Acta Pacis Westphalicae : Die kaiserlichen Korrespondenzen, Band 7: 1647 - 1648 / Andreas Hausmann
65. Lamberg und Volmar an Ferdinand III Osnabrück 1647 Dezember 30

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Lamberg und Volmar an Ferdinand III.


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Osnabrück 1647 Dezember 30

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Ausfertigung: RK FrA Fasz. 53b (1647 XII)fol. 170–171’, 176–177’, praes. 1648 Januar 8 =
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Druckvorlage – Kopie: ebenda fol. 172–175 – Kopie (mit gekürztem Text): KHA A 4 nr.
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1628/44 unfol. – Konzept: RK FrA Fasz. 92 XIII nr. 1911fol. 313–317.

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Aushändigung des kaiserlichen Textvorschlags zu Vollzug und Sicherung des Friedens an
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Schweden und Protestanten (1647 XII 26). Verzögerung des Beginns der Verhandlungen
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mit Schweden.

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Unterredung mit den schwedischen Gesandten (1647 XII 30): deren Forderung nach 1.) Zeit
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für weitere Beratungen und Beibehaltung der im KEIPO4A verglichenen Punkte, 2.) Ver-
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handlungen über schwedische Armeesatisfaktion, 3.) Festlegung der Reihenfolge der Ver-
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handlungspunkte ; Antworten der kaiserlichen Gesandten hierauf; erneute Forderung Sal-
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vius ’ nach Verhandlungen über schwedische Armeesatisfaktion; Kritik der schwedischen
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Gesandten an den kaiserlichen Vorbehaltsklauseln in den Amnestiebestimmungen, Beispiel
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Baden-Durlach; Titel „semper Augustus“; angebliche Beweise der schwedischen Gesandten
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für den nicht vorhandenen Friedenswillen des Kaisers.

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Zweifel an der Friedensbereitschaft Schwedens.

19
Eur Kayserlicher Mayestät haben wir in negstvorgehender relation

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Vom 26. Dezember 1647 ( [ Nr. 61 ] ).
aller-
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underthänigst angezeigt, waßmaassen wir den überschickhten aufsaz in
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puncto assecurationis et executionis pacis

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Art. XVI *KEIPO5* ( [ Nr. 29 Beilage [3] ] ).
nach vorgangner communica-
22
tion mit denn catholischen churfürstlichen gesandten folgendts auch denn
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Schweden und protestierenden in abschrifft zuekommen lassen wolten.
24
Weil dann ermelte churfürstliche gesandten darwider kein bedenckhen
25
gehabt, ausser das sie nach dem wortt „acquisitis“ dise nachfolgende „ ces-
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santibus etiam pactis et foederibus huic restitutioni adversantibus“ bey-
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zusezen begert

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In dem Handexemplar der ksl. Ges. ist dieser Zusatz auf einem eingelegten, von Volmar
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beschrifteten Zettel vermerkt ( RK FrA Fasz. 92 XIIIfol. 293).
, also haben wir die darvon genomne abschrifften denn
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Schweden und protestierenden zuestellen lassen

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Der Textvorschlag zu Vollzug und Sicherung des Friedens war noch am 26. Dezember
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1647 an die Schweden und Protestanten ausgehändigt worden (vgl. auch APW [ III C 2/2, 933 Z. 1–4 ] ).
, gestalten sich die pro-
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testierenden erbiettig gemacht, bey denn Schweden inständig anzutreiben,
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das die conferenzen mit uns fortgesezt werden möchten, und haben auch
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am negstverwichnen sonnabendt [ den 28. ] ein deputation zu dennselben
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abgeordnet und begert, das sie solche conferenz über alle von uns auß-
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gehendigte temperamenta

43
*KEIPO5* .
antretten und lenger nit anstehen lassen wol-
34
ten . Dessen die Schweden sich auch erbotten und von selbst ganz begihrig
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erzeigt, mit vermelden, obschon die ordnung an uns wer, das wir sie be-

[p. 222] [scan. 316]


1
suechen solten, so wolten sie iedoch dessen nit achten, sondern als gestri-
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gen tages sich bey uns anmelden lassen.

