehmen seye, daß man catholischerseiths zur
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accommodation dieser sach und zum frieden kein lust trugen, hingegen
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wurde iezt und kunfftige weit ihre zum frieden bezeigte lieb und eiffer
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rhümen und loben. Auff welches zur andwort gegeben, daß die abermalß
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von ihnen protestirenden begerte deputation nicht bewilliget werden
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konne; die leztere Kayserliche erklehrung seye den catholischen stenden
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ante extraditionem nicht vorgepracht, also auch deren consensus darzu
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nicht gegeben; man habe alberaiz in mehrerem gewichen und bewilliget, alß
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zu Franckfurt oder sonsten yemalß ihrerseiths begert oder gedacht worden,
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und konte weitters nicht geschehen, biß sie sich ihrestheilß anderst und
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naher erklehrten, negst remonstration, auf des Dumbshirn vermainen, daß
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von catholischen nichts concediret sein solte, welchergestalt die 100 jahr, in
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denen via iuris, via facti aber allezeit eingestelt, und uber das sessio et
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votum fur die uncatholische inhaber der erz- und stiffter nachgegeben, so
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aber von ihme Dumbshirn nichts geachtet, sondern vermeldet, daß solches
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alles ihnen vorhin gebühr und zuestehe. Daher er Dr. Krebß anlaß genom-
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men , mit mehrerem zu gemuth zu fuhren, wan man solchergestalt die consti-
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tutiones interpretiren wolt, daß kein societatas wurde bestehen konnen, und
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wie sie gar nit ursach, die friedliebende offerta der catholischen außzu-
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schlagen und dadurch zue noch mehrerm bluttvergiesung materiam zu
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geben, wurdens weder bey Gott, noch der iezt lebend und künfftigen weit
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konnen verandwortten. Auf welches der Dumbshirn, daß diß seine conside-
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ration habe, kondten aber interitum evangelicorum, warmit die catholische
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umbgingen, nicht also zugeben, cuius argumentum esse, daß in iudiciis
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under beyderley religionspersonen ein solche inaequalitas seye. Deme der
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Dr. Krebß repliciret, daß der underschied seye ex diversitate praesentan-
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tium , und würde ia kein protestirender stand einen catholischen zum cam-
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mergericht praesentiren wollen, desto weniger auch einigem catholischen,
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daß er einen, so nicht seiner religion, vorschlagen solte, zuzumutthen.
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Mahnung zum Frieden. Auf Thumbshirns Frage, was dan zue thun, hette er
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Dr. Krebs vermeldet, daß hieher auf Munster geschickt, punctuatim in der
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sachen verfahren und mit ernst gesehen würde, wie auß dem werck ein
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ganzes konne gemacht werden. 2. Salvius: Wie beim Friedensschluß allge-
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mein
auf den Ursprung des Krieges gesehen wird, so verlangen noch viele
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nach Amnestie, die nach 1618 militiret. Krebs: Daß die amnistia auf den

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ursprungk des kriegs gerichtet, es verstehe sich aber dieselbe allein ad
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bellica und nicht, wie andererseits wolle vermaint werden, auf die res iudi-
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catas et transactas. Auf behorendes angeben der Gravierten wird sich der
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Kaiser entsprechend zu erklären wissen. 3. Krebs: Die Übertragung der
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Kur geschah gemäß der Goldenen Bulle, Frankreich hat zugestimmt, die
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Zuweisung der achten Kur viel milder als das Vorgehen Karls V. gegen
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Sachsen, obwohl das Vergehen jetzt schwerer ist. Selbst England hat nie
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so viel gefordert; Pfalz kommt wieder ins Kurkolleg und erhält die Unter-
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pfalz
, deren Wert Salvius als zu gering für einen Kurfürsten bezeichnet,
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während Krebs den Ertrag für höher als den der geistlichen Kurfürsten-
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tümer
hält. Frage der 13 Millionen; Salvius will die Last auf den Kaiser
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schieben, Krebs auf Pfalz als Verursacher des Krieges. 4. Zur hessischen
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Satisfaktion erklärt Krebs, daß zu denen ganz unbefugterding und enormi-
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ter gethanen anbegehrens die catholische nimmer verstehen, weniger icht-
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was von den occupirten pläz und orthen zurucklaßen wurden. Es habe die
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landgräffin ohnedas viele millionen auß der benachtparter stende landen
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bey diesem krieg zusammengepracht und dadurch das hauß Hessen in sol-
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chen stand gesezt alß vielleicht vor niemaln. Was die Marpurgische sach
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belangt, sey selbige fur Hessen Darmbstatt durch ordentlich recht erkendt,
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und dannoch hetten Ihre Kayserliche Maiestet sich ad austregas resolvirt.
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Auf welches der Salvius, daß auß den sachen noch wol werde zu kommen
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sein. 5. Krebs: Warum nimmt Schweden das ksl. Angebot und assecuratio-
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nem imperii nicht auch ohne Zustimmung Brandenburgs an? Salvius: Be-
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steht
auf der Gegensatisfaktion mit Sagan, Großglogau, Halberstadt und
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der Expektanz auf Magdeburg. Nach Darlegung der Schwierigkeiten durch
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Krebs: Daß auf ein temperamentum wolten bedacht sein, und muste vor
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allem Stetin fur Schweden pleiben. Er hinwieder, daß das beste tempera-
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ment , auß den Vorpommerischen landen so viel gegen Stettin zuruckzu-
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geben . Salvius: Wenn Kurbrandenburg sich in der Nähe von Münster auf-
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hält
, kann man weiterverhandeln, sie hoffen auf einen Vergleich noch vor
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Jahresende. Thetten Churbayern pro assistentia ratione satisfactionis suae
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ersuchen, deßgleichen sie ihm hinwieder in seinen anliegen befurderung
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thun wolten, musten sich aber wegen restitution der obern Pfalz erklehren.
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Wobey der Dr. Krebs vermeldet, die sachen wurden sich zu gutem ver-
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gleich ahm besten schicken, wan, wie offters verlauth, ein matrimonium
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zwischen Churbrandenburg und der konigin auß Schweden getroffen
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würde. Der Salvius aber vermaint habe, daß grose aemulation ob maiorem
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potentiam in talem casum wurde veruhrsacht. Woegegen er ihme remon-
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strirt , diese sorg würde nur ad tempus sein und durch erlangung eines iun-
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gen sohns und alßdan abtheylung der landen cessiren. Daruber der Salvius
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gelacht und weitters darauf nichts geandworttet. 6. Als Salvius die Militär-
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satisfaktion
erwähnt, meint Krebs, das einfachste sei, daß jeder seine eige-
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nen
Soldaten abfinde, wozu Frankreich bereit sei. Salvius: Es hetten ihnen
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die Franzosen assistenz zugesagt, bey der cron Schweden seyen die mittel

