Acta Pacis Westphalicae II A 3 : Die kaiserlichen Korrespondenzen, Band 3: 1645 - 1646 / Karsten Ruppert
145. Trauttmansdorff an Nassau und Volmar Osnabrück 1646 Februar 8

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Trauttmansdorff an Nassau und Volmar


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Osnabrück 1646 Februar 8

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Ausfertigung: RK , FrA Fasz. 92 VII fol. 389–390, PS fol. 394–395 = Druckvorlage –
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Kopie: MEA , FrA Fasz. 22 unfol. – Druck: Meiern II S. 221–222 [ Ohne PS]; Doc.
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Boh. V II nr. 774 [ Nur Regest des PS ].

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Türkengefahr. Amnestie. Ausgabe der katholischen Gravamina.

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Ewer Excellenz und dem herrn wurdt ohngezweivelt bekandt sein und
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haben dieselbe auß hierbey gefugtem extract mit mehrerem zu vernehmen,
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waß fur grose praeparatoria der erbfeindt cristlichen nahmenß, der Turckh,
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zu kunfftigen veldtzug wider die christenheit mache, also daß er dieselbe
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auf yetzt instehenden fruhling mit dreyen armaden, zweyen zue landt und ei-
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ner zu wasser, anzugreiffen entschlossen ist. Welcher macht, wie ihre Kayser-
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liche mayestät bey so bewandten sachen, da eines theils dero waffen wieder
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die reichßfeindte gebraucht werden müssen, anderen theilß aber die beede
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cronen durch ihro unerhörte unbillige postulata ihro die mittell zur resi-
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stentz benehmen, mit gewalt nicht wiederstehen können. Und endtlich, wan
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man nicht alsobaldt zum frieden thut, der erbfeindt den pass wirdt leicht-
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lichen selbst nehmen können. Also ersuche ich meine herrn hiermit ganz
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dienst- undt freundtlich, sie wollen sich zu denen herrn mediatoribus ver-
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fugen und denselben von unser aller weegen vor- und anbringen, wier zwei-
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velten nicht, sie würden albereiths auch ihres orths die verläßliche und leider
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mehr dan gar zue gewisse nachricht haben, wie starckh sich der Turck
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wider die cristenheit zue wasser und lande außruste und dieselbe mit drey
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underschiedtlichen armaden anzugreiffen bedacht seye. Waß nun ihrer Kay-
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serlichen mayestätt bey dieser yetzt instehender eusserster gefahr vorerwen-
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ther beschaffenheit noch zu thun und ob sie diesem mechtigen feindt den
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pass mit gewalt werden verwehren können, daß würden sie, herrn mediato-
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res , hochvernunfftig und leicht zu erachten haben. Wier hettens ihnen auch
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zu dem endt unseres theilß zue gemuth fuhren und sie, die herren mediato-
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res , ersuchen wollen, weiln zu abwendung dieses antrohenden unheilß kein
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anderß mittell, alß dan man ohne einige zeitverliehrung den frieden
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schliesse und diesem blutdurstigem erbfeindt die allerseit auf den beinen
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habende cristliche waffen entgegensetze, daß sie sich zue den Franzosi-
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schen plenipotentiariis unverlengt erheben, denselben diese gefahr und daß
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solche zu remediiren kein aufschub leide, wol und beweglich repraesentiren
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und mit allem eiffer und ernst ermahnen, daß sie von ihren unbillichen und
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uncristlichen postulatis abstehen, dem hochlöblichen erzhauß Österreich
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unschuldigen pupillen und anderen ständen des Reichs daß ihrige mit gewalt
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lenger nicht vorenthalten, sondern mit restitution dessen den frieden also-

[p. 229] [scan. 277]


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baldt befürdern und schließen wollen. Widrigenfalß würden wir vor Gott
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und der ganzen erbahren weit bedingen müssen, wan ihre Kayserliche maye-
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stätt , aus mangell dieses friedens, weyln diese gefahr nunmehr kein einigen
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verzug mehr leide, gegen den erbfeindt zue der allgemeinen cristenheit
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unwiderbringlichen schaden den pass (welchen sie auff dise weise nicht
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genug defendiren können) verliren solten, daß heran niemandts anders
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alß diejenige schuldig, welche deroselben mit aller unbilligkeith die hirzue
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nötige resistenzmittell entziehen und diese vormaur der cristenheit mit
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fewer und schwerdt selbst zunichten zu machen, sich biß auff gegenwertige
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stundt eusserst bemuhen.

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Und dieseß könten meine herrn, wan sich die gelegenheit hierzue praesen-
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tiren wirdt, denen Französischen gesandten selbst auch zue gemuth fuhren
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und sie zue hierbey gefugtem exempel deß heyligen Ludovici

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Ludwig IX., der Heilige, (1214–1270), seit 1226 Kg.v. Frankreich. Vgl. NBG XXXI
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Sp. 775–782.
ahnweisen,
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nicht zweivelend, weilen der Ludovicus XIIII

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Ludwig XIV. (1638–1715), Kg.v. Frankreich seit 1643, Beginn der Selbstregierung
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1661. Vgl. a. a. O. Sp. 814–842.
eben diesen nahmen fuhrt,
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er werde auch dessen exemplum nachfolgen und wieder recht nicht begeh-
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ren , waß unschuldigen pupillen und ständen zuegehört. Widrigenfalß wer-
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den sie vor der ganzen erbaren weit die schuldt alleß uber die allgemeine
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cristenheit erfolgten unheils zue ewigem verdriß tragen; und alsdan erst
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ihre unmässige begierde frembder, ihnen nit zustendiger gutter bewenden,
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wan alleß umbsonst und zu spath sein wurde.