3
Als wir aber gestern zue dem Oxenstirn geschickht und befragen lassen,
4
ob sie mit irer gegennothurfft gefast, so wolten wir uns, uf zeit und stundt
5
es inen gelegen, zur handlung einstellen, hat er, Oxenstern, zur antwortt
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ertheilt, sie hetten für das besser befunden, sich uf einmal über all unsere
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declarationes sambtlich zu erclären, und were Salvius eben im aufsaz be-
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griffen . Verhoffte, weil wir unserstheils auch etwas

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8 zeit] In der Kopie KHA folgt sonderlich die catholischen stände etliche monatten damit
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zugebracht.
zeit darmit zue-
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gebracht , wir wurden uns nit beschweren, noch ein tag, zween oder drey
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zuezuwartten.

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10 Anheüt] In der Kopie KHA folgt nur noch Stehen also in erwahrtung, wan sich die
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Schwedischen zur conferentz werden ahnmelden wöllen. Danach Ende der Kopie.
Anheüt aber, nach 10 uhr, schickhen sie und lassen anzei-
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gen , sie heten heüt vormittag unser erwarttet und nit gewüst, was die ur-
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sach unsers außbleibens, bis sie im nachfragen erfahren, das dasihenig, so
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sie verordnet gehabt, nit were außgerichtet worden. Stelten zue unserem
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belieben, ob wir nachmittag umb 1 uhr zu inen kommen oder, wa es uns
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ungelegen, bis auf morndrigen tag anstehen lassen wolten. Wir haben uns
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hierauf gleich zu der bestimbten stundt zu inen verfüegt und zu vernem-
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men begert, ob sie der handlung ein anfang wolten machen.

18
Die proposition aber ist vom Oxenstirn also formiert worden, das wir
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wol gesechen, inen vor dißmal was haubtsächlichs zu tractieren kein
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rechter ernst sey. Dann erstens sagte er, sie hetten zwar nit underlassen,
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denn sachen ires ortts nachzugedenckhen, befinden aber, das inen nit un-
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gleich außzudeütten, wann sie schon noch ein tag, zween oder drey dar-
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mit zuebringen müesten, sonderlich weil sie anheüt mit abferttigung irer
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postschreiben beschäfftigt. Gleichwol sechen sie, das man unserseits alles
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ab ovo

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Sprichwörtliche Formulierung für „vom ersten Anfang an“ ( Otto , 261 nr. 1318).
zu disputieren gemeint, da aber irerseits darfürgehalten werde,
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das es bei demihenigen, was mit herrn grafen von Trautmanßdorff ver-
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glichen

41
KEIPO4A .
, sein verbleibens haben und allein von denen noch streittigen
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puncten gehandlet werden soll, wie dann auch die protestierenden diser
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mainung seyen und sich derentwegen gegen uns in schrifften erclären
30
werden

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Vgl. später die Rationes der prot. Rst. für die Beibehaltung des *KEIPO4B* ,s.l. [vor 1648
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Januar 17] ( [ Nr. 97 Beilage [1] ] ).
.

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Sodann vermerckhen sie, das in unseren declarationibus die satisfactio
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militiae noch alleweil in incerto gelassen werde, da doch ohne determina-
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tion dessen man zue keinem vergleich wurde gelangen mögen.

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Drittens, ob sie gleich dessen alles ungehindert mit uns in conferenz über
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die zuegestelte declarationes eintretten wolten, so were doch vorderist

[p. 223] [scan. 317]


1
davon zu reden, was vor eine ordnung darinn zu halten und ob nit der
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punctus satisfactionis

38
Gemeint ist die schwed. Armeesatisfaktion.
vor handt zu nemmen.

3
Unser antwortt ist dahin gestelt gewesen, erstlich wolten wir inen der
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postexpeditionum halber kein hindernus machen, sondern liessend zu
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irem belieben gestelt sein, wann sie nach gehabtem genuegsamen bedacht
6
die sachen haubtsächlich mit uns vornemmen wolten. Wir werden uns
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alle stundt darzue ferttig halten.