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einmal nicht. Quoad exauctorationem militum hab hiebevor der veldmar-
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schalck Dorstensohn (welches er doch in confidentia wolte gesagt haben) zu
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seinem guttachten uberschrieben, daß wans zum friedenschluß gelangte,
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erst ein armistitium würde zu vergleichen und de pace ipsa nichts zu mel-
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den sein, weyln sonst groser tumult und meutination under der soldatesca
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endstehen, die meiste miteinander sich coniungiren und wol ein oder andern
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potentaten von seinem reich veriagen dorfften, deme vorzukommen nottig
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sein würde, die volcker in alle crais außzutheylen, da alßdan ein yeder
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schon auf die abbezahlung, ihrer desto ehender sich loß zu machen, wurde
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bedacht sein. Weiterer Bericht der Bayern: Die Brandenburger haben
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in der Pfalzfrage ihnen gegenüber auf der Alternation bestanden, Wittgen-
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stein
hat sich für die Rückgabe der Oberpfalz eingesetzt und von der
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Schwedischen satisfaction dergestalt zu reden angefangen, wie sie nicht ver-
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hoffen wolten, daß Churbayern in hinlaßung der Pommerischen landen
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consentiren werde. Deme er opponiret, obwolen Churbayern solches Ihrer
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Churfürstlichen Durchlaucht zu Brandenburg gar nicht, auch keinem einzi-
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gen stand gonne, daß er von seinen angehorigen landen ichtwas solte zu-
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rucklaßen , so seye es doch ahn dem, daß die Schweden die Pommerische
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landen in ihrem besitz und gewalt haben, und obgleich die stende zur hin-
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laßung ihren consens nicht werden geben, seyen doch zur recuperation
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keine mittel, hingegen der fried allen hochst vonnothen, welche ding er
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seinestheyls nicht kondte zusammenreymen. Wie man sehe, werde das Elsaß
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den unschuldigen pupillen amore pacis abgenommen. Auf welches der graff
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von Wittgenstein, Churbrandenburg wurde von seinen landen wenig oder
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viel ohne aequipollens nicht abstehen, so von Ihrer Kayserlichen Maiestet
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(auf zufragen, woher solches zu nehmen) muste gegeben werden. Er Dr.
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Krebß hab replicirt, daß der Kayser solches nicht konne, auch zu thun
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nicht schuldig seye, hingegen der Churbrandenburgische sustinirt, daß es
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anderst nicht zu geschehen, und werde einmal Churbrandenburg das seinig
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ohn gegenerstattung nicht hinlaßen. Alß hierauf der Churbayerische ver-
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meldet , daß schon andere mittel zwischen der konigin aus Schweden und
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Churbrandenburg wegen der nahen ahnverwandtnus sich zum vergleich
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werden finden laßen, hab der graff geandworttet, weylen die Kayserliche
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mit offeriren so fertig und freygebig gewesen, sey soviel da beschwerlicher
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fortzukommen und die Schweden mehrer hallstarrig gemacht worden. Wie
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dan der Salvius selbst gesagt habe, daß sie weiß nit wofur zu halten, wan
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sie nicht solten annehmen, was offeriret, welches sie sonst nicht hoffen
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konnen. Hetten dahero Caesareani moderatius und also nicht ohne der
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reichsstende vorwissen hierin verfahren sollen. – [...]

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