Acta Pacis Westphalicae II C 4,2 : Die Schwedischen Korrespondenzen, Band 4, 2. Teil: 1648-1649 / Wilhelm Kohl unter Mitarbeit von Paul Nachtsheim
531. Salvius an Pfalzgraf Carl Gustav Münster 1649 Januar 26 / Februar 5
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Münster 1649 Januar 26 / Februar 5
Ausf.: Stegeborg Slg. II: A, E 176 = Druckvorlage; Kopie: DG 14 fol. 124–126 (Beilage zu
Nr. 546); Eingangsvermerk Stockholm 1649 Februar 24 / März 5.
Gefahren bei weiterem Aufschub des Austauschs der Ratifikationen: Verlust der Quartiere, Streit
und Bruch mit den Verbündeten darüber, Gefahr eines Einmarschs der Kaiserlichen und Bayern
in diese Quartiere, Ruin der dortigen Bevölkerung, gefährliche Beschlüsse der Stände deswegen,
Schuldzuweisung an Schweden, Verlust der französischen Subsidien und Assistenz, Gefahren aus
Polen und Kurbrandenburg, Nichtabdankung der hessischen Völker und anhaltende Unsicherheit
des Friedens. Rat, die Ratifikation gegen eine Versicherung der Stände auszutauschen.
Obwohln die notturfft erfordert, mein will und begierde auch von hertzen
bereit gewesen, Ewer Fürstlicher Durchlaucht zum öfftern mit meinen
schreiben uffzuwartten, so ist doch an deme, daß ich durch eine nun in die
fünffte woche mir continuirlich angelegene schwehre leibsindisposition, wel-
che meine glieder und bevorab die hände allerdings krafftloß gemacht hatt,
mich biß dato darvon hab abhalten laßen müßen. Weiln anjetzo aber auß
gegenwerttiger zeit conjuncturen ich absehe, daß, je länger die commutatio
ratificationum anstehet, je gefährlicher auch die sachen lauffen wollen, so hab
ich nicht umbhin gekont, auß mangel aigener kräfften dießes in eine andere
feder zu dictiren, damit Ewer Fürstlicher Durchlaucht ich meine geringfü-
gige , doch treumeinende gedancken darüber vorstellen und bekant machen
möge.
Zwar können weder Ihre Königliche Mayestät, noch Ewer Fürstliche Durch-
laucht , noch auch wir mit grund oder fueg einigendings beschuldigt werden,
wann mann denen pactis conventis inhaeriret und daßjenige, so vermög des
friedenschlußes ante ratificationum commutationem praestirt werden soll,
vollnzogen haben will, gestald wir dann auch, wann die crohnen allein den
krieg im Reich führeten, füglich daruff bestehen könten. Alldieweiln aber vor
außwechselung der ratificationen weder der Kayßer, noch Franckreich, noch
Bayrn, noch Lamboy, noch Heßen ichtwas von ihren völckern abdancken
können, so wollen nothwendig diese inconvenientien dannenhero zu besor-
gen sein: 1. daß Ewer Fürstlicher Durchlaucht unterhabende armeen der sie-
ben craißen, wie in dem friedenschluß verglichen, nicht genießen können,
sondern leiden müßen, daß sie von den Frantzosen, Bayrn, Heßen undt Lam-
boyschen belegt bleiben und untüchtig gemacht werden; und da 2. nun keine
von diesen genanten armeen Ihrer Königlicher Mayestät völcker einigen
ohrts güthlich einlaßen wollen, so kann leichtlich geschehen, daß es darüber
zu würcklichkeiten und darauß zu einer ruptur kommen möchte, worüber
wiederwärtige und friedthaßige leuthe sich kitzelen und in die faust lachen
würden. 3. betheuren die kayßerliche und Bayerische hoch, daß, sofern die-
ßes länger also anstehen solte, ihnen ihre armeen in dero aigenen landen län-
ger zu behalten unmüglich fallen würde, sondern nothwendig auch in die
sieben craiße gehen müßten, worüber dann 4. die stände alhier und die unter-
thanen in den ländern sich fast desperat erzeigen, sehende, daß nach geschlo-
ßenem frieden sie in viel schwereren betruck gesezt seindt, alß sie vorher je-
mahls gewesen, indeme sie nicht allein eine so starcke post gellts zur militie-
satisfaction uffbringen, sondern auch einen so überauß schwehren last mit
der einquartierung außstehen und darüber (wie nicht anders folgen kann) zu
grund und boden gehen müßen. Weßwegen dann 5. gefährliche consilia und
discours geführet und gehöret werden, indeme ezliche vorzugeben beginnen,
wie sie nicht mehr in der armeen, sondern vielmehr die armeen (in ansehung
jetziger derselben weitläufftigen verlegung) in ihrer (der stände) gewalt, darzu
auch die zusammengebrachte gelter noch in ihren händen wehren und sol-
chem nach ihnen, anderst zur sachen zu thun, sehr leicht fallen könte. 6. Die
kayßerlichen nun, dießes alles merckende und sehende, ohnangesehen sie
gleichsamb gezwungen den frieden gemacht haben und überdas vom Pabst
und Spanien, auch vielen anderen catholischen, den frieden nicht zu ratifici-
ren , sehr angelegen und beängstigt werden, contestiren doch gar hoch, daß
sie den geschloßenen frieden in allen puncten und clausulen steiff und vest zu
effectuiren begehren, damit, wann es je ja zur ruptur kommen solte, sie an
ihrer seiten desto größern schein, dargegen aber der cron alle schuld zu im-
putiren ursach haben mögen. 7. Über daß nun und weiln Franckreich jezt
zween kriege, alß den Spanischen und den innerlichen, uff den halß hatt, so
gehen die Frantzößische consilia gar starck, die ratificationes außzuwechseln,