8
Was aber zum andern die andung wegen derihenigen articul, so ver-
9
glichen sein sollen, belangte, da wer von uns schon mehrmaln darauf ant-
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wortt geben worden

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Zuletzt am 23. Dezember 1647 (vgl. [ Nr. 56 Beilage A[.1] ] , hier APW [ III C 2/2, 928 Z. 12– 17 ] ).
, und wer ia an sich selbst kundt und offenbar, das
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weder Eur Kayserliche Mayestät noch die catholischen durch einige
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formbliche acceptation von der gegenpart versichert gewesen, das es
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eben bei deme, so man aniezt für verglichen halte, ungeachtet die waaffen
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denselben mehrers fürgetragen, gelassen werden solte. Daher nit billich,
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das man die catholischen so praecise daran binden soll. Wir versechen
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uns, sie werden inen nit lassen entgegen sein, über die eingeliferte decla-
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rationes mit uns in handlung zu tretten. Die werde schon zeigen, was
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verglichen oder nit verglichen sey.

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Drittens die ordnung, so hierinn zu halten, betreffend, gelte uns zwar
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gleich, man fange ahn, wa man wolle, aber zu vermeidung aller confusion
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hielten wir darfür, das man der ordnung dess instrumenti nachgehen
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solte, dann diß were ordo naturalis und wurde die erlädigung dess vor-
23
gehenden ieweils auch zu außrichtung dess nachfolgenden dienstlich sein
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könden.

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Endtlich wüsten wir uns wol zu erinneren, waß sie wegen der satisfaction
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irer militiae mehrmals angemahnt. Wir hetten auch nit underlassen, mit
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beederseits religion zuegewandten ständen darvon zu reden, befinden
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aber, das sich noch derzeit kein theil darzue verstehen wöll, ehe und
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dann man super conditionibus pacis miteinander verglichen

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Vgl. das Protokoll vom 24. Dezember 1647 ( [ Nr. 61 Beilage [1] ] ).
. Sie hetten
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doch aus unserm proiect super assecuratione et executione pacis clärlich
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abzunemmen, das solche satisfactio nit verworffen, sondern conclusa pace
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richtig zu machen bedingt werde

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Vgl. Meiern IV, 834 sechster Absatz ( praevia conventa satisfactione ) und bes. ebenda ,
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835 vorletzter Absatz. Auch in Art. IX § 4 Absatz beginnend mit Tandem Cæsarea
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KEIPO4A war bereits die Zahlung einer Armeesatisfaktion für die schwed. Truppen vor-
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gesehen
(Text: Meiern IV, 580 vorletzter Absatz).
, und sechen wir einmahl nit, wie aniezt
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mit einiger schleinigkeit darvon gehandlet werden könne, dann solang die
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stände undtereinander nit verglichen, so werden in deliberatione dises
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punctens allerhandt mißtraüliche absechen gefüehrt und dardurch die
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sachen merckhlich gesteckht werden. Derentwegen solche consultation
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einmal so lang werde instandt halten müessen.

[p. 224] [scan. 318]


1
Hierauf hat der Salvius die red genommen, vorderist nochmaln darauf
2
getrungen, das die satisfactio militiae solte wenigist soweit richtig ge-
3
macht werden, das die soldatesca wissen köndt, waran sie sich zu halten.
4
Wir solten nur sechen, das diser punctus sein erlädigung bekommen mög,
5
alßdan wolten sie in übrigen mit uns bald einig werden.