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PS Waß heut alhie im furstenrath circa punctum amnistiae und wie weit
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solche zu extendiren sey, fur zwo underschidliche mainungen außgefallen,
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ersehen Ewer Excellenz und der herr auß hiebeygefuegtem extractu protho-
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colli . Wie nun bey solcher beschaffenheit auff alle weiß unnd weg dahin zu
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trachten, damit daruber zu Munster im furstenrath die catholische ständt
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auff der ersten mainung und daß der terminus im weltlichen bey dem jahr
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1630, im geistlichen aber beim 1627. jahr verpleiben möge, erhalten werden,
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also wollen meine herrn ihnen dieses werkch aufs eyfferigste angelegen sein
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lassen. Inmassen ich hierunder nit allein dem herrn graven von Wolckhen-
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stein und dem cantzler Raigersperger die standt auff alle mensch- und
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mugliche wege auff diese mainung zu bringen und dabey zu erhalten, son-
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dern auch denen Churbayerischen gesandten selbst zu schreiben, daß sy
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nicht weniger ihres orths in acht nehmen und consideriren wolten, wie
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eyffrig sich die protestirende bemuhen, ihre churfurstliche durchlaucht in
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Bayren auff diese weiß von der chur zu bringen und daß sy dahero nit
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weniger ihres orths dahin cooperiren und die ständt disponiren helffen
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wolten, damit sy von obgemelten termino de anno 1630 nicht abweichen.

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Ich hab schon diese nachricht, daß Franckhreich schon 1636 mit Schweden
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sich verbunden

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Im Vertrag von Wismar, 1636 März 30. Druck: Sverg. Trakt. V, 2 S. 366–372.
, alles in standt de anno 1618 zu setzen und waß Franckh-

[p. 230] [scan. 278]


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reich ietzo des so bey diesen tractaten möchte geredet werden, hinzusetzt;
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seyn auff dieses zu verstehen, so selbige cron vom Reich begert, an sich zu
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bringen.

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Gleich bey verfertigung dieses haben die protestirende sich bey mir durch
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ein außschuß anmelden und vortragen lassen, daß sie sich druber zu Mün-
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ster umb die gravamina nicht angeben, sondern solche alhie entweder von
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dem Churmayntzischen directorio oder von mir (alß deme sy die ihrigen
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auch zuegestelt) wider empfangen wolten, mit dem nochmahligen erbiethen,
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daß sy auff den extremis nit zu beharren gedachten und, wan dieses
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geschehen, so köndten gleichwohl hernacher beiderseits einige von den
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protestirenden hinuber und von den catholischen hinwiderumb etliche anhero
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deputirt werden, so die sachen abhandelten. Wie nun auff diese weiß nit
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auß der sachen zu kommen, die antringende gefahr des Türckhen auch
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nicht zugibt, das werckh lenger auffzuschieben, alß ersuche ich meine
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herren gantz dienst- und freundlich, sy wollen bey dem Churmayntzischen
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directorio alda die erinnerung thuen, damit die gravamina mit dem
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allerehisten hieher geschickht und den protestirenden unverlengt außgelie-
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fert werden mögen.


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Beilagen


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[1] Extrakt aus einem Schreiben Prickelmeyers, s. l. 1646 Januar 26. Kopie: RK , FrA
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Fasz. 92 VII fol. 391 = Druckvorlage – Druck: Meiern II S. 222.

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Der Venedische ambasciator hat gestern ein expressen per posta vom fursten auß der
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Moldaw

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Fürst der Moldau war von 1634–1653 der hellenisierte Albaner Basilius (Vasile) Lupu.
38
Vgl. N. Jorga II S. 52ff. und S. 536.
hieher bekommen, mit schreiben von ihrem Bailo

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Giovanni Soranzo. Vgl. E. Eickhoff passim.
auß Constantinopell; die
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sollen bringen, wie er mir heut selbsten gesagt, waß gestalt sich der Turck starck ruste
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zu kunfftigem veldtzug wieder die cristenheit. Die armada zu wasser wolle er mit
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volck und anderen requisiten uff ein groses vermehren und darmit grose impressen
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vornehmen und alle die inseln in Mediterraneo, deßgleichen noch mit andern zweyen
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armaden per terra operiren lassen, mit einer in Dalmatia und mit der anderen gegen
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die Crabatische grentzen, alda den pass zu nehmen.

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[2] Extrakt aus der Chronik „De Rege Ludovico Sancto“ von Joinville

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Jean Sire de Joinville (1224–1319), franz. Historiker; er verfaßte zwischen 1305 und
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1309 eine Geschichte Ludwigs des Heiligen, dessen Hof er angehört und den er auf dem
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Kreuzzug nach Ägypten begleitet hatte. Vgl. NBG XXVI Sp. 806–835.
. Kopie: RK , FrA
31
Fasz. 92 VII fol. 392–392’.

32
[3] Auszug aus der vierten Sitzung des Fürstenrats, s. l. 1646 Februar 8. Kopie: RK , FrA
33
Fasz. 92 VII fol. 396.

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