damit sie dadurch des dritten, alß des Teutschen kriegs, sich entfreyen mö-
gen , zum höchsten contestirende, jezo und bey so bewandten sachen unß
keine subsidia weiter geben, vielweniger aber, da sie den dritten krieg auch
behalten solten, einige andere assistentz laisten zu können, zu geschweigen
den gefährlichen standt, in welchen uff solchen erfolgenden fall die evangeli-
sche in gantz Europa würden gerathen müßen. Ob nun zu rathen oder zu
practiciren sein wolle, daß wir Franckreich allein die ratification außwech-
seln und dadurch selbigerseiten den frieden versichern laßen, unserstheils
aber zurückhalten und in dem zweiffel bestecken bleiben, will zu Ewer Fürst-
licher Durchlaucht hocherleuchtetem nachdencken ich in unterthänigkeit ge-
stellet haben. Franckreich sonst anzumuthen, ohn außwechselung der ratifi-
cationen die quartiere zu räumen, die plätze zu restituiren und also Teusch-
landt zu quittiren, solches wollen sie unß alß getreuen foederatis nicht ge-
wärttig sein, wie sie es dann ohnedeme auch ihrer sicherheit halber weder
thun können noch wollen. 8. Immittelst und solang nun der friede in sotha-
ner ungewißheit schwebet, vernimbt man, daß bey Pohlen und Churbranden-
burg von anderen gefähr- und nachdenckliche consilia projectirt werden. So
seind 9. der frauwen landgräffin zu Heßen Fürstliche Gnaden ihre völcker je
ehe je lieber abzudancken zwar begierig, klagen aber, daß, weiln sie ante ra-
tificationum commutationem nicht versichert seind, sie solches vorher nicht
werckstellig machen können. Unangesehen endlich nun Ihre Königliche
Mayestät und die cron Schweden einen ziemblich nutzbahren und reputirli-
chen frieden vor sich und den evangelischen staat im Römischen Reich erhal-
ten haben, so können doch weder sie, noch sonst jemand vor außwechselung
der ratificationen deßen versichert sein, sondern müßen vielmehr immerzu in
sorgen stehen, daß bey so langem uffschub alles übern hauffen geworffen und
die blasme deßselbigen uff Ihre Königliche Mayestät und dero ministros al-
lein gelegt werden dörffte.
Dießes seindt also die gefährlichkeiten, so alhier von männiglich, im fall dem
werck nicht in zeiten remidirt werden solte, exaggerirt und vor augen gestel-
let werden. Zwar seind der herr graff Oxenstirn und ich vor unßre persohnen
gnugsamb gesichert, wan wir bey unßrer habenden ordre bleiben, wann ich
aber daß publicum betrachte, kann ich keinen umbgang nehmen, Ewer Fürst-
licher Durchlaucht solches zu repraesentiren. Alldieweiln es aber nicht gnug
ist, difficultäten zu remonstriren, sondern auch uff remediam wie die incon-
venientien abzuwenden, zu gedencken nothwendig sein will, so wehre mein
geringfügiges, jedoch ohnmaßgebliches bedencken und mainung, daß mann
zu der außwechselung ratificationum wohl schreiten könte, jedoch derge-
stald , daß 1. die kayßerliche gesandten und die stände unß eine versicherung
geben, dießes ohngefehrlichen inhalts: Ohnangesehen die cron Schweden
nicht schuldig, die ratificationes außzuwechseln, ehe und bevorn alles, waß
vermöge des friedensschlußes ante ratificationem praestirt werden sollen,
würcklich gelaistet seye, jedannoch, weiln die stände ein und andere bewegli-
che motiven zu gemüth geführet, warumb es nöthig, mit selbiger nicht länger
zurückzuhalten, so wehre darein consentirt worden, doch aber mit diesem
außdrücklichen reservat und beding, daß alles dasjenige, so ante commutatio-
nem praestirt werden solten, aber biß noch nicht gelaistet worden ist, nun
ante exauctorationem militiae Suedicae et locorum restitutionem ohnwaiger-
lich und ohnverzüglich noch effectuirt werden solle.
Hierauff könte 2. zur exauctoration und restitution von Franckreich und He-
ßen ein anfang gemacht und proportionaliter dargegen vom Kayßer, Bayrn
und Lamboy auch soviel abgedancket und restituiret werden, welches dann
von diesen gemelten trouppen, alß welche uff keine satisfaction zu warten
und also keiner langen zeit bedörften, auch umb so viel ehender zu werck
gesezet werden könte, da nur allein sie alsobald sich miteinander de die et
tempore zur abdankung und restitution vereinbahren theten, worentgegen 3.
aber Ewer Fürstlicher Durchlaucht, alß welche vorher erst der convention
der 12 tonnen golts, wie auch der baaren erlegung 18 tonnen golts abwartten
müßen, zuletzt abdancken und immittelst ihre vorgehabte desseins zu voln-
ziehen , umb soviel beßer gelegenheit haben können. Dadurch nun und ver-
mittelst der ratificationen außwechsel- auch obangeführter bedingungen kön-
ten vorerst die gefährliche hin und wieder im lauff gehende menees gebro-
chen , alle theil des friedens versichert, Ihrer Königlicher Mayestät armeen des
genuß der quartier in den sieben craisen desto füglicher fähig gemacht, der
cron consilia uff jetzigem reichstag daruff fundirt, die stände des Römischen
Reichs bey contentement und affection erhalten, die unterthanen desto ehe
von der schwehren last sublevirt und die blasme von der cron und unß decli-
niret und abgewendet werden .