6
Demnegst hat er den punctum amnestiae

31
Art. IV KEIPO4A betr. die Amnestie im Einzelnen.
summariter zu berüeren ange-
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fangen . Es wurden nemblich allerhandt clausulae salvatoriae angehenckht,
8
so seines erachtens nit nöthig, weil eim ieden durch die restitution nur
9
sovil rechtens, als er bevor gehabt, eingeraumbt wurde. Exemplificiert
10
hierbei mit der Baden Durlachischen sach etc., das die auch in pristinum
11
statum zu sezen und hernach erst herrn marggraf Wilhelmen sein weiter
12
recht außzuüeben vorbehalten werden solle

32
Art. IV § „Fridericus marchio Badensis“ *KEIPO5* (Text: Meiern IV, 822 vierter Ab-
33
satz ) bestätigte die Regelung für die badische Streitsache im KEIPO4A , die Mgf. Friedrich
34
von Baden-Durlach (1573–1638; 1604–1622 Mgf.) die vollständige Restitution zu Gunsten
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Mgf. Wilhelms von Baden-Baden verweigerte (Text: ebenda , 561 letzter Absatz).
. Oxenstern namb das wortt
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„semper Augustus“ als eine neüerung herfür, vorgebend, es wer doch mit
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herrn grafen von Trautmanßdorf verglichen, selbiges außzulassen

36
Im *KEIPO5* wurde die Einfügung des Titels semper Augustus in die Präambel des
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Friedensvertrags gefordert (Text: Meiern IV, 821 ). Am 20. August 1647 hatten die
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schwed. Ges. noch argumentiert, die Einfügung des Titels seie eine newerung und mit
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herrn Volmar anders vergliechen worden (vgl. APW II A 6 Nr. 207 Beilage [A]).
. Wir
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haben in eim und anderm unsere contradictiones einzuwenden nit erman-
16
glet , sonderlich erinnert, das die vocula „Augustissimus“ zwar wol

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Vgl. bspw. die Konferenz zwischen Ksl. und Schweden am 24. April 1647, in der die
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schwed. Ges. den gen. Titel für Ferdinand III. ablehnten ( APW II A 6 Nr. 46).
, aber
17
„semper Augustus“ niemaln in controversia gewesen. Sei ein titulus ordi-
18
narius Eur Kayserlicher Mayestät, den außzulassen uns als Kayserlichen
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ministris nit gebüren wolte.

20
Aber es waren unsere ein- und gegenreden wenig geachtet, und kämen sie
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letstlich mit einer ihrem vorgeben nach aus Franckhfurt inen zuegeschrib-
22
ner , aber allem ansechen nach von inen selbst erdichter relation aufgezo-
23
gen . Darin stehet, dz von glaubhafften ortten bericht werde, Eur Kayser-
24
liche Mayestät haben sich einmal resolviert, von Spania nit separieren ze
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lassen und derentwegen uns bevolchen, das wir zwar die tractatus alhie
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reassumieren, aber doch nur aufziechen und zu keinem schluss fürschreit-
27
ten solten, bis man die campagna wider an der handt haben

42
Den Verdacht, daß die Ksl. die Verhandlungen wegen der fehlenden Übereinkunft zwi-
43
schen Spanien und Frankreich hinauszögern würden, äußerten die schwed. Ges. auch in
44
ihrer Relation an Kg.in Christina vom gleichen Tage; das vermeintliche Schreiben legten
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sie allerdings nicht bei ( APW [ II C 4/1 Nr. 98 ] ). Die ksl. Ges. überschickten eine Kopie des
46
gen. Schreibens am 9. Januar 1648 an den Ks. ( [ Nr. 78 Beilage 1 ] ).
. Item, das
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Churbrandenburg sich auch entschlossen, mit Eur Mayestät wider die
29
Schweden sich zu coniungieren, worauß, sagten sie, genuegsamb zu ver-
30
spihren sey, das man an seitten Eur Mayestät keinen friden begehr.

[p. 225] [scan. 319]


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Wür haben inen gleich zu verstehen geben, das diß alles nur erdichte
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sachen seyen. Wir heten einmahl bevelch, mit inen zu schliessen, wolten
3
es auch gern thuen, wann sie sich nur der billicheit accommodieren
4
theten. Mithin haben wir unsern abschid genommen und müessen nun
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gewärttig sein, wann und waß sie ferrers in particulari an uns bringen
6
werden. Scheint wohl, das sie schlechten lust zu entlichem schluß haben.
7
Morgen werden wir hievon sowol mit denn protestierenden als catho-
8
lischen communicieren.